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Autorin über Alkoholmissbrauch„Trinken wird eben auch gegendert“

Als emanzipierte Frau sollst du trinken wie ein Mann, sagt die Food-Journalistin Eva Biringer, die selbst ein Alkoholproblem hatte.

Eva Biringer schreibt über die Geschlechterdimension von Alkoholmissbrauch Foto: Florian Reimann
Sophia Zessnik
Interview von Sophia Zessnik

taz: Frau Biringer, während der Alkoholkonsum in den vergangenen Jahren generell abgenommen hat, steigt er bei einer Gruppe: beruflich erfolgreichen Frauen ab 30 Jahren. Ist Alkoholismus etwa eine Begleiterscheinung des Feminismus?

Eva Biringer: Ich bin der Meinung, dass es Frauen als emanzipativ verkauft wird, zu trinken. Die Serie „Sex and the City“ (SatC) ist immer noch mein Lieblingsbeispiel: Als erfolgreiche Frau in einem coolen Job, finanziell unabhängig, gehört der After-Work-Drink zum Lifestyle dazu.

In Ihrem Buch „Unabhängig“ schrei­ben Sie: „Die Zukunft ist weiblich, der Wein ist pink“. Ist das nicht ein arges Klischee?

Dabei handelt es sich um ein Zitat der US-Autorin Holly Whitaker („Quit Like a Woman“) und ja, es klingt nach Klischee, aber auf gewisse Weise wird Trinken eben auch gegendert. Rosé-Sekt oder der Cosmopolitan wie bei SatC sind zu Symbolen eines gewissen Glamours geworden. Die Psychotherapeutin Ann Dowsett Johnston spricht in diesem Zusammenhang von einer „Feminisierung der Trinkkultur“. Und tatsächlich besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen dem Grad an Emanzipation in einem Land und dem Anteil trinkender Frauen.

Woran liegt das?

Als emanzipierte Frau sollst du machen, was Männer auch machen. Also kannst beziehungsweise sollst du auch trinken wie ein Mann. Wobei es hier zu einem gewissen Paradoxon kommt.

Inwiefern?

Man bewegt sich als Frau auf einem schmalen Grat: Gar nicht trinken ist komisch – dann bist du entweder schwanger, nimmst Medikamente oder hast ein Alkoholproblem. Zu viel trinken geht aber auch nicht, da läuft man besonders als Frau Gefahr, schnell stigmatisiert zu werden. Eine Freundin von mir hat das mit dem gesellschaftlich akzeptierten Körperbild verglichen: Zu dick sein darfst du keinesfalls – zu dünn sein aber auch nicht.

Sie schaffen eine Verbindung zwischen dem exzessiven Alkoholkonsum von Frauen und dem Wunsch, dünn zu sein. Stichwort: Drunkorexia.

Essstörungen und Alkohol sind eine sehr gängige Kombination. Viele, die an Bulimie oder Anorexia nervosa, also Magersucht, leiden, trinken. Erst mal passt das gar nicht zusammen, schließlich hat Alkohol viele Kalorien und erhöht den Kontrollverlust. Gerade bei Anorexia geht es hingegen darum, die Kontrolle zu behalten und möglichst wenig Kalorien aufzunehmen. Schaut man genauer hin, passen beide Verhaltensmuster aber doch gut zusammen. Du kannst nicht immer kontrolliert sein, und da ist das Trinken für viele der vermeintliche Ausweg, loslassen zu können. Bei mir war es jedenfalls so: Trinken war der Exzess, den ich mir sonst verboten habe.

Sie arbeiten als Food-Journalistin und haben nun aufgehört Alkohol zu trinken. Ist das vereinbar?

Ich höre den Satz seltener als anfangs gedacht, aber wenn, kommt er immer von Männern: Du schreibst über Essen und trinkst nicht? Du musst doch was zum Wein sagen können.

Im Interview: Eva Biringer

Eva Biringer, geboren 1989 in Albstadt-Ebingen, hat Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft studiert. Sie arbeitet in Berlin und Wien als freie Autorin für verschiedene deutschsprachige Medien. „Unabhängig. Vom Trinken und Loslassen“. Harper Collins, 352 Seiten, 18 Euro

Was ist Ihre Antwort?

