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Soziale KlimapolitikDie Kosten der Klimawende

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Die Dekarbonisierung Deutschlands droht, zulasten der Armen zu gehen. Um die steigenden Preise abzufedern, muss die neue Koalition sie unterstützen.

Das Licht brennt, aber ist es auch warm? Die Dekarbonisierung darf nicht zulasten der Armen gehen Foto: Robert Kalb/imago-images

E ines vorweg: An den gestiegenen Energiepreisen sind nicht die Grünen schuld. Sondern die erhöhte Nachfrage bei gleichzeitiger vorübergehender Knappheit von Öl und Gas ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Kunden nun tiefer in die Tasche greifen müssen.

Allerdings ist es teilweise auch der von der Bundesregierung beschlossene CO2-Preis, der die Kosten nach oben treibt – und ebendiesen wollen die Grünen vorzeitig noch einmal drastisch erhöhen. Ein gefundenes Fressen für die Gegner einer ökologischen Wende, die schon jetzt kol­portieren, dass die Dekarbonisierung Deutschlands zulasten der Armen ginge. Und genau dieser Umstand bringt die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen in die Bredouille.

Um die steigenden Preise abzufedern, muss den Armen im Land geholfen werden, und zwar durch vollständige Übernahme der Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger und weitere Entlastungen für Geringverdiener bei der Strom- und Gasrechnung.

Bei den Grünen hat man sich durchaus Gedanken über einen Sozialausgleich gemacht. Mit dem „Energiegeld“, bei dem die zusätzlichen Einnahmen der CO2-Bepreisung wieder an die Bevölkerung ausgeschüttet werden, hat die Ökopartei ein brauchbares Konzept vorgelegt, um Großverbraucher zu be- und ärmere Haushalte zu entlasten. Das kann indes nur ein erster Schritt sein.

Ziel ist mehr ökonomische Gerechtigkeit

Die Akzeptanz der Klimawende hängt davon ab, ob die Menschen das Gefühl haben, draufzahlen zu müssen. Setzen die Grünen ihre klimapolitischen Pläne durch, ohne gleichzeitig sozialpolitische Erfolge ver­ankern zu können, droht ein gesellschaftlicher Backlash.

Deshalb müssen Grüne und SPD dafür sorgen, dass die Kosten einer ökologischen Transformation nicht auf die Ärmsten abgewälzt werden. Ziel ist mehr ökonomische Gerechtigkeit – nicht weniger. Eine geradezu klischeehafte Klientelmaßnahme wie eine Kaufprämie für Lastenfahrräder ist dafür sicher nicht der richtige Weg.

Stattdessen muss ein „Green New Deal“ nach den Vorstellungen der amerikanischen Linken die nächste Bundesregierung prägen. Dabei spielen Umverteilung und soziale Absicherung eine ebenso wichtige Rolle wie die ökologische Transformation.

Niemand soll ohne Job dastehen, wenn klimaschädliche Industrien abgebaut werden. Und natürlich müssen Hartz-IV-Sätze steigen, Schonvermögen angehoben werden und sichere – sowie höhere – Renten höchste Priorität haben. Das weiß man vermutlich auch bei Grünen und bei der SPD. Die Frage ist, ob man diese notwendigen und auch teuren Maßnahmen gegen einen Koalitionspartner FDP durchsetzen kann, der die Schuldenbremse nicht aufweichen und die Steuern nicht anheben will.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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12 Kommentare

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  • Die Grünen wollen Verzicht erzwingen, sie glauben nicht an die „ingenieurtechnische Energiewende“. Es ist nicht vorgesehen, dass der Konsum stabil bleibt, bei den Grünen ist hier weniger mehr.

    Wieso man erst den Verzicht erzwingen sollte, um ihn dann über Sozialtransfers wieder zu ermöglichen müßte mal erklärt werden, von irgendwem…

    Btw, steigende Preise sind idR ein Zeichen für Knappheit. Wenn etwas knapper wird, aber niemand verzichten soll, dann wird’s schwierig. Wie geht das?

  • Danke, ein guter und notwendiger Kommentar. Bitte aber die Frage, ob es drinnen auch warm sei, nicht mit einem angekippten Fenster illustrieren. Da wendet sich die Energieberaterin mit Grausen.

  • Der Spagat, den 'die Politik' nich sieht nich will und auch nich hinkriegen würde: ain't no time-warp. ZUERST wird alles Schlechte teuerteuer (gemacht) und DANN sinken (Skaleneffekte: mehr nachgefragt mehr produziert mehr billig) vorhersagbar aber langsam die Preise der besseren Alternativen (vgl. Atometc./Solaretc.). Die paar Jährchen dazwischen solln die 30 Prozent, dies nich so dicke ham, mal schön frieren.... Spätestens hier werden kostenloser Öppnevv und ähnlich Utopisches gegenüber dem Weiter-So zu den realistischeren Alternativen. Weil: Wenn Heiz Ess Gesund etc. teurer und Stadtlandleben in andern Teilen billiger, wenigstens teilweiser Ausgleich. Hilft überleben.

    • @lesnmachtdumm:

      Und PS: Wer was wieviel auch immer an die Verbraucher zurückgetunnelt werden soll: ALGZwo-ern wirds sowieso auf die Stütze angerechnet werden, ham dann mal wieder nix davon.

  • Die Antwort lautet eindeutig „JA“. Anderenfalls wäre nämlich das linke Fenster geschlossen. Oder alle Fenster wären zwecks Lufterneuerung einige Minuten geöffnet.



    Die Deckenbeleuchtung mit Leuchtstoffröhren galt vor Jahren als „energiesparend“ gegenüber Glühlampen. Aber inzwischen gibt es Beleuchtungsvarianten, die noch energiesparender und damit geldsparender sind.



    Vielleicht könnte man den Bewohnern nicht nur mit Geld, sondern auch mit guten Ratschlägen helfen!

    • @Pfanni:

      Genau. Gekippte Fenster sind in der Heizperiode eine schlechte Lüftungsoption.

  • „Die Frage ist, ob man diese notwendigen und auch teuren Maßnahmen gegen einen Koalitionspartner FDP durchsetzen kann, der die Schuldenbremse nicht aufweichen und die Steuern nicht anheben will“



    War das wirklich nicht vorherzusehen? Hat man sich in den Vorgesprächen nicht auf einen Lösungsansatz geeinigt? Dann wäre die Ampel, kaum begonnen, schon am Ende, unabhängig von weiteren Problemen! Aber auch Jamaika wäre keine Lösung, dann müssten sich nämlich die Grünen mehr verbiegen, als ihnen lieb ist.



    Dann könnte passieren, was keiner will und (noch) keiner ahnt: Die GroKo kehrt zurück!

  • Die Dekarbonisierung geht nicht nur zulasten der Armen, sondern auch zulasten der Natur und der Artenvielfalt!



    Schon jetzt werden für neue Windräder Wälder abgeholzt und andere Naturgebiete (z.B. auf ehemals militärisch genutzten Flächen) zerstört. Für die Wasserkraftwerke hat man schon seit Jahrzehnten Fließgewässer völlig umgekrempelt mit bis heute verheerenden Folgen für Gewässerökologie und mit immer schlimmeten Hochwasserkatastrophen.

    So lange die Energieerzeugung in privater gewinnorientierter Hand bleibt, können wir alle Hoffnungen fahren lassen. Unsere neue Regierung inszeniert die Klimawende als industrielles Jahrhunderprojekt: Am Ende wird es vom Resultat her ein Rohrkrepierer, der Milliarden an Subventionen verschluckt hat.

    Wir wissen doch längst, dass die Digitalisierung in erster Linie ein Energiefresser ist, dass neues Bauen und das Produzieren von E-Autos etc. dem Klima vorerst gar nichts bringt, solange weiterhin an der Wachstumsideologie und anderen neoliberalen Irrlehren festgehalten wird.

  • "Die Akzeptanz der Klimawende hängt davon ab, ob die Menschen das Gefühl haben, draufzahlen zu müssen. Setzen die Grünen ihre klimapolitischen Pläne durch, ohne gleichzeitig sozialpolitische Erfolge ver­ankern zu können, droht ein gesellschaftlicher Backlash."

    Sorry, hier verursachen die Medien mal wieder mehr Schaden als Nutzen!



    A.) es sind 2 getrennte Probleme: Klimawandel und zu niedrige Löhne



    B.) irgendwelche Rückzahlungen... das ist alles Symbolpolitik. Was die Menschen brauchen ist Partizipation an den Gewinnen der Wirtschaft. Und zwar Rückwirkend für die letzten 20 Jahre!

    Wenn die Menschen anständige Löhne und somit auch Renten haben, ist Klimawandel kein Problem. Und Genug Vermögen existiert ja!

  • "Die Frage ist, ob man diese notwendigen und auch teuren Maßnahmen gegen einen Koalitionspartner FDP durchsetzen kann, der die Schuldenbremse nicht aufweichen und die Steuern nicht anheben will."

    Einfache Antwort. Nein. Lindner ist bekannt, dass er Grüne und SPD, falls sie es überhaupt ernst meinen, erpressen kann. Ohne ihn geht es nicht.