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Antisemitismus auf der documenta fifteenGrößenwahn und Niedertracht

Die documenta fifteen ist Produkt einer ahistorischen und folkloristischen Kunstauffassung. Aber auch Ausdruck institutioneller Überheblichkeit.

Abgehängt: Hier hing das riesige Banner von Taring Padi in Kassel. Die Debatte geht munter weiter Foto: IMAGO/Peter Hartenfelser

Das veranschlagte Budget für die documenta fifteen beträgt 42,2 Millionen Euro. Keine geringe Summe. Doch sah man sich in Kassel noch nicht einmal in der Lage, zentrale Werke bis zur Pressebegehung (15. bis 17. Juni) fertig aufzubauen. Und so machten erst Besucher am Wochenende auf die antisemitische Ikonographie des Banners von „People’s Justice“ aufmerksam.

Es war eines der größten Werke dieser documenta und stammt von der indonesischen Gruppe Taring Padi. Das Wimmelbild enthielt auf dem Kasseler Friedrichsplatz bei der documenta-Halle auch eine uniformierte Figur mit Schweineschnauze. Auf dem Helm die Aufschrift „Mossad“, darunter ein Halstuch mit Davidstern.

Auch eine Karikatur des die ganze Welt ausbeutenden jüdischen Kapitalisten durfte auf dem – wie man später erfuhr, 20 Jahre alten (!) – Werk nicht fehlen. Dem jüdischen Kapitalisten verpasste man angespitzte Zähne, Zigarre und Brille. Von Taring Padi bekam er gleich auch noch SS-Runen auf den Hut gemalt: der weltweite kapitalistische Jude als der wahre Faschist.

Die faschistische Vorgeschichte

Was hätte Werner Haftmann wohl dazu gesagt? Haftmann, geboren 1912, Kunsthistoriker, war nach 1945 documenta-Mitgründer und später Direktor der Berliner Nationalgalerie. Er gab sich in der Bundesrepublik als unbelasteter NS-Mitläufer aus. In Wirklichkeit war er bereits 1933 der SA beigetreten, gehörte der NSDAP an und war an verbrecherischen Aktionen bei der Partisanenbekämpfung in Italien während des Zweiten Weltkriegs beteiligt.

Einer der einflussreichsten Kulturmanager der Bonner Republik war ein Antisemit, der nach 1945 moderne Kunst liebte, aber keine Juden. Eine Kurzfassung dieser lange geschönten Nachkriegskarriere skizzierten Heinz Bude und Karin Wieland in dem Zeit-Artikel „Kompromisslos und gewaltbereit“ letztes Jahr. Das Deutsche Historische Museum in Berlin widmete dem Komplex 2021 eine große Ausstellung.

Und die documenta selbst? In Kassel hielt man es offenbar nicht für notwendig, die mit der künstlerischen Leitung beauftragte indonesische Kuratorengruppe Ruangrupa mit solch pikanten Kontexten zu konfrontieren. Dabei sollte Antifaschismus doch weltweit eine Haltung sein, mit der sich arbeiten ließe? Stattdessen lud Ruangrupa palästinensische Aktivisten ein, damit diese antiisraelische Propaganda betreiben. Und ähnlich wie Taring Padi mit einer perfiden historischen Umkehrung.

In der Collage von Mohammed Al Hawajri lauern hochgerüstete Soldaten dem malerischen Idyll friedlicher Bauern auf, Titel: „Guernica Gaza“. Hitlers Luftwaffe legte einst das republikanische Guernica im spanischen Baskenland in Schutt und Asche. Ein Israel, das sich gegen die Attacken von Islamischem Djihad und Hamas aus Gaza zur Wehr setzt, so die Botschaft in Kassel, agiere wie Hitlers Militär.

Kasseler Neo-Maoismus

Es sind also nicht einzelne Ausrutscher, die hier wehtun. Es ist die Systematik. Unter der kulturalistischen Behauptung, ein „Globaler Norden“ agiere gegen einen „Globalen Süden“, werden wie früher bei Maoisten und Marxisten-Leninisten sämtliche „Nebenwidersprüche“ ausradiert.

Hamas und viele Fraktionen der PLO stehen für repressive paternalistische Systeme und korrupte Kriegsökonomien. Doch für alle intern verursachten Missstände machen sie einen äußeren Feind verantwortlich: Israel, die USA, die Demokratien des Westens. Hamas und PLO sind mit islamistischen Bewegungen wie Hisbollah im Libanon sowie staatsterroristischen Regimen wie in Syrien oder im Iran eng verbunden.

Es sind also nicht einzelne Ausrutscher, die hier wehtun. Es ist die Systematik. Sämtliche Nebenwidersprüche werden ausradiert

Diese massakrieren die Oppositionen in ihren Ländern. Von Freiheit der Kunst braucht man da erst gar nicht zu sprechen. Und sie haben Israel als demokratische Bedrohung im Visier, ähnlich wie Putins Russland die Ukraine.

Sollte man mit Kunstschaffenden aus solch repressiven Gesellschaften deswegen nicht zusammenarbeiten? Natürlich schon. Aber mit jenen, die sich in ihrer Kunst den repressiven Systemen widersetzen. Kunst kann eine Waffe sein, gerade so sie mehrdeutig interpretierbar bleibt. Autokratien bringt sie regelmäßig ins Schwitzen.

„Wir“ und die Anderen

Es sind auch nicht gänzlich „Andere“ oder „die Fremden“, die man in Kassel exotistisch interpretieren kann – wie dies Feuilletonredakteure von SZ, FR, Berliner Zeitung, Monopol, HR, ttt, aspekte bis Politik und documenta-Gremien im Vorfeld immer wieder taten –, als ob für sie gänzlich andere Kriterien gelten würden als „für uns“.

Einen Herkunftskontext zu respektieren bedeutet auch nicht, ihn zu affirmieren, um etwa die universelle Gültigkeit der Menschenrechte taktisch einzuschränken. Oder um die Aussagen ausländischer Kollektive und Individuen kulturalistisch zu relativieren: „das ist dort alles anders“, „die meinen das nicht so“. Rassistische und antisemitische Hetze ist in Deutschland von der Verfassung her nicht gedeckt, das gilt auch für die Kunst.

Die große Frage aber bleibt: Wer wird hier in Kassel mit wem vernetzt und mit welcher Absicht? Warum sind künstlerische Subkulturen aus Deutschland so gut wie nicht vertreten und werden nicht in Kontakt gebracht mit internationalen Szenen?

Und warum sind die nach Deutschland und Europa ausgewanderten großen Migrations- und Flüchtlingsgruppen (Syrer, Türken, Kurden, Iraner, Afghanen, Belarussen, Ukrainer, Vietnamesen, Kameruner, Äthiopier, Venezolaner und, und) in Kassel zumeist unsichtbar?

Der „globale Süden“ in Deutschland

Bringen die Millionen vor den postkolonialen Regimen „des Südens“ (oder Ostens!) Geflüchteten keine relevante Kunst, keine relevanten Diskurse hervor? Oder passen sie schlicht nicht ins ideologische Schema einer postkolonialen Kritik, die nach Authentizität im Ausland sucht, um so den globalisierten Kapitalismus und den Norden leichter angreifen zu können?

Den größten Schaden an dem reaktionären Kunst- und völkischen Politikverständnis der hinter Ruangrupa agierenden und international vernetzten deutschen Kulturfunktionäre nehmen all jene Künstler, die in Kassel keinesfalls nur schlechte Werke zeigen.

Denn schon treten Altvordere wie Bazon Brock auf den Plan, rufen angesichts dieser documenta das Ende der Kunst und den Übergang zur Unfreiheit aus, indem sie einen antagonistischen Widerspruch zwischen Individuum und Kollektiv behaupten.

Kollektivität und Individualität schließen sich jedoch nicht aus, genauso wenig wie Freiheit und eine radikale Kunst, die sich autoritären Zwängen und politischen Funktionalisierungen widersetzt. Aber da, wo die Individualität zugunsten einer anonymen Kollektivität ausgelöscht wird, die individuelle Urheberschaft unsichtbar und enteignet wird, erfolgt tatsächlich, wie jetzt in Kassel zu beobachten, der Übergang in eine totalitäre Haltungs- und Verantwortungslosigkeit.

Hito Steyerl und Hannah Arendt

Auch Hito Steyerls Beitrag im Kasseler Ottoneum wie der von einigen anderen wie dem Instituto de Artivismo Hannah Arendt in der documenta-Halle oder aus Kolumbien und Mali werden nun in dem Desaster aus Israelkritik, Gegenaufklärung und Unprofessionalität eher untergehen.

Dabei hat Steyerl in einem Text im Vorfeld der documenta fifteen den Kasseler Größenwahn (Weltausstellung!) bei gleichzeitiger Selbstbezüglichkeit bereits treffend charakterisiert.

Sie habe gelernt, schreibt sie, „dass in der postkolonialen Theorie alles situiert und kontextualisiert werden muss, außer es findet in Deutschland statt“. Denn hierzulande ersetze eine „möglichst abstrakte Anrufung des Globalen“ weitgehend die „Auseinandersetzung mit Deutschlands Gegenwart und Vergangenheit“.

Kasseler Märchenwelt

Kassel verfügt über viele schöne Museen. Athen hat die Akropolis, Kassel die neue zur Eventlocation ausgebaute Grimmwelt. Diese thront mit modernster Architektur ausgestattet auf dem Weinberg, ist ein Besuchermagnet. Und auch einer der Schauplätze der documenta fifteen.

Nebenan im Fürstengarten steht abseits der Publikumsströme ein kleines steinernes Rondell. Hinter hohen Büschen erweist es sich als das Kasseler „Ehrenmal für die Opfer des Faschismus“. Es wirkt schmucklos und in die Jahre gekommen. Durch das Gitter ist ein kupferner Dornenkranz am Boden zu erspähen. Hinein kommt man nicht. „Schlüssel beim Pförtner im Rathaus abholen“, steht auf dem Metallschild.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat angekündigt, sie werde nun in Kassel alles auf den Prüfstand stellen. Bundesmittel würden künftig nur fließen, sofern der Bund bei Ausführung und Kontrolle der kommenden documenta 16 in fünf Jahren wieder entscheidend in den Gremien vertreten sei.

Roth muss jetzt tatsächlich energisch gegensteuern, soll durch den postkolonialen Populismus die antifaschistische Verfasstheit der Bundesrepublik in staatlichen Kultur-, Wissens- und Kunstinstitutionen nicht weiter ausgehöhlt werden. Wie man am Beispiel Kassel und der documenta fifteen sieht, drängt es. Und es ist in jeder Hinsicht noch deutlich Luft nach oben. Auch für eine Kunst, die sich nicht der Politik unterwerfen darf.

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31 Kommentare

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  • Bilderstürmer



    Die ersten drei Tage zeigte sich der Friedrichsplatz als ein heiterer Ort mit einem Gewimmel von kunstinteressierten Menschen, die lachend und diskutierend an den bunten Pappaufstellern und dem großen, nun inkrimierten Wimmelbild vorbeizogen, um die Ausstellung im Fridricianum zu besuchen oder zur Karlsaue zu pilgern, wo Kunstobjekte im Grünen auf sie warteten.



    Doch dann der Schock. Zuerst schwarz verhüllt, dann das bunte Banner dem Gerüst entrissen, die Pappfiguren des Kollektivs Taring Padi hinweggefegt. Eine Ödnis, Zerstörung, Ruine, wo Kunst sein sollte. Zwei kleine Bildelemente, wenn auch fragwürdig und kritisch zu sehen führen in einer weiß gewaschenen Demokratie zur Bilderstürmerei.



    Bilderstürmer, Zensoren, Moralapostel, Kritikaster, Maulkorbleger und die erlauchten Meckerfritzen aus Politik, Verbänden und gutgemeinten Organisationen haben sich nun selbst entlarvt, dass Freiheit der Kunst nicht geduldet wird, wenn die Künstler politisch provokant mit sprödem Fingernagel an den Anstands-Normen der Industrienationen kratzen.



    Niemand, kein Künstlerkollektiv, kein Kreativer irgendeiner Art hat auf der Documenta in Wort und Schrift einen Antisemitismus proklamiert. Eine innerhalb eines riesigen Banners kaum wahrnehmbare Kritzelei, die wohl einen Juden in verleumderischer Pose darstellen soll, ist Anlass für ein allgemeines Brüllen von einschüchternden Worten wie Antisemitismus, Rassismus, Judenhass.



    Hier hat ein Mensch aus einem Schwellenland gewagt, mit einer vielleicht falschen Symbolik die Raffsucht des Westens anzuprangern und wird sogleich mit verbaler Brachialgewalt in seine Schranken gewiesen.



    Wenn wir nicht in der Lage sind, solche eher zarten Angriffe zu akzeptieren, sollten wir Wörter wie Pluralismus, Gedanken-, Redefreiheit, Demokratie nicht mehr in den Mund nehmen und uns schämen vor unserem heuchlerischen, selbstgefälligen Leben, das darauf getrimmt ist, gegen alle Vernunft zu expandieren und Zweifler daran biodynamisch unterzupflügen.

    • @Alabanda:

      Vielen Dank für diesen großartigen Kommentar!

      Damit ist alles zu diesem unerträglichen Schmierentheater gesagt.

      Deutschland ist nicht bereit für eine freie und unabhängige Kunst. Das wissen wir jetzt.

      Ab sofort herrscht Zensur, die überwunden schien.

      Ich schäme mich für so viel westliche Überheblichkeit und kann nur hoffen, dass Kunstschaffende aus dem globalen Süden zukünftig einen großen Bogen um Deutschland machen.

  • "ideologische Schema einer postkolonialen Kritik, die nach Authentizität im Ausland sucht, um so den globalisierten Kapitalismus und den Norden leichter angreifen zu können?"



    Diese Verallgemeinerungen, die sich in Ihrem Artikel aber auch in anderen zu der Dokumenta finden, machen mich ganz schwindelig. Um was geht es eigentlich? Schon allein der Titel des ARtikels "Größenwahn und Niedertracht". Wow - starke Worte. Soweit ich verstehe : es geht um zwei Kunstwerke auf einer Riesenschau.



    Ich habe bislang in keinem Artikel mehr über das abgehängte Werk gelesen, als die immerwieder Wiederholung der zwei als antisemitisch zu deutenden Figuren. Soweit ich verstanden habe: es geht um die drei Jahrzehnte währende Dikatur in Indonesien, mit mehreren Massenmorden, die im Westen, von den USA und Deutschland unterstützt wurde. Hat irgendjemand das kommentiert? Apropos Nebenwidersprüche



    Und zu dem Bild „Guernica Gaza“. Der UN Special Rapporteur for Human Rights sowie Amnesty International haben Isreal inzwischen als Apartheidspolitik bezeichnet. Aber Sie haben recht, wenn Sie schreiben, dass "Hamas und viele Fraktionen der PLO stehen für repressive paternalistische Systeme und korrupte Kriegsökonomien"

    • @Teresa Kulawik:

      Es gibt Leute , die den Terminus "repressives paternalistisches System" auch auf Bayern anwenden würden.



      Das mit korrupt sicher auch, wenn auch ohne Krieg.

      Soll heißen: bei uns ist es nur graduell besser, Hochmut ist nicht angebracht.

  • Vielen DANK! Endlich ein Beitrag, der sehr klar und offen genau das ausspricht, was brennt. (Ausser: Es ist ein Triptychon, stilistisch, kein "Wimmelbild" - es ist halt auf einer Leinwand gemalt, aber von der Bildsprache her klar, weil es eine Wandlung darstellt. - Aber das sagen die Kassler ja auch selbst von dem Bild, dass es ein Wimmelbild sei, sich noch dazu auch damit als Banausen entlarvend.)



    Leider ist Frau Roth diesbezüglich eher der "Bock zum Gärtner" gemacht (und man verzeihe mir, in diesem Fall nicht zu gendern) denn ihre kulturapologetische (damit mE auch latent rassistische, als seien das Kinder, nicht ernst zu nehmen) und antisemitismusblinde Haltung ist zur Genüge offengelegt.

  • Guter Artikel. Aber in Kassel gibt es kein "Ehrenmahl" für die Opfer des Faschismus, sondern ein Ehrenmal.

  • Vielen Dank für diesen Artikel!

  • "Kasseler Neo-Marxismus" - das kann ich angesichts des Kunstwerks "People's Justice" durchaus unterschreiben: ich finde es gnadenlos unterkomplex und eindimensional. Da ist ja wohl links der Diktator Suharto mit all seinen Schergen zu sehen, die meisten Figuren sind widerlich entstellt. Auf der rechten Seite ist dann das heroische Volk, das natürlich "im Kampf vereint" dem Diktator widersteht. Das ist einfältiger Revolutionskitsch, der an der komplexen Realität vorbeigeht. Diese besteht z.B. darin, dass 1965 offensichtlich auch Millionen von Zivilisten an den Pogromen gegen die Kommunistische Partei teilgenommen haben; dass Suharto von großen Teilen der indonesischen Bevölkerung als "Vater des Aufschwungs" angesehen war und z.T. noch wird; dass Suharto unter anderem auch wegen des Drucks aus dem Westen zum Rücktritt gezwungen wurde; dass der Aufstand gegen Suharto wohl im wesentlichen ein Werk von Teilen der indonesischen Eliten war und nicht aus dem gesamten Volk kam. Dieses Kunstwerk verzerrt/vereinfacht also in klassisch marxistischer Manier die Vorgänge grob und es fehlt ihm alles, was wir bisher in Deutschland an Kunst so schätzten: ihre Uneindeutigkeit, Offenheit, Ambivalenz, Differenziertheit, Originalität, Kreativität. Das alles wird nicht nur in diesem Kunstwerk, sondern weitgehend auf der gesamten Documenta 15 negiert.

  • Und jedes Jahr trifft sich die Elite aus Politik und Medien bei den Richard-Wagner-Festspielen und feiert sich und den notorisch antisemitischen Hetzer.



    Wagner entwickelt in seinem Pamphlet "Das Judenthum in der Musik" ein durch und durch negatives Klischeebild: von der angeblich abstoßenden äußeren Erscheinung "des Juden", über seine in Artikulation und Syntax vermeintlich hässliche Sprache, seine vorgeblich leidenschaftslose Rationalität, bis zum unterstellten Mangel an genialer künstlerischer Produktivität und der "Fratze" des jüdischen Gottesdienstes, insbesondere des Synagogengesanges.

    „Bayreuth“ gilt als eines der größten kulturellen und gesellschaftlichen Ereignisse des Jahres. Sieben Millionen Euro buttern der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt Bayreuth jedes Jahr dazu.

    • @guzman:

      In jenem "Pamphlet"



      war Wagner auch der Meinung, Juden könnten keine Große Musik komponieren, da sie kein Gefühl für ein eigenes "Vaterland" hätten. (Wiewohl er ständig mehrere jüdische Mitkomponisten in seinem Haus u in seiner Wekstatt um sich herum versammelte)

      Auch schon Goethe traf eine, zwar eher aus religiöser Sicht gesehene, ähnliche Aussage:



      Das Judentum gehöre nicht nach Europa.

      Wenn also, so wie in diesen beiden Personen, sozusagen die Kunst mal ganz persönlich spricht, wird es schummerig um unsereinen herum, u man fragt sich tief betroffen, wie es bei zwei solchen Giganten der Kunst zu solcherart Befindlichkeit kommen konnte.



      Über Wagner ist ja Vieles schon beurteilt worden, u das mit Recht (germanische Musik usw)

      Aber das Andenken an Goethe, der ja wohl meinte, die jüdische Religion sei eher etwas orientalisches, ist diesbezüglich noch nie auf den Prüfstand gekommen.



      Wäre mal interessant, ob sich hier im Kommentariat auch mal gestandene Goetheforscher zu dem heiklen Thema melden könnten.

    • @guzman:

      Und falls jemand auf die Idee kommt, in Wagners Werk käme Antisemitismus nicht vor, bitte:



      - Figuren wie Mime in der Oper „Siegfried“ oder Beckmesser in „Die Meistersinger aus Nürnberg“ trügen antijüdische Züge, sagt der Kulturwissenschaftler und Wagner-Experte Jens Fischer. Er findet verschiedene Belege dafür, dass der Antisemitismus des großen deutschen Komponisten nicht nur dessen private Sicht war, sondern sich auch in dessen Bühnenwerken zeigt. -



      Herr Döpfner, Frau Springer, Frau Merkel, Herr Söder, die gesamte Medienelite alle sind immer wieder gerne an dem Ort, an dem sich auch Hitler, Goebbels, Himmler und Göring gerne zeigten und äußern sich stets begeistert. Für die Sanierung des Festspielhauses in Bayreuth zahlt der Bund zur Zeit 84,7 Millionen Euro.

      In Israel wird Wagner, sicher nicht ohne Grund, seit den Novemberpogromen 1938 nicht mehr aufgeführt.

      • @guzman:

        Am 7. Juli vor 20 Jahren dirigierte Daniel Barenboim in Jerusalem Richard Wagners Vorspiel zu „Tristan und Isolde“: ein Tabubruch. Er würde nie Musik dirigieren, die antisemitisch sei, so die Erklärung des Maestro.

  • Die documenta-Macher haben diese Künstler eingeladen, damit diese im Rahmen eines anti-universalistischen, letztendlich piefigen und spießigen identätspolitischen Spektakels, das wie ein Straßenfest daherkommt das sagen zu lassen, was man selbst nicht sagen kann:

    Israel ist schuld, die Juden sind schuld.

    • @Jim Hawkins:

      Nö, die Deutschen sind Schuld. Die Einzigartigkeit des Holocaust hat mehr mit den Deutschen zu tun, als mit ihren Mordopfern. In der Folge ist man zurecht sehr sensibel bei jeder Art negativem jüdischen Klischee. Aber Anlass für das verschärfte Tabu ist immer noch der von deutschen begangene Massenmord.



      Jetzt so zu tun als würde das hier nicht zum ‚Kontext‘ gehören ist perfide, man könnte fast denken in Indonesien seien Juden massakriert worden.



      Was das Künstlerkollektiv präsentiert hat ist selbstverständlich kritikwürdig, die Selbstgerechtigkeit mit der die deutsche Täterenkel über sie herfallen ist trotzdem ekelhaft

      • @guzman:

        Der Holocaust betrifft doch vor allem die Mordopfer und deren Familienangehörigen. Relativieren Sie nicht deren Opfersein. Und was ist daran falsch, wenn in einer Gesellschaft nun sensibel auf Antisemitismus reagiert wird, gerade wegen der Geschichte, die ja gezeigt hat, wohin Hass und Entmenschlichung führen kann (in dem Zusammenhang muss ich auch an Ruanda und den Völkermord an den Tutsi denken). Egal ob man nun "Täterenkel" ist oder nicht.

      • @guzman:

        Er will Sie nicht verstehen.

      • @guzman:

        Ekelhaft also. Sie haben es aber nötig.

        Antisemitismus ist Antisemitismus, egal wo und auf welche Art er sich artikuliert.

        Ist eine Vergewaltigung oder ein rassistisches Verbrechen in Indonesien etwas anderes als hier?

        Das widerspräche zumindest der Universalität der Menschenrechte, oder?

        • @Jim Hawkins:

          Selbstverständlich ist es ekelhaft, wenn Menschen mit Nazihintegrund (betrifft leider die meisten Deutschen), deren unmittelbare Vorfahren ja auch für die schlimme Situation in Nahost verantwortlich sind, sich jetzt als die großen Menschenrechtler gerieren, gleichzeitig im eigenen Land (da gilt die „Universalität“ offenbar in viele Fällen nicht) dauernd Fünfe gerade sein lassen.



          Dazu, Spon: Wir sind die Menschen mit Nazihintergrund



          www.spiegel.de/pol...-9182-0154410b8f54



          und welche Heuchler diese sauberen, allerdings seltsamerweise nur, wenn es um andere geht, universell menschenrechtelnden Nachfahren sind, sieht man nicht nur in Bayreuth, sondern in ganz Deutschland praktisch an jeder Ecke:



          ubilabs.com/de/ins...istorisches-museum

          • @guzman:

            Also, ich bin ein Heuchler mit Nazihintergrund, der sich als Menschenrechtler geriert.

            Universalität gibt es bei ihnen nur in Anführungszeichen und dann lasse ich noch dauernd Fünfe gerade sein.

            Das ist in ihren Augen also ein Diskussionsbeitrag.

            In meinen leider nicht.

      • @guzman:

        Aber das ist doch gerade der Punkt von Jim Hawkins. Er kritisiert ja primär die deutschen Kulturfunktionäre. Diese machen sich zunutze, dass antisemitische Klischees in Indonesien weniger tabuisiert sind als in Deutschland, und kalkulieren, dass indonesische Künstler mit sowas eher auf "Verständnis" stoßen als deutsche. Ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Bilder auf der documenta gezeigt worden wären, wenn sie von deutschen Künstlern stammten. Ein Deutscher, der Meier oder Müller heißt und Juden so darstellt wie auf dem in Rede stehenden Bild, bekäme in der sich gern als links oder linksliberal wähnenden deutschen Kulturszene kein Bein an Deck. Da fände vielmehr eine pflichtschuldige Abgrenzung "gegen Rechts" statt, damit die Staatsknete weiter fließt.

      • @guzman:

        Den Nerv getroffen!

  • Liebe TAZ das vielleicht mit „postkolonialem Populismus“ gemeint:



    „Die verstörende Überheblichkeit der Ignoranz“



    www.youtube.com/watch?v=eojZW6xo3T8

    ansonsten zu



    „“Denn hierzulande ersetze eine „möglichst abstrakte Anrufung des Globalen“ weitgehend die „Auseinandersetzung mit Deutschlands Gegenwart und Vergangenheit“.“ Aha, ist das nicht aber eher so: taz.de/Kuenstlerko...bb_message_4342409

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Wie nennt man das, wenn der Kulturchef einer Zeitung in ine Figur eines "Wimmelbild"es hineinintgerpretiert, was er gern dort sehen will?



    "Auch eine Karikatur des die ganze Welt ausbeutenden jüdischen Kapitalisten durfte auf dem ... Werk nicht fehlen. Dem jüdischen Kapitalisten verpasste man angespitzte Zähne, Zigarre und Brille."



    Woher nimmt Herr Faninzadeh diese Iterpretation?



    Dargestellt ist ein Mann mit Bowler, darauf SS-Runen. Der Rest stimmt und hat genausoviel mit einem "jüdischen Geschäftsmann", schon garnicht einem "die ganze Welt beherrschenden"zu tun, wie ein Zylinderhut mit einem "Indianer".



    In einem anderen Beitrag wird gar von "Schläfenlocken" geschrieben. Zu sehen sind zwei Haarsträhnen, wie sie (z.B.) (1.) genauso einmal der Rapper Snoop Dog trug.



    Aha - ein Mann mit Vowler, mit Brille,spitzen Zähnen und Zigarre ist also ein "jüdischer Geschäftsmann", auch wenn er SS-Runen auf dem Hut trägt.



    Da ist doch wohl der Wille der Vater der Interpretation.



    Ganz ausgeblendet wird in (Kultur)Presse, ör-Medien und politischem Gegacker der eigentliche Inhalt des "Wimmelbildes": Die Rolle der (westlichen wie östlichen) Geheimdienste (auch "KGB" ist hie rzu findne, ebenso wie MI5 etc. - aber das lässt der "Kritiker" geflissentlich weg, weil das Bild ja "antisemitisch" sein muss), Frimengiganten und Geschäftemacher während der Suharto-Tyrranei in Indonesien.



    Ist ja auch nicht so wichtig für Kultur-Redakteure, wenn man das einmal reflexhaft adoptierte Narrativ verteidigen muss.



    Oder komtm da noch was?

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Ihr akribisches Bemühen, die Harmlosigkeit dieser Kunst zu beweisen, entlarvt Sie mehr, als Sie es sich vorstellen können.

      • 6G
        655610 (Profil gelöscht)
        @Jim Hawkins:

        Danke für die Antwort! Sie haben meine volle Zustimmung.

      • @Jim Hawkins:

        Dafür waren diese hier, die „Gottbegnadeten“ so „harmlos“, dass viele von denen in Deutschland noch ein schönes öffentliches Plätzchen für ihre sauberen Erzeugnisse haben und dabei allesamt selbstverständlich weitaus weniger „ahistorisch und folkloristisch“, als die „niederträchtigen“ Antisemiten aus dem ‚finsteren‘ Indonesien:



        www.dhm.de/ausstel...er-bundesrepublik/

        • @guzman:

          Und?

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @655170 (Profil gelöscht):

      Da kommt noch was:



      Ein Mensch mit Melone mit Snoop Dog Frisur.



      Hahaha!



      "Da ist doch wohl der Wille der Vater der Interpretation."

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 5



    (…) Eine Zensur findet nicht statt.



    (…) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

    „Vor allem Nachrichten, künstlerische Äußerungen und Meinungsäußerungen sind Gegenstände der Zensur. Die Zensur dient dem Ziel, das Geistesleben in religiöser, sittlicher oder politischer Hinsicht zu kontrollieren. Diese Kontrolle wird damit begründet, man wolle oder müsse schutzbedürftige Gesellschaftsgruppen vor der schädlichen Wirkung solcher Inhalte bewahren.



    (…)



    Von Seiten der von Zensur Betroffenen und auch in wissenschaftlichen Untersuchungen wurde und wird der Vorwurf erhoben, der wahre Beweggrund der Zensur seien der Schutz und der Machterhalt der sie ausübenden Eliten.

  • Danke für diesen sehr gut argumentierenden Artikel!



    Mir gefällt die universalistische Perspektive, die die Menschenrechte als normativen Bewertungsmaßstab anlegt.



    Mir kommt es manchmal so vor, als ob die Anhänger:innen der "populistischen postkolonialen Bewegung" - eine sehr zutreffende Kategorisierung - es genießen wollen einfach mal auf der "guten Seite" zu sein, um so einer Auseinandersetzung mit der historischen Verantwortung als Deutscher bzgl. der kollektiven Schuld, resultierend aus der Shoa und allen anderen Naziverbrechen, zu entgehen.