Nein, ich muss nichts zum Wein sagen können. Erstens gibt es mittlerweile ganz wunderbare alkoholfreie Getränkebegleitungen. Zweitens, und das ist wichtiger: Ich habe oft vom Essen kaum etwas mitbekommen, weil ich schon ab der zweiten Vorspeise besoffen war. Das passiert in meiner Branche gar nicht so selten, schließlich ist Alkohol da sehr präsent. Auf Pressereisen wird ständig getrunken; man muss die Jour­na­lis­t*in­nen ja bei Laune halten. Im Food-Bereich beginnt man den Tag gern mal mit einem Schnapsbrennereibesuch. Auf diesem Grat zu wandeln war schwer: Ich hatte das Gefühl, mittrinken zu müssen, um nicht aus der Rolle zu fallen, und gleichzeitig durfte ich nicht zu viel trinken. Denn das wäre ja unprofessionell.

Mit elf Jahren haben Sie angefangen, Alkohol zu trinken. Von da an hat sich Ihr Konsum mit den Jahren immer weiter gesteigert. Haben andere Menschen Sie auf Ihren Alkoholkonsum angesprochen?

Kaum. Ein Ex-Freund von mir, ein Sommelier, hat mal nach einer exzessiven Nacht gesagt: Eva, ich will dich so nicht mehr sehen. Das war eine Ansage. Aber sonst hat niemand was gesagt. Ich bin aber auch sehr offen mit meinem Konsum umgegangen, weil ich dachte, das würde mich schützen.

Wovor?

Ich dachte, die Kontrolle zu behalten, wenn ich ehrlich damit umgehe, dass ich viel trinke. Freun­d*in­nen erzählte ich von meinen Abstürzen, auf meinem Instagram war alles voll mit Weinflaschen und Drinks. Ich rechnete Ausgaben sogar in meinen Lieblingsdrink um – mein Wechselkurs war der Negroni-Index.

Wie lange hat es gedauert vom Realisieren, dass Sie ein Alkoholproblem haben könnten, bis zum Entschluss, nüchtern zu werden?

Im Prinzip dauerte es circa 12 Jahre. Mit Anfang 20 habe ich den Uni-Psychologen gefragt, ob es ein Problem sei, dass ich jeden Tag zwei Gläser Wein trinke. Er gab mir einen ausgedruckten taz-Artikel von Daniel Schreiber in die Hand mit. Den habe ich heute noch. Im Grunde wollte ich damals keine Antwort, es aber mal formuliert haben. Offensichtlich hatte ich aber bereits die selbstkritische Überlegung, dass es nicht cool ist, jeden Tag zu trinken. Zudem fand ich Tage, an denen ich nicht trinken konnte, doof. Auch ein Zeichen.

Trotzdem haben Sie weiter getrunken?

Ja, es war ein langer Prozess. Ich wollte immer was erleben und habe deshalb getrunken. Das ist für Frauen weniger typisch. Männer neigen eher dazu, Erlebnistrinker zu werden. Viele Frauen trinken, um ihre Gefühle zu unterdrücken, um endlich mal abzuschalten und nicht ständig diesem mental load ausgesetzt zu sein.

Die Pandemie war da nicht gerade hilfreich.

Ja, soziale Trinker haben in der Pandemie weniger getrunken, da die Anlässe durch geschlossene Clubs und Bars wegfielen. Bei Menschen, die aber vorher schon dazu tendiert haben, alleine und/oder bei Problemen zu trinken, hat sich der Alkoholkonsum erhöht. Besonders unter Müttern ist er gestiegen, da sie durch die zunehmende Care-Arbeit einer hohen Belastung ausgesetzt waren.

Sie schreiben, Sie seien der Meinung, dass sich die Politik aktiv dagegen entscheide, einen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung zu leisten. Wie meinen Sie das?

Es ist klar, dass Deutschland ein Alkoholproblem hat. Die Zahlen unterscheiden sich je nach Erhebung, aber Deutschland ist immer vorne mit dabei, was den Pro-Kopf-Verbrauch betrifft. Weltweit sterben mehr Menschen durch Alkohol als durch Verkehrsunfälle, illegale Drogen und Verbrechen. Da entstehen für das Gesundheitssystem immense Kosten, um für alkoholbedingte Ausfälle und Behandlungen aufzukommen. Aber darum kümmert sich die Politik hierzulande nicht, weil die Lobby so groß ist. Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), die letzte Politikerin, die aktiv versucht hat, etwas zu ändern, ist quasi aus dem Amt gejagt worden. Dabei helfen Steuererhöhungen und ein Werbeverbot, den Alkoholkonsum zu regulieren. Erfolgreiche Beispiele dafür sind Island oder Schottland.

