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Flucht nach EuropaAtemberaubender moralischer Verfall

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Griechenland praktiziert brutale und illegale Pushbacks gegen Mi­gran­t:in­nen. Eine Recherche zeigt: Dafür werden auch Flüchtlinge in Dienst genommen.

Menschenrechtsverletzungen der EU: Wunden, die von der griechischen Polizei stammen sollen Foto: Salih Baran/picture alliance

E rst am Wochende setzte die Höchstzahl an Toten an der EU-Außengrenze in Melilla eine schreckliche historische Marke. Bis zu 2.000 Menschen hatten am Freitag versucht, die Grenze zur spanischen Exklave Melilla zu überwinden, laut Hilfsorganisationen sollen 37 Menschen dabei gestorben sein. Nur wenige Tage später ist ein neuer moralischer Tiefstand erreicht: Am Mittwoch berichtete der Spiegel unter Berufung auf gemeinsame Recherchen mit der ARD, der Recherche-NGO Lighthouse Reports, Le Monde und dem Guardian über eine bisher unbekannte Praxis der griechischen Polizei bei gewaltsamen Zurückschiebungen, den sogenannten Pushbacks.

Seit mindestens 2013 ist bekannt, dass Griechenland sich mit dieser Praxis neu ankommender Schutzsuchender entledigt. Dabei hat das Land bis heute in vielen Tausend Fällen schwere, bisweilen auch tödliche Gewalt eingesetzt. Lange war klar, dass die griechischen Behörden selbst diese ausgeübt hatten. Zuletzt zeigte sich immer öfter Mitwisserschaft und teils wohl auch die Beteiligung der EU-Grenzschutzagentur Frontex.

Nun aber wird offenbar, dass die griechische Polizei auch Flüchtlinge selbst für die Pushbacks in Dienst nahm – also Menschen, die ihnen ausgeliefert sind und durch die weitgehende Entrechtung in einer klaren Zwangslage stecken. Diese wurde offenbar gezielt ausgenutzt. Die Polizei versprach den Männern die ansonsten praktisch unerreichbaren Aufenthaltspapiere, so die Berichte. Infamer geht es kaum.

Gewalt auslagern

Bauern und Fischer, die das Sperrgebiet am Grenzfluss Evros betreten dürfen, hätten immer wieder Geflüchtete gesehen, die für die Polizei arbeiteten. Der Rechercheverbund um den Spiegel, der mit seinen Nachforschungen zu dem Pushbacks in der Ägäis erst Ende April den Frontex-Direktor Fabrice Leggeri zu Fall gebracht hatte, konnte sich die neuen Enthüllungen eigenen Angaben zufolge von griechischen Polizeibeamten bestätigen lassen.

In den Berichten ist von einem Syrer die Rede, mit dem die Polizei zusammenarbeite. Er kooperiere mit Menschenschmugglern in Istanbul, um an Pushback-Helfer zu kommen, und sei sehr gewalttätig gegen Asylsuchende vorgegangen. Welchen Umfang diese Auslagerung der Gewalt an Flüchtlinge hat, wie viele weitere sich auf einen solchen Deals eingelassen haben, ist unklar. Mit der Praxis wollten die griechischen Behörden offenbar die eigenen Einsatzkräfte schützen, denn die Pushbacks sind auch für diese nicht ohne Risiko.

„Dieses Vorgehen ist ein Bruch mit allen Werten, die wir in der Europäischen Union vertreten“, sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg. Es sei an Abgründigkeit und Perfidität nicht zu überbieten.

„Systematisches, paneuropäisches Problem“

Schon Ende 2019 hatte das türkische Innenministerium Griechenland vorgeworfen, in den vorangegangenen zwölf Monaten fast 60.000 Menschen illegal in die Türkei zurückgeschoben zu haben. Seither wurde die Praxis immer ungenierter und öffentlicher vollzogen. Die Pushbacks – und Pullbacks, durch die sogenannte libysche Küstenwache auf dem zentralen Mittelmeer – sind heute zu einer der dominierenden Umgangsformen mit Ankommenden in Europa geworden. Der Europarat hatte erst im April von einem „systematischen, paneuropäischen Problem“ gesprochen.

