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Verspricht, das Aufstiegsversprechen zu erneuern: FDP-Chef Christian Lindner Foto: Arnulf Hettrich/imago

Sozialpolitik der FDPMitfühlender Liberalismus

Ria Schröder und Jens Teutrine stehen für eine FDP, die soziale Politik ernst nimmt. Gelingt der Partei ein Imagewandel?

Jasmin Kalarickal
Von Jasmin Kalarickal aus Bielefeld/berlin

t az Am 6. Januar steht Christian Lindner auf der Bühne der Stuttgarter Oper und hält seine Rede beim traditionellen Dreikönigstreffen. Souverän arbeitet der FDP-Chef politische Themen ab: Corona, Impfpflicht, Migration. Seit er Finanzminister ist und Selfies mit den Grünen macht, haben seine Reden etwas an Unterhaltungswert verloren. Aber dann wird es doch spannend. „Ich glaube, die beste soziale Politik ist nicht die, die dann interveniert, wenn Menschen bedürftig geworden sind, sondern die beste soziale Politik ist jene, die in die Chancen und Köpfe der Menschen investiert“, sagt er.

Seit geraumer Zeit versuchen die Liberalen, das Image der kaltherzigen Partei von sich zu streifen. Das entsprechende Branding lautet „mitfühlender Liberalismus“. Aber jetzt mit der ersten sozial-grün-liberalen Koalition im Bund wird das wichtiger: Die Ampel will nicht nur die Klima­krise managen, die Wirtschaft transformieren, die Gesellschaftspolitik entstauben, es soll auch eine Sozialreform her, der Abschied von Hartz IV. Es gibt schon Zweifel, ob das Sozialdemokraten und Grüne alleine gut hinkriegen würden. Schließlich haben sie gemeinsam unter Gerhard Schröder die Agenda 2010 eingeführt. Kann es jetzt also sozialer werden, wenn auch noch die FDP dabei ist?

Man müsse „angemessen absichern im Falle der Bedürftigkeit“, sagt Lindner, aber es solle vor allem wertgeschätzt werden, „wenn Menschen sich aus der Situation der Bedürftigkeit aus eigener Anstrengung befreien wollen.“ Für die „Starken und Etablierten“ habe die FDP Anerkennung, sagt Lindner, aber das Herz der FDP sei bei denen, „die sich erst auf den Weg machen. Die Einsteiger, die Aufbrecher, die Außenseiter, die New­comer, die Start-ups“.

Verglichen mit dem Westerwelle-Sound – Stichwort spätrömische Dekadenz – klingt das sanft, nahezu gegensätzlich. Aber ist das so? Christian Lindner ist eher dafür bekannt, Immobilienunternehmer in schicken Edelrestaurants zu umarmen, als sich für die Belange der kleinen Leute zu interessieren. Das Image der FDP, sie mache Klientelpolitik für Reiche, ist nicht ganz unbegründet. 4,4 Millionen Euro Großspenden hat sie im Jahr der Bundestagswahl 2021 bekommen – so viel wie keine andere Partei.

Von der Bronx in den Bundestag

Als Christian Lindner die Partei nach ihrem politischen Trauma 2013 übernahm, verpasste er ihr neue Farben und ein neues Leitbild. Er versprach Digitalisierung, weltbeste Bildung und die Erneuerung des Aufstiegsversprechens. Dass in Deutschland „der Zufall der Geburt über den Platz entscheidet, den man im Leben einnimmt“, bezeichnet Lindner als Gerechtigkeitsskandal.

Genau das beschäftigt auch Jens Teutrine. An einem Dienstagmorgen im Februar geht der FDP-Politiker durch Bielefeld-Baumheide und sagt: „Wir müssen mehr dafür tun, dass die Sozialleistungen, die wir haben, auch wirklich zielgenau ankommen.“ Teutrine ist neu im Bundestag, aber nicht neu in der Politik. Als JuLi-Vorsitzender fiel er bereits auf mit Sätzen wie: „Die FDP ist keine Bonzenpartei“. Er ist sich sicher, dass auch eine Putzfrau von der Politik seiner Partei profitieren würde. Mit aufgespanntem Schirm läuft er bei Nieselregen und Kälte durch das Viertel, das als sozialer Brennpunkt gilt, aber eigentlich ziemlich durchschnittlich aussieht: schön bemalte Häuser mit drei, vier, sechs Stockwerken, gelegentlich höher, dazwischen gepflegtes Grün, ein paar Straßen weiter Einfamilienhäuser. Viel ist nicht los. Als er an einer Tafel vorbeikommt, stehen ein paar Leute an.

„Im Bielefelder Vergleich wachsen hier prozentual mehr Kinder in Armut auf“, erklärt Teutrine. „Aber wenn manche über dieses Viertel reden, dann klingt das wie die Bronx.“ Er klingt etwas amüsiert, wenn er das sagt. Die klassische FDP-Wählerschaft lebt jedenfalls nicht hier. Teutrines eigener Wahlkreis ist zwar Herford – Minden-Lübbecke II, er selbst lebt aber in der Bielefelder Innenstadt. Baumheide kennt er ganz gut, er hat hier eine Zeit lang im Baumarkt gearbeitet und Arbeitsplatten zurechtgesägt. Für ihn sind das hier „einfache Verhältnisse“. Teutrine zeigt auf ein mehrstöckiges Haus. Ähnlich sei er in seiner frühen Kindheit auch aufgewachsen, nicht hier, sondern im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück, etwas grauer das Ganze. Der 28-Jährige weiß nur zu gut, dass vieles im Leben eine Frage der Perspektive ist. Und dass eine Projektion vor allem etwas über den Projizierenden erzählt.

Jens Teutrine in seinem Wohnort Bielefeld. Hier in der Nähe liegt sein Wahlkreis Foto: Veit Mette

Er selbst ist das beste Beispiel: Wenn über Jens Teutrine geschrieben wird, dann steht meist dabei, wie er aufgewachsen ist: Die alleinerziehende Mutter geht putzen, er geht wegen einer Sprachstörung zunächst auf eine Förderschule. „Man hat einfach schlecht verstanden, was ich sagen wollte.“ Er kämpft mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche, das gibt sich aber wieder. Teutrine macht Abitur, engagiert sich bei den Jungen Liberalen, jobbt nebenher, in der Bäckerei, im Callcenter. Er studiert als erster in seiner Familie und arbeitet nebenbei als Nachtwache in der Demenzbetreuung, im Baumarkt, für einen Bundestagsabgeordneten. Irgendwann landet er selbst im Deutschen Bundestag.

Es ist eine Geschichte, die alle gerne hören. Aus der Bronx in den Bundestag. Genau genommen von Rheda-Wiedenbrück in den Bundestag. Das klingt nicht ganz so gut, aber es ändert nichts am Narrativ. Kind schlägt sich unter widrigsten Bedingungen durch und wird erfolgreich, Happy End. Es ist der Stoff, aus dem Filme gemacht werden – und mit dem die FDP erzählen kann, dass sie es mit dem Aufstiegsversprechen auch ernst meint für die eigene Partei. Aber so leicht ist es in der Realität nicht. Der Bildungserfolg eines Kindes hängt maßgeblich vom sozialen Status der Eltern ab, vom Glück, vom Zufall, das belegen zahlreiche Studien. Kinder von Ärzten werden öfter selbst Ärzte, Kinder aus Hartz-IV-Familien eher selten.