Sie vertreten die gewagte These, dass Alkoholismus „keine Krankheit, sondern eine verdammt blöde Angewohnheit“ ist.

Ja, das ist meine Meinung. Aber ich möchte hier differenzieren. Wenn du körperlich abhängig bist, ist es keine Gewohnheit mehr, dann ist es eine Krankheit. Bis dahin ist es aber ein langer Weg. Die Frage ist: Wo fängt Abhängigkeit an? Bin ich schon abhängig, wenn ich jeden Tag einen Drink trinke, aber nie betrunken bin? Oder bin ich nur abhängig, wenn ich beim Trinken nicht aufhören kann? Und was ist mit denen, die abstürzen, dann monatelang gar nicht trinken? Letztlich geht es um Selbsteinschätzung.

Also würden Sie sich nicht als Alkoholikerin bezeichnen?

Nein. Ich hab beispielsweise nie morgens getrunken, ich konnte auch einen Monat nicht trinken und trotzdem war ich abhängig, – aber war ich Alkoholikerin? Ich mag den Begriff und das Bild, das er vermittelt, einfach nicht. Deswegen tue ich mich auch schwer mit „Anonymen Alkoholikern“. Die dort propagierte Auffassung, mein Ego erst mal klein machen und mich bei anderen entschuldigen zu müssen, wird meiner Lebensrealität nicht gerecht.

Sondern?

Ich orientiere mich da an feministischen Perspektiven aus der sogenannten sober scene. Dort heißt es, besonders Frauen sei in ihrer Abhängigkeit nicht geholfen, wenn sie sich erst mal klein machen. Als Frau entschuldigt man sich sowieso schon viel zu viel für alles Mögliche. Als Erstes muss ich mich bei mir selbst entschuldigen. Dafür, was ich meinem Körper und meiner Seele angetan habe.

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28 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Die Antworten von Eva Biringer finde ich überzeugend. Mann muss sie allerdings verstehen wollen. Es soll ja so glückliche Säufer:innen geben, die keine Veranlagung zum Alkoholismus haben.



    Ich kenne/kannte sonne und sonne. Von der einen Art sind viele nicht mehr bei uns.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Dann sollte sie aber deutlich machen aus welcher Perspektive (freiwillige Abstinenz) sie an wen adressieren will. Die hat ja nu auch ein Buch geschrieben.



      Und ich denke, es ist einfacher, sich einzugestehen, daß mensch alkoholabhängig ist, anstatt Haarspaltereinen und diffuse Aussagen (die drittletzte Frage ist von der Wissenschaft eindeutig beantwortet; abhängig ist mensch sowohl als "Quartalssäufer" als auch als regelmäßiger Trinker (und da ist die Menge ned das entscheidende Kriterium).) Ebenso ist mäßiger Konsum mit regelmäßigen Kontrollverlusten ("Abstürze") incl.kurzen Trinkpausen wie bei der Befragten eine eindeutige (vergangene) Abhängigkeit.



      Der Union-Fan und seine Frau, die hier über den Kommentaren artikeltechnisch verewigt sind, sind da weitaus ehrlicher zu sich selbst (und mir sympathischer).

    • @95820 (Profil gelöscht):

      anschließe mich.



      &



      That’s the point. Aus dem Skat!



      (Psycho-dope &🍷) & Däh!=> ok! - 🙀🥳

      “Sie sind kein Suchttyp.“* - (hab ich schriftlich!) Will sagen:



      Unter Künstlern/Musikern begegne ich vielen - trockenen - die Ihr‘s haarklein bestätigen.



      Nicht übersehen werden sollte dabei - die Suchtdisposition ist‘s meist - wo sich die Geister scheiden - bis hin zu Trockenen - die zB permanent ☕️ ☕️☕️☕️ ♾ am Start haben. Echt gesund is dat nu ooch wieder nich - wa!

  • Ich bin in einem von Alkoholismus geprägtem Umfeld aufgewachsen und habe auch als Pflegeperson AlkoholikerInnen gesehen. Mit Emanzipation hatte das zu keiner Zeit etwas zu tun.

  • Puh. Irgendwie scheinen da öffentliche Wahrnehmung und vermeintliche Erwartungshaltungen generell eine wichtigere Rolle zu spielen als wissenschaftliche Fakten und schonungslose Selbstreflektion.

    "Keine Alkoholikerin", weil morgens noch kein Konsum? Alkoholismus "keine Krankheit", weil erst körperliche Entzugserscheinungen auftreten müssen? Regelmäßige Abstürze als "blöde Angewohnheit"? Weil Schwäche und Eingeständnis nicht in die Lebensrealtiät passen und das Ego klein machen?

