Suizide bei Tierärzt*innen: Hilflose Helfende
Kaum ein anderer Beruf wird so romantisiert wie der der Tierärzt*in. Dabei ist es der Job mit dem höchsten Suizidrisiko. Warum?
Einen Vogel mit gebrochenem Flügel verarzten, bei der Geburt von Kälbchen helfen und täglich zig Hunde und Katzen streicheln – so vielleicht stellen sich Kinder den Alltag von Tierärzt*innen vor. Auch unter Erwachsenen ist die Annahme verbreitet, Veterinär*innen führten ein erfülltes, glückliches Berufsleben, schließlich verbringen sie den ganzen Tag mit Tieren und tun nebenbei noch etwas Gutes. Die Realität aber ist: In keinem Beruf ist das Suizidrisiko so hoch wie in diesem.
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Internationale Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Veterinärmediziner*innen ein doppelt so hohes Suizidrisiko wie Ärzt*innen haben und ein viermal so hohes wie die Allgemeinbevölkerung. Forscherinnen der FU Berlin und der Universität Leipzig, die nun erstmals das Risiko für Depressionen und Suizid bei Tiermediziner*innen in Deutschland untersucht haben, gehen sogar von einem sechsfach erhöhten Suizidrisiko aus.
Warum ist das so? Und wieso ist darüber in Deutschland so wenig bekannt? Zu Besuch bei Diplompsychologin und Psychotherapeutin Heide Glaesmer in ihrem Büro der Universität Leipzig. Sie ist Mitautorin der 2020 im Fachmagazin Veterinary Record veröffentlichen Studie zum Suizidrisiko bei Veterinärmediziner*innen in Deutschland. „Dass sich die Wissenschaft hierzulande bislang nicht mit der Suizidalität unter Tierärzt*innen beschäftigt hat, hat einen Grund“, sagt Glaesmer. „Anders als in anderen Ländern wird der Beruf der Verstorbenen in der Suizidstatistik in Deutschland nicht erfasst. Daher ist es sehr aufwendig, das Suizidrisiko von Berufsgruppen zu erforschen.“
Da Glaesmer und ihre Kolleginnen die Suizidrate von Tierärzt*innen nicht einfach beim Statistischen Bundesamt nachschauen konnten, haben sie eine Befragung unter 3.118 Veterinärmediziner*innen im Alter von 22 bis 65 Jahren durchgeführt, wovon 79,5 Prozent Frauen waren. Zum Vergleich: Der Frauenanteil unter den knapp 43.500 Tierärzt*innen in Deutschland liegt bei rund 63 Prozent.
19 Prozent hatten Suizidgedanken
Die Teilnehmer*innen mussten unter anderem angeben, wie oft sie sich in den vergangenen zwei Wochen niedergeschlagen gefühlt haben, wie oft sie gedacht haben, dass sie lieber tot wären, wie wahrscheinlich es ist, dass sie irgendwann durch Suizid sterben oder ob sie schon mal versucht haben, sich umzubringen. Das Ergebnis: Knapp 28 Prozent der Befragten wiesen Depressionssymptome auf, 19 Prozent hatten aktuelle Suizidgedanken und 32 Prozent ein erhöhtes Suizidrisiko. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Veterinärmediziner*innen damit ein dreimal so hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken und ein sechsmal so hohes Risiko, sich das Leben zu nehmen.
Den Behandelnden wird vorgeworfen, geldgierig zu sein und Tieren nicht helfen zu wollen
Auf die Frage, warum Veterinärmediziner*innen so gefährdet sind, antwortet die Therapeutin: „Tierärzt*innen sind erst mal Menschen wie alle anderen auch, alle allgemeinen Risikofaktoren für Suizid gelten also auch für diese Berufsgruppe.“ Dazu zählten etwa psychische Erkrankungen, das männliche Geschlecht, soziale Isolation oder Krisen wie das Ende einer Partnerschaft oder der Verlust des Jobs.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seelsorger*innen zu chatten.
Risikofaktor Erschöpfung
Zusätzlich dazu gebe es Risikofaktoren, die speziell für Human- und für Tiermediziner*innen gälten und in der Forschung immer wieder diskutiert würden: beruflicher Stress, lange Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenenddienste und damit wenig Freizeit. „Viele der Befragten gaben an, oft müde und emotional erschöpft zu sein, kaum Zeit für Privatleben zu haben und sich wenig wertgeschätzt zu fühlen“, sagt Glaesmer. Arbeitsbelastung und Belohnung lägen in einem Ungleichgewicht.