Wenn Po­li­ti­ke­r:in­nen aus armen Verhältnissen kommen, verspricht das nicht zwangsläufig eine bessere Politik für arme Menschen, Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist das beste Beispiel dafür. Aber Teutrines Biografie verleiht ihm eine gewisse Glaubwürdigkeit. „Das Aufstiegsnarrativ transportiert schnell Bilder, von oben und unten, schlechter und besser“, sagt er. Aber die Realität sei komplizierter. „Wenn ich von Aufstiegsversprechen spreche, dann geht es mir nicht um: höher, schneller, besser. Nicht jeder muss das dickste Auto haben und eine 70-Stunden-Woche ballern.“ Es gehe „um ein Freiheitsversprechen, um mehr Selbstbestimmung.“

Teutrine will für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen, mit liberaler Politik. Aber liberal und sozial – geht das? Jens Teutrine findet schon, auch wenn er das Wort sozialliberal scheut. Es scheint für viele Liberale eines dieser Schmuddelwörter zu sein, in dessen Nähe man sich nicht gerückt sehen will. Bloß kein „Bindestrich-Liberalismus“, sagen FDP-Politiker:innen gerne. „Klingt schnell zu links“, erklärt Teutrine und lacht.

Sozial war früher

Nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik haben sich SPD und FDP auf Bundesebene in einer sozial-liberalen Koalition zusammengefunden, von 1969 bis 1982. Die Freiburger Thesen, das Grundsatzprogramm der FDP von 1971, strebte einen sozia­len Liberalismus an. Es gab ein eigenes Kapitel zur Umweltpolitik, sogar eine Reform des Kapitalismus wurde gefordert. Etwa die Aufhebung „der Ballung wirtschaftlicher Macht, die aus der Akkumu­lation von Geld und Besitz und der Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen folgt.“ Die damalige FDP scheint eine andere Partei gewesen zu sein.

Nach dem Bruch mit der SPD legte sich die Partei lange einseitig auf die Union fest und schlug einen neoliberalen Kurs ein. Die sozial-liberale Ära wirkte eher wie ein Ausrutscher in der Geschichte. Parteigrande Gerhart Baum, früher sozialliberaler Innenminister, wird zwar gern ins Fernsehen eingeladen, aber in der Partei rollen auch viele mit den Augen, wenn er sich kritisch gegenüber der eigenen Partei äußert. Aber kann die sozialliberale Linie der FDP in der Ampel wieder auftauen?

Ria Schröder verzichtet lieber auf das Wort sozialliberal, auch wenn ihr soziale Themen am Herzen liegen. Liberal, das muss reichen. Genau wie Jens Teutrine war sie auch mal Vorsitzende der ­JuLis und sitzt jetzt im Bundestag. Sie ist bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Um über soziale Politik zu sprechen, hat Schröder einen Berliner Bolzplatz als Treffpunkt vorgeschlagen. „In meiner Kindheit habe ich oft mit meinen drei Brüdern zusammen gespielt“, erzählt sie und wirft einen Fußball in die Luft. Sie hat gute Erinnerungen daran. Eigentlich wäre sie auch jetzt bereit zu kicken, nur ist gerade niemand da.

Ria Schröder an einem Bolzplatz in Berlin Wedding, wo schon die die Boateng-Brüder kickten Foto: Julia Baier

Etwas verloren steht sie also im wohl bekanntesten Fußballkäfig der Hauptstadt. Hier im alten Arbeiterbezirk Berlin-Wedding haben die Boateng-Brüder gespielt, als sie noch nicht reich und berühmt waren. Schwierige Verhältnisse, zwei wurden Fußballstars, einer Rapper. Ein Graffiti ums Eck zeigt die drei riesengroß auf einer Brandmauer mit den Worten: Gewachsen auf Beton.

„Beim Fußball ist es egal, mit wem man spielt und wo man herkommt, es kommt nicht darauf an, wie viel Geld man hat oder auf welche Schule man geht. Man ist einfach da“, sagt Ria Schröder. Ihr gefällt dieser Gedanke. An diesem Freitag wirkt der Bolzplatz märchenhaft versunken, der Boden ist noch matschig und nass vom Regen, während die Sonne ihn in ein helles Licht taucht. „Es ist ein Ort der Gleichheit. Hier zählt, wie gut du Fußball spielst, keine anderen Kriterien“, sagt Schröder. Vielleicht ist das eine etwas utopische Sicht, man müsste die Boateng-Brüder nur fragen, wie oft sie im Spiel rassistisch beleidigt wurden, aber sei es drum.

Ria Schröder weiß, dass in diesem Land nicht alle mit den gleichen Möglichkeiten aufwachsen. Dass das Elternhaus, die Herkunft, der Kontostand, die Hautfarbe oder eine Behinderung meist mitentscheiden über Erfolg und Misserfolg. Eine gerechte Gesellschaft müsse aber „durchlässig“ sein, jeder müsse „die Chance bekommen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen“. Sie möchte daran arbeiten, dass das geht.

„Manche brauchen ein bisschen mehr Unterstützung, weil sie von weiter hinten starten. Aber am Ende kann es jeder schaffen, auf eigenen Beinen durchs Leben zu laufen.“ Die Bedingungen seien noch nicht da, aber sie will sie schaffen mit „chancenorientierter Bildungspolitik“. Die FDP wolle, anders als andere Parteien, Menschen nicht klein halten, sondern „ihnen das Handwerkszeug mitgeben und dann sagen: Lern fliegen“.

Kicken wie die Boatengs

Das Versprechen vom Aufstieg appelliert an die Leistung des Einzelnen, es stellt aber nicht das System infrage, es tut so, als könnten in einer Gesellschaft alle Gewinner sein. Und so wird Scheitern zum individuellen Problem.

Ria Schröder hat aber einen optimistischeren Blick. „Manche haben Angst davor, Leute zu überfordern, aber ich sehe das Potenzial in jedem Menschen.“ Sie hat auch Ideen, was sich verbessern ließe. „Wir übersehen in Deutschland noch viel zu häufig die Talente in den Stadtteilen, die wir als benachteiligt bezeichnen, die eigentlich vor allem arm sind. Da müssen wir mehr investieren“, findet sie. Für sie ist deshalb klar: „Die besten Schulen müssen da sein, wo die Probleme am größten sind.“

Das Startchancenprogramm ist deshalb auch ihre Lieblingsstelle im Koalitionsvertrag: 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen sollen besonders gefördert werden, in den Stadtteilen, wo sich die Probleme ballen. Im schwarz-gelb regierten NRW gibt es das Modellprojekt Talentschulen. Die 2019 beschlossene Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“ unter der Großen Koalition verfolgte diesen Ansatz auch schon, aber in kleinerem Umfang.

Ria Schröder wuchs selbst in Rheinland-Pfalz auf, ihre Eltern sind keine Akademiker, aber sie beschreibt ihr Zuhause als „bildungsnah“. Eigentlich wollte Schröder nach der vierten Grundschulklasse auf die Realschule gehen, weil sie sich das Gymnasium nicht zutraute, aber ihre Eltern glaubten an sie. Die letzten drei Jahre ihrer Schulzeit ging sie auf eine Privatschule. Eine gut ausgestattete Schule, mit Roboterwerkstatt, Fotolabor und Selbstlernraum, erzählt sie. „So sollte jede Schule sein“, findet sie. Und öffentliche Schulen sollten die besten sein. Am Ende studierte sie Jura.

„Wir brauchen mehr Lehrkräfte und Sozialpädagogen, mehr Räume, für Gruppenarbeiten, zum Kreativwerden, Entspannen oder damit man auch mal ein Kind, das einen schlechten Tag hat, aus der Gruppe rausnehmen und extra betreuen kann“, sagt sie.

Elternunabhängiges Bafög

Aber ihr liegt auch ein anderes Thema am Herzen: das elternunabhängige Bafög. Sie selbst stand beim Bafög-Antrag früher immer kurz vorm „Nervenzusammenbruch“. „Ich musste die Einkommen meiner vier Geschwister nachweisen, selbst wenn es nur um einen Ferienjob mit 100 Euro ging.“ Beim Bafög gingen heute die Freibeträge an der Realität vorbei. Zudem sei es kompliziert und bürokratisch – wenn Eltern getrennt leben oder ein Elternteil selbstständig ist.

„Selbstständig sein heißt nicht immer, dass man viel Geld verdient. Hat man ein gutes Jahr gehabt, dann kann es sein, dass man aus der Förderung rutscht. Im nächsten Jahr kann das aber wieder ganz anders aussehen“, sagt sie. Also soll es ihrer Meinung nach Geld für alle geben. Dass dann auch die finanziell profitieren, die es gar nicht bräuchten, sieht sie nicht als Problem. „Ich stelle mir das wie einen umgekehrten Generationenvertrag vor. Bafög ist die Sicherheit, dass man durch die Ausbildung getragen wird, damit man danach auf eigenen Beinen stehen kann. Das ist kein Gießkannensystem, sondern eine Investition in die Zukunft.“

Der sozialpolitische Ansatz der FDP legt den Fokus auf Arbeit und Aufstieg. Das zeigt sich in verschiedenen Vorhaben: Die Partei fordert bessere Hinzuverdienstgrenzen in der Grundsicherung und ein höheres Schonvermögen. Mini- und Midijobgrenzen sollen an den Mindestlohn gekoppelt werden, damit die Minijobber auch mehr Geld in der Tasche haben. Bei letzterem fürchten Kritiker:innen, dass das den Niedriglohnsektor zementiert.

Diese Anliegen sollen jetzt in der Ampel umgesetzt werden. Es folgt dem Prinzip: Wer sich anstrengt, soll belohnt werden. Aber es ändert wenig am großen Ganzen: dass die Vermögen in Deutschland brutal ungleich verteilt sind. Aber linke Umverteilungsfantasien wie eine Vermögenssteuer sind der FDP ein Graus. Auch für Jens Teutrine.

Konfliktthema Steuererhöhungen

In der Bielefelder Innenstadt setzt er sich in ein Café und formt mit seinen beiden Händen ein V, indem er die Handballen zusammendrückt: Die Schere zwischen Arm und Reich. „Es gibt verschiedene Ansätze, diese Schere zu schließen“, sagt er und verringert den Abstand zwischen den Handflächen. „Ich kann in der Theorie der einen Seite etwas wegnehmen und es der anderen Seite geben. Man kann die Schere aber auch verringern, indem wir kleine Einkommen steuerlich entlasten und eine Vermögensbildung für mehr Menschen möglich machen.“ Das sei sein Ansatz und unterscheide ihn von „der politischen Linken.“ Teutrine redet dann über Neo Broker als Gerechtigkeitsprojekt.

Dass „keine größere Reform der Einkommenssteuer“ geplant sei, bezeichnet er als „großes Manko der Ampel“. Eigentlich wollten alle drei Parteien kleinere und mittlere Einkommen entlasten, doch die FDP sperrt sich dagegen, im Gegenzug höhere Einkommen stärker zu besteuern. Teutrine sieht schon einen möglichen Kompromiss mit Grünen und SPD: „Der Spitzensteuersatz war auch mal höher bei den Einkommen. Ich glaube, das teilen nicht alle meiner Parteifreunde, aber da würde sich eine Diskussion in der FDP lohnen – ich kann mir vorstellen, dass der Spitzensteuersatz erst später greift, aber dann um ein paar Prozentpunkte erhöht wird, wenn im Gegenzug niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden.“ Diese Diskussion könnte schwierig werden. Denn die rote Linie der FDP lautet: keine Steuererhöhungen.

Aber Jens Teutrine, der in seiner Fraktion Sprecher für Bürgergeld ist, freut sich über die anstehende Sozialreform. Dass Bürgergeld nur ein neuer Name für Hartz IV sei, diese Kritik teilt er nicht. Ein Problem des jetzigen Sozialstaats sei, dass die bereitgestellten Gelder überhaupt nicht ankämen. Das Bildungs- und Teilhabepaket, mit dem etwa Nachhilfeunterricht finanziert werden könnte, sei eigentlich eine „richtig gute Idee“. „Es werden aber nicht einmal 30 Prozent der Mittel in Anspruch genommen“, kritisiert er. Alles sei viel zu kompliziert und unübersichtlich, dazu Bürokratensprache.

Teutrine will, dass Sozialleistungen so einfach abrufbar sind „wie im Amazon-Warenkorb“. Die FDP habe das auch schon erarbeitet. „Das Konzept nennt sich Kinderchancenportal und ist im Koalitionsvertrag vereinbart,“ sagt er. Außerdem änderten sich entscheidende Stellschrauben wie die Zuverdienstgrenzen.

Fleiß soll belohnt werden

Gerade Letzteres sei für Liberale wichtig, damit sich „persönliche Anstrengungen und Fleiß lohnen und man sich Stück für Stück rausarbeiten kann.“ Wenn mindestens 80 Prozent des Lohns angerechnet werden, sei das nicht nur „leistungsfeindlich, das ist gefährlich und setzt sich in den Köpfen fest“, kritisiert er. Dass die Anrechnung für Schüler und Jugendliche in Bedarfsgemeinschaften künftig ganz entfällt, ist für ihn deshalb längst überfällig. „Du willst in einer schwierigen Situation das beste draus machen und dann kommt der Staat und sagt: Nein, wenn du das machst, machen wir es dir noch mal besonders schwer?“ Teutrine kann darüber nur den Kopf schütteln.

Sicher ist er sich aber darin: Die öffentliche Debatte um die Reform von Hartz IV wird hitzig, vor allem bei der Frage nach Sanktionsfreiheit und der Höhe der Sätze. Zu Letzterem kann er nichts sagen. Er persönlich sieht in Mitwirkungspflichten aber eine „Frage der Fairness gegenüber der Solidargemeinschaft und gegenüber denjenigen, die mit ihren Steuern das Bürgergeld finanzieren“. Das heißt nicht, dass man Menschen unnötig gängeln müsse. Auch über die Form der Sanktionen könne man noch diskutieren.

Ob die FDP denn auch etwas für die übrig habe, die es einfach nicht schaffen? „Menschen in einer schwierigen Lebenssituation brauchen ein Auffangnetz und soziale Teilhabe“, sagt er. „Aber ein Sozialstaat sollte Menschen ermuntern, da wieder rauszukommen.“

Eine Revolution im Sozialstaat ist mit der Ampel nicht zu erwarten. Viele Vorhaben klingen nach Verbesserung, die Kindergrundsicherung zum Beispiel auch. Nur leider ist eine wichtige Frage noch ungeklärt: Über die Höhe des künftigen Bürgergeldes ist nichts bekannt – dabei kritisieren Sozialverbände seit Jahren, dass die Sätze nicht das Existenzminimum abdecken. Wenn das Haushaltsbudget knapp ist – und das ist es – muss der Finanzminister irgendwo den Rotstift ansetzen. Dann kann er zeigen, wem das Herz der Liberalen gehört.

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38 Kommentare

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  • Faß&Kehr mal die zwei Feigenblätter - die da einen auf soziale Sommer Schwalben machen - öh sollen - z‘samm!

    🥱🥱🥱 Was eine steinalte Platte - wa.



    Parlam. Rat => GG



    “Das müssemer mache - dess machemer aber nich. Du machst den Vorsitz!“



    Ol Conny zu seinem Buddy Banker Pferdmenges => Art 15 GG



    “ Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“



    &



    Selbiges war/ist bis heute - CDA a CDU/CSU - außer vllt bei Katzer - schwer auf dufte. But - wenn sich der BDI räuspert => KLAPPE HALTEN •



    &



    SPD/Gewerkschaften - allerspätestens nach Agenda 2010/Hartz IV - immer auch - schwer sozial - was für Arbeitslose Abgehängte - auf dem Papier:



    “Wer nicht arbeitet - Soll auch nicht essen!“ Münte Westfälisch Sibirien •



    &



    In mehr als 🪨 alter bourgeoiser Tradition (xxl Parteien dieser Couleur in Weimar - züngelnd an der Waage



    (Tucho - Was wäre wenn…Prügelstrafe



    - die Grünen gleich mit in den Sack!;(



    www.textlog.de/tuc...pruegelstrafe.html



    Klar - der Hirsch 🦌 Baum 🌳 & Schnarrie-Gedöns - da brauchste hück zu diesem oberbergisch Superhyper “der alte Blödmann 🤬 “ © PU sei Perle) Fundsstück der Woche



    www.youtube.com/watch?v=w0rL6Ju9H2Q - was mediengeiles zum Tarieren! gern inne taz - Schatz🤑



    & Kretsches Immergriiens Haufe?



    Ah geh - Sozial a se - Vergiß es - alde Schnee - Spießbürgerlich Bourgeoise -



    Rinkslechts voll Wonne - Citoyen? - is für die Tonne: Hört Trallafitti Baerböckchen & Harbie einfach nur mal zu - dann ist Klarheit doch im nu.



    Na & Kretsche - eh die bessre LändleCDU



    Wendehalsgelenke mit MahagoniFurnier: Ersmal - Gellewelle! Komme mir! Falls dann noch was übrig isch - Spendiermers für de Katzedisch!

    kurz - Pars pro toto - “Hab kei Problem



    Mit 💯tsd von Südwestmetall!“ Ich nehm •

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Feigenblatt: MancheR trägt ein Feigenblatt,



      weil er nix zu verbergen hat.

  • Das ist wirklich ein toller Artikel, der auch sehr gut diesen ganz anderen Ansatz von Politik transportiert, vom einzelnen Menschen und seinen Bedürfnissen auszugehen - die nicht immer auf Reichtum ausgerichtet sein müssen - und der den Menschen ermöglichen will, diesen Weg zu gehen....

  • taz: "Als JuLi-Vorsitzender fiel er bereits auf mit Sätzen wie: „Die FDP ist keine Bonzenpartei“. Er ist sich sicher, dass auch eine Putzfrau von der Politik seiner Partei profitieren würde."

    Spätestens bei dem Satz mit der Putzfrau gehe ich davon aus, dass das mit der "sozialen FDP" ein geschickter Schachzug der Freiheitspartei ist. Man schickt einen jungen Mann los, mit einem jugendlich coolen Bart, der ein paar soziale Geschichten im "Gepäck" hat und schon soll der Bürger vergessen mit wem er es bei der FDP in Wahrheit zu tun hat. Es wird schon seinen Grund haben, dass die "Mövenpick Partei" im Jahr der Bundestagswahl 2021 Großspenden im Umfang von 4,4 Millionen Euro bekommen hat.

    taz: "Auch über die Form der Sanktionen könne man noch diskutieren."

    Darüber gibt es nichts zu diskutieren. In einem demokratischen Sozialstaat hat man seine Bürger nicht mit "Sanktionen" gefügig zu machen - nur damit Deutschland weiterhin der Exportweltmeister von Europa bleiben kann und der "Schornstein" des Wirtschaftswachstums auch weiter raucht. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist jetzt schon bei über 420 ppm. Dass Hartz IV immer noch nicht in den Mülleimer geworfen wird und jetzt nur einen harmloseren Namen (Bürgergeld) bekommen soll, macht deutlich, dass man die "Hartzer" auch weiterhin als Druckmittel gegen die 'noch' arbeitende Bevölkerung einsetzen will. - "Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten. Hartz IV quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität." [Götz Werner, 1944 - 2022]

    taz: Für die „Starken und Etablierten“ habe die FDP Anerkennung, sagt Lindner, aber das Herz der FDP sei bei denen, „die sich erst auf den Weg machen. Die Einsteiger, die Aufbrecher, die Außenseiter, die New­comer, die Start-ups“. - Lindner ist schon ein Sonnyboy *LOL*, deshalb arbeitet die FDP ja wohl auch an der Freigabe von Cannabis, damit die Jugend im "Rausch" die FDP wählt. "Etwa neun von zehn Start-Ups gehen pleite" schrieb übrigens 'DIE ZEIT'.

  • Korrektur der von mir verpatzten letzten zwei Sätze:

    Sonst wird die Möglichkeit, "eine klasse Leistung hinzulegen", egal mit welchem Bildungsverlauf, zu einer Frage der Klassen- und Schichtzugehörigkeit.

  • „Ich kann in der Theorie der einen Seite etwas wegnehmen und es der anderen Seite geben. Man kann die Schere aber auch verringern, indem wir kleine Einkommen steuerlich entlasten und eine Vermögensbildung für mehr Menschen möglich machen.“



    Oh oh. Ist das nicht ein bisschen naiv? So viel Steuern zahlen Menschen mit kleinen Einkommen gar nicht, dass eine weitere Senkung dieser Steuersätze zu einem nennenswerten Vermögensaufbau führt (da gibt es ja vorher noch unerfüllte Konsumwünsche). Dass eine steigende Flut alle Boote heben würde, hat zwar mal ein US-Präsident gesagt, aber leider leider hat die Wirtschaftswissenschaft dafür keine Belege finden können.

    • @Django:

      Sie haben Recht; trickle down funktioniert nicht. Trotzdem haben sich die Lebensumstände für alle verbessert, was zum Beispiel die enorm höhere Lebenserwartung zegit.

    • @Django:

      Vergleichen Sie bitte einmal den Lebensstandard der Industriearbeiter 1870 und 1970.

      • @Axel Berger:

        Gern. But. Will mal fragen:

        Wo hams - wenn‘s da warn - in Geschichte gesessen? Erkämpft Alter •



        Mittags bei Stinnes - Kari Bruno Paul -



        “Mit dem Streik wollen wir wohl fertig werden. Wenn die Öster nur nicht das Hungern so sehr gewohnt wären.“



        &



        “Woanders war‘s auch Scheiße“ Jahre der Krise 1920 bis 1936



        Bernhard Bußmann



        de.wikipedia.org/w...nhard_Bu%C3%9Fmann



        Vergriffen & bezeichnenderweise (ja ja SPD!;( nicht wieder aufgelegt!



        Leih‘s ehna gerne.



        & etwas 🎶 Spardosenterzett



        Glückauf Ruhrgebiet



        m.youtube.com/watch?v=eGMTwwb25Ds



        &



        Ruhr hoch N



        m.youtube.com/watch?v=WjBMc14DYVQ

        ps & entre nous but not only



        Hatte einen erzkatolschen Geschichtslehrer - didaktisch gut - aber einseitige Schräglage ehra Provenienz.



        Dafür gab’s - einschl. Androhung consilium abeundi - sorry - auf‘s Maul!



        (Was heute - Umberto Eco - “kein Tennisarm mehr“ - Lichtjahre digileichter ist! Also - nur zu. Dank im Voraus!;)



        &



        Nischt for unjut - wa - 🥳 -

        • @Lowandorder:

          Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenztein:

          “ Glückauf







          Sophisten überall. Ist es Sokrates oder Platon auf dem Profilbild von Axel Berger?



          "Vergleichen Sie bitte einmal den Lebensstandard der Industriearbeiter 1870 und 1970."







          Vergleichen ohne zu erbleichen.



          Das hat alles die FDP erkämpft.



          (Kubicki zählt die Leichen)“

          kurz - Ich wollt es ja erst nicht glauben.



          Bis Mitte der 50er wuschen die Bergmännerfrauen - die Bergwerksklamotten ihrer Bergmänner:



          FÜR LAU! NIX WASCHMASCHINE !



          NÖ. WASCHBOTTICHE/ÖFEN.



          i.ebayimg.com/00/s...w0fRhZK-8/$_35.JPG



          Erst der flächendeckende Streik der Bergarbeiterfrauen im Pott - beendete diesen Skandal •



          Nochens => Trucksystem - 🤢🤮🤑 -



          Vulgo - Diebstahl als Dauerdelikt am Lohn der Arbeiter!



          1.Friedrich-Engels-Museum in Wuppertal - ältester Industriestandort Deutschlands!



          “ Eine Überprüfung der Kassenbücher hat ergeben - daß alle überprüften Unternehmer sich via Trucksystem über Bande am Lohn der Arbeiter zusätzlich bereichert haben!



          MIT AUSNAHME FRIEDRICH ENGELS.



          Konsum HO - etc - ua die Antworten.



          & klar woanders noch ganz anders.



          2. Uns Ohl - der olle Koofmich;) - in den 20ern in Venezuela 🇻🇪 beim Concern Blohm Caracas beschäftigt - gab mir als Junge “Canaima“ von Rómulo Gallegos (Mitbegründer der modernen Literatur Südamerikas & zeitweilig El Presidente) zu lesen. Canaima - der verzweifelte Schrei eines fiktiven Tieres im Kautschukdschungel venezolanisch Guayana! Das Trucksystem - Miete von Werkzeugen Bekleidung etc - Kauf von Nahrung usw - war so gestrickt!



          Daß mann - falls er überlebte: Nichts verdient hatte • “Stimmt das denn?“



          “Warum meinst du - habe ich dir das Buch wohl zu lesen gegeben?!“



          & Däh!



          “ PORZELLAN-AUKTION



          Böttger-Hausse

          Sotheby 80 891 Pfund - 945 615 Mark -www.spiegel.de/kul...-0000-000043066366

          & de.wikipedia.org/w...g_Blohm_(Kaufmann)

          “Alles. Stiftungen etc => Vorenthaltene Lohnerhöhungen“ - Steigersohn Huckarde-Nord •

        • @Lowandorder:

          Das ist sicher richtig. Teilen, Maßhalten und Abgeben ist freiwillig die Sache nur sehr weniger, maximales "Staatsknete Abgreifen" schon eher angesagt.



          Trotzdem, es war die Vergrößerung des Kuchens, nicht Umverteilung, die den Unterscheid machte. Die Ungleichheit ist genau heute sehr gewachsen und war noch nie so groß wie gerade jetzt. Da muß gegengesteuert werden und zwar bald und heftig. Wer das wirklich will, muß auch über seinen Schatten springen. Die von den Riesen Ausgebluteten, die Selbständigen und mittleren Unternehmer, sind -- noch! -- gut situiert und erregen eher Neid als Mitleid. Mit der Masche streuen die Bezos' der Welt geraden den Linken erforgreich Sand in die Augen.



          Dennoch aber, alle Milliardenvermögen des obersten Prozent zusammen machen verteilt auf alle so viel nicht aus. Und es sind Vermögen, kein Einkommen. Einmal verteilt sind weg. Mit Umverteilung allein bekämpfen wir die Armut der unteren Hälfte nicht dauerhaft.

          • @Axel Berger:

            Ok. Es is scho fortgeschritte - nur ein Bonmot - grad a Telefon - eh wir wieder in die uns eher eigenen Niederungen begeben - andermal -



            📞 “Du kennst ihn - die Rederei - unter 20 Mio interessiert ihn nichts & das neue Hotel van Radisson in feiner StadtLage!



            Er fragte nach - ob? - öh er brauche eine neue Büro-Etage - nicht ein Stockwerk?



            Nö. Publikum. Der Dreck etc. - 🤔 - 🤗 -



            Däh. Gekauft. Jetzt sind sie - die Mieter!;)



            & entre nous only! - 🤫 -



            (Aus dem Skat: Was fanden wir ihn doof mit sei Porsche C & Tennisschlägern mit - Booey - meiner Banknachbarin - Ohje!



            But. Ohne Abi => Koofmich => Eltern nicht genehm & Däh! => drei Ehn - später & Kongo - Wunder bar & bongo - => ein gesetzt - schmunzelnd Paar.



            Wie scheen - 🤣 -



            Tja. So kann‘s gehn - 🙀🥳 - ;)) Fin!!

  • 1/4 Tolle Leistung,…einfach Klasse…?

    Das muss auch mal raus: Ehrlich, für mich hat dieser Artikel Klasse! Es geht mir aber nicht um´s Zensuren verteilen. Will ich nicht – weil ich das auch gar nicht kann. Aber Jasmin Kalarickal versteht es überzeugend, die sozialpolitische Seite einer Partei für die Leserschaft zur Sprache zu bringen, indem sie zwei junge, für diese Politik stehende Parteimitglieder befragt, vorstellt. Und zwar kritisch, jedoch ganz ohne Polemik oder gar, dass Personen „denunziert“ werden! Das vorweg! Dieser Ansatz wird (aus meiner Sicht) so gelungen umgesetzt, weil inhaltsreich und konsequent auf die Punkte gebracht – die sich als durchaus widersprüchliche in Bezug auf die Sichtweise der Partei und dem „was (gesellschaftlich) ist“ herausstellen.



    Was ist die „Parteilinie“? Wie verhält die sich zu den Biographien der beiden Mitglieder? Was kann daraus folgen? Mal am Beispiel, wie der Artikel das soz.pol. Thema Bildung aus meiner Sicht zu bearbeiten versteht: Christian Lindner weiß: *Eine gerechte Gesellschaft müsse aber „durchlässig“ sein, jeder müsse „die Chance bekommen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen“* Wie war das für Jens Teutrine, aufgewachsen in einem Viertel, von dem mache (auch in seiner Partei?) denken, es sei eine Art *Bronx*. Die alleinerziehende Mutter geht putzen und er * wegen einer Sprachstörung zunächst auf eine Förderschule.* Man hätte einfach schlecht verstanden, was er sagen wolle, so Jens Teutrine. Das ist wörtlich zu nehmen. Die Förderschule und andere und anderes müssen neben seinem Willen geholfen haben, dass es dabei nicht blieb.



    Aber wie ist es damit, wenn man das mal im übertragenen Sinne nimmt. Der Artikel zeigt das ein Stück weit Richtung weisend auf. Die FDP hat in Sachen Bildung das *Konzept eines Kinderchancenportals*. Wer durch dieses Portal geht, kann es schaffen. Wie ist es, wenn man gerade davor steht? Denn da, so Ria Schröder, ist noch folgendes:

  • 2/4 Tolle Leistung,…einfach Klasse…?

    *„Wir übersehen in Deutschland noch viel zu häufig die Talente in den Stadtteilen, die wir als benachteiligt bezeichnen, die eigentlich vor allem arm sind. […] „Die besten Schulen müssen da sein, wo die Probleme am größten sind.“* Was da unter anderem geschieht, schildert z. B. ein anderer mit einem Lebensweg, der „unten“ begann, Jeremias Thiel: „Doch obwohl ganz klar war, dass ich nicht nur gern lernte, […] trauten [nach der Grundschule Anm. V.] die entscheidenden Personen mir nicht zu, das Gymnasium zu schaffen, […] sodass ich nur eine Empfehlung für die Realschule oder die Gesamtschule bekam. Auch in der Tagesgruppe, die ich nach der Schule besuchte, waren die Betreuer*innen skeptisch, wie das funktionieren sollte, ohne Unterstützung der Eltern. Gerade auf dem Gymnasium wird ja ganz selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Schüler*innen zu Hause beim Lernen unterstützt werden. Auch der Sozialarbeiter im Jugendamt riet eher zu einem vorsichtigen Weg.* (1)



    Der *vorsichtige Weg*. Jeremias Thiel ist den mit sehr viel Energie gegangen. Aus einem weit überdurchschnittlich belasteten Elternhaus heraus, was die Wahl, die nicht seine war, dieses *vorsichtigen Weges* vielleicht sogar klug erscheinen lässt. Man muss sich aber vor Augen führen: Was ist das für ein Bildungssystem, selbst vor dem Hintergrund einer „individuellen“ familiären Situation, das die Folgen einer auch Schichten spezifischen familiären Situation antizipierend voraus nimmt, um in Folge ein Kind vor den weiteren „Folgen“ dieser Situation dadurch zu bewahren, dass es ihm (zunächst) die Überwindung eben dieser Situation zunächst jedenfalls „in Teilen“ verwehrt. Und glaubt (glauben muss), es gut damit zu meinen, weil es denkt, ihm vor etwas bewahren zu müssen, was es doch gerade aus dem Weg zu räumen gilt?

  • 3/4 Tolle Leistung,…einfach Klasse…?

    Ist doch irgendwie vertrackt? Gut gemeint aber eben „irgendwie“ doch nicht stimmig. Der Artikel stößt mich geradezu darauf. Besonders, weil das keiner der immer wieder ins Feld geführten Einzelfälle zu sein scheint. Von solchem vertrackten Denken von Akteuren in der Aufstiegs- u. Leistungsgesellschaft hört man z. B. aus den Jugendberufsagenturen, wo Kindern aus Hartz IV-Familien geraten würde:, „Geh mal lieber nicht zur weiter führenden Schule. Ausbildung. Geh besser arbeiten. Und gedacht wird: Ein Hilfe-Empfänger weniger. Wir schreiben immerhin das Jahr 2022. Und was ist mit Lehrerinnen u. Lehrerinnen in den „ganz normalen“ Schulen? Wie denkt man dort darüber, im Jahr 2022? In den Jugendämtern? „Früher“, das weiß ich, wurde über die hochgezogenen Wände zwischen den Schichten und die „gläsernen Decken“ gar nicht erst nachgedacht. Sieht man sie heute – und nimmt sie aus welchen Gründen auch immer, antizipierend „gehorsam“ vorweg? Und keiner merkt es?

  • 4/4 Tolle Leistung,…einfach Klasse…?

    Oder merkt man es z. B. in der FDP – in der sich jetzt junge Leute engagieren, die so etwas erlebt und erfahren haben? Eine solche Partei nimmt die Aufsteigerinnen und Aufsteiger gern auf. Aber inwieweit versteht sie es auch, ihr *Kinderchancenportal* dafür in der Gesellschaft zu öffnen und vor allem einen Weg dahin zu ebenen? In der höheren Etagen einer Partei der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger muss es dann schon auffallen, dass, noch bevor überhaupt welche vor dem Chancenportal stehen, Sortierprozesse stattfinden, die gerade NICHT das hochgehaltene Kriterium der individuellen Leistung vollziehen. Darüber müsste man sich deshalb gleich zweimal parteilich gehörig ärgern. Einmal, weil Leistung gar nicht erst zum Zuge kommen kann. Und dann, weil meines Wissens nach für die Partei das Abitur zu Recht nicht das ist, was allein Leistung für einen sozialen Aufstieg „freisetzt“ und also „seligmachend“ ist. Das Portal, das die Partei einrichten will, soll mehr als eine Chance eröffnen. Es muss Bildungswege öffnen, die wie gezeigt, aus ganz anderen Gründen als der individuellen Leistungsfähigkeit, gar nicht erst eingeschlagen werden können. Die Chance, die das Portal öffnen soll, muss sich differenziert der Vielfalt der Talente annehmen, die vor ihm warten. Und ob Hauptschule oder Abitur, die sozialen „Sortierungen“ die vorher schon stattgefunden haben dürfen nicht verschleiert, sondern müssen beseitigt werden. Sonst dient die „individuelle Leistung“, nur instrumentalisiert dazu, nachträglich zum individuellen Versagen umgedeutet zu werden. Weil das damit das genannte Andere nur zu deckt und es zum „Schicksal“ erklärt. Die Möglichkeit, eine „klasse Leistung hinzulegen“, Dann wird die Frage, wer die Möglichkeiten eine „eine klasse Leistung hinlegen“ hat und wer das darf eine Frage der Klasse.

    (1) Jeremias Thiel: Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance. Seite 94 – 95.

  • Die FDP sorgt mit ihrem Bürgergeld dafür, dass HartzIV-Empänger mit 500-EUR-Job das verdiente Geld komplett behalten dürfen. Das bedeutet über 300 EUR mehr im Monat.

    Das ist mit Abstand das beste Angebot, das wir Hartzer in all den Jahren bekommen haben, eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität. Da sollten die linken Parteien mal drüber nachdenken...

    • @gelangweilt:

      Sag ich ja, bei der SPD war schon seit Jahrzehnten nichts mehr sozial. Bei den Grünen Juppies sind vor allem verbeamtete Lehrer engagiert.....deren Sozialpolitik war immer schon scheinheilig.

      • @casio:

        Die Grünen sind der Grund, warum die FDP sich in der Sache überhaupt bewegt hat.

        Was die FDP (und SPD) tatsächlich gemacht haben: das wesentlich sozialere Grundsicherungs-Konzept der Grünen Lehmann und Hofreiter zu beerdigen, und das als soziale Großtat verkaufen.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @gelangweilt:

      ...Moment mal🤔 - verdrängen Minijobs nicht reguläre Jobs!? Egal - Obergrenze für Minijobs soll steigen - klar freut sich da die FDP...denn die Freiheit die sie meinen ist damals wie heute die Freiheit derer, die sie sich leisten können.

      • @75787 (Profil gelöscht):

        Nein, die Minijobs werden keine regulären Jobs verdrängen. Wir haben in Deutschlnd ja gerade das Problem, dass da ein großer Sprung vom Minijobber zum regulären Arbeitneher besteht, wodurch viele weniger machen als sie eigentlich wollen. Der wird dadurch verkleinert. Man hätte natürlich auch radikaler rangehen können, so in Richtung voller Vertragfreiheit o.ä., das ist aber unrealistisch.

      • @75787 (Profil gelöscht):

        Ist doch gemein, wenn Sie schlecht gemachtes so schlecht reden. Aufstocken, äh, subventionierte Jobs, äh, Steuergeschenke an Unternenmen, äh, 500€ Minijobgehalt behalten sind doch eine tolle Sache. Dann lieber kaum höheren Mindestlohn und nicht mehr Geld für Erwerbslose ... ;-)

      • @75787 (Profil gelöscht):

        ...und es ist schlecht, wenn HartzIV-Empfänger sich auch Freiheit leisten können?

        Sie versuchen doch nicht etwa Hartzer, die nicht Vollzeit arbeiten können, gegen andere Arbeitnehmer auszuspielen, denn das wäre sehr unanständig.

        • 7G
          75787 (Profil gelöscht)
          @gelangweilt:

          ...Neiddebatten bringen uns hier übrigens nicht weiter - die Überführung eines Großteils der Mini- und Midijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse schon eher.

        • 7G
          75787 (Profil gelöscht)
          @gelangweilt:

          Nein - ich versuche lediglich darauf hinzuweisen, dass die Ausweitung des Niedriglohnsektors als eine Folge der Agenda 2010 angesehen werden kann und diese Niedriglöhne letztlich Voraussetzung für die deutschen Exportüberschüsse sind und damit letztlich die neoliberale Verfasstheit der Euro-Zone bestimmen.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Selbst für Kaltherzigkeit braucht man ein Herz - aber an der Stelle ist bei der FDP ein Geldbeutel.

    Denn die FDP kann auch noch so oft erklären, wie wichtig ihr etwa Bildung ist - wenn sie jedesmal, wenn es um die Finanzierung staatlicher Aufgaben geht, auf der Bremse steht, bleibt auch die "gestaltende Sozialpolitik" nur ein Punkt auf dem Showreel.

    Deswegen ist das alles Geschwätz.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @05989 (Profil gelöscht):

      Sehr guter Kommentar!

      Die FDP hatte und hat immer nur ein Thema. Steuererleichterungen für die Unternehmen. Bezahlen tut dies das Volk, wer sonst.



      Um das nicht so offensichtlich werden zu lassen, wirft man ständig rosarote Nebelkerzen.



      Meine These: "Politiker schaden mehr als sie nutzen", besonders bei der FDP.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Widerspruch von mir, meines Erachtens ist der Ansatz aus dem Artikel der weit bessere als der, den viele Linke vertreten. Die wollen auf keinen Fall die "armen Eltern aus den schwierigen Gegenden stigmatisieren" - und lassen damit die Kinder im Stich. Als die SPD in NRW das erste mal von der CDU abgelöst wurde, bevor dann Hannelore Kraft kam, führte die CDU eine "Sprachstanderhebung" ein (die sicher nicht perfekt war, aber weit besser als der Zustand davor), damit Kinder, die mit 3 noch kaum die Fähigkeit hatten, sich verständlich zu machen - was es auch in sehr deutschen Familien gibt - besondere zusätzliche Förderung bekommen. Die SPD und die Grünen, die vorher jahrelang an der Macht waren und gar nichts gemacht haben, waren nur am mosern, eben "Stigmatisierung" und "ganz schlecht gemacht".....

      Dann kam Frau Kraft und führte "Inklusion" ein, allerdings in der Weise, dass es zwar ein Recht der Eltern gibt, das Kind auf eine Regelschule zu schicken, aber so gut wie nichts passierte, dass diese Schulen damit auch umgehen konnten.

      Fazit: bei vielen Linken zählt die Symbolik, es werden auch "Rechte eingeräumt" - aber es wird nichts dafür getan, dass man diese Rechte auch wahrnehmen kann - was oft wichtiger wäre.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Sind Sie da so sicher? Andere Parteien entdecken diese Zukunftstehmen immer erst, wenn alle Steuereinahmen ausgegeben sind sind Argumente für mehr Kreditaufnahmen gesucht werden.

      Und Sozialpolitik sollte sich nicht nur im Geldausgeben erschöpfen sondern eben auch darin, den Zugang zu Leistungen zu vereinfachen.



      Daher ist der Ansatz eines Bürgergeldes so attraktiv, weil er die erreicht, die sich nicht durch 100 verschiedene Leistungsanträge kämpfen möchten.

  • Na ja, wer hat denn von 1982 bis 1998 dieses Land regiert? Richtig Tigerente. Und wer hat dann bis 2005 übernommen? Richtig Grüne und SPD. Wer von denen hat "eiskalt" Sozialstaat "abgescholzt"..? Richtig. Würds gar nicht so schlecht finden, wenn es wieder sozial- liberale Bündnisse geben würde, dann wäre die SPD nicht so sklavisch an die Grünen gebunden..

  • "Seit geraumer Zeit versuchen die Liberalen, das Image der kaltherzigen Partei von sich zu streifen."

    Weil das die Liberalen sind, Milliardär, Millionäre, Wirtschaftslobysten und Anhänger einer radikalen freien Marktwirtschaft, wo ein paar



    'Starke' ökonomisch und sozial KO hauen, bevor der Kampf überhautp angefangen hat. Es ist vollkommen naiv zu denken, dass diese Partei anders kann. Die sind wirtschaftlich auch von solchen Kreisen abhängig und das Aufstiegsnarativ ist nie ernst gemeint gewesen, nicht der, der am härtesten und fleißigsten arbeitet, wird das meiste haben, sondern der, dessen Eltern das sowieso schon haben, der wird Oben bleiben und sagen und denken, das steht mir sowieso zu. Die Oberschicht in Deutschland kommt aus der Zeit des Feudalismus, als Adelige qua Geburt Oben waren und sich um nichts scherren mussten. Die Idee einer wahrhaft bürgerlichen Gesellschaft galt nur solange, bis diese Adeligen durch die Oberschicht des Bürgertum, durch die Industriellen und eine neue Noveau Riche ersetzt wurden. Ich glaube diesen Leuten kein Wort, die FDP sitzt in dieser Regierung, um den Status Quo aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass echte Reformen gemacht werden. Das Verrückte dabei ist, dass die SPD so einem Denken selber nicht abgeneigt ist.

    • @Andreas_2020:

      "Echte Reformen" ? Wie sollen solche Reformen stattfinden ? Wir haben tausende Gesetze, Verordungen, Richtlinien usw die echte Reformen schlichtweg verhindern. Oben bleibt nicht oben weil Bildungschancen fehlen sondern weil wir nicht in der Lage sind die einfachen Menschen am Aufstieg teilhaben zu lassen. Die Forderung nach einem einheitlichen Steuersatz für Alle klingt nicht sozial, wäre es aber. Was wir in Deutschland benötigen wäre eine Abkehr davon Menschen in Grüppchen zu teilen und für Jeden eigene Gesetze zu machen, sozusagen ein Grundgesetz der Gerechtigkeit, nicht nur "alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" sondern auch "für alle gelten die gleichen Gesetze"...