    Das Ego ist immer dann ganz klein, wenns nur darum geht, was andere denken und erwarten. Zu glauben, sich für Abhängigkeit und Krankheit entschuldigen zu müssen, bzw. zu glauben, dass man sich dabei zu klein macht, ist alles aber keine Stärke.

    • @Deep South:

      Es ging nicht um die Uhrzeit sondern auch darum, daß sie problemlos einen Monat nicht trinken konnte. Ich denke das sie hier recht hat. Ich kenne und kannte diverse Alkoholiker, für die es unglaublich schwierig ist(war) einen Tag lang nicht zu trinken. Das lässt sich nicht alles unter einer großen Kategorie( Alkoholiker) zusammenfassen, wo dann alle Alkoholiker dem Alkohol hilflos ausgeliefert sind.

      Ich hatte selbst immer wieder Phasen, wo ich sehr viel getrunken habe. Tatsächlich war es für mich aber nur bedingt der Alkohol selbst, der mich dazu verleitet hat.



      Eher die soziale Komponente der lockeren Gespräche auf Partys, in Bars oder auf Konzerten. Während der Pandemie habe ich dann auch kaum einen Tropfen angerührt.

      Es ist schwierig wenn man die lockere Atmosphäre in Bars mag, dort mit einem Wasser nebenan zu sitzen. Alleine schon weil sich Leute auf ähnlichem Pegel auch eher auf einem Gesprächslevel befinden.

    • @Deep South:

      Jo!👍

  • "Als emanzipierte Frau sollst du machen, was Männer auch machen."

    Ich glaub, ich falle gleich vom Stuhl - Die ganzen schädigenden Gewohnheiten der Männerwelt übernehmen, kann ja wohl auch nicht der Weg sein.

    Schon mal was vom "Arschlochfilter" gehört? Wer ein Problem mit den privaten Entscheidungen einer selbstständigen Persönlichkeit hat, der soll halt einfach dahin gehen, wo der Pfeffer wächst.

    :)

  • Im 12-Schritte-Programm der AA heisst es: Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind - und unser Leben nicht mehr meistern konnten.



    Die Autorin hat das "Programm zur Genesung" nicht verstanden. Das war nach einem Besuch wohl auch nicht möglich. Es geht nicht um "klein machen", sondern um eine notwendige Einsicht als Voraussetzung zur Genesung.

  • "Als emanzipierte Frau sollst du machen, was Männer auch machen."

    Nein. Es ist das Gegenteil vom Emanzipation, wenn Frauen die tolleren Männer sein wollen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Sie nehmen mir praktisch die Worte aus der Tastatur. Danke!

  • Darauf einen Toast - genderneutral!

    "Damals gab es unter den Lords die Sitte, ein Stück geröstetes Brot in den Wein zu geben, damit er besser schmeckt"



    Die Engländer hatten, gelinde gesagt, wohl schon länger einen zumindest fragwürdigen Geschmack ...

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      ...oder einfach keinen besonders guten Wein ;-)

      • @164 (Profil gelöscht):

        Essen und Trinken auf der Insel, ein Kapitel für sich.



        Fragen Sie mal Ralf Sotscheck...

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Find es aber auch gut - daß sich bi lütten mal das Fachpersonal zu Wort meldet & seine mageren wohl abgezählten Scherflein besteuert!



          “Ich sage ihnen Prost!“



          & nochens =>



          “Wer austrinkt - muß auch wieder einschenken!“ Newahr.



          Normal Schonn.



          ——



          ( 🙏 geht an Onkel Herbert!;)

          kurz - “Und wenn das letzte Atom gegendert ist - werdet ihr feststellen, daß noch ganze Universen aufs Gendern warten!“ © Weissagung der Quarks -Bosonen - Leotonen & Euronen!



          kurz2 - “Ein weites Feld.“



          ——



          ( ts ts ts - nö nich GraSS - Fontane)



          “ „Effi Briest“ (1894/95).



          „Nein, gewiß nicht; jedenfalls wollen wir darüber nicht streiten; es ist ein weites Feld. Und dann sind auch die Menschen so verschieden.



