Serie „Made For Love“ bei RTL+: Chip im Hirn

Hazel hat einen übergriffigen Ehemann, der leider auch Tech-Papst ist. Die Trennung von ihm wird deswegen auch zu einer digitalen Flucht.

Serienbild. Eine Frau mit langen braunen Haaren steht im kurzen blauen Kleid in der Wüste.

Flucht aus dem Cube und vor dem Mann: „Made for Love“ Foto: rtl

Gedanklich eins sein mit dem Partner oder der Partnerin, sich gegenseitig in- und auswendig kennen und als Paar zu einer Einheit verschmelzen – es soll ja Menschen geben, für die solche Dinge klingen wie der Idealzustand einer Beziehung. Und genau an diese Leute richtet sich die neuste Erfindung des weltdominierenden Technik-Konzerns Gogol: Zwei kleine Eingriffe, mehr braucht es nicht, damit beide Part­ne­r*in­nen Mikrochips im Kopf haben, die sich miteinander synchronisieren lassen, sodass beide stets das Gleiche fühlen und denken. Kommunikationsschwierigkeiten, Missverständnisse und Heimlichkeiten könnten für immer der Vergangenheit angehören. „Made For Love“ heißt das vor allem an Delfinen erforschte Projekt, genau wie die Serie.

Doch was sich für die einen nach romantischer Symbiose anhört, lässt andere die ultimative Überwachung fürchten. Allen voran Hazel Green (Cristin Milioti), die Ehefrau des Firmengründers und -chefs Byron Gogol (Billy Magnussen). Denn sie hat jede Menge Erfahrung damit, kontrolliert zu werden: Den „Cube“ genannten Firmensitz, eine luxuriöse High-Tech-Biosphären-Parallelwelt, hat sie seit dem ersten Date nicht mehr verlassen, nach jedem Orgasmus muss sie per App eine Qualitätsbewertung abgeben, und selbst der Schlafrhythmus wird nicht ihr selbst überlassen, sondern von künstlicher Intelligenz vorgegeben.

Kein Wunder, dass Hazel irgendwann Reißaus nimmt. Nur weiß sie da leider noch nicht, dass ihr der Gerüche und Essen verabscheuende Gatte, der als charmantere und attraktivere Version von Elon Musk daherkommt, längst den „Made For Love“-Chip implantiert hat und sie deswegen allzeit hören und sehen kann.

Witz statt Horror

Aus dieser Prämisse, die unsere übergroße Abhängigkeit von Technologie ebenso greifbar macht wie die Dominanz datensammelnder Mega-Unternehmen über unser Leben, hätte man problemlos ein dystopisch-bitteres Horror-Szenario à la „Black Mirror“ stricken können. Doch diese Serie, die auf dem gleichnamigen Roman von Alissa Nutting basiert und unter anderem von Christina Lee („Search Party“) und Patrick Somerville („Station Eleven“) verantwortet wird, hat anderes im Sinn als triste Ausweglosigkeit.

Humor wird großgeschrieben, wenn Hazel aus ihrer engen, behüteten Virtual Reality zurück ins echte Leben kehrt, wo nach jahrelanger Abwesenheit niemand so wirklich auf sie gewartet hat. Am wenigsten ihr Vater (Ray Romano), der sich seit dem frühen Krebstod der Mutter mehr fürs Saufen als für seine Tochter interessiert und inzwischen traute Zweisamkeit mit seiner lebensechten Kunststoff-Sexpuppe Diane zelebriert. Doch in Ermangelung von Alternativen und vor allem ohne einen Cent Geld bleibt Hazel nichts anderes übrig, als in ihr altes Unterschichtsleben zurückzukehren und dort für ihre Freiheit und eine Scheidung zu kämpfen, während Byron nichts unversucht lässt, sie in den Cube zurückzuholen.

Davon, eine klassische Sitcom zu sein, ist „Made For Love“ weit entfernt, trotz des Halbstunden-Formates der zehn von Stephanie Laing und Alethea Jones inszenierten Episoden der ersten Staffel (in den USA war schon eine zweite und letzte zu sehen). Es ist eher ein manchmal böser, manchmal schräger Witz, der in Kombination mit den verstörenden und faszinierenden Ideen der Geschichte die Serie zu einer immer interessanten und meist auch kurzweiligen macht.

„Made For Love“, seit 22.8. beim Streamingdienst RTL+

Ihr volles Potenzial schöpft sie allerdings nicht unbedingt aus, dafür ist sie nicht komisch genug und schürft vor allem in Sachen feministischer Gesellschaftskritik nicht tief genug. Die Plumpheit fängt hier schon beim Konzernnamen an und hat auch zur Folge, dass die offensichtlichen Parallelen zwischen Hazels Ehealltag und der Puppe ihres Vaters nicht nur ein-, sondern gleich zweimal ausbuchstabiert werden.

Die Schau­spie­le­r*in­nen spielen in jedem Fall mit Hingabe über solche kleinere Schwächen locker hinweg. Magnussen drückt parodistisch auf die Tube, während Comedy-Legende Romano seinem Spätwerk nach „The Big Sick“, „Bad Education“ und „The Irishman“ eine weitere ziemlich unkomödiantische, dafür umso melancholischere Altersrolle hinzufügt. Und Cristin Milioti, die mit der letzten Staffel von „How I Met Your Mother“ bekannt wurde und tatsächlich auch schon in einer „Black Mirror“-Episode zu sehen war, wirft mit exzellentem Timing und viel Charisma erneut die Frage auf, warum sie eigentlich nicht längst ein Star ist.

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