piwik no script img

Nachruf auf Schauspielerin NicholsDie Diversity-Revolutionärin

Nichelle Nichols ist gestorben. Als Lieutenant Uhura in „Star Trek“ hat sie den Grundstein für Diversität gelegt – im Fernsehen, aber auch im Weltraum.

Hat als Lieutenant Uhura alles im Griff: Schauspielerin Nichelle Nichols in „Star Trek“ (1960er) Foto: Paramount/Everett Collection/imago

Wenn geliebte Serienfiguren ihre Serie verlassen wollen oder müssen, mucken Fans dagegen mitunter auf – business as usual, könnte man sagen. Wenn der enttäuschte Fanboy Dr. Martin Luther King heißt, dürfte schnell klar werden: Hier geht es um mehr. Um sehr viel mehr.

Als Nichelle Nichols also 1967 nach der ersten und zunächst nicht sonderlich erfolgreichen Staffel „Star Trek“ (hierzulande bekannt unter dem Titel „Raumschiff Enterprise“) ihren Serienjob an den Nagel hängen will, zugunsten ihrer Broadwaykarriere, geschieht etwas Folgenschweres: Sie hat ihre Kündigung schon eingereicht, da trifft sie am Wochenende bei einem Meeting der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People auf einen prominenten Anhänger: eben jenen Dr. Martin Luther King.

King sagt Nichols bei diesem spontanen Aufeinandertreffen, dass er ihr größter Fan sei – und dass „Star Trek“ die einzige Serie sei, für die seine Kinder abends länger wach bleiben dürften. Als Nichols erwidert, dass sie die Serie verlassen werde, fällt ihr King ins Wort: „Nein, das können Sie nicht tun! Zum ersten Mal im Fernsehen werden wir hier so gezeigt, wie man uns auch im Alltag sehen sollte: als intelligente, wunderschöne Menschen, die singen und tanzen, aber auch in den Weltraum reisen oder Pro­fes­so­r:in­nen und Rechs­an­wäl­t:in­nen sein können.“ Ihre Rolle sei eben alles andere als eine typisch Schwarze oder typisch weibliche Fernsehrolle dieser Zeit.

Nichols ist überzeugt und bleibt der Serie bis in die finale dritte Staffel treu; und später auch in sechs „Star Trek“-Kinofilmen – damit legt sie den Grundstein für Diversität in Serien und Filmen, wie wir sie heute kennen, und wie es ein halbes Jahrhundert nach den Anfängen von „Star Trek“ langsam fast Standard ist.

Schlüsselposition auf der Brücke

Der „Star Trek“-Cast von damals ist die pionierhafte Blaupause für viele Serien-Casts von heute, in denen Menschen aller Hautfarben gleichberechtigt agieren. Und Nichelle Nichols als Lieutenant Uhura war die Schlüsselrolle diesbezüglich. 1966, als „Star Trek“ startete, war man es gewohnt, eine Schwarze Frau als Zimmermädchen in einer Serie zu sehen – aber sicher nicht als Teil der Brückencrew auf einem Raumschiff. Man mag von Rangabzeichen halten, was man will – aber als Lieu­ten­ant ist sie Teil der höheren Kommandoebene. Was für ein Statement zur Hochzeit der Bürgerrechtsbewegung!

Und da die Philosophie von „Star Trek“ nicht aufs Ballern, sondern auf Diplomatie setzt, sitzt Uhura als Kommunikationsoffizierin an einer Schlüsselstelle. In ihr bloß die Telefonistin im Minirock zu sehen, wäre ein massives Missverständnis. Ihre Rolle ist mindestens so revolutionär wie der Fakt, dass Showrunner Gene Roddenberry mitten im Kalten Krieg in seiner Utopie des 23. Jahrhunderts antikapitalistisch das Geld abschafft und einen Russen wie auch einen Japaner in die Brückencrew der „Enterprise“ aufnimmt.

Trotzdem musste auch „Star Trek“ noch dazulernen: Im Zentrum der Originalserie stand stets das Buddytriumvirat der weißen Dudes: Captain Kirk, Spock und Pille. 1987 in „Star Trek: The Next Generation“ gab es dann einen Schwarzen Chefingenieur. Und Whoopi Goldberg, damals schon ein großer Star, wollte, weil sie die Rolle von Nichelle Nichols so lifechanging fand, unbedingt in der Serie mitspielen. Was sie dann auch tat, als Guinan, die weise Ratgeberin von Captain Picard.

„Star Trek: Deep Space Nine“ hatte dann sogar einen Schwarzen Raumstationkommandanten: den alleinerziehenden Vater Benjamin Sisko. Und in „Star Trek: Discovery“ ist seit 2017 mit Michael Burnham endlich eine Schwarze Frau Hauptfigur der Serie – in der auch erstmals mehrere queere Figuren im Hauptcast sind, ein Thema, das „Star Trek“, bei allen inklusiven Leistungen, lange sträflich vernachlässigt hatte.

Ein erzwungener Kuss

Man kann nicht über Nichelle Nichols sprechen, ohne auch diese Szene zu erwähnen: der legendäre Kuss mit Captain Kirk in der Folge „Platons Stiefkinder“. Er gilt oft als der erste biracial Kuss im US-amerikanischen Fernsehen, obwohl das nicht ganz stimmt, denn es gab durchaus schon davor ein paar wenige, wenn auch weniger prominente. Und die Szene hat noch ein weiteres Manko: Kirk und Uhura werden in dieser Folge von einer Alienspezies ferngesteuert; agieren also nicht mit freiem Willen. Romantisch ist das mitnichten. Sei’s drum, es war trotzdem für die Zeit so bahnbrechend, dass sich einige Sender im Süden der USA weigerten, die Folge auszustrahlen.

Sowieso ist Nichelle Nichols mehr als „Star Trek“: Nicht bloß, dass sie vorher schon zusammen mit Duke Ellington Jazz gemacht hat; nein, nach „Star Trek“ rekrutierte Nichelle Nichols für die Nasa As­tro­nau­t:in­nen – bei einem Programm für mehr Diversität in der Raumfahrt. So konnte sie etwa Sally Ride gewinnen (die erste weibliche Astronautin der Nasa), wie auch Guion Bluford (den ersten afroamerikanischen Astronauten der USA). Für sie alle war Nichelle Nichols eine Ikone, die ihr Leben veränderte. Dass auch Barack Obama Fan der lebenslangen Demokratin war (was er bei einem Treffen im Oval Office 2012 kundtat), ist eigentlich eh klar.

Dass Nichols nun am 30. Juli 2022 im Alter von 89 Jahren an Herzversagen starb, stimmt wahnsinnig traurig. Sie wird eine Ikone bleiben, als Schwarze Frau, die maßgeblich verändert hat, wen wir in Hollywood vor der Kamera und auch in real­exis­tie­ren­den Raumschiffen sehen: Menschen, denen sie Mut gemacht hat, zu den Sternen zu greifen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die eigentlichen Revolutionäre waren demnach Gene Roddenberry und Martin Luther King.



    Ein weißer und ein schwarzer Mann. Ganz gemäß Kings "I have a dream", wo Menschen unabhängig von der Hautfarbe gemeinsam Dinge erreichen können. Da soll noch mal einer sagen das geht nicht...

  • Spock war kein weißer Dude. Er war Vulkanier. Und Lt. Uhura war toll.

    • @Jochen Laun:

      Korrekt!