          „Ja, das sagt man immer, aber ich habe da doch so meine Zweifel. Das mit der Kreatur, damit hat’s doch seine eigene Bewandtnis, und was da das Richtige ist, darüber sind die Akten noch nicht geschlossen. Glaube mir, Effi, das ist auch ein weites Feld.“



          „Ja, das tun sie, Effi. Aber darauf muß man’s ankommen lassen. Übrigens sage nichts darüber, auch nicht zu Mama. Es ist so schwer, was man tun und lassen soll. Das ist auch ein weites Feld.“



          „[…] und Briest sagte ruhig: ›Ach, Luise, laß … das ist ein zu weites Feld.‹ “ - 🙀🥳 - •

          Na Mahlzeit

          Soll mal genügen - genderneutral - wa!;)

  • "Nein. Ich hab beispielsweise nie morgens getrunken, ich konnte auch einen Monat nicht trinken und trotzdem war ich abhängig, – aber war ich Alkoholikerin?"



    Ist das eine ernsthafte Frage? Alkoholiker sind von Alkohol abhängig,ergo...



    " Ich mag den Begriff und das Bild, das er vermittelt, einfach nicht. "



    Der obdachlose Penner auf der Parkbank bzw. der Junkie am Bahnhof sind die allgemeinen Klischeebilder die man über Alkoholiker oder Süchtige hat. Die aber nur einen kleinen Teil des gesamten Spektrums der Suchtkranken abdecken. Sich selber als Alkoholiker oder Süchtiger zu bezeichnen hat auch was mit Akzeptanz dieser Tatsache zu tun,dieses Eingeständnis ist der erste Schritt der Heilung.



    "Deswegen tue ich mich auch schwer mit „Anonymen Alkoholikern“. Die dort propagierte Auffassung, mein Ego erst mal klein machen und mich bei anderen entschuldigen zu müssen, wird meiner Lebensrealität nicht gerecht."



    Als Süchtiger macht man sich ja gerne vor ,man hätte seinen Konsum unter Kontrolle oder man könnte ihn wieder unter Kontrolle bekommen.Das Eingeständnis ,das man das nicht kann -und deswegen Abstinenz die einzig dauerhafte Lösung ist- bedeutet natürlich auch das man eben doch nicht so großartig sondern kleiner ist ,als man von sich dachte.

    Suchtkranke schädigen meist im Laufe ihrer jahrelangen Suchtkarriere eben nicht nur sich selber ,sondern auch andere Menschen psychisch,emitional aber auch physisch geschädigt .Vor allem die einem nahestehenden Menschen : Beziehungspartner,Kinder, Freunde ,Verwandte. Ganz zu schweigen von Unfällen und Straftaten die man suchtverbunden begangen hat. Sich dafür zu entschuldigen,bedeutet auch dafür Verantwortung zu übernehmen.



    Allerdings trifft das nicht auf alle Suchtkranken gleichermaßen zu. Die Tendenz da "Schuld" zu sehen wo keine ist, ist natürlich auch nicht förderlich ,wie sie völlig zu leugnen.



    AA/NA ist meist ein guter Einstieg in die "Suchthilfe". Manche kommen irgendwann alleine klar,andere bleiben ständig dabei.

  • Da der Großteil der Menschheit ungebildet (doof) ist, sollte es das Ziel jedes Menschen sein, doof zu werden.

  • Mein Bekanntenkreis hat sich an dem Punkt in den letzten Jahren durchaus weiterentwickelt: Man wird kaum noch darauf angesprochen, wenn man auf Alkohol verzichtet. Es ist einfach kein Thema mehr. Das war früher ganz anders. Und es ist egal, ob Frau oder Mann. Ja - im Falle von Schwangerschaften wird kurz drüber gesprochen, aber das war es auch schon.

    Ich finde, das ist eine angenehme Entwicklung. Ähnlich wie das Rauchverbot in Gaststätten: Es ist heutzutage einfach normal und angenehm. Raucher gehen kurz vor die Tür und fertig.

    • @Winnetaz:

      Das finde ich gut. Wäre schön, wenn die Feiergesellschaft in der Breite von der Norm abweichen würde, dass Alkohol und andere Drogen zum Feiern zwingend dazu gehöre.

  • Ich finde es auch irritieren und etwas rückständig, wenn Alkohol unhinterfragt zum Essen gehört. Wenn man in ein gehobenes Restaurant geht und automatisch Wein empfohlen wird, für jeden Gang ein anderer.



    Kürzlich war ich in einem Touristenort am Nachmittag. Außer meiner Begleitung und mir hat (am Sonntag) jeder Gast in der Außengastronomie ein alkoholisches Getränk getrunken. Mein Begleiter, der ebenfalls meist nichts trinkt, weil er keine Lust hat, nicht, um bewusst abstinent zu bleiben, meinte dann zu mir: "Die (Servicepersonal, andere Gäste) denken, wir wären trockene Alkoholiker!"



