KIZ-Lied über Oktoberfest: Rapper von Deppenzeitung attackiert
Die „Bild“ kritisiert die Rapper von KIZ und Mehnersmoos, weil sie über Gewalt und Drogen beim Oktoberfest rappen. Das Blatt blendet dabei Fakten aus.
J ede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht: „O, o, o'zapft is / Wenn du mich suchst, ich liege unterm Tisch / O, o, o'zapft is / Die Lederhosen san vollgepisst!“, heißt es im Refrain des KIZ-Lieds „Oktoberfest“.
Natürlich wird auf der Wiesn gekokst, geprügelt, vergewaltigt, der Hitlergruß gezeigt und allem voran gesoffen bis zur Besinnungslosigkeit. Über diese profane Wahrheit haben die Hip-Hop-Crews von KIZ aus Berlin und Mehnersmoos aus Frankfurt/Main inklusive szenetypischer Übertreibungen gerappt: „Spießer sagen: Vergewaltigung / Wir nenn'n es einfach nur Tradition / Zieh' paar Nasen Koks, singe Layla / Bevor ich in der Pissrinne einschlaf.“ Oder: „Das ist kein Safe Space / Das ist ein Sauf-Space / Bier in den Bauernmägen / Tausender bayerischer Frauenschläger.“
Im Musikvideo gab es zu angemessen schrecklicher Festzelt-Après-Ski-Mucke Filmschnipsel von Bierleichen in Lederhosen, Koks-Lines auf Biertischen, Onanier- und Prügelszenen sowie Markus Söder, der ein Fass ansticht und wie ein Gestörter „O’zapft is“ brüllt. So weit, so normal.
Nun hat das Video nicht nur zur vorübergehenden Sperrung des Youtube-Kanals von KIZ geführt. Der Text hat auch die Bild-Zeitung getriggert: Und beim Springer-Verlag, wo man sonst „Cancel Culture“ vermutet oder „Geht’s noch, ihr Spießer?“ fragt, wenn sexistische Ballermann-Hits nicht mehr gespielt werden, lautete die Schlagzeile nun: „Berliner Deppen-Rapper verärgern Stadt und Wirte“.
Beschönigender Bericht
Dazu lieferte die Bild einen beschönigenden Bericht, der behauptet, dass „unsere Wiesn“ keine „Suff-Koks-Kotz-Vergewaltigungs-Arie“ sei: „Von Skandal keine Spur: die Wiesn 2022 waren fröhlich, friedlich und herzlich“, heißt es in einer Bild-Unterzeile und im auch ansonsten weitgehend faktenfreien Bericht wird ein „Wiesn-Wirte-Sprecher“ zitiert, der den KIZ-Song – vermutlich im Gegensatz zu vielen Besuchern – nicht feiert, sondern von „Billiger Effekthascherei“ spricht. Weiter heißt es: „Es gab keine Schnapsleichen unter Tischen in Zelten. Es flogen keine Bierkrüge durch die Menge. Keine Koks-Linien auf den Biertischen.“
Nun ja, nicht ganz: Der Bildblog hat sich die Mühe gemacht, im Bericht getroffene Falschaussagen mal mit der offiziellen Polizeibilanz vom Oktoberfest 2022 abzugleichen. Und siehe da: 244 Körperverletzungen, ein versuchter Totschlag, 55 Sexualdelikte, 3 Vergewaltigungen. Es flogen Bierkrüge, 35 mal war ein Maßkrug Tatwerkzeug bei einer Körperverletzung. Ebenso gab es Hitlergrüße und Bezugnahmen zum Nationalsozialismus sowie 184 Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmitteln – überwiegend Cannabis und Koks.
Der Bildblog fasste zusammen: „Angesichts der völligen Leugnung aller negativen Oktoberfest-Aspekte durch BILD, wo es noch nicht mal Schnapsleichen gibt, scheint der Song von KIZ und Mehnersmoos der Realität deutlich näher zu kommen als der Artikel einer Redaktion, die vorgibt, journalistisch zu arbeiten.“
Und jetzt alle: „Der Himmel blauweiß kariert / Ich trag' meine Tracht aus Leder / Knutsche mit Uli Hoeneß / Kokse mit Markus Söder.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
BSW-Gründungsversammlung in Bayern
Es geht um Selenskyj, nicht um Söder