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Grüne Jugend zum SondervermögenWeniger Ärger mit den jungen Leuten

Die Grüne Jugend protestierte gegen das Bundeswehr-Sondervermögen – doch junge Abgeordnete sagten ja. Wie viel Einfluss hat der Nachwuchs noch?

Setzten sich gegen das Sondervermögen ein: Grüne-Jugend-Duo Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus Foto: dpa

Berlin taz | Sarah-Lee Heinrich kam in dieser Woche zu dem Schluss, dass noch mal eine Erklärung nötig ist. Mit einer Videobotschaft wandte sich die Bundessprecherin der Grünen Jugend an ihre Follower auf Instagram. Es ging um das Sondervermögen für die Bundeswehr, das der Bundestag letzten Freitag beschlossen hatte. Sie verstehe den Frust im eigenen Verband und bei den Bündnispartnern, sagte Heinrich: Auf der einen Seite gebe es eine Grüne Jugend, die „ganz klar“ gegen das Sondervermögen sei. Auf der anderen Seite gebe es Abgeordnete aus der Grünen Jugend, die sich „im Bundestag anders verhalten“. Das bringe einen „vielleicht zum Rätseln“.

Die aktuelle Grünen-Fraktion ist so jung wie noch nie. Die Grüne Jugend spricht von 27 Abgeordneten, die Mitglied des Verbands sind oder das Höchstalter von 28 Jahren noch nicht lange überschritten haben. „Richtig viel jung-grüne Power für einen echten Wandel“, jubelte der Verband nach der Bundestagswahl.

Bei der Abstimmung zur Grundgesetzänderung für das Sondervermögen stellte sich aus den Reihen der 27 aber niemand quer. Einige wenige Abgeordnete der Grünen Jugend fehlten, der Rest stimmte mit „Ja“. Die fünf Nein-Stimmen aus der Fraktion kamen von älteren Abgeordneten. Und das, obwohl die Grüne Jugend das Sondervermögen eigentlich ablehnte. Die Kritik ihrer Doppelspitze an den Milliarden war im gesamten Grünen-Kosmos die am deutlichsten vernehmbare. Das dürfte sowohl an der guten Öffentlichkeitsarbeit von Heinrich und ihrem Sprecherkollegen Timon Dzienus als auch an der relativen Zurückhaltung in den restlichen Teilen der Partei gelegen haben.

Grenzenlose Begeisterung gab es zwar auch in der Fraktion nicht. Mit der Idee des Sondervermögens hatte Kanzler Olaf Scholz die Grünen im Februar im Bundestag überrumpelt, und grüne Änderungswünsche – zum Beispiel die Verwendung des Geldes auch für Sicherheitsaufgaben jenseits der Bundeswehr – flogen in den Verhandlungen in letzter Minute wieder raus.

„Eine bittere Pille“

Dass sie dennoch zugestimmt haben, begründen viele der jungen Abgeordneten mit einer harten Abwägung. „Es war natürlich eine bittere Pille, dass die Union dafür gesorgt hat, dass zum Beispiel Cybersicherheit nicht berücksichtigt wird. Die Gründe dafür haben für mich trotzdem überwogen“, sagt Max Lucks, selbst ehemaliger Bundessprecher der Grünen Jugend. Ausschlaggebend seien für ihn unter anderem die Sicherheitsinteressen von Osteuropäern und Skandinaviern gewesen, mit denen er als Außenpolitiker regelmäßig zu tun hat.

Was niemand der Abgeordneten aufführt, aber bei umstrittenen Abstimmungen natürlich auch oft eine Rolle spielt: die Loyalität gegenüber den verantwortlichen Parteigrößen (in diesem Fall Annalena Baerbock, die die finalen Verhandlungen führte) sowie der Fraktionszwang und die Sorge, sich mit einer Nein-Stimme die Arbeit an anderer Stelle schwer zu machen. Wer im Bundestag sitzt, auf den wirken plötzlich sehr viele Zwänge.