    Solche Ideen sollten in einer Welt der Veganer, Orthorexier, Food-Hipster doch der Vergangenheit angehören.



    Jeder ab 18 sollte Alkohol trinken dürfen, wenn er möchte und nicht schief angesehen werden, wenn er nicht möchte.

    Es gibt Wasser-Sommeliers.

    Schön wäre es, wenn analog dazu mehr nicht alkoholische, besondere Getränke angeboten werden. Auf einigen Karten geht es schon ein bisschen in die Richtung. Aber Cocktailkarten sind immer noch weit umfangreicher als Mocktailkarten.

    Es sollte einfach völlig egal sein, ob Mann, Frau, divers Alkohol oder ein nichtalkoholsiches Getränk trinkt. Sowohl in der Tischgesellschaft als auch bei Außenstehenden. (Außer im Job ggf., bei Geschäftstreffen, Kundentreffen etc.)

    • @BlauerMond:

      Warum interessiert es Sie eigentlich, was andere Gäste im Restaurant über Ihre Trinkgewohnheiten denken?

  • Ich bin mir ned sicher, ob des mit dem Ego bei den AA wirklich die "dort propagierte Auffassung" ist und ebenso bin ich mir ned sicher, ob die "sober scene" ned das allgemeine Alkoholproblem verharmlost, weil die Protagonistinnen es noch auf einer früheren Stufe geschafft haben, ihre Alkoholbeziehungen zu beenden.



    Ich weiß aber, daß es Suchtberatungen gibt, (Haus)-Ärzt*innen, Eheberatungen usw. auch für Co-Abhängige und ein Netz von Kliniken, die zumindest mal ne Entgiftung ermöglichen.

    • @Hugo:

      " ... und ebenso bin ich mir ned sicher, ob die "sober scene" ned das allgemeine Alkoholproblem verharmlost ..."



      Inwiefern würden sie verharmlosen?

      • @Uranus:

        Ich hab gestern geantwortet, ging ned durch die Moderation, k.A. was da böse war.



        Also noch ein kurzer Versuch; die Fachleute sind eher die nassen und trockenen Alkoholiker (und deren Umfeld incl. dem medizinischen/psychologischen/ehrenamtlichen Fachpersonal), bei denen "freiwillig" schon lange keine Kategorie mehr ist/war.



        Die "sober scene"-Leute sind also eher die Brötchen und ned die Bäcker, die Christian Lindners und ned die Greta Thunbergs, die Turnbeutel und ned die Sportler.... ;).

  • "Als emanzipierte Frau sollst du machen, was Männer auch machen." Toll, jetzt sind die Männer d'ran schuld, wenn die Frau Bedenken hat, nicht mehr als cool zu gelten...



    Wenn mann/frau den Eindruck hat, es wird zu viel, dann liegt es an der eigenen Courage, den Konsum zu reduzieren und auch verblüffte Gesichter bzw. dumme Kommentare in Kauf zu nehmen bzw. diese zu kontern (es geht z.B. niemand etwas an, warum man zeitweise oder grundsätzlich keinen Alkohol zu sich nimmt).

  • "Trinken wie ein Mann" ist eigentlich kein korrekter Maßstab. Wie viel Alkohol man verträgt hängt in erster Linie vom Körpergewicht ab.



    Eine Frau und ein Mann mit dem gleichen Gewicht sollten auch etwa gleich viel "vertragen".



    Es stimmt natürlich dass Männer durchschnittlich mehr wiegen aber das ändert nichts daran dass das jeder für sich individuell beurteilen muss.

    • @CrushedIce:

      Stimmt leider nicht.



      Bei gleichem Körpergewicht und gleicher Alkoholmenge hat eine Frau leicht mehr Alkohol im Blut als ein Mann.



      Individuell ist, wie viel Blutalkohol man "verträgt" bevor man merkliche Defizite spürt. (Diese nicht zu spüren heißt allerdings nicht, dass sie nicht da sind)

      • @Herma Huhn:

        Das liegt daran, dass bei gleichem Körpergewicht Frauen im Mittel eine geringere Blutmenge haben. Der Blutalkoholspiegel ist halt Masse-Alkohol geteilt durch Volumen-Blut. Wie sich das individuell auswirkt hängt von vielen Faktoren ab.