      • @Tom DaSilva:

        Das 2. Sozialgesetzbuch kann man ändern, sollte man ändern.



        Wenn 1,5 Mio. Kinder und Jugendliche in Armut aufwachsen, ist das m.M. krass und vor allem weder notwendig, noch gerechtfertigt, es ist einfach Zeichen einer miesen Steuerpolitik.

        Genauso verhält es sich mit der Rente, die so sinkt, dass Durchschnittsarbeitnehmer im Alter regelrecht geplant verarmt werden.

        Auch hier kann politisch viel getan werden.

        Dann die Mieten und die Immobilienblase: Arme Menschen und bald immer mehr Rentner werden da nicht mitmachen können, die gehen vor die Hunde, da sollte der Staat und die Politik handeln.

        Auch das könnten sie. Nur sie tun es nicht, sondern sie kleckern und machen immer eine Show (bei der meist gar nichts rauskommt).

        Insofern: Ja, es geht, es muss sogar.

        Es könnte echte Reformen geben. Aber wahrscheinlich nicht mit SPD und FDP, mit den Grünen ist es auch schwer, den deren Anhänger und Mitglieder sind meist gebildet, gut-verdienend und abgesichert, eher selten mal auf den Staat oder die Politik angewiesen.

        Ich erwarte ganz ehrlich so gut, wie gar nichts von dieser Regierung. Es ist ein großer Bluff, eine Big-Show und schon jetzt ist klar, dass in fünf Jahren Milliardäre kaum Steuern zahlen, wenn sie Geld aus der Steuerkasse klauen, werden sie nicht bestraft und die Immobilienpreise werden extrem hoch und sonderbar sein, einfache Arbeitnehmer werden noch ärmer sein und immer seltener in einer Gewerkschaft. Das ganze Modell bleibt so wie es Schröder mit der Agenda 2010 und den Grünen einst einführte.

        Ein paar bunte Flecken wird es geben. Aber ansonsten wird es genauso weiter gehen, wie es seit 1998 war, einfache Arbeitnehmer und Menschen zählen gar nichts. Es zählt nur eine Elite von 10 Prozent, die privilegiert und gehätschelt wird. Diese Menschen haben das Paradies schon erreicht, der Rest wartet auf das Reich Gottes und die meisten werden nicht mal minimale Fortschritte erleben.

  • Sehr guter Text, wobei meine Skepsis schließlich etwa dem Umfang entspricht, der Schluss ist entsprechend passend. Würd mich gern überraschen lassen aber die Partei hat ein politisch ganz anderes Gravizentrum, das hatte sie immer, die ziemlich eigenwillige Gattung, eigentlich Sparversion des deutschen Liberalismus überhaupt und genauso die FDP natürlich auch immer kleinere Nischen, die sich auch mal für Soziales interessierten. Da war deutlich zuviel Zeit als dass ein zwei Schwalben da jetzt einen Sommer versprechen, ich weiß dass Ria Schröder immerhin im Vorstand sitzt, aber man sollte mich nicht fragen, wer da vor fünf Jahren alles saß. Zumal und für mich besonders fraglich, ob es nebst Grünen und inzw. SPD realistisch genug Potenzial und Nachfrage in Deutschland gibt, sie bewegen sich nämlich schon auch in anderen Bereichen merklich aufeinander zu, wie Zuwanderung, jetzt ja sogar bei Umwelt- und Klimafragen. Das wär wohl eher ein Argument als die etwas merkwürdige und überraschend beschränkte Bindestrich-Aversion: man kann den guten, alten Rechtsliberalismus ja auch ohne schreiben, bzw. tut das für gewöhnlich und genau der ist es in Deutschland nun mal, einfallslos und etwas reduziert. "Nur" Liberalismus ist so wie "genau" Mitte, das ist Ausflucht, entweder man kann sowas aus dem Stand heraus ausfüllen ohne sich zu schämen, oder man heftet sich was an. Liberal in Amerika ist praktisch gleichbedeutend mit links. Manche Liberale in Europa sind indes der AfD wesentlich näher als der FDP. Die wiederum mit D66 in den Niederlanden oder auch den brit. Lib Dems aus ganz andern Gründen überaus wenig gemein hat, dabei würde man die lange nicht links nennen und wozu auch. Sie sind einfach vollständiger, ambitionierter, diese Länder kennen eine Form des Vollspektrum-Liberalismus, die ausgesprochen westlich ist und den Deutschen immer fremd blieb und das ist typisch für Mittel-, leider mehr noch für Ostmitteleuropa. Ich seh nicht dass sich das ändert, eher im Gegenteil.

    • @Tanz in den Mai:

      Sehr schöne Analyse des politischen Liberalismus, die Sie hier abliefern ... abseits des sonst üblichen Feindbild-Schematas aus dem linken Spektrum. Natürlich ist der Liberalismus, den ich mir wünsche - als politischer Bündnispartner, nicht weil ich ein FDP-Liberaler bin (obwohl, liberal wollen wir doch alle sein, oder?) eher eine westeuropäische Angelegenheit, hierzulande konnte er historisch überwiegend nur in Gestalt des Nationalliberalismus Fuß fassen ... weshalb es schon Sinn machte, dass die FDP im Bundestag bisher neben der AfD saß (... kleine Spitze gegen die FDP😉).



      Ihr Begriff "Vollspektrum-Liberalismus" für die Situation in GB und den Niederlanden trifft es ganz gut ... für die deutsche FDP trifft das aber eben nicht zu, das sehe ich genau so wie Sie.



      Eine Zeitlang dachte ich ja, die Grünen könnten die sozial-/linksliberale Leerstelle ausfüllen, die die FDP seit 1982 hinterlassen hat (als Pedant zu deren wirtschaftsliberalen Positionen) ... dazu finde ich die Grünen mittlerweile jedoch als zu arrogant, besserwisserisch, etabliert und protektionistisch, also als genau entgegensetzt zu dem, was eigentlich "liberalem Geist" entsprechen sollte.



      Eine Chance für die Teutrines und Schröders in der FDP?

  • "Branding" trifft es m.E. ziemlich genau. Nicht die Inhalte sind es, sondern die Verkaufe.

    Versteht mich nicht falsch: die zwei interviewten jungen Menschen kommen für mich glaubwürdig rüber, Frau Schröder ein Tick mehr als Herr Teutrine. Aber die Gesamtpartei ist und bleibt: eine Werbefirma.

    Das war sie 1971 tatsächlich noch nicht.

    • @tomás zerolo:

      Korrekt.

      Man muss sich ja nur mal anschauen, was die Pünktchendemokraten so abliefern bei Themen wie Klimaschutz, Finanzierung von Klimaschutz, Legalisierung von Cannabis, Außenpolitik etc etc: nur hingeschissenen Schrott, der auf die Schnelle und ohne dass da vorher irgendwelche substanziellen Überlegungen im Vorfeld gewesen wären.

      Die haben einfach kein Programm. Es ist eine demagogische Partei reinsten Wassers, der es nur um Stimmen- und Dummenfang geht. Und es läuft ja auch gut für sie - der bildungsmäßig abgehängte Teil der jungen Erwachsenen läuft diesen Marktschreiern und Gebrauchtwagenhändlern der deutschen Politik jubelnd hinterher.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Sozialpolitik der FDP



    Hahaha, drei Worte = ein Widerspruch.



    Demnächst tritt C. Lindner noch in die Heilsarmee ein.