Hamburgs Jobcenter kürzt Angebote: Nehmen von den Schwächsten

Hamburgs Jobcenter will Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose auf 800 kürzen. Die Träger sagen, es gebe genug Geld, um 1.200 Plätze zu retten.

Zwei Frauen stehen in einem Laden mit Kleidung hinter dem Ladentisch

Steht auch auf der Kürzungsliste: das Sozialkaufhaus in der Fuhlbüttler Straße in Hamburg-Barmbek Foto: einfal

HAMBURG taz | In Hamburg droht ein Verlust vieler Arbeitsgelegenheiten (AGH) für Langzeitarbeitslose. In Projekten wie Cafés und Sozialkaufhäusern in armen Vierteln sorgen sie für Lebensqualität. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Beschäftigungsträger (LAG) wirft dem Jobcenter Hamburg nun vor, „ohne Not“ den sozialen Arbeitsmarkt zu zerstören.

Nur 800 von derzeit 1.600 AGH-Plätzen sollen bleiben. Das kündigte das Jobcenter im Juli an, als publik wurde, dass die Ampel-Regierung in Berlin das Budget für Langzeitarbeitslose kürzt. Doch nach Berechnung der LAG würde das Hamburg verbliebene Geld reichen, um weiter 1.200 AGHs und 1.500 sogenannte sozialversicherte Arbeitsplätze zu finanzieren.

Die Rechnung geht von der politischen Prämisse aus, weiter 25 Prozent des Eingliederungs-Budgets für Langzeitarbeitslose für geförderte Beschäftigung auszugeben. Die Kalkulation habe man der Sozialbehörde vorgelegt, sagt LAG-Sprecher Bernd Schröder. Doch die habe es als „nicht finanzierbar“ abgelehnt – ohne die eigenen Zahlen offenzulegen.

In einem offenen Brief fordert die LAG die Stadt jetzt auf, ihre 50 Prozent Stimmenanteil beim Jobcenter zu nutzen und eine „Lösung“ zu finden. Die Ampel hat auch das Budget für die Verwaltungen der Jobcenter gekürzt – und es sehe so aus, sagt die LAG, als wolle das Jobcenter diese Kürzungen ebenfalls bei den Maßnahmen für Arbeitslose realisieren. Also bei jenen, die die Unterstützung am dringendsten benötigten.

Die Sozialbehörde erklärt selbst, dass „Umschichtungen“ zulasten der Arbeitsmarktpolitik nötig seien. Laut Ampel-Beschluss bekäme das Jobcenter 2024 für beide Budgets sieben Prozent weniger Geld als 2023. Mit der Bürgergeld-Einführung seien die Anforderungen ans Personal so stark gestiegen, dass es „weder inhaltlich sinnvoll noch ohne weiteres rechtlich möglich“ sei, dort zu sparen.

Sozial-Politiker aller Fraktionen in Sorge

Das Thema beschäftigt am Mittwoch die Hamburger Bürgerschaft, wo die CDU einen Antrag stellt. „Wir wollen, dass die Kürzung nicht eins zu eins umgesetzt wird“, sagt CDU-Politiker Andreas Grutzeck. Hamburg solle einen Teil der Kosten übernehmen und nachrechnen, „ob Plätze erhalten werden können“. Die CDU verweist darauf, dass das Jobcenter 2021 und 2022 gar nicht das ganze Bundesgeld ausgegeben und je 15 Millionen Euro zurücküberwiesen habe. „Die Kürzungen scheinen übertrieben.“

Olga Fritzsche von der Linksfraktion hat dazu einen Zusatzantrag geschrieben, der unter dem Titel „Kürzungs-Hammer der Ampel gegen Arme“ auch zur „Aktuellen Stunde“ angemeldet ist und ebenso wie der CDU-Antrag voraussichtlich in den Sozialausschuss überwiesen wird. Angesichts von 33.000 Langzeitarbeitslosen und wachsender Armutsgefährdung wäre die Kürzung ein „fatales gesellschaftliches Signal“, sagt Fritzsche. Hamburg solle 30 Millionen Euro von seinen Steuermehreinnahmen nehmen, um die Projekte abzusichern und dort sozialversicherte Stellen zu schaffen.

Auch die grüne Arbeitsmarkt-Politikerin Filiz Demirel warnt: Kämen diese Kürzungen, wäre der Schaden enorm. „Es wäre daher sinnig, an den 25 Prozent für den sozialen Arbeitsmarkt festzuhalten.“ Nur so könne Hamburg die einschneidenden Wirkungen der Bundeskürzungen reduzieren und Langzeitarbeitslosen Teilhabe ermöglichen.

Hamburgs SPD-Fraktion, sagt Jan Koltze, ihr Sprecher für Arbeit und Gewerkschaft, setze sich dafür ein, dass die bisher vom Bund lediglich geplanten Kürzungen „so nicht kommen“. Endgültige Klarheit gebe es darüber aber erst im November.

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