Darüber hinaus hätten Human- und Tiermediziner*innen Zugang zu tödlichen Medikamenten und wüssten, wie sie welches Mittel dosieren müssen, um zu sterben. „Mediziner*innen sterben überzufällig häufig an einer Medikamentenvergiftung, das belegen internationale Studien“, sagt Glaesmer.
Warum aber ist das Suizidrisiko bei Tiermediziner*innen noch mal deutlich höher als bei Humanmediziner*innen? „Eine Erklärung könnte sein, dass Veterinärmediziner*innen häufig kranke oder verletzte Tiere einschläfern müssen, sie werden also viel öfter mit dem Tod konfrontiert.“ Ein Viertel der Studienteilnehmer*innen gab an, das Einschläfern stelle eine „substanzielle Belastung“ für sie dar. „Dass sie durch das häufige Einschläfern emotional abstumpfen und daher die Furcht vor dem eigenen Tod verlieren, konnten wir aber nicht belegen, obwohl das eine Hypothese ist, die in diesem Zusammenhang diskutiert wird“, sagt Glaesmer.
Ethischer Konflikt
Eine weitere mögliche Erklärung: „Veterinärmediziner*innen können manche Tiere nur deswegen nicht retten, weil den Besitzer*innen das Geld für die nötige Operation fehlt“, sagt Glaesmer. „Das tut nicht nur weh, sondern bringt Tierärzt*innen auch in einen ethischen Konflikt. Sie haben sich ja für den Beruf entschieden, weil sie Tieren helfen wollen.“ Während Behandlungen in der Humanmedizin von der Krankenkasse übernommen werden, zahlen Haustierbesitzer*innen meist aus eigener Tasche. Bei einer Umfrage der LMU München unter 405 Hunde- und Katzenbesitzer*innen in Deutschland gaben 16 Prozent an, ihr Tier krankenversichert zu haben.
Julia Arnoldi, 40, wurde schon oft von Tierhalter*innen angeschrien, weil die Behandlungskosten zu hoch seien. Sie arbeitet seit August als Tierärztin in Freiburg, vorher war sie mehr als zehn Jahre in der Kleintierklinik der FU Berlin tätig, erst als tiermedizinische Fachangestellte und später, während des Studiums, als Hilfskraft. Im Notdienst in Berlin hatte sie ständig Angst, auf wütende oder verständnislose Halter*innen zu treffen. „Uns wurde oft vorgeworfen, geldgierig zu sein und Tieren nicht helfen zu wollen – nur weil wir sie nicht umsonst operiert haben.“
Besitzer*innen können nicht zahlen
Ein Mann ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. Sein Hund wurde vom Auto angefahren und war schwer verletzt, die Operation hätte 1.500 Euro gekostet – Geld, das der Besitzer nicht hatte. „Wir haben ihn gebeten, sich das Geld bei Freund*innen oder der Familie zu leihen“, sagt Arnoldi. „Er aber ist völlig ausgeflippt und hat der behandelnden Ärztin gedroht, ihr nach Feierabend aufzulauern, wenn sie seinen Hund nicht kostenlos operiere. Am Ende musste die Polizei kommen.“
Die 32 Jahre alte Tierärztin Melanie Schwarze, die zusammen mit einer Freundin eine Kleintierpraxis in Leipzig führt, berichtet Ähnliches: „Mir ging es schon oft emotional schlecht, weil mir Haustierbesitzer*innen vorgeworfen haben, zu hohe Preise zu haben oder schlechte Arbeit zu leisten.“
Kein Privatleben, kaum Freizeit
Bevor Schwarze sich 2019 selbstständig machte, war sie unter anderem als Assistenzärztin in einer Praxis für Groß- und Kleintiere auf dem Land tätig. Dort hatte sie oft eine Woche am Stück Bereitschaftsdienst – 24 Stunden am Tag. Weil Schwarze binnen 30 Minuten beim Tier sein musste, konnte sie nie wegfahren. Besuche bei Freund*innen in Leipzig waren damit unmöglich. „Bekam wiederum ich Besuch, musste ich oft mitten im Gespräch aufbrechen, weil zum Beispiel eine Kuh nach der Geburt nicht aufstehen konnte.“ Ein Privatleben hatte Schwarze so gut wie nicht. Für ihren Vollzeitjob bekam sie ein Monatsgehalt von knapp 2.800 Euro brutto. „Ich habe mich nicht anerkannt gefühlt“, sagt Schwarze. Heute verdient sie als selbstständige Tierärztin „deutlich mehr“ – und das, obwohl sie in Teilzeit arbeitet.