Es wäre in erster Linie an der EU-Kommission, gegen diese Rechtsverstöße vorzugehen. Doch die hat viel geredet, aber praktisch nichts getan, um Länder wie Griechenland, Kroatien oder Polen an den massenhaften Pushbacks zu hindern. Die Kommission scheute den Konflikt – und versicherte stattdessen auch jenen Staaten ihre Unterstützung, die offen das europäische Flüchtlingsrecht mit Füßen treten. „Die Sorge des einen ist nie legitimer als die des anderen,“ sagte etwa der „Kommissar für die Förderung des europäischen Lebensstils“, Margaritis Schinas, als er den EU-Migrationspakt vorstellte. Es war ein Signal, das in Ländern wie Griechenland klar als Ermächtigung aufgefasst wurde, losgelöst vom Recht gegen die Ankommenden vorzugehen.

Wie groß in der EU die Bereitschaft ist, selbst schwerste Gewalt hinzunehmen, zeigte sich erst vor wenigen Tagen: „Wir unterstützen Spanien und alle Länder, die an vorderster Front die Grenzen der EU schützen, voll und ganz. Die Migration ist eine schwierige Herausforderung für alle. Ich sage den spanischen Behörden meine Unterstützung zu“ – das sagte Ratspräsident Charles Michel, nachdem am Wochenende Mi­gran­t:in­nen an den Zäunen der Enklave Melilla regelrecht massakriert wurden.

Es ist eine Dynamik von Entrechtung und Verrohung im Gang, die immer neue Formen der Gewalt gegen ­­Migran­t:in­nen hervorbringt

So ist eine Dynamik von Entrechtung und Verrohung und im Gang, die immer neue Formen der Gewalt hervorbringt – wie nun den griechischen Weg, Flüchtende selbst zu zwingen, gegen ihresgleichen vorzugehen, um die eigene Haut zu retten. Die Geschwindigkeit des moralischen Verfalls Europas ist atemberaubend. Immer mehr Kraft wird es kosten, diesen aufzuhalten. Kaum jemand scheint die Kraft dafür aufbringen zu wollen.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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22 Kommentare

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  • @ADELE MINZE, @REINHARD ROLLER:

    Wer "wir" sind? Naja, Merz und Scholz. Sie und ich.

    Denn wir leben in einer "demokratischen Gesellschaft", in der mensch mal wählen darf, in der mensch nicht gleich beide Arme gebrochen bekommt, wenn sie mit einem leeren Blatt Papier eine Demo macht.

    Sie und ich sind jedenfalls für die Regierung von Flachschippen, die wir haben wesentlich stärker verantwortlich als die Durchschnittsrussin es für Putin & Co. sind.

    @ENCANTADO:

    "Die alle" sind diejenigen, die für Sie und für mich die Jeans für ein Monatslohn zusammennähen, das für uns nicht für eine Stunde reichen würde. Diejenigen, die für eine kleine Chance im Leben in ein seeuntaugliches Boot steigen, um dann auf einer griechischen Insel oder irgendwo in Spanien in einem Internierungslager zu landen, oder in Calabrien für die Mafia und für uns Tomaten ernten dürfen.

  • Und nun zeigen sich die Folgen der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Wurde alles berichtet und rauf und runter analysiert. Europa bzw der reiche Westen muss endlich aufhören, sich vor der Frage der Umverteilung zu drücken.

    • @aujau:

      Leider haben Sie recht. Leider lassen sich damit keine Wahlen gewinnen. Und das Problem mit 30 bis 40 Mio. Menschen, die pro Jahr verhungern, wird Deutschland nicht alleine lösen können.



      Wenn man sich nur anschaut, wie 2015 die Flüchtlinge EU-weit nicht verteilt wurden...

      Es ist zum Verzweifeln.

      Und dann kommt noch hinzu, dass für die Fluchthilfe eine recht einträgliche Industrie entstanden ist.

  • Mit Reinholen der Leute und freundlich Begrüssen ist es leider nicht getan. Dann fängt für uns die Arbeit erst richtig an.



    Nicht nur für die abgewiesenen, sondern erst recht für die aufgenommenen Flüchtlinge übernehmen wir Verantwortung:



    Wo sollen diese Leute leben?



    Wovon sollen sie leben?



    In welche Schule sollen ihre Kinder gehen, und wer soll sie unterrichten?



    ...

    Wir haben hier für uns schon zu wenig Wohnraum (heisst es). Das Leben wird für alle teurer. Manche können sich schon jetzt nicht mehr das nötigste leisten.



    Es bringt doch nicht, wenn wir die Leute aufnehmen und dann einsperren und verwahren. Es bringt nichts, wenn hier die Stimmung kippt und wieder rechte Horden Flüchtlingsheime in Brand setzen.

    Wir leben auch nicht mehr in den 80er Jahren, als geflüchtete nach ein paar Wochen Briefe in die Heimat schreiben konnten. Wir leben in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts, wo Willkommenskultur per Smartphone fotografiert und sofort in die Heimat geschickt wird und dort Begehrlichkeiten auslöst.

    Für mich ist klar: wir werden nicht jeden Menschen hier aufnehmen können, der an unsere Grenzen klopft, ohne dass das uns und die Verhältnisse hier verändert. Wer ist z.B. bereit, Flüchtlinge in der eigenen Wohnung aufzunehmen?

    Es ist schäbig, dass die restlichen EU-Mitglieder speziell Griechenland mit den Flüchtlingen alleine lassen.

    Im Fall Weissrusslands kann ich auch gut verstehen, dass Polen die Grenzen dicht macht. Zynisch, aber logisch, kann man argumentieten, dass jemand, der als "Tourist" nach Minsk fliegen kann, dort schwerlich mit politischer Verfolgung rechnen muss. Warum bleibt er dann nicht dort?

    So schlimm ich die Zustände finde, so sehr wünsche ich mir eine umfassendere Diskussion, die sich nicht nur über die Missstände an der Grenze empört, sondern auch ein Konzept entwickelt, wie viele Leute wir hier unterbringen, und wie.

    • @Carsten S.:

      Die übliche "Das Boot ist voll"-Rhetorik. Nur ist die eben immer eine Setzung.



      "Wir haben hier für uns schon zu wenig Wohnraum."



      Die Quadratmeter die pro Kopf zur Verfügung stehen haben sich in den letzten 50 Jahren mehr auf ca. 50m² mehr als verdoppelt. Dementsprechend ließe sich dieses Argument auch dann noch anbringen wenn wir pro Kopf auf 100, 200 oder 1000 m² leben würden, wäre aber genauso fehlschlüssig.



      "Manche können sich schon jetzt nicht mehr das nötigste leisten."



      Also wiegt die finanzielle Not von Menschen am deutschen Exitenzminimumg schwerer als die der Menschen die vor tatsächlicher absoluter Armut fliehen die im buchstäblichen Sinne existenzbedrohend ist?



      "Es bringt nichts, wenn hier die Stimmung kippt und wieder rechte Horden Flüchtlingsheime in Brand setzen."



      Also soll man sich von den rechten Horden erpressen lassen und lieber schon mal präventiv rechte Politik betreiben? Mit welchen Brandstiftungen müsste man dann drohen um eine progressive und linke Politik zu erpressen?



      "wir werden nicht jeden Menschen hier aufnehmen können"



      Hat auch niemand gefordert, aber der Anspruch auf Asyl ist ein Grundrecht, kein optionals Zugeständnis oder Geschenk.



      "ein Konzept entwickelt, wie viele Leute wir hier unterbringen"



      Also eine numerische Obergrenze für ein Grundrecht? Warum nicht auch für andere Grundrechte immerhin ließe sich eine Menge Geld sparen wenn beispielsweise Polizei und Justiz jährlich nur eine bestimmte Anzahl von Verstößen gegen die körperliche Unversehrtheit verfolgt würde? Und was wollen sie tun wenn das Aufnahmekontingent erschöpft ist aber die nächste Person die ihr Asylrecht in Anspruch nehmen möchte dafür weitaus bessere Gründe hat als alle die es zuvor noch erhielten?

      • @Ingo Bernable:

        Lieber Ingo,

        Das mit dem Wohnraum ist nicht meine Erfindung. In Deutschland soll ja demnächst schnell, viel und günstig gebaut werden, so jedenfalls die offizielle Zielsetzung der Politik. Wir werden die Leute nicht dazu überreden können, sich mit einer kleinen Wohnung zu begnügen, wenn sie sich eine grössere leisten können. Wobei manches zugegebenermassen Irrsinn ist.

        Ich kenne Sprüche aus der rechten Ecke, dass es hierzulande Geflüchteten sehr gut ginge und sie sehr anspruchsvoll in ihren Wünschen und Vorstellzngen wären. So weniig ich das glaube, so wenig kann ich diese Sprüche wegdiskutieren, und erst recht nicht die Leute, die sie von sich geben. Das ist eine Realität, an der wir aus meiner Sicht nicht vorbeikommen. Warten Sie nur die ersten Nebenkostenabrechnungen ab, wenn die Energiepreise, auch infolge des Ukrainekriegs, ansteigen. Das wird eine Scheiss-Stimmung geben, und ich versichete Ihnen, dass ich das nicht gut finden werde.



        Nebenbei bemerkt: wir hatten hier rechtsradikale Parteien mit ca. 20% in diversen Landtagen. Die diskutiert man leider auch nicht einfach weg. Wir können einfach nicht immer so, wie wir wollen.

        Neulich wurden Syrien-Flüchtlinge aus Ihrer Unterkunft - mir fällt gerade kein passendes Wort ein -, um dort Ukraineflüchtlinge unterzubringen. Man hat den Syrern also genau das Stück Vertrautheit genommen, dass sie hier über eein paar Monate hinweg gewonnen haben.

        Und wenn Sie mur jetzt Relativismus vorwerfen wegen Obergrenzen: die gibt es. Wenn wir halb so viele oder gar gleich viele Flüchtlinge aufnehmen, wie wir jetzt Einwohner haben, platzt tatsächlich alles aus den Nähten. Dazu braucht es dann noch nicht einmal mangelnde Bereitschaft der Bestandseinwohner.

        Ich sage wirklich nicht, dass alles toll ist. Aber ein bisschen sollte man sich schon Gedanken machen über die Konsequenzen seiner Wünsche und Entscheidungen. Zu genau diesem Punkt habe ich in Ihrer Entgegnung leider nichts gefunden. Vielleicht haben Sie Ideen?

        • @Carsten S.:

          Mein Idee? Grundrechte einhalten? Wenn das dazu führt, dass Ressourcen knapp werden muss man eben zusammen rücken. Man hat hierzulande übrigens schon einmal Zeiten überstanden in denen 1/3 der Bevölkerung aus Geflüchteten bestand. Wenn ein Mensch der Hilfe braucht als Peson vor Dir steht und seine Not erklären kann, dürfte das den Meisten auch verständlicher sein, als ihn als abstrakte Zahl einer 'Flüchtlingswelle' zu begreifen.



          Deshalb noch einmal: Die Existenz von Gruppen wie AfD und Nazi-Kameradschaften kann doch kein Grund sein präventiv rechte Politik zu machen. 'Deutschland den Deutschen' in die politische Mitte zu adaptieren um den Nazis das Wasser abzugraben wird nicht funktionieren! Konkret würde ihre Obergrenze bedeuten geflüchteten Ukrainer*innen die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Ich halte das nicht mal ansatzweise für vertretbar. Grundrechte sind nicht verhandelbar.

          • @Ingo Bernable:

            Danke für Ihre Antwort.

            In letzter Konsequenz heisst es, zusammenzurücken. Sehe ich genau so.

            Ich sehe allerdings nicht, dass das unbeschränkt mehrheitsfähig ist, und das dieses Konzept trägt, wenn es nur von einem Land umgesetzt wird.

            Wohlstand beruht in der heutigen Welt leider nur zum (kleinen?) Teil auf eigener Arbeit. Ein Stück weit kommen unsere "Wirtschaftsflüchtlinge" zu dem Wohlstand, den sie mit erwirtschaftet haben, wenn sie zu uns kommen, den man (wir?) ihnen vorenthält. Unser Wohlstand ist ohne die Armut in anderen Teilen der Welt gar nicht denkbar. Das sehen leider nur viele nicht so.

            Ich bin dafür, zu helfen und solidarisch zu sein. Ich bin jedesmal überrascht, wenn ich rechte Töne von Leuten höre, von denen ich es nicht erwartet habe und denke daher, dass niemand geholfen ist, wenn daraus eine Stimmung wird und sich Bahn bricht.

            Konkret würde ich erwarten, dass die Stimmung spätestens dann ganz massiv kippt, wenn der Staat anfängt, Zimmer in Privatwohnungen zu requirieren, um dort Flüchtlinge einzuquartieren. Erst recht, weil man bei den Leuten anfinge, die sich am schlechtesten wehren können.



            Spätestens dann müssen Sie Grundrechte abwägen.



            Es tut mir leid, es so deutlich schreiben zu müssen, aber: ich sehe diese Solidarität nicht, schon gar nicht für Flüchtlinge aus aller Welt. Die Westdeutschen haben die Vertriebenen wirklich nicht gerne aufgenommen. Ich weiss von meinen Eltern, dass sie hier nicht überall gerne gesehen waren, obwohl Sprache und Kultur so gut gepasst haben wie man es sich nur wünschen kann

            Es is nicht schön zu sehen, dass wir jetzt mindestens drei Klassen Menschen haben: die einheimischen, die geflüchteten Ukrainer, mit denen man (noch) solidarisch ist, und die anderen, die bestenfalls geduldet werden.

  • Machen wir uns nichts vor. Es gilt: di Actio bestimmt die Reactio.



    Jahrelang haben Carolo Rakete & Co. gegen den Willen der dortigen Regierungen Migranten vor der Küste Lybiens eingesammelt und dann nach Griechenland & Italien gebracht. Es war klar, dass dort reagiert wird, hier ist das Resultat.

    • @Klaus Meier:

      Kurz gesagt...Pushbacks ist der neue Faschismus und Internierungslager



      sind KZ. Der Grundsatz "jeder der in Not ist sein Land wg. polit. Verfolgung oder wirtschaftl. Gründen sein Land verlässt hat Recht auf Asyl" gilt leider nicht im europ. Gesetz. Dazu mal einen Link zum dt. Aslygesetz.



      www.gesetze-im-int...BJNR111260992.html

      • @HAHABerlin:

        "Der Grundsatz "jeder der in Not ist sein Land wg. polit. Verfolgung oder wirtschaftl. Gründen sein Land verlässt hat Recht auf Asyl" gilt leider nicht im europ. Gesetz."



        Äh - in welchem Gesetz weltweit steht sowas?

    • @Klaus Meier:

      Die Menschen flüchten vor Hunger, Krieg, extremer Armut und existentieller Not, nicht deshalb weil einige Freiwillige im Mittelmeer versuchen die Seenotrettung aufrecht zu erhalten die von den dafür eigentlich zuständigen Staaten unterlassen wird.



      Aber selbst wenn an dieser höchst abenteuerlichen Behauptung etwas dran wäre, wäre das absolut keine Rechtfertigung dafür Recht und Menschenrechte zu brechen. Zumal es, wenn man sich einmal auf derartige Argumentationsfiguren einlässt nur noch ein recht kleiner Schritt ist um staatliche Gewalt, Willkür und Rechtsbrüche auch gegen andere Gruppen genauso zu legitimieren.

  • Es handelt sich hier um organisierte staatliche Kriminalität, wobei sich die Verantwortlichen in den EU-Ländern sicher zu sein scheinen, dass es keine Strafverfolgung geben wird. Es wird erkennbar, dass es der EU um alles andere als um Menschenrechte geht. Diese dienen ausschließlich strategisch zum Kampf gegen Gegner:innen.

    Der Einsatz von (versklavten) Opfern, um Gewalt und Unterdrückung gegen andere Opfer u vollziehen, ist übrigens ein bekanntes historisches Muster von Gewalt- und Unrechtsstaaten.

    Wir haben es hier mit organisierter, massenhafter und generalisierter Gewalt gegen Geflüchtete zu tun, die die EU überall an ihren Außengrenzen praktiziert und dabei sogar zur Tötung von Menschen durch bewusstes Unterlassen, Rückschiebung und Kollaboration mit Verfolgerstaaten greift.

    Die komplette Straflosigkeit dieser Verbrechen zeigt, dass es gegenüber den Opfern keine Rechtsstaatlichkeit mehr gibt, die Täter:innen sind Richter und Vollstrecker:innen in einem.

    Die Sachlage, dass die Bevölkerungen in den EU-Staaten diese Verbrechen und die Toten hinnehmen, belegt einen generalisierten Rassismus, der den afrikanischen Opfern eine geringere Wertigkeit ihres Lebens bescheinigt.

