piwik no script img

Friedenspreis für Ukrainer Serhij ZhadanDer Fehler des falschen Pazifismus

Serhij Zhadan erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist ukrainischer Hoffnungsträger und Demokratieverteidiger.

Serhij Zhadan besucht im Mai ein Krankenhaus in Charkiw Foto: Sergey Kozlov/epa

Als sich Serhij Zhadan nach seiner Dankesrede unter lang anhaltendem Applaus mehrfach leicht nach vorne beugt und irgendwann selbst beginnt zu applaudieren, entsteht ein Moment, in dem seine Worte sich zu setzen scheinen im Publikum, jedenfalls hofft man das.

Ein Moment, in dem sich die Zu­hö­re­r:in­nen vielleicht ihrer eigenen „Komfortzone“ (wie Zhadan sie nennt) bewusst werden, aus der heraus sie auf jemanden wie ihn – den Bürger Charkiws, den Aktivisten, den Armeehelfer, den Kämpfer für das offene und freie Wort – blicken. Ein Moment, in dem sie hoffentlich auch Zhadans Befremden über manche europäische Intellektuelle reflektieren, seine anhaltenden Zweifel, dass die Ukraine und die Ukrai­ne­r:in­nen im westlichen Europa wirklich verstanden werden.

Warum sonst müsste er am 241. Tag des russischen Angriffskriegs immer noch darauf hinweisen, dass „manche Europäer den Ukrainern ihre Weigerung, sich zu ergeben, fast schon als Ausdruck von Militarismus und Radikalismus anlasten“?

Repräsentant der ukrainischen Zivilgesellschaft

Als Serhij Zhadan an diesem Sonntagmittag in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022 überreicht bekommt, wird ein Hoffnungsträger, ein Demokratieverteidiger, ein herausragender Repräsentant der ukrainischen Zivilgesellschaft ausgezeichnet. Der im Oblast Luhansk geborene Autor und Musiker Zhadan hat schon in den Romanen „Depeche Mode“ (2004) und „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ (2012) wortgewaltig die wilde, raue, kulturreiche Ost­ukrai­ne beschrieben.

In diesen Tagen erscheint sein Kriegstagebuch „Himmel über Charkiw“. Zhadan ist zu einem Gesicht dieses Krieges geworden – er lebt weiterhin in Charkiw, gibt an der Front und in der Metro Konzerte mit seiner Band Zhadan I Sobaky, liefert Hilfsgüter an die Front.

Der Friedenspreis wurde 1950 ins Leben gerufen, um jene zu würdigen, „die sich mit Wort und Tat dem entgegenstellen, was den Frieden, die Verständigung und die Gleichberechtigung unter den Völkern gefährdet“. Zhadan verkörpert dies aktuell wie kaum jemand anders. In ihrer Laudatio (siehe den Text Seite 15/16) rückt die Berliner Schriftstellerin Sasha Marianna Salzmann unter anderem die Haltung Zhadans in den Fokus: die „Haltung des Dialogs“, die „humanistische Haltung“, nie blicke er aus „Vogelperspektive“ auf seine Figuren.

Verlust der „alten“ Sprache

Auch die Dankesrede, die Zhadan hält, ist bemerkenswert. Der 48-Jährige, gekleidet in ein graues Jackett, darunter einen braunen Rollkragenpullover, spricht über den Verlust der „alten“ Sprache nach dem 24. Februar 2022.

„Die Unmöglichkeit, frei zu atmen und leicht zu sprechen, das ist es, was die Wirklichkeit des Krieges fundamental von der Wirklichkeit des Friedens unterscheidet“, sagt er, und weiter: „Doch sprechen muss man. Selbst in Zeiten des Krieges. Gerade in Zeiten des Krieges. […] Seit Kriegsbeginn holen wir uns diese beschädigte Fähigkeit zurück, die Fähigkeit, sich verständlich zu machen.“

Zu dieser Sprache hat Zhadan bereits (zurück-)gefunden. Über Krieg, Grausamkeit, Niedertracht kann man nur konkret sprechen, legt er nahe. So berichtet er einleitend von seinen Erfahrungen als Freiwilliger, der Geräte und Hilfsgüter an die Front liefert. Im beschriebenen Fall braucht das Bataillon einen Kühlwagen für die Leichen. „Wir finden Leichen, die schon länger als einen Monat in der Sonne gelegen haben. Wir schaffen sie mit einem Kleinbus weg, da kriegst du keine Luft mehr“, sagt ihm der Soldat.

Unangenehme Fragen offen angesprochen

Der Krieg sei aber auch „die Zeit unangenehmer Fragen“, auch diese spricht Zhadan offen an. Will die Weltgemeinschaft, will Europa „um fragwürdiger materieller Vorteile und eines falschen Pazifismus willen ein weiteres Mal das totale, enthemmte Böse […] schlucken?“, fragt er.

Er benennt diesen falschen Pazifismus, er benennt auch die eklatanten und tödlichen Fehler jüngerer Vergangenheit in Deutschland und Westeuropa: „Vielleicht müssten die Europäer weniger Geld für Energieträger ausgeben, wenn die Ukrainer kapitulierten, aber wie würden sich die Menschen in Europa fühlen, wenn sie sich bewusst machten, dass sie ihr warmes Zuhause mit vernichteten Existenzen und zerstörten Häusern von Menschen erkauft haben […]?“

Zhadans Rede, das merkt man, ist auch eine Reaktion darauf, was Ukrai­ne­r:in­nen (wie ihm) beschämenderweise noch immer im Westen begegnet – etwa das Unverständnis darüber, dass sie mit einer Sprache des Hasses auf alles Russische reagierten. „Die Ukrainer müssen sich nicht für ihre Emotionen rechtfertigen, aber sicher wäre es gut, diese Emotionen zu erklären. Warum? Schon allein deshalb, damit sie den Zorn und den Schmerz nicht länger allein bewältigen müssen“, stellt er dazu fest.

Zhadan bleibt ein genauer Beobachter, ein Humanist durch und durch, auch das lässt sich seiner Rede entnehmen. Die Augen der Ukrainer sähen so anders aus heute, stellt er fest. In den Augen der Soldaten könne er die Hölle erblicken. Und doch, auch in Kriegszeiten, in denen es kein gleich und morgen und danach und später, sondern nur den Augenblick gibt, weiß er, sind wir alle „zur Zukunft verdammt“.

Er leitet daraus eine Verantwortung ab. Die Verantwortung, eine neue Zukunft zu denken und zu gestalten. Zuletzt hat er oft betont, die Ukrai­ne­r:in­nen und die ukrainischen Schrift­stel­le­r:in­nen müssten noch überzeugender werden, mit der Sprache, in der Sprache. Ihm ist das an diesem Sonntag in Frankfurt am Main zweifelsohne gelungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

42 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.   

  • Diesem typen den Friedens (sic) nobelpreis zu geben, zeigt nur wie gleichgeschlatet- sorry "embedded" das Komitee bereits ist

  • Falscher Pazifismus..... Wer so etwas von sich gibt, hat bei mir verloren. Falschen Humanismus gab es zuletzt in Dezutschland 1933, als nortmale Soldaten bei erschiessungen und Mordkommandos mitmachen mussten. Danach wurden sie belobigt für "richtigen und mutigen Humanismus" der dem Volke diente.Dieser neue Faschismus kommt nicht als Faschismus; er kommt indem unsere restemotionen gewekcht werden, wir zu tränen gerührt hungernde Ukrainerinnen sehen und danach auf die "Scheisspazifisten" losgehen die angeblich "solches leid verursachen". DAS ist Orwell PUR MENSCHEN (nicht Leute)

  • 2G
    22600 (Profil gelöscht)

    Der Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wurde nun an den Autor, Nationalisten, Russen-Hasser und Naziunterstützer Sergij Schadan verliehen.



    Das hört man offenbar weniger gern – diese undelikaten Details seiner Verdienste werden von den deutschen Medien unisono beschwiegen –, dass Schadans »Zuwendung für Menschen im Krieg« auch dem ukrainischen Oligarchen Wsewolod Koschemiako gilt, der eine nationalistische Privatarmee unterhält, für die der Künstler – sicherlich aus rein humanitären Gründen – intensiv Werbung macht. Auch Neonazis und andere extreme Rechte können stets auf Schadan zählen: Vor einigen Monaten beteiligte er sich in seiner Heimatstadt Charkiw an einer Benefizveranstaltung für die Aufklärungs- und Sabotagetruppe »Kraken« – eine Sondereinheit des faschistischen Asow-Regiments –, die für diverse Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Bereits 2016 und 2021 trat Schadan beim Banderstadt-Festival in Luzk auf. Es wurde erstmals 2007 anlässlich des 65. Jahrestages der Gründung der faschistischen Ukrainischen Aufständischen Armee, die am Holocaust beteiligt war, abgehalten, um Stepan Bandera als »nationales Symbol« zu verewigen, wie die Organisatoren betonen. Neben Naziromanen, -rock und -ramsch wie Hakenkreuz- und Wolfsangelschmuck wird in Banderstadt auch »Suppe aus Moskowitern« serviert.

  • Es soll also richtigen und falschen Pazifismus geben - nun, dann stelle ich einmal falschen und richtigen Bellizismus dagegen.

  • deswegen lese ich keine belletristik-



    am besten man liest garnichts mehr- naja, auch keine gute idee

  • Sprache des Hasses? Ich kann absolut nachvollziehen, wie Zhadan es erklärt, dass diese Sprache das ausdrückt, was die Ukrainer- und sind es tatsächlich ALLE Ukrainer? - für alles Russische empfinden. Das kann ich verstehen.



    Aber: genau so wenig, wie man von ihm verlangen kann, dass seine Perspektive als Ukrainer die russische sein kann, kann auch meine Perspektive als Deutscher nicht die seine sein.



    Und: raue, wilde Ostukraine? Ist das nicht ein Bild, das geradezu dazu einlädt, anzunehmen, dass dort geschossen und gemordet wird, weil es dort eben rau und wild zugeht? Weil es immer so war in Vergangenheit und Gegenwart, dass der Stärkere und Gewalttätigere sich durchsetzt? Denn das impliziert die Kriegslogik.



    Über diese Bilder würde ich gerne mit Herrn Zhadan ins Gespräch kommen … ob er mich dafür auch hassen wird?



    Es ist dennoch gut und richtig, dass er diesen Friedenspreis bekommen hat.

  • Hab noch nie die Forderung nach „ sich ergeben“ gehört. Nur den Wunsch nach Diplomatie, ähnlich der, die zum Getreideexport oder Gefangenenaustausch geführt hat. Und das nur, um eine Eskalation zum totalen Krieg zu verhindern. Warum wird von vielen hier fast die totale emotionale Identifikation mit der Ukraine verlangt ? Darf man nicht mehr bei aller Unterstützung nicht fragen, ob die Kapitulation Russlands das Ziel sein muss. Oder kriegsziel Rückeroberung der Krim sein muss. Gibt es Hinweise auf Völkermord und Aufstände in der Krim ? Fluchtbewegungen i d Ukraine ?

    • @Dr.med. Heinz de Moll:

      "kriegsziel Rückeroberung der Krim" oh da hat aber einer im Framingseminar gut aufgepasst. Schicke Täter-Opfer Umkehr, die Sie hier ablassen

    • @Dr.med. Heinz de Moll:

      Zum Einen wird von niemandem Diplomatie an sich abgelehnt. Es kommt darauf an, womit man die Ukrainer an den Verhandlungstisch schicken möchte - aus Sicht einiger "Pazifisten" wäre das nämlich mit nichts in der Hand außer ihrem Land, das sie dann Putin im Austausch dafür überlassen dürften, dass er aufhört, ihre Landsleute zu ermorden und besagtes Land zu rauben.

      Zum Zweiten ist die Annexion der Krim weiterhin kein Zustand, den die Ukraine hinnehmen muss, egal ob Putin die dortige Bevölkerung drangsaliert oder nicht. Sie zu akzeptieren hieße, Putin und allen Möchtegern-Putins da draußen zu zeigen, dass Gewalt eine Lösung IST, wenn man international etwas haben möchte, was jemand Anderem gehört.

      • @Normalo:

        "Der Friedenspreis wurde 1950 ins Leben gerufen, um jene zu würdigen, „die sich mit Wort und Tat dem entgegenstellen, was den Frieden, die Verständigung und die Gleichberechtigung unter den Völkern gefährdet“ ---Der Autor ist sehr haßerfüllt. Ich will es ihm nicht absprechen und verdenken. So etwas darf man auch literarisch verarbeiten und ausdrücken. Keine Frage. Jedoch: Die Russen kollektiv als Unrat und Barbaren zu bezeichnen ist nicht dem Friedenspreis zuträglich. Man hätte Zhadan anderweitig ehren können - auch mit kritischen Beleuchtungen zu seiner Vergangenheit. Das hat "die Zeit" verplempert.

      • @Normalo:

        Putin würde auch dann weiter morden, wenn er das Ukraineland bekäme. Davon muss man ausgehen. Denn seine neuen Reden legen das unzweifelhaft nahe. Der Satanismus,den er sieht muss weichen....

      • @Normalo:

        Ich habe immer die Position vertreten, dass beide Kriegsparteien gleichermaßen nicht in der Lage sind, eine Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Wie denn auch? Solange der Westen weiter negiert, dass er hier Verantwortung trägt - schon aufgrund der militärischen Unterstützung der Ukraine - und dementsprechend die Initiative ergreifen muss, werden beide Länder in den totalen Ruin getrieben, denn eine militärische Lösung zugunsten einer der Parteien erscheint auch nicht möglich. (Und das Fass mit der nuklearen Eskalation will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst aufmachen.)



        Idealerweise sind die USA bzw. Biden der Hauptinitiator für eine neue, ergebnisoffene Gesprächsrunde. Die Aushandlung eines beiderseitigen Waffenstillstandes ist da wohl die Mindestvoraussetzung, um überhaupt weiter verhandeln zu können … der Status der Krim steht dabei noch in weiter Ferne und es macht absolut keinen Sinn, darüber jetzt schon zu reden.



        Wer die westliche Verantwortung leugnet und immer nur sagt, die Ukraine entscheide selber, was sie in diesem Krieg tue bzw. Russland müsse militärisch erst niedergerungen werden, bevor es Frieden werden könne, macht sich mitschuldig an der Zerstörung und dem Leiden der Menschen in der Ukraine. Gerade wer Waffen liefert, sollte sich doch wenigstens auch Gedanken darüber machen, wie der Krieg beendet werden kann.

    • @Dr.med. Heinz de Moll:

      Jedem Vernünftigen ist klar, dass zum Schluss kein ´Siegfrieden´ Putins oder der Ukraine stehen wird, sondern ein ähnlich fauler Kompromiss wie seinerzeit in Dayton und dass Putin eher das Teil abfällt mit dem er denkt, als das er Reparationen zahlen würde.



      Aber jeder der schon mal seine alte Karre verscherbelt hat, weiß dass es unmöglich ist mehr zu bekommen, als man ursprünglich verlangt hat. Mit Minimalforderungen in Verhandlungen zu gehen, bedeutet gar nichts zu bekommen - insb. wenn der Gegner sie als ´Erfolg´ verkaufen will.



      Aber solange BEIDE Seiten nicht verhandlungsbereit sind, müssen wir zusehen, dass die Ukraine in eine möglichst vorteilhafte Situation gerät.



      Eine ´Einfrieren ´ des Konflikts ist zu verhindern, denn ein Europäisches Kaschmir oder Golanhöhen, also ein permanenter Dauerkonflikt wäre ein Alptraum, es reicht Zypern.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Euromeyer:

        Es gab keine Strategie in Europa für den Fall eines Überfalls auf die Ukraine - oder? Warum nicht?

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Euromeyer:

        Wem würde es auf welcher Ebene mehr schaden, wenn es zu einem "eingefrorenen Konflikt" käme? Wer könnte ihn evtl. aus welchen Gründen wollen oder hinnehmen wollen?

  • Serhij Zhadan hat an Benezfizveranstaltungen für die Sondereinheit „Kraken“ des Asow-Batalions teilgenommen. ”Kraken“ war mehrfach für Kriegsverbrechen verantwortlich: Ist das dann der „richtige Pazifismus“, den Zhadan meint?

    Serhij Zhadan ist vor dem faschistischen Ajdar-Batalion aufgetreten, und war mehrfach Auftritte auf dem Nazirockfestival "Banderstadt", dass einen Kult um Bandera und den OUN pflegt, ist das eine Verteidigung der Demokratie?

    Serhij Zhadan bezeichnet Russen als „Unrat“ er sagt, der Krieg habe das „wahre Wesen“ der Russen offenbart, und die russische Kultur als Stützpfeiler der „russischen Welt“ sei für den Krieg mit verantwortlich.

    »Ist Puschkin daran schuld, dass Kriegsverbrecher in Russland geboren werden? Ja, er ist schuldig. Sie alle sind schuldig.“

    Alles Handlungen und Aussagen Serhij Zhadans.

    Serhij Zhadan kann deshalb trotzdem ein guter Schriftsteller sein, er kann trotzdem Literaturpreise erhalten dürfen, aber bei einem Friedenspreis wird es seltsam. Sorry, die Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen.

    • @Sandor Krasna:

      Das ist halt die Zeitenwende:



      für eine mutige Friedensinitiative eines deutsch-russischen Schulprojektes, das sich bewusst gegen die eskalierende Politik stellt und Brücken bauen will, wird die Göttinger Friedenspreis Verleihung ohne Begründung abgesagt.



      Aber ein Serhij Zhadan wird zum Friedenskämpfer geadelt!



      Vielleicht verstehen wir unter dem Begriff "Frieden" etwas völlig anderes.



      Anscheinend sollen wir gegen das "totale Böse" schlechthin kämpfen und dafür sollen alle Mittel recht sein ohne jegliche Tabus.



      Zu was für einem Frieden soll das führen?

    • @Sandor Krasna:

      in seinem letzten Buch taucht das Wort Unrat an 2 Stellen auf (suche google Books) in denen er sich wünscht das der "nördliche Unrat" oder an anderer Stelle der "Unrat" der aus dem Osten kam und die Ukraine überfallen hat wieder über die Grenzen verschwindet und alle sich wieder ihrer natürlichen Beschäftigung nachgehen können, man die Ukraine wieder aufbaut.

      finde in dem gegebenen Zusammenhang nicht den Aufreger. Das Wort "Unrat" wenn Sie das so sehr stört, ist auch eine Übersetzung, wie das Original lautet weiß ich nicht. Aber wie gesagt in dem gegebenen Zusammenhang seh ich nicht das Problem, es geht um die Russen, die die Ukraine überfallen haben, selbst Jesus würde da explizit werden.

      Zu den Nazivorwürfen wäre ich ihnen dankbar über ein paar Links

    • @Sandor Krasna:

      Können Sie bitte Quellen für Ihre Aussagen nennen?

    • @Sandor Krasna:

      Das scheint (leider) zu stimmen. Ich bin doch etwas erstaunt, dass darüber wenig berichtet wird bzw. so unkritisch berichtet wird.

    • @Sandor Krasna:

      Links, die die Ausführungen in Ihrem Kommentar bestätigen, finden sich hier www.hintergrund.de...re-sprache/#_ftn18 (als Fußnoten)

      Hier z.B. ist das Konzert für "Kraken" auf Facebook

      m.facebook.com/wat...y-cyVZVEO1UXU&_rdr

      Und hier ein Bericht der taz taz.de/Milizionaer...-Ukraine/!5865940/

      Zitat: "... wollen die beiden kämpfen – und zwar bei Asow. Es ist eine von ukrainischen Rechtsextremisten gegründete, berühmt gewordene Miliz. Über die Frage, zu welchen Anteilen diese heute noch aus rechtsextremen Kämp­fe­rn oder einfachen Sol­da­ten besteht, gibt es heftige Debatten.

      Nach nur wenigen Wochen landen Sledak und Rijs auf eigenen Wunsch bei den Kraken, einer Spezialeinheit des Asow-Regiments. Auf ihre Uniformen nähen sie Patches mit Thors Hammer – einem der wichtigsten, global verbreiteten Symbole der Rechten"

      Die Äußerung zu 'Puschkins Schuld': m.facebook.com/100...RSFhCAy4zpNM6xvKl/

    • @Sandor Krasna:

      Irgendeinen Beleg für ihre Behauptung?

      • @Anna Bell:

        einfach mal nachlesen...

      • @Anna Bell:

        „In seinem Buch "Himmel über Charkiw" bezeichnet Zhadan die Russen laut Zeit als "Horde", "Verbrecher", "Tiere", "Unrat". Sie haben richtig gelesen. Aber es geht noch weiter in diesem Ton.



        Der Friedenspreisträger schreibt: "Die Russen sind Barbaren, sie sind gekommen, um unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Bildung zu vernichten." Und er schreibt auch: "Brennt in der Hölle, ihr Schweine."“



        Franz Alt in TP



        www.heise.de/tp/fe...17325.html?seite=2

      • @Anna Bell:

        Das mit dem Unrat kann ich leider bestätigen, steht so tatsächlich in dem aktuell bei Suhrkamp erschienen Buch Himmel über Charkiw. Fand ich ziemlich abstoßend.

  • Im Satz „manche Europäer den Ukrainern ihre Weigerung, sich zu ergeben, fast schon als Ausdruck von Militarismus und Radikalismus anlasten“ ist nur das Wort „fast“ falsch.



    Aber diese Leute sind auch keine Pazifisten, sondern im besten Falle Defätisten, im schlimmsten Leute, die sich für ihren egozentrischen Opportunismus wohlfeile Argumente zusammenschustern.



    Leute, habt ihr nichts aus den Jugoslawienkriegen lernen wollen, wo Diplomarie um möglichst billig weg zu kommen und nichts tun zu müssen Hunderttausende Tote mitverursacht hat? Damit Diplomatie erfolgreich sein kann, müssen BEIDE Seiten kompromissbereit sein. Und Putins Vorstellungen eines Kompromisses (totale Unterwerfung) sind bisher schlichtweg inakzeptabel für jeden mit einem Funken linken oder bürgerlich demokratischen Anstands.



    Freiheit wurde Faschos auf dem Kriegspfad noch nie angequatscht, sondern musste erkämpft werden, einfach weil Faschos eine andere Sprache nicht verstehen wollen.

    • @Euromeyer:

      Ja...und aufgrund dieses "Lernens" haben wir den Kosovo-Krieg gehabt (nebenbei sind nun auch die albanischen Anführer in Den Haag!), wobei wir gefährliche Präzedenzfälle geschaffen haben. Provinzen abtrennen, Zivile Infrastruktur bombardieren? NATO-Politik.



      Oder das Desaster in Afghanistan. Oder Lybien, wo man gebombt hat statt zu verhandeln. Ergebnis: 1 Jahrzehnt Bürgerkrieg. Tolle Leistung.



      Oder Syrien oder der Irakkrieg, schließlich darf man bei Massenvernichtungswaffen nicht zögern.



      Ach, und wie rechtfertigte Putin nochmal seinen Einmarsch? Mit der Lüge vom Völkermord...

    • @Euromeyer:

      Nicht umsonst wurde Defätismus im 3. Reich mit dem standrexcht besraft. wer nicht die Meinung der Führer teilte, wurde erhängt

  • Kriegslogik erhält Friedenspreis? Schwarz-Weiß-Denken erhält Friedenspreis? Es handelt sich hier doch um Literatur und nicht um unsägliche Politik. Ich verstehe die Preisvergabe nicht.

    • @resto:

      Ich weiss warum sie erfolgte, verstehen kann ich sie auch nicht. Denn sie geht davon aus, dass "wir" gewinnen und die "Guten" sind

  • Auch neu, dass in einer Eulogie auf einen mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichneten Autor mangelndes Verständnis für Hass als "beschämend" bezeichnet wird:

    》Zhadans Rede, das merkt man, ist auch eine Reaktion darauf, was Ukrai­ne­r:in­nen (wie ihm) beschämenderweise noch immer im Westen begegnet – etwa das Unverständnis darüber, dass sie mit einer Sprache des Hasses auf alles Russische reagierten《

    Und so ist auch der Rest, von der Unterstellung "um fragwürdiger materieller Vorteile" zur unhaltbaren is.gd/J7YrK6 Gleichsetzung "ein weiteres Mal das totale, enthemmte Böse […] schlucken" (um so Pazifismus als "falsch" diffamieren zu können)

    》... es wäre die Neutralität der Ukraine gewesen, die den Krieg im März dieses Jahres hätte beenden können, als sich ukrainische und russische Unterhändler auf einen möglichen Friedensplan geeinigt hatten. In beiden Fällen war es die Nato, allen voran die USA und das Vereinigte Königreich, die jeden Schritt in Richtung eines neutralen Status der Ukraine torpedierten. Während Russland die Schuld für den Beginn eines illegalen Angriffs auf die Ukraine trägt, ist es die Nato, die für die Verlängerung des Krieges verantwortlich ist [...] Angesichts der Möglichkeit einer neutralen Ukraine berief die Nato für den 23. März einen Sondergipfel in Brüssel ein, an dem auch Präsident Biden teilnahm. Der einzige Zweck dieses Treffens bestand darin, die ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen zu beenden.《 schreibt der frühere UN-Diplomat Michael von der Schulenburg (!) hier in der FR is.gd/84xQSu

    Was zwar u.a. durch diese Meldungen hier (vom März)

    is.gd/PGOfaN

    is.gd/GggT5j

    an Plausibilität gewinnt - aber aktuell in einer Friedens(!)preisrede offenbar völlig deplaziert wäre.

    • @ke1ner:

      Danke für Ihre klar wiedergegeben, Fakten basierten, äußerst guten Beitrag. Gerade die Aspekte, betreffend des am 23. März diesen Jahres abgehalten Sondergipfel, werden in Ihren angegebenen links sehr verständlich bestätigt. Eine Neutralität der Ukraine wäre es gewesen und könnte immer noch die Lösung sein. Die USA müssten nur zustimmen. Ich vermisse seit Beginn der Militärischen Aktivitäten in der Ukraine, eine ausgewogene Berichterstattung in unseren Medien über die Rolle der USA in diesem Konflikt . Der Grund für den Abbruch der Friedensvehandlungen ging doch schlicht - einfach in unseren Medien fast unter und ist vielen Mitmenschen nicht bis in ihr Bewusstsein vorgedrungen !

    • @ke1ner:

      Hören Sie sich die Rede an (siehe unten). Und machen Sie sich nicht zum Lakaien eines diktatorischen Kriegstreibers.

      • @Anna Bell:

        》Lakai(frz.:laquais– Fußsoldat) war ein bezahlterDienerinLivreeund bezeichnet im übertragenen Sinn einen übertrieben unterwürfigen Angestellten《 (Wikipedia)

        Wissen Sie, so lässt sich nicht diskutieren.

  • "etwa das Unverständnis darüber, dass sie mit einer Sprache des Hasses auf alles Russische reagierten"



    Nun gesteht man anderen Opfern von Krieg und Gewalt das Recht auf eine solche Sprache des Hasses keineswegs zu - ganz besonders dann nicht, wenn wir die Täter sind. Oder würde der Autor es auch goutieren, wenn es Palästinenser, ein Iraker oder ein Serbe sich so äußert? Nein? Warum dann in diesem Fall? Es stimmt, man kann den Angegriffenen ihren Hass nicht zum Vorwurf machen. Aber man kann eine deutsche (mediale) Öffentlichkeit fragen, warum sie in diesem Fall den Hass mit Friedenspreisen (!) honoriert - das sagt möglicherweise mehr über deutsche Ressentiments als über ukrainische Wut aus.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @O.F.:

      Ja, einen Unterschied in der Zubilligung der Sprache zu machen, das eben ist sehr bezeichnend, welche Maßstäbe gelten.

    • @O.F.:

      Meinen Kindern sage ich immer, sie sollen sich erst informieren, bevor sie sich in der Öffentlichkeit mit nicht haltbaren Aussagen blamieren.

      Daher vielleicht einfach mal die Rede nachhören in der ARD-Mediathek:



      www.ardmediathek.d...LWNiMTUwNWU1OWRhZQ

      Vielleicht stellen Sie dann ja fest, dass es einen Unterschied zwischen 'Hass-Rede' und 'Reden über Hass' gibt.

      • @Anna Bell:

        Ich habe mir die Rede angehört - aber ich habe eben auch "Himmel über Charkiw" gelesen, wo ganz andere Töne zu vernehmen sind... Und wie gesagt: der Adressat meiner Kritik ist nicht Zhadan, sondern die deutsche Öffentlichkeit.

        • @O.F.:

          Naja, erst beziehen Sie sich auf eine Aussage in der Rede, jetzt sind es die Töne (=Hass?) in seinem Buch. Letzteres kann ich tatsächlich nicht beurteilen. Jedenfalls ging es hier um das 'Reden über Hass' und warum (manche) Ukrainer alles Russische hassen.



          Und das finde *ich* äußerst nachvollziehbar, aber dennoch nicht richtig.

          • @Anna Bell:

            Ich habe mich auch anfangs nicht nur auf seine Rede bezogen, sondern auch auf die Texte, für die er ausgezeichnet wurde (das geht aus meinem Kommentar auch klar hervor); desweiteren kann ich nur noch einmal wiederholen, dass ich nicht Zhadan kritisiert habe, sondern Deutsche, die sich hinter ihm als Stichwortgeber verstecken.