Anders als Amtstierärzt*innen, die zum Beispiel Schlachtbetriebe und Bauernhöfe kontrollieren, haben angestellte Tierärzt*innen keinen Tarifvertrag. Der Bund angestellter Tierärzte e.V. (BaT) möchte das ändern. Berufsanfänger*innen sollten dem BaT zufolge im ersten Halbjahr monatlich mindestens 3.500 Euro brutto bekommen. Zum Vergleich: Humanmediziner*innen verdienen laut Deutschem Ärzteverlag im ersten Assistenzarztjahr im Schnitt 4.700 Euro pro Monat. „Das Tiermedizinstudium ist genauso anspruchsvoll und anstrengend wie das Humanmedizinstudium. Es ist ungerecht, dass Tierärzt*innen weniger verdienen“, sagt Dr. Elisabeth Brandebusemeyer vom BaT.
Info-Website geplant
Um das Suizidrisiko bei Veterinärmediziner*innen zu minimieren, plant Heide Glaesmer mit zwei Kolleg*innen eine Webseite, auf der Tierärzt*innen erfahren, wie ein Ausgleich zwischen Job und Freizeit gelingen kann, woran man Depressionen erkennt, wie man mit Symptomen umgeht und wo man Hilfe bekommt. Während es in anderen Ländern Suizidpräventionsprogramme speziell für Tiermediziner*innen gibt, in den USA etwa „Not One More Vet“, fehlen solche Angebote in Deutschland bislang.
Neben einem höheren Gehalt und Präventionsprogrammen sei es wichtig, sagt Glaesmer, Veterinärmediziner*innen bereits im Studium auf die zum Teil emotional belastenden Situationen mit Tierhalter*innen vorzubereiten. Bisher gibt es nur Wahlpflicht-Kurse zu diesem Thema.
Verpflichtende Tierkrankenversicherung
Die Therapeutin schlägt verpflichtende Schulungen vor, in denen angehende Tiermediziner*innen an Schauspieler*innen üben, unerfreuliche Nachrichten zu überbringen, zu trösten oder über Operationskosten zu sprechen. „In der Ausbildung von Humanmediziner*innen ist das inzwischen Standard.“
Damit es gar nicht erst zu Auseinandersetzungen mit Tierbesitzer*innen kommt, wünschen sich die Tierärzt*innen Melanie Schwarze und Julia Arnoldi eine verpflichtende Tierkrankenversicherung. So müsste kein Tier Schmerzen aushalten oder sterben, nur weil sein*e Besitzer*in nicht genug Geld beiseite gelegt habe. Gleichzeitig hätten die Praxen dann mehr Einnahmen und könnten die Veterinärmediziner*innen besser bezahlen. Viel bedeutender als Geld, sagt Tierärztin Arnoldi, sei aber die Wertschätzung durch Tierhalter*innen. „Würden uns alle mit Respekt begegnen und sich häufiger bedanken, wäre schon viel gewonnen.“
Leser*innenkommentare
Katrin Uhlmann
Also es gibt Tierärzte, bei denen blinken in den Augen die Eurozeichen auf, wenn man die Praxis betritt. Als meine Katze das erste Mal eine Blasenentzündung hatte, war ich innerhalb kürzester Zeit 200 Euro los. Für die OP meiner Hündin (Mammakarzinome) wollte man mir über 2.000 Euro abknöpfen. Ich habe mir eine zweite Meinung eingeholt und da kostete es nur noch 1.200 Euro einschließlich Kastration. Die mittlerweile chronisch gewordene Blasenentzündung hat der Tierarzt so behandelt: "Ihre Katze ist zu fett, setzen Sie sie auf Diät und stellen das Futter um." Mit den Blasenentzündungen war es selbstredend vorbei.