    Medien berichten und recherchieren, aber auch die Medien betrachten die Gewalt gegen Afrikaner:innen durch die EU keineswegs als gleichrangig mit Gewalt gegen Europäer:innen oder Weiße.

    Wie könnten sie sonst vom freien Westen schwadronieren zur gleichen Zeit, wo Afrikaner:innen in einer organisierten Art und Weise und unter Nutzung versklavter anderer Geflüchteter gejagt, verletzt, getötet und aller ihrer Menschenrechte beraubt werden?

    Wir werden Zeuge eines großangelegten und durch staatliche Stellen organisierten Verbrechens. Dies reicht von der Kollaboration mit Milizen in Libyen, die Menschen versklaven, vergewaltigen und töten, über das bewusste Ertrinken lassen von Menschen im Meer und die Strafverfolgung ihrer Retter:innen bis hin zu den Pushbacks in den potenziellen Tod.

  • Gewaltsame Pushbacks sind nicht "nur" ein Bruch mit europäischen Werten und unmoralisch. Die Praxis der Pushbacks ist selbst, wenn diese "sanft" vollzogen würden ein eklatanter RECHTSBRUCH. Da sie außerdem nicht sanft, sondern mit vielfach dokumentierter, auch schwerer bis tödlicher Gewalt einhergehen, handelt es sich um MEHRERE SCHWERE RECHTSBRÜCHE. Zusätzlich genehmigen die EU-Staaten ihren Kollegen an der Außengrenze vollkommene STRAFLOSIGKEIT. Kein einziges Verfahren wurde von anderen EU-Staaten angestrengt. Die einzige Chance überhaupt zu ihrem "Recht auf Rechte" zu kommen, also ihr Recht einklagen zu können, haben Betroffene durch zivilgesellschaftliche Organisationen, wie z.B. das "European Centre for Constitutional and Human Rights".



    www.ecchr.eu/fall/...enland-push-backs/



    Wir leben in einer Ära, in internationales Recht, das auch EU-Recht ist, allein von kleinen bis großen zivilgesellschaftlichen Gruppen und das oft ehrenamtlich verteidigt wird, während die sogenannte Staatsmacht, deren ureigenste Aufgabe die Aufrechterhaltung von Recht ist, Reihenweise zu Tätern wird und von allen anderen EU-Staaten moralisch und finanziell in ihren kriminellen Handlungen tatkräftig unterstützt wird.

    • @Nina Janovich:

      Das alles ist übringens kein Thema das erst seit gestern auf der Tagesordnung blüht, das kommen dieser wellen, insbesondere aus Nordafrika wurde schon zu meiner Schulzeit vor über 20 Jahren in politischer *Bildung* und Geographie besprochen - daran ist nichts unerwartet!

      Einzig moralisch annehmbare Lösung: unseren Reichtum teilen - das wollen auch wir offensichtlich nicht/das machen Menschen nicht mit Menschen, deswegen werden Menschen abgeschlachtet oder sie verhungern.

  • Grundsätzlich ist eine Grenze zu respektieren. Jeder kann in seinem Heimatland einen Asylantrag stellen und KANN aufgenommen werden, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind. Die rechtsverstöße sind nicht der Schutz der Grenzen sondern der Versuch, sie illegal zu überwinden.

    • @Cave1602:

      "Jeder kann in seinem Heimatland einen Asylantrag stellen und KANN aufgenommen werden."



      Ich dachte Aslyantrag stellt man im Zielland, vorausgestzt man kommt dort an.

  • Ist ja fast wie früher in den Kolonien. Menschen mit der Aussicht auf Privilegien Rekrutieren und auf die eigenen Leute hetzen, damit man sich die Finger nicht schmutzig macht. Wie tief will Europa noch sinken?

  • Europäische Werte.

    Kein Wunder, dass die uns alle auslachen, wenn wir so was sagen.

    • @tomás zerolo:

      Wer ist "wir" und warum sagt ihr sowas? Ist doch fast der gleiche Blödsinn wie "christliche Werte". Da weiß eigentlich auch jeder, dass das Missionierung, Folter und Scheiterhaufen sind. "Gott mit uns"...

    • @tomás zerolo:

      Wer ist wir?

      • @Reinhard Roller:

        ...und wer sind "die alle"?