Zumindest etwas anders ist die Situation bei den Jusos, die in der SPD-Fraktion stark vertreten sind. Die meisten von ihnen stimmten zwar auch für das Sondervermögen, es gab aber zumindest einige Nein-Stimmen – unter anderem von Juso-Chefin Jessica Rosenthal, die anders als Heinrich und Dzienus selbst im Bundestag sitzt. Bei der Grünen Jugend schließt schon die Satzung ein Mandat aus, was deren Spitze aber auch weiterhin richtig findet: So sei die „Beinfreiheit“ größer.

Grenzen und Hoffnung

Wie viel Einfluss bleibt dem Jugendverband so aber? „Diese Abstimmung hat auch mir die Grenzen der parlamentarischen Arbeit aufgezeigt“, sagt Heinrich. „Zu hoffen, dass sich alles ändert, weil 27 Abgeordnete aus der Grünen Jugend im Bundestag sitzen, überschätzt den Handlungsspielraum von Einzelpersonen. Umso wichtiger ist es, den Druck von unten zu organisieren. Das ist langwieriger, aber nachhaltiger.“

Trotzdem könne die Grüne Jugend etwas bewirken. Das habe sich auf dem Kleinen Parteitag im April gezeigt, auf dem ein Antrag des Verbands gegen das Sondervermögen nur knapp scheiterte. „Das Thema ist ja auch nicht erledigt, viele Konflikte tun sich jetzt erst auf. Wie verhindern wir eine globale Aufrüstungsspirale? Wie verhindern wir massive soziale Verschlechterungen im Herbst und Winter?“, sagt Heinrich. Zeit, den Kopf hängen zu lassen, habe man nicht.

Und auf Unterstützung im Bundestag kann sie für die Zukunft zumindest wieder hoffen. Einen Bruch zwischen Grüner Jugend und den jungen Abgeordneten gebe es nicht, beteuert der Parlamentarier Lucks. „Wir sind uns einig, dass wir in den kommenden Verteilungsfragen zusammenarbeiten werden“, sagt er.

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23 Kommentare

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  • Die Grünen Jungend, vor allem die Führungskräfte ist ihr Job das Sprungbrett in die Politische Karriere für den späteren ( Wohlversorgten ) Lebensstandard . Jetzt muss man klopfen, Stimmen in der Zukunft ....

  • Die wichtigste Frage hat Heinrich nicht gestellt: Wie begegnet man faschistischen Aggressoren wie Putin?

    Es ist ja richtig gute Ziele zu haben. Es sollte aber nicht dazu führen, Probleme zu ignorieren.

    • @Rudolf Fissner:

      Ersteinmal bestimmt nicht mit dem Wort "total" in jeder zweiten Äußerung.

      Das lässt schon keinen Raum mehr für Diskussionen und Vielfalt an Meinungen zu, ist für sich schon eine antidemokratische Sprache.

      Ich finde die Retorik bei den Grünen allgemein sehr bedenklich .

      Putin ist kein Faschist, Sozialist oder Kommunist oder Nationalist, dasn scheiß KGB-Gangster der das macht was ihm am meisten nützlich erscheint ... Berufs-Politiker oder Firmen-Bosse handeln genauso. Er hat niemanden mehr der glaubhaft neben ihn tritt und ihm ins Ohr flüstert: "Höre auf oder sonst übernehme ich!"

      Selenskiy übrigens auch nicht, da nehmen die beiden sich nichts. Im Gegenteil die haben ein ohne jeden Zweifel sie bestätigenden Personenkreis um sich gesammelt, jegliche Opposition ausgeschaltet, und Diktieren gegeneinander ihre Bevölkerung zur Schlachtbank.

  • Das ist bei grünen Abgeordneten schon Normalzustand, dass sie sich nötigen lassen und viele Themen gar nicht erst bei der Mitgliedschaft diskutieren und abstimmen lassen, so wie die gewählten Grünen ja auch gegenüber ihren Wählern nach jeder Wahl den Dialog einstellen zugunsten von Zugeständnissen gegenüber einem Koalitionspartner. Beispiel: Die von der Jamaica-Koalition auf Betreiben der FDP ausgehend von Schleswig-Holstein legalisierte Glückspiel-Zulassung im Netz, das vie Arme noch ärmer macht, aber nie weder in der Mitgliedschaft noch bei den Wählern abgestimmt wurde. Wie soll sich da eine demokratische Kultur entwickeln, wenn selbst innerhalb einer Partei, die einst einen Aufbruch versprochen hatte, keine Debatte um wichtige Themen gepflegt wird ? Da wird einer Mauschelei zugunsten der Postenerhaltung Tür und Tor geöffnet und macht Wahlen letztlich zu einer Theatervorstellung.

    • @Dietmar Rauter:

      In der Regel sind öffentliche parteiliche Veranstaltungen bei allen etablierten Parteien so etwas wie Theatervorstellungen, da passieren schon nicht geplante *Unglücke* aber nichts von wirklich entscheidender Bedeutung. Der Inhalt der Redebeiträge ist bekannt, die Redezeit begrenzt, wirkliche Abweichungen Diskussionen die zu neuen Lösungen oder/und Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse führen könnten werden abgewürgt, sind im Format nicht vorgesehen. Auf der Grünen BDK 2020(?) gab es den moderierenden Robert Habeck der eine Diskussion über frei Zugänglichen ÖPNV auf Bundespolitischer ebene regelrecht für Ergebnislos als beendet erklärt hat. Unter Grünen Vermögenden/Autofahrern und Grünen Linken dürfte das für ihn nicht eskalieren/war schon geklärt(da kam so gar keine kritische Reaktion drauf). Verkauft wurde uns das wohl als so etwas wie Demokratie bei den Grünen.

      Real ist in 2022 ist:



      Wir haben immer noch einen via Haushalsabgabe(ungerecht) finanzierten, zu mindestens 33,3periode% mit Polithanseln besetzen ÖR.

      Real ist auch, dass die CDU auf Bundesebene immer noch gefragt wird - obwohl sie dort offiziell in der Opposition sein sollte, die Regierung ständig kritisierend, herausfordernd statt beifallklatschend.

      Real ist auch, dass der Krieg im Osten als Begründung dafür hergenommen wird, vormals vordringlichste Themen wie Klimaschutz und Vermögensschrere zu vernachlässigen, regelrecht dafür hinten an zu stellen.

      Real ist auch, dass immer mehr Daten, auch biometrische Daten wie Fingerabdrücke von Behörden und Verwaltungen wie Privaten gesammelt werden ohne, dass die Verhältnismäßigkeit geklärt wurde.

      Real haben wir deutlich zu wenig Wohnraum für zu viele Menschen, und dazu noch im falschem Besitz.

      Real haben keinen auch nur annähernd dem Bedarf gerechten Ausbau des ÖPNV und Fernverkehr um auf Autos(egal ob fossil oder regenerativ betrieben) als Technologie von über Vorgestern für jeden Gesunden überall zur reinen Personenbeförderung verzichten zu können.

    • @Dietmar Rauter:

      Sie haben es abgewogener, sachlicher und ausführlicher behandelt als ich. Danke!

  • Die grüne Jugend hat nur noch nicht gemerkt, dass die eigene Partei von der Bourgeoisie gekapert wurde. Ist doch aber eigentlich völlig normal wenn die Jugendorganisationen deutlich radikaler sind. Das Gegenteil wäre ja erschütternd. Frei nach Winston Churchill "Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn."

    • @Šarru-kīnu:

      Ich fürchte, ihr Churchill war es nicht und das ursprüngliche Zitat sagte nicht "Kommunist" sondern "Liberaler".

  • "Das dürfte sowohl an der guten Öffentlichkeitsarbeit von Heinrich und ihrem Sprecherkollegen Timon Dzienus als auch an der relativen Zurückhaltung in den restlichen Teilen der Partei gelegen haben."



    Es dürfte auch daran liegen, dass einige Leute sich als richtungsweisend und die eigene Meinung und Position als allgemeingültig ansehen. Eine Hegelsche Dialektik wird offenbar als Frevelhaftigkeit abgelehnt. Ein wenig mehr Recherche hätte dies vielleicht auch beleuchtet.