Was die Suizide anbelangt, es ist ja nicht nur das Einschläfern von Tieren, die Halter sind meist am Boden zerstört und das geht an den Tierärzten auch nicht spurlos vorbei.
97760 (Profil gelöscht)
Gast
@Katrin Uhlmann Manche " Halter" sind aber auch froh, wenn Bedingung für eine Ehe, die Anschaffung eines Haustieres einseitig gefordert wurde.
eva strüve
@Katrin Uhlmann Frau Uhlmann, die Tierärzte müssen sich alle nach der GOT richten, sprich was abgerechnet wird steht in einer Verordnung. Dass Sie bei eienr Blasenentzündung (mit Urintests, Röntgen, Behandlung und ggf Ultraschall je nach Fall) 200 Euro los sind ist völlig normal und NICHT teuer. Was denken Sie eigentlich wie ein Tierarzt Personal (mindestens ein Helfer pro Tierarzt), Ausstattung (welche Humanarztpraxis hat ein großes INhouselabor, Röntgen, Ultraschall etc??), die eigene Ausbildung und Versicherungen bezahlt? Dass Sie mit fehlendem Hintergrundwissen zu diesen Dingen denken dass viele TÄ "Eurozeichen" in den Augen haben wundert mich nicht. Ich kann Ihnen gerne den durchschnittlichen Stundenlohn eines Tierarztes nennen und Sie werden schockiert sein. Besitzer wie Sie habe ich gefressen...
Katrin Uhlmann
@eva strüve Natürlich weiß ich, dass die Tierärzte an Gebührenordnungen gebunden sind. Und mir fehlt auch nicht das Hintergrundwissen, was die Kosten anbelangt. Es ist nur, dass einem auch viele Behandlungen aufgeschwatzt werden. Meine Hündin hat ein Lipom an der Brust, nach 130 Euro (Röntgen und Biopsie) habe ich das gewusst, das hätte ich auch mit einem einfachen Piekser in das Lipom wissen können. Wegen den Karzinomen sollte sie zweimal operiert werden, also zweimal 1.000 Euro. Der andere Tierarzt hat nur einmal operiert und eine Milchleiste komplett und die andere nur teilweise entfernt, wo die Tumore waren. Außerdem hat er sie gleich kastriert, damit die Tumore nicht wiederkommen. Ich war natürlich nicht nur vom Preis begeistert, sondert auch davon, dass meine Dame nur einmal in Narkose gelegt wurde.
Wahrscheinlich haben Sie meinen Text nicht richtig gelesen oder nicht richtig verstanden oder es war eine Kombination aus beidem. Oder wie erklären Sie sich die Preisunterschiede und die Behandlunsmethoden?
eva strüve
@Katrin Uhlmann Naja das Beispiel oben war die angeblich exorbitante Summe von 200 Euro für eine Blasenentzündung- darauf bin ich eingegangen, völlig legitimer Preis (ohne Geldmacherei)- jetzt nenne Sie andere Beispiele. Hinterher ist man natürlich immer schlauer und kann sagen es war "Nur ein Lipom"- stellen Sie sich aber vor ich sage nach dem Tastbefund "ist nur ein Lipom, kann man lassen" und es ist ein hochmaligner Mastzelltumor oder Ähnliches. Wer verklagt mich als Erstes? Richtig, Sie! Und was meinen Sie eigentlich mit einem "einfachen Piekser"? Das nennt man Feinnadelaspirat, alleine die Entnahme inklusive Untersuchung, Material und Versand bzw Befundbesprechung kostet Sie ca. 100 Euro. Dann kommt natürlich noch der Pathologe drauf. Und nein, nicht jeder Tierarzt muss das selber unter seinem Mikroskop untersuchen können. Manche haben die Zeit nicht, sind nicht sattelfest genug in der Zytologie oder überlassen schlichtweg lieber dem Fachkollegen die Beurteilung eine Hautwucherung. Da waren Sie mit 130 Euro überigens noch sehr günstig dabei!! Das Röntgen hat der/ die KollegIn vermutlich im Zusammenhang mit den Karzinomen gemacht, ein absolutes Muss bevor man Mammaleisten operiert, ich kann hier keine Eurozeichen erkennen. Und zu dem OP- Vorgehen: abgerechnet wird pro Milchleiste (ja, dann 2x 1000 Euro inklusive Narkose und chirurgischem Eingriff) und tatsächlich operieren die meisten bei größeten Hunden nicht beide Milchleisten gleichzeitig, da es sehr häufig nicht gut heilt. Hat nichts mit Eurozeichen zu tun sondern schlichtweg mit der Sorge um den Patienten. Wenn der Kollege das in einem Aufwasch macht, schön für ihn, ist aber wie gesagt nicht Standard. Dass man die Hündin gleich mit kastriert versteht sich von selbst und hätte jeder andere KollegIn hoffentlich auch gemacht. Ich finde einfach Ihre Ausdrucksweise im ersten Text respektlos und ich persönlich würde mir nie anmaßen meinen KFZ- Mechaniker/ Friseur/ Schlüsseldienst zu beurteilen- gute Arbeit kostet.
