piwik no script img

Atomverhandlungen mit dem IranKeine Rückkehr zum alten Deal

Julia Neumann
Kommentar von Julia Neumann

Der Iran soll 18-mal mehr Uran anreichern, als in dem gekündigten Deal von 2015 vorgesehen war. Es ist Zeit für Zugeständnisse aus den USA und Israel.

Irans Präsident Raisi (links) vor einer Atomanlage in Buschehr Foto: Iranian Presidency/Zuma/imago

E s ist keine große Neuigkeit, dass der iranische Bestand an angereichertem Uran fast ausreicht, um eine Atombombe herzustellen. Das geht aus einem Bericht der UN Atombehörde IAEA hervor, den Nachrichtenagenturen vor Veröffentlichung gesehen haben. Demnach soll der Iran 18-mal mehr Uran anreichern, als in dem Atomabkommen mit den USA von 2015 vereinbart war. Bekanntlich hat die USA das Abkommen unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump im Mai 2018 einseitig aufgekündigt.

Daher verwundert es nicht, dass sich auch der Iran ab 2019 nicht ans Abkommen hielt. Denn der Iran gerät zunehmend unter Druck. Die Rückkehr zu Sanktionen hat zur Wirtschaftskrise geführt. Hinzu kommen Attentate auf den iranischen Offizier Kassem Soleimani, auf den Atomwissenschaftler Mohsen Fachrisadeh und eine Serie von Explosionen und Angriffen 2020 und 2021 gegen die größte nukleare Anreicherungsanlage, an mutmaßlichen Raketenstandorten und einem petrochemischen Zentrum.

Im Mai tötete der israelische Geheimdienst ein ranghohes Mitglied der Islamischen Revolutionsgarden. Gleichzeitig normalisieren arabische Staaten ihre Beziehungen mit Israel. Am Dienstag schlossen die Emirate ein historisches Freihandelsabkommen mit Israel. Daran, dass in Wien seit über einem Jahr verhandelt wird, ist zu sehen, dass eine bloße Rückkehr zum alten Deal nicht möglich ist.

Der Iran muss innenpolitisch verkaufen, einen besseren Deal gemacht zu haben. Die Verhandlungen stockten auch, weil die USA die paramilitärischen Revolutionsgarden nicht von ihrer Terror-Liste streichen wollten – um Israel zu zeigen, dass man wachsam gegenüber dem Einfluss Irans in der Region bleibt. Es ist an Israel und den USA, Garantien für die Sicherheit und Stabilität wirtschaftlicher Beziehungen Irans zu liefern.

Die Nachricht über schätzungsweise 3809 Kilogramm Uran in den Beständen des Iran zeigt, wie dringlich die diplomatische Lösung ist. Es wäre Zeit für die USA, direkt am Tisch zu sitzen, statt europäische Mittelsleute zu schicken. Zumal der Iran bei einem erfolgreichen Deal wieder Öl verkaufen – und damit die hohen Energiepreise, verursacht durch Russlands Krieg gegen die Ukraine, senken könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Julia Neumann
Korrespondentin Libanon
Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Schöner kann man das Pferd ja nicht von hinten aufzäumen... der Iran hat nicht mehr Uran angereichert, weil das Abkommen gekündigt wurde, sondern das Abkommen wurde gekündigt, weil der Iran permanent dagegen verstieß Jetzt von den USA und Israel Zugeständnisse zu fordern, damit die Mullahs ihr Gesicht wahren können, ist bizarr.

    • @Puck:

      Das ist schlichtweg falsch: der Iran hat sich an die Vorgaben aus dem Abkommen gehalten, bis die USA es gebrochen haben - mehr noch: er hat erst nach einem Jahr begonnen, das Atomprogramm wieder auszuweiten. Bizarr ist es, zu erwarten, dass der Iran ohne Gegenleistung auf eigene Rechte verzichtet, weil die USA und ein paar mit ihnen verbündete Staaten das fordern.

      • @O.F.:

        Sie haben aber viel Verständnis für eine menschenverachtende Diktatur, deren wichtigsten ideologischen Säulen Antisemitismus und Frauenverachtung sind.

        • @Jim Hawkins:

          Es geht nicht um Verständnis. Es geht um Ziele. Der Atomdeal hatte nicht das Ziel dieses unsägliche Mullah Regime weg zu bekommen sondern zu verhindern dass sie keine Atombomben bauen (was Israel übrigens hat). Also kann und sollte man das nicht vermischen. Es scheint Fakt zu sein dass der Iran bis zu Trump sich an das Abkommen mehrheitlich gehalten hat gemäss der Atomenergiebehörde und es jetzt nicht mehr tut. Um eine Erfolg zu erzielen sollte man das nicht vermischen sonst wird das nichts

          • @Mike Müller:

            "Es scheint Fakt zu sein dass der Iran bis zu Trump sich an das Abkommen mehrheitlich gehalten hat"

            Genau, es scheint. Der israelische Geheimdienst ist einer anderen Meinung.

  • Na genau umgekehrt!



    Genau deshalb weil das iranische Regime die Bevölkerung unterdrückt braucht es keine Zugeständnisse an mehr Atommacht und die Bevölkerung wird auch immer unzufriedener und interessiert sich nicht für diese Kriegsdrohungen.



    Frau Neumanns Kommentar widerspricht den Erfahrungen in Afghanistan, Syrien und der Ukraine.



    Kein Zurückweichen gegenüber den Tyrannen.

  • Wieso sollten die USA und Israel dem iranischen Regime Zugeständnisse machen? Damit die Revolutionsgarden ihre Kriegskassen füllen und die Region weiter mit Krieg und Terror überziehen können? Und wieso soll es wünschenswert sein, wenn das Regime innenpolitisch das Verhandlungsergebnis "verkaufen" kann? Damit die Bevölkerung bereit ist, die sich ständig verschlechternden Lebensbedingungen zu akzeptieren?

    Möglicherweise geht die Autorin davon aus, bei einer Aufhebung oder Lockerung der Sanktionen käme von den dadurch erzielbaren Einnahmen auch ein nennenswerter Teil bei der Bevölkerung an. Das halte ich aber für eine Illusion. In erster Linie werden sich die Kleriker und die Revolutionsgarden, die die Wirtschaft kontrollieren, die Taschen vollmachen und das Geld in die weitere Aufrüstung stecken. Dass zusätzliche Einkünfte der Herrschenden bereitwillig an die Armen im Lande verteilt werden, kommt bekanntlich auch in Staaten, deren Regierungen weit humaner handeln als die iranische, ausgesprochen selten vor. Zur Not werden die Proteste einfach zusammengeschossen - für die entsprechenden Repressionsorgane und deren Ausrüstung ist immer genug Geld da.

    • @Budzylein:

      Auch sie vermischen alles was in dem gesamten Konflikt auftritt. Es ist aber nicht das Ziel des Atomdeals alle Problem dort zu lösen oder gar Regierungen abzulösen. Das Ziel war und ist zu verhindern dass der Iran soviel Uran anreichert dass r Atombomben bauen kann. Das hat mit den Deal bis zu Trumps Irrsinn funktioniert gemäss Atom Energie Behörde. Hier muss man wieder hin dass der Iran wieder einem Deal in der Art zustimmt. Wenn es dazu ein paar Lockerungen braucht noch so gerne. Alles andere würde auch nicht zum Erfolg führen vor allem das Vermischen von Interessen wie es vor allem gerne die Atommacht Israel fordert wird zu nichts führen. Erst den der Deal gegen Atomwaffen im Iran dann alles andere

  • "Es ist keine große Neuigkeit, dass der iranische Bestand an angereichertem Uran fast ausreicht, um eine Atombombe herzustellen. Das geht aus einem Bericht der UN Atombehörde IAEA hervor, den Nachrichtenagenturen vor Veröffentlichung gesehen haben. Demnach soll der Iran 18-mal mehr Uran anreichern, als in dem Atomabkommen mit den USA von 2015 vereinbart war. "

    Was heißt 18-mal mehr? Die 18-fache Menge? Für den Bau von Atomwaffen kommt es nicht nur auf die Menge von angereichertem Uran, sondern auf den Grad der Anreicherung an. Für Kernreaktoren braucht man einen U-235-Gehalt von ca. 5 %, für Atomwaffen einen von 85 %. Wie hoch ist der Anreicherungsgrad bei dem vom Iran angereicherten Uran?

    • @Francesco:

      Stand 2021:

      "ran hat nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) inzwischen mehr als 2,4 Kilogramm Uran auf mehr als 60 Prozent angereichert. Das ist ein Anreicherungsgrad, den IAEA-Chef Rafael Grossi kürzlich mahnend als „fast waffentauglich“ bezeichnet hat. Insgesamt hat Iran 3,2 Tonnen angereichertes Uran in seinen Beständen, 16 Mal mehr, als das Atomabkommen von 2015 erlaubt. Hoch anreichern (über 20 Prozent) dürfte Iran demnach gar nicht. Über eine Rückkehr zum Abkommen wird nach wie vor in Wien verhandelt."

      www.faz.net/aktuel...uran-17367967.html

      Und deswegen verlangt dieser groteske Kommentar dringend Zugeständnisse von Israel und den USA.

      • @Jim Hawkins:

        Es waren die USA, die das Abkommen gekündigt haben, nicht der Iran. Ohne das Abkommen darf Iran alles machen, was der Atomwaffensperrvertrag erlaubt, das heißt, beliebig Uran anreichern, solange er darauf verzichtet, Atomwaffen zu bauen.



        Wenn man vom Iran möchte, dass er sich wieder an die Bedingungen des Abkommens hält, dann muss man ihm entsprechende Zugeständnisse machen.



        Wobei: Gefordert wird nur, die Sanktionen aufzuheben. Für diese Sanktionen gibt es aber gar keine Rechtsgrundlage. Die UN hat die Sanktionen aufgehoben. Wenn die USA weiterhin Sanktionen verhängt, dann ist das im Kern ein Wirtschaftskrieg gegen den Iran.