  • "Trotzdem könne die Grüne Jugend etwas bewirken. Das habe sich auf dem Kleinen Parteitag im April gezeigt, auf dem ein Antrag des Verbands gegen das Sondervermögen nur knapp scheiterte."

    Aha! - Und was haben Sie nun mit dem gescheiterten Antrag bewirkt?



    Nein, ich will keine Häme über diese engagierten jungen Leute ausgießen, stelle mir aber schon die Frage ob die in der für ihre Anliegen richtigen Partei sind.

    • @LittleRedRooster:

      "Nein, ich will keine Häme ... aber ..."

      ROFL. Sie meinen man kann bei der Partei der Bibeltreuen Christen so richtig etwas bewegen?

      • @Rudolf Fissner:

        "Sie meinen man kann (...)" (Fissner)



        Ohmei - Er scho wieder!...



        Sorry, da ich die Partei der Bibeltreuen Christen weder von innen noch von außen kenne kann ich Ihre Frage leider nicht beantworten.



        Allerdings kenne ich einige Repräsentanten der Vereinigung Übelwollender Geronto-Zyniker. Über die will aber meist keiner was wissen.

  • "..doch junge Abgeordnete sagten ja. "



    Klar, die haben ja auch schon reichlich Lebenserfahrung gesammelt.

    Der Ausdruck "Sondervermögen für die Bundeswehr" ist für mich gleichwertig mit "Spezialoperation".

    Die Presse scheint da völlig unkritisch zu sein!

    • @cuba libre:

      Damit bin ich einverstanden. Man hätte ja auch Kriegsanleihen ausgeben können, dann hätten die Deutschen die Wahl. Etwa: Gold gab ich für Eisen.

    • @cuba libre:

      "Der Ausdruck "Sondervermögen für die Bundeswehr" ist für mich gleichwertig mit "Spezialoperation"."



      Der war gut!

      • @Stefan L.:

        Er nicht lustig/gut/zu Ende, sondern genau richtig, es blanker Euphemismus, reine Selbstbeweihräucherung, Schulden "Sondervermögen" zu nennen, genau so wie Krieg als "Spezialoperation" auszugeben.

        Wir schießen schließlich in Fernost auch demonstrativ noch eine Rakete mehr ins Mehr, weil der gegenüber so blöde war das zu tun, zeigen wir ihm, dass wir dieses immer weiter abfallende Niveau auch drauf haben!

  • Das ist mal eine sehr realistische Einschätzung. Sehr interessanter Bericht.

  • „Wir sind uns einig, dass wir in den kommenden Postenverteilungsfragen zusammenarbeiten werden“ meinte er.

  • Hätte mensch mehr erwarten können? Inwieweit sind die Rüstungsausgaben gegenüber anderen Ausgaben ins Verhältnis gestellt worden? Inwieweit wurden die gewaltige Höhe und konkreten Rüstungsinvestitionsziele hinterfragt? Wieviel wird gleichzeitig für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben? Was ist bspw. mit einer HartzIV-Erhöhung? Warum darf/kann die CDU Bedingungen knüpfen? Wurden von Jusos, Grüne (Jugend) Bedinungen geknüpft?

    • @Uranus:

      Und: Inwieweit gab es Antworten darauf, wie mit faschistischen Überfällen anderer Länder umzugehen ist?

      • @Rudolf Fissner:

        Es gibt Faschismus, faschistoide Strukturen und besser oder schlechter begründete Angriffskriege aber keine "faschistischen Überfälle".

        • @MontNimba:

          What!? Überfälle von Faschisten mit faschistischer Zielsetzung und über faschistische Strukturen organisiert haben nie existiert. Das ist ja mal janz was neues. 🤫

          • @Rudolf Fissner:

            Überfälle haben keine Ideologie, sie sind schlich weg nur Überfälle, oder gibt es für sie auch demokratische-freiheitliche Überfälle?

            Das war eher ein Überfall der überfällig war, plötzlich und überraschend kam er nur für jene die weggesehen haben, also eigentlich kein Überfall sondern ein Angriff mit offener Ansage, mit zumindest ordentlichem jahrzehntelangem Vorlauf.