Samvim
Ich finde die Begründung für die hohe Suzidrate etwas seltsam: Wenn wirklich das Töten von Tieren dafür verantwortlich sein soll, dass müsste Metzger der am meisten betroffene Beruf sein...
Meine (zugegebenerweise etwas steile) These: Tierärztin werden vor allem Menschen, die dem konfliktbehafteten Kontakt mit anderen Menschen aus dem Weg gehen wollen (sonst könnte man auch den wesentlich lukrativeren Job als Humanmediziner wählen) . Und das gelingt ob der Tierhalter leider nicht. Oder anders ausgedrückt - bereits die Bewerber für diesen Beruf sind aufgrund geringer psychischer Belastbarkeit latent Suizidgefährdeter als der Rest.
Bitis
@Samvim Beim Metzger ist die Tötung des Tieres Voraussetzung für die weiteren Arbeitsschritte. Der Tierarzt versucht als Arzt, den Tod so weit es geht herauszuzögern und Leben zu retten. Wenn dies nicht klappt und zusätzlich durch externe Faktoren auch noch erschwert wird, zermürbt das ungemein. Das geht auch Humanmedizinern nicht anders. Die Empathie mit seinen Patienten, die ein guter Mediziner zumindest ansatzweise mitbringen sollte, kann sich hierbei auch als Nachteil erweisen. Nur: möchten Sie als Patienten einen gefühlskalten Roboter als Arzt haben, der Ihre Bedürfnisse empathielod ignoriert?
Samvim
@Bitis Die Tötung von Tieren ist eben auch Aufgabenbeschreibung eines Veterinärs. Machen sich die meisten vor der Berufswahl nur nicht klar glaube ich.
Und ja - ich ganz persönlich will objektive Auskunft und Bewertung meines Gesundheitszustandes vom Arzt. Bemitleiden kann ich mich alleine.
Bitis
@Samvim Das potentielle Aufgabengebiet für TÄ ist derart vielfältig, dass es keine allgemeingültige "Aufgabenbeschreibung" gibt. Nochmals: beim Metzger ist der Tod das Mittel zum Zweck; beim Veterinär, je nach Bereich, die Ultima Ratio.
Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.
Die Moderation
Samvim
@Bitis Chapeau - sie kennen mich offenbar besser als ich selbst!
Bitis
@Samvim Soviel nur zum Thema Empathie...
t-mos
Ich finde es wirklich bedenklich, wie Menschen mit ihren Tieren umgehen. Tiere bedeuten Verantwortung. Genauso wie Kinder. Dem muß man emotional und finanziell gewachsen sein. Da kann dann die Tierärztin wirklich nichts für.
SixT8
...wünschen sich die Tierärzt*innen Melanie Schwarze und Julia Arnoldi eine verpflichtende Tierkrankenversicherung. So müsste kein Tier Schmerzen aushalten oder sterben, nur weil sein*e Besitzer*in nicht genug Geld beiseite gelegt haben
Und es würden sich viel weniger, für die Tierhaltung ungeeignete Personen, ein Tier anschaffen.
khar
Ergänzung zum Text:
Mein Einstiegsgehalt in der Kleintierpraxis betrug 1800€ brutto. Vollzeit, plus Not-Sprechstunde jeden dritten Sonntag. Und bevor jetzt wieder argumentiert wird, dass man mit dem Akