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Abschied von Hartz IVInflation frisst Bürgergeld

Mehr Weiterbildung, weniger Sanktionen: 2023 soll das Bürgergeld Hartz IV ablösen. Der Regelsatz steigt um 50 Euro – zu wenig, sagen Sozialverbände.

Wenn dir Arbeitsminister Heil (links) erzählt, dass du 53 Euro mehr bekommst – bei 7,9 Prozent Inflation Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Gleich am Mittwochmorgen wird Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im „ZDF-Morgenmagazin“ in die Defensive gedrängt. Er soll sich zum neuen Bürgergeld erklären. Der Moderator konfrontiert ihn mit der Aussage einer langjährigen Hartz-IV-Bezieherin, die von der geplanten Erhöhung um 50 Euro wenig habe angesichts der Inflation und steigender Stromkosten.

Heil bleibt ruhig und nickt. „Ich weiß, dass auch das neue Bürgergeld eine Grundsicherung ist, die ein Existenzminimum absichert – nicht mehr, aber auch nicht weniger“, antwortet er. Dann leitet er über zu all den Verbesserungen, die das neue Bürgergeld mitbringen soll: Weniger Bürokratie, mehr Weiterbildung, mehr Kooperation, weniger Sanktionen. „Der Geist des neuen Systems“ sei der der „Ermutigung und Befähigung“, erklärt Heil.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett die Einführung des neuen Bürgergelds beschlossen. Heils Gesetzentwurf wird nun im Bundestag beraten. Zum 1. Januar 2023 soll das heutige Hartz-IV-System abgelöst werden.

Für die Sozialdemokraten ist die Bürgergeldreform auch ein Stück weit politische Traumabewältigung, der endgültige Abschied von Hartz IV. Denn mit der Reform soll ein neuer Ansatz gelten: Weniger Härte und Sanktionen, dafür mehr Weiterbildungsmöglichkeiten und mehr Geld.

SPD lobt sich selbst für 53 Euro mehr

„Das neue Bürgergeld bietet Sicherheit und eröffnet Chancen“, twitterte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch. Es orientiere sich an der bevorstehenden Inflationsrate und sei weniger bürokratisch. „Zum 1. Januar lassen wir Hartz IV hinter uns“, schrieb der Kanzler. Auch Arbeitsminister Hubertus Heil lobte sich selbst: „Mit dem Bürgergeld stärken wir den Sozialstaat und bringen Menschen dauerhaft aus der Arbeitslosigkeit.“

Konkret sieht der Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium Folgendes vor: Die Höhe der Sätze wird steigen. Ab 2023 soll der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene etwa von 449 Euro auf 502 Euro steigen – das sind 53 Euro mehr. Zudem soll künftig bei der jährlichen Anpassung der Regelsätze die Inflation schneller berücksichtigt werden. Bisher wird die Inflation nur sehr zeitverzögert berücksichtigt und kann tatsächliche Mehrbelastungen kaum ausgleichen.

Doch die grundsätzliche Berechnung des Existenzminimums bleibt unverändert: Die Regelsätze orientieren sich an den durchschnittlichen Ausgaben der Einkommensschwächsten – zudem werden Ausgaben für „nicht bedarfsrelevante Güter“, etwa Zigaretten oder Zimmerpflanzen, herausgerechnet. Diese Methode des Kleinrechnens steht seit Jahren in der Kritik.

Eine große Neuerung des Bürgergeldes ist jedoch die Abschaffung des sogenannten Vermittlungsvorrangs, der eine Arbeitsaufnahme höher wertet als Weiterbildung. In der Praxis bedeutet das oft, dass Menschen in schlecht bezahlte Aushilfsjobs gedrängt werden, anstatt die Chance zu bekommen, sich weiterzuqualifizieren. Nun soll ein Paradigmenwechsel her: So sieht das Bürgergeld ein monatliches Weiterbildungsgeld von 150 Euro vor.

Zudem soll vieles unbürokratischer und nachsichtiger werden. Bürgergeld-Bezieher*innen sollen in den ersten zwei Jahren in ihrer Wohnung bleiben können, auch wenn sie eigentlich zu groß ist. In dieser Zeit dürfen auch Ersparnisse bis zu 60.000 Euro behalten werden, für jede weitere Person im Haushalt 30.000 Euro mehr. Diese Regelung wurde bereits während der Coronapandemie eingeführt und wird jetzt verstetigt. Doch auch nach diesen zwei Jahren dürfen Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen mehr „Schonvermögen“ besitzen als bisher. Zudem sollen die Zuverdienstgrenzen erhöht werden.

Sanktionen bleiben

Was die Gemüter jedoch am meisten erregt, ist das Thema Sanktionen. Diese werden nach dem Gesetzentwurf zwar nicht abgeschafft, aber deutlich abgemildert. Im ersten halben Jahr des Bürgergeldbezugs – im Entwurf heißt es „Vertrauenszeit“– soll es keine Sanktionen geben, außer bei Terminversäumnis. Anschließend kann das Bürgergeld wieder um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Härtere Sanktionen für unter 25-Jährige werden hingegen abgeschafft. Erst vor Kurzem wurde eine Studie des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) vorgestellt, die zu dem Ergebnis kam, dass Sanktionen nicht nachhaltig in Arbeit bringen, sondern einschüchtern und krank machen können.

Während Sozialverbände die Sanktionen und vor allem zu niedrige Regelsätze kritisieren, polterte etwa der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer, dass die Reform den Anreiz zu arbeiten mindere. Auch die Union kritisierte Fehlanreize – es ist der übliche Reflex, Ge­ring­ver­die­ne­r*in­nen und Arbeitslose gegeneinander auszuspielen. „Das Bürgergeld sorgt dafür, dass Nichtarbeit deutlich attraktiver wird. Das ist eine Respektlosigkeit gegenüber den Arbeitslosen und den Steuerzahlern, die mit ihren Beiträgen das Solidarsystem finanzieren“, monierte etwa der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Stephan Stracke. Das bewege sich „in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens.“

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, konterte die Kritik. Das Problem seien nicht erhöhte Regelsätze, sondern die geringe Bezahlung im Niedriglohnsektor: „Das ist eine deutliche Aufforderung an die, die niedrige Löhne bezahlen, dass sie besser bezahlen.“ Man könne nicht sagen, „der Hartz-IV-Regelsatz ist jetzt zu hoch und die Niedriglöhner haben keinen Abstand mehr.“

Grüne und FDP zeigten sich zufrieden. „Gerade jetzt in einer Krise ist das Signal klar: Wir lassen Menschen, die wenig haben, nicht allein“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld der FDP-Fraktion, begrüßte ebenfalls das Reformvorhaben. Das Bürgergeld schaffe „mehr Fairness und Leistungsgerechtigkeit“. Ziel sei ein Sozialstaat, der „Chancen schafft, sich von der Abhängigkeit von Sozialleistungen zu befreien.“

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jessica Tatti, zog ein gemischtes Fazit: „Es finden sich Licht und Schatten im Gesetzesentwurf, das Wichtigste aber fehlt: eine ehrliche Bemessung und Erhöhung der Regelsätze.“ Eine Abkehr von Hartz IV kann sie darin nicht erkennen. Tatti kritisierte „die miese Kleinrechnerei“ und forderte „einen ehrlich berechneten Regelsatz von 687 Euro.“

Die AfD demonstrierte mal wieder, dass sie nicht an der Seite der ärmeren Bevölkerungsschichten steht, anders als sie im Zuge der Energiekrise vielfach zuletzt behauptete: „Das Bürgergeld nimmt der arbeitenden Bevölkerung den Leistungswillen“, behauptete Fraktions-Vize Norbert Kleinwächter und vermischte seine sozialdarwinistische Meinung noch mit rassistischen Ressentiments: Man mache das Land „zum Fluchtpunkt von Wirtschaftsmigranten“, so Kleinwächter.

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32 Kommentare

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  • Wir brauchen dringend ein inflationsfestes, aber bedingungsloses Grundeinkommen.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    "SPD lobt sich selbst für 53 Euro mehr"



    — Nur noch peinlich! —

    Wann zieht die deutsche Politik samt SPD in den Orchestergraben? Dort sieht man sie wenigstens nicht mehr.



    Und endlich turnen dann mal die Geld-Hähne auf der Bühne herum...

  • Ein neuer Bundeskanzler, eine neue Ampel an der Regierung, und immer noch stolpert man beim shopping in unseren Innenstädten über Bettler und Obdachlose. Denkt wirklich auch nur eine/r von unseren Politikern, wir Bürger und Wähler können da noch vertrauen schenken ? Unsere Gesellschaft ist so stark wie unser schwächsten Mitglied...Bevor hier nicht aktiv und sofort angesetzt wird, ist jede Bundestagsdebatte überflüssig !

  • Ich kann mich an keine partei erinnern die da wirklich etwas sinvolles unternehmen(lustiges wortspiel) will

    Mlppd



    Dkp



    Etc



    Halten interesante reden aber nun ja sie werden nicht gewählt.

    Die linke die sich über die paar wähler freuen dürfen zerlegen sich zum größten teil selbst

    Die die geld brauchen arbeiten schwarz oder sammeln pfand

    Ps: übergewinn?

  • Die ganze Welle mit dem "Bürgergeld" ist doch nur heisse Luft. Das beschissene Hartz4 wurde umbenannt, damit die armen Sozialdemokraten ihr "politisches Trauma" auf Kosten der Steuerzahler verdrängen können.



    Die Arbeitgeber brauchen ihre billigen Zwangsarbeiter und mir ist es egal, wie sich der Sklavenmarkt aktuell nennt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und in den Leistungsabteilungen sitzt zum Teil ein widerliches Pack. Es gibt Menschen, die dürfen keine Macht über andere Menschen haben.Den selbsternannten Büro-Königen und Hobbymedizinern macht es Spass, andere Menschen zu demütigen und zu schikanieren.



    Das ganze Gefasel von "Augenhöhe" und "Vertrauen", ja nee, wer es glaubt... Das bedingungslose Grundeinkommen wäre endlich auf Augenhöhe und würde Vertrauen bedeuten. Aber dann fallen die billigen Sklaven weg, die sinnbefreiten "Bildungsträger" der Jobcenter verlieren auch ihr Einkommen, man kann niemanden mehr in die Armut, die Obdachlosigkeit oder den Selbstmord treiben und die Telekom-Beamten stehen schon wieder auf der Strasse. Und die vom Steuerzahler finanzierten Sicherheitsdienste, die den Pöbel so schön von den Mitarbeitern fernhalten......das wäre doch blöd, das alles aufzugeben.

  • taz: "Der Regelsatz steigt um 50 Euro – zu wenig, sagen Sozialverbände."

    Immer diese Sozialverbände mit ihrem Gemecker. Haben die Sozialverbände sich einmal Gedanken gemacht, wo der Staat das Geld hernehmen soll? Die SPD hatte damals den Spitzensteuersatz für die Reichen von 53% auf 42% gesenkt und die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften auch gleich noch steuerfrei gestellt. Sollen vielleicht die Reichen jetzt wieder den Spitzensteuersatz zahlen, den sie noch unter dem "Sozialisten" Helmut Kohl (CDU) zahlen mussten? Außerdem soll der Bürger mit seinen Steuergeldern ja auch weiterhin die Jobcenter "unterstützen", damit das klimaschädliche Monopolyspiel "FORDERN UND Gewinne der Wirtschaft FÖRDERN" in die nächste Runde gehen kann; denn Sanktionen sind ein "gutes Argument", damit der arbeitslose Bürger jeden schlecht bezahlten Job annimmt und man gleichzeitig auch noch Druck auf die anderen Arbeitnehmer ausüben kann. Die Jobcenter braucht man also weiterhin, denn der Spruch der Bundesagentur für Arbeit "Fördern und Fordern" heißt doch nur: "Entweder fügst du dich oder du hungerst". Egal ob Menschen oder Tiere, man beherrscht sie am besten mit Nahrung, und deshalb hält man ja auch so eisern an den Sanktionen fest und wirft lieber Steuergelder für diese sogenannte "Behörde" aus dem Fenster. Geld was man besser in neue Schulen oder in Klimaschutz stecken sollte.

    Hartz IV wird also in diesem Sozialstaat (Art. 20 GG) fortgesetzt, nur mit etwas "weniger Härte und Sanktionen", damit unsere "Volksvertreter" nicht doch irgendwann über Art. 1 GG "stolpern". Man hat einfach Hartz IV in Bürgergeld "umetikettiert" und den Regelsatz nur so weit erhöht, damit man den Freibetrag für die Einkommenssteuerzahler auch nicht sonderlich erhöhen muss, denn so spart man auch an den Einkommenssteuerzahlern viele Milliarden Euro. Aus dem Schokoriegel Raider (Hartz IV) wurde Twix (Bürgergeld), aber der Inhalt der Zutaten (Bevormundung und Sanktionen) hat sich trotzdem nicht geändert.

    • @Ricky-13:

      Vielleicht schauen Sie bei der Bewertung unseres Sozialstaats gelegentlich mal über der Tellerrand:



      In vielen Ländern der Welt müssen Menschen hungern, davon sind wir in Deutschland weit entfernt.



      Sie schreiben hier, an den Sanktionen habe sich nichts geändert, dass ist falsch, im empfehle Ihnen ein nochmaliges Durchlesen der neuen Regelungen.



      Alle Beschäftigte der Jobcenter zu beleidigen und zu verunglimpfen, ist ein Frechheit.



      Es gibt Viele, die sich sehr um Ihre Kunden bemühen.



      Eine Umbenennung in Bürgergeld wertet auch das Image der BezieherInnen auf, die hier nämlich als das bezeichnet werden, was sie sind: Bürger, wie Alle Anderen !

      • @Philippo1000:

        "Alle Beschäftigte der Jobcenter zu beleidigen und zu verunglimpfen, ist ein Frechheit."

        Ich habe keine JC-Mitarbeiter beleidigt. Dass es Menschen gibt, die sich dafür hergeben ein System zu unterstützen, mit denen man aus arbeitslosen Bürgern "Leibeigene" machen kann und man damit den Niedriglohnsektor noch mehr ausbauen kann - nur damit Deutschland weiterhin der 'Exportweltmeister von Europa' bleibt - ist allerdings sehr bedenklich für einen demokratischen Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG). Die "Vermittlungsvorschläge" der Jobcenter beruhen nämlich auf § 10 SGB II und dieser Paragraph soll wohl den Art. 12 GG umgehen. Das ist aber nur zulässig wenn man gleichzeitig das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG - Einschränkung von Grundrechten durch ein Gesetz) nennt. Warum wird das Zitiergebot, das unter diesen Umständen eine festgelegte Pflicht für eine Behörde ist, von dieser BA/JC-"Behörde" umgangen bzw. gar nicht erwähnt? Eine deutsche Behörde hat sich an das Grundgesetz zu halten, ansonsten ist für Willkür und Schikane wieder Tor und Tür geöffnet.

        Gibt es eigentlich noch eine weitere Behörde in Deutschland, wo der Bürger auch einen "Knebelvertrag" (Eingliederungsvereinbarung) unterschreiben muss, der seine bürgerlichen Rechte einschränkt oder hat man nur den Jobcentern dieses 'Sonderrecht' eingeräumt? Bei einem Jobcenter handelt es sich doch 'angeblich' um eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersteht, und damit ist doch ein "Vertrag" mit den eigenen Bürgern gar nicht nötig, besonders wenn die Jobcenter als echte Behörden agieren möchten.

        Vielleicht sollten Sie einmal über Ihren Tellerrand blicken und sich gelegentlich auch mal das Grundgesetz anschauen. Übrigens wäre ein "Bürgergeld" nach dem Wortlaut ja 'Geld was alle Bürger bekommen müssten', also ein BGE, aber das ist unseren "intelligenten Volksvertretern" wohl wieder mal nicht aufgefallen.

  • mein Gehalt steigt nicht um 12%



    hätte Pilot bei Lufthansa werden müssen



    Dennoch habe ich das Gefühl, dass mein Chef seine Mitarbeiter leistungsgerecht entlohnt. Leider ist der Staat nicht in der Lage leistungsbezogen seine Bedienstete und Bedürftigen zu entlohnen

    • @Ramaz:

      Leistungsbezogen zu entlohnen ist zum einen übel, da Menschen, die aufgrund besonderer Krankheit oder Behinderung nicht viel leisten können, zu wenig Einkommen zuteil wird und darüberhinaus im allgemeinen heuchlerisch/falsch, da im Kapitalismus durch Kapital mehr Einkommen generiert werden kann als durch Arbeit. Einkommen hingegen sollten Bedarfe widerspiegeln.

  • Ich sag mal so: in einem Jahr werden wir immer noch von Hartz IV sprechen. (Bürgergeld hin oder her. Minister Heil hatte vor Monaten ja schon gefordert, dass ALG II einen neuen Namen braucht, da es aktuell so negativ klingt.)

  • Na klar, ist das nicht viel, aber in meinem Fall viel besser als für 14 Euro die Stunde arbeiten:

    Miete (2 Zimmer) 730,- zahle das JC



    Heizung: egal wie hoch, zahlt das JC und das kann mit Gas richtig viel sein.

    und dann wird man jetzt nicht mehr mit Sanktionen genervt und bekommt keinen Stress wenn man etwas Vermögen besitzt. Und wenn man sich weiterbildet - werde ich im nächsten Sommer machen - sogar noch etwas obendrauf. Das ist OK

    • @V M:

      Da haben Sie aber Glück. Meine Miete 260. Energiekosten 180 die zahlt das Jobcenter aber nicht, sondern nur 70 €. Bin aber behindert, da muss man an den Menschenrechten sparen. Klassismus eben.

  • Wenn die Inflation in Deutschland bei rund 9 Prozent liegt (2023 soll sie wieder sinken), die Erhöhung der beim Bürgergeld (von 449 auf 502 €) aber bei 12 Prozent, dann frisst die Inflation nicht (!) die Erhöhung.



    Unabhängig davon ist der Regelsatz mit 503 Euro zu niedrig und ja, man sollte den Stromverbrauch aus der Berechnung für den Grundbedarf rausnehmen

  • Oh wow. Von dem Satz könnte ich Warmmiete und Versicherungen bezahlen. Also 'warm' heißt ohne Strom oder Internet. Und zu Essen bekäme ich auch nichts. Wie stellen die sich das vor, dass DAS eine Verbesserung bringen soll?

  • Was komischer Weise niemand kritisiert, ist das Weiterbestehen der "Bedarfsgemeinschaft". Dieses weit gefasste Konstrukt sorgt dafür, dass Menschen finanziell aneinander gekettet werden. Versucht einer auszubrechen, wird es schwer.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Gebe Ihnen vollkommen recht. Dieses Konstrukt ist einfach nur Verachtenswert. Es muss abgeschafft werden.

  • Ich bekomme keine staatlichen Leistungen, weil ich durch jedes Raster falle.

    Diese Sozialleistungen unter dem jetzt geltenden Regelsatz von 449,- Euro für Alleinlebende sind jedenfalls zu wenig, und es werden 50 Euro mehr nichts daran ändern, dass die Kosten für das Alltagsleben kaum davon getragen werden können.

    Energiekosten werden nur für Heiz-und Warmwasserkosten übernommen, die über die Wohnung abgerechnet werden, nicht aber die Stromrechnung, die bei Wohnungen mit Durchlauferhitzer den größten Anteil für Warmwasser ausmachen. Nur ein Beispiel von vielen.

    Jede Position, wenn man die 449,- Euro ansieht geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.

    155,82Lebensmittel



    43,82Freizeit, Kultur



    40,15Post, Telekommunikation



    37,26Bekleidung, Schuhe



    38,07Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung



    27,35Haushalt



    35,77Waren, Dienstleistungen



    40,27Verkehr



    17,14Gesundheitspflege



    11,73Beherbergung, Gaststätten



    1,62Bildung



    449,00Summe erlaubt

    So dass klar ist, die Positionen werden anders ausgegeben, zum Beispiel für Lebensmittel.

    1,62 Euro für Bildung.

    Jedes unvorhergesehene Ereignis kann davon nicht getragen werden. Schulden sind dann die Folge.

    Wenn ich Welt und FAZ und ZEIT lese, werden mir clevere Geldanlagen aufgedrängt. In der ZEIT heute die Kolumne von Christiane von Hardenberg. Wer bei Zeiten vordenkt und spart, kann seinen Kindern den einjährigen Auslandsaufenthalt finanzieren. Das ist doch nett mitgedacht, Geldanlage für ärmere Haushalte.

    Wer wie von der Leyen gestern diese peinliche Kleidungswahl ausübt, gleichzeitig einen EU-weiten Minibetrag zur Abschöpfung von Krisengewinnen nennt und die gesellschaftlich-finanzielle Spaltung nicht erkennen kann, hat in der Politik eigentlich nichts verloren.

    Hubertus Heil hat meist gute Ansätze. Zur Neuerfassung der Mindestsätze, zur Entlastung gebunden an Einkommen.

    Er kann sich nur zum Teil damit durchsetzen. Das ist ein Problem.

    Die Linke täte gut daran, die Sozialverbände und Gewerkschaften zu unterstützen.

  • Inflation " Frist " Einkommen und Vermögen der meisten Mitbürger - dennoch bleibt HARZ IV oder Bürgergeld ein Instrument für Industrie und Wirtschaft. Ein soziales Sozialsystem für Arbeitnehmer, Ruheständler, Geringverdiener,



    und Kranke - würde die Gesellschaft weniger spalten und für mehr Solidarität in der Bevölkerung sorgen.

  • Es wäre sinnvoll gewesen, wenigstens die Strompauschale aus dem Warenkorb herauszunehmen (36 Euro) und stattdessen den Empfängern die Stromrechnung zu bezahlen, ausgehend vom Durchschnittsverbrauch des letzten Jahres.



    Die angebliche Erhöhung - die ein Inflationsausgleich ist, der auch nach der alten Berechnung so gekommen wäre - wird in jedem Fall von den anstehenden Preiserhöhungen für Strom aufgefressen und sehr wahrscheinlich auch übertroffen werden.

  • Leider wurde das falsche Berechnungsmodell nicht aufgegeben, richtig wäre wieder ein Warenkorb, leider wird nur daran gemessen, was sich Arme leisten lönnen, also nicht der Bedarf. Es fliesst nicht ein, dass Strom und Lebensmittel deutlich teurer werden, deutlich mehr als der Fuffi. Die größten Umfaller sind die sich bejubelnden Grünen, war bei Wahlantritt 50 € gefordert, bleibt es dabei trotz dass die Preise danach erheblich anzogen.

  • "Sollen sie halt Kuchen essen, wenn das Brot so teuer ist" ... oder eben kürzer duschen - könnte es arrogant und ignorant von Leuten aus wohlhabenderen Schichten tönen.



    Es wird bereits seit Jahren - also vor Energiekrise und Krieg! - eine wesentlich höhere Anhebung gefordert. Die 50 Euro Anhebung jetzt sind einfach nur Hohn und Zynismus.

  • Schade, nachdem einige JounalistInnen der taz wieder wertfreie Berichte geschrieben haben und in anderen Artikeln Kommentare folgten, hier wieder Kuddelmuddel.



    Weder werden die Reformen von Harz 4 in Gänze aufgeführt , noch kommt eine beidseitige Bewertung zu Wort.



    Wer objektiv informiert werden will, muss auf Andere Medien zurückgreifen.

    • @Philippo1000:

      Wirtschaftswoche.de?



      Zeit?



      Das sind diese anderen Medien?

      • @Troll Eulenspiegel:

        In diesem Fall ist beispielsweise tagesschau. de deutlich objektiver.

  • Ich fordere die Gewerkschaften auf für ein Bürgergeld in Höhe von 504 EUR zu kämpfen.

  • Manches sind tatsächlich echte Verbesserungen, die jedoch durch die geringe Erhöhung von nur 53 Euro ad absurdum geführt werden, denn die Inflation frißt diese 53 Euro nicht nur komplett auf, sondern stellt bezogen auf die Kaufkraft eine echte Kürzung des bisherigen Regelsatzes dar, weil die Teuerungen genau der Produkte, für die Personen mit sehr geringem Einkommen 100 Prozent ihres nach den Wohnkosten verbleibenden Einkommens ausgeben, deutlich über der offiziellen DurchschnittsInflationsrate liegt.

    Die Ansichten des Stephan Stracke halte ich nicht für weltfremd, sondern für unbewußt böswillig. Daß ein starker Anreiz zur Arbeitsaufnahme vor allem dadurch entsteht, daß auch im Niedriglohnbereich Löhne bezahlt werden, von denen man auch ohne staatliche Zusatzleistungen leben kann und auch im Alter eine Rente bekommt, von der man leben kann, liegt auf der Hand. Es ist deshalb absolut überflüssig, hier zwecks Gierbefriedigung eines Klientels Stimmung zu machen und die Mißgunsttrommel zu schlagen.

  • Kaufkraftmäßig gewinnen die Hartz4-Empfänger tatsächlich nichts dazu. Das kann man schon daran erkennen, dass nach der alten Berechnung eine Inflationsanpassung in fast gleicher Höhe und zum gleichen Zeitpunkt fällig gewesen wäre.



    An dem osbskuren Warenkorbmodell (schon mal einen halben Haarschnitt bezahlt?) und seinen absichtlich unseriösen Berechnungsgrundlagen wurde nichts verändert.

  • Ist schon klar, dass sofort mehr gefordert wird. Das finde ich aber nicht ehrlich. Immerhin erhält man mit dem Bürgergeld die Miete und die Nebenkosten und



    das sind im Moment die grössten Inflationstreiber. Ausserdem wird das Bürgergeld laufend mit der Inflation angeglichen. Das finde ich auch richtig.

    Für mich persönlich ist das Bürgergeld ein gelungenes Projekt. Mir nimmt es die Angst vor einer finanziellen Gas-Katastrophe und Mieterhöhungen jagen mir jetzt auch keinen Schreck mehr ein.

    • @V M:

      Die Preise für (Grund)nahrungsmittel sind in den letzten zwei Jahren 30 bis 90 Prozent gestiegen.



      Also genau in dem Bereich, in dem viele schon vorher wenig bis keinen Spielraum hatten.

    • @V M:

      Mieten werden aber nur bis zu einer gewissen Summe vom Amt übernommen. Überschreitet die Mieterhöhung diese Summe kann man sich aussuchen ob man die Differenz vom Regelsatz selbst zahlt oder umzieht.

      • @Andreas J:

        Träum weiter: Ich wohne Eberswalder in zwei Raumwohnung. Nicht ganz billig, aber das Amt zahlt alles und auch die Kosten für die beschissene Gasheizung. Mach zusammen 800 Euro und wird bestimmt noch mehr.



        Man muss halt ein wenig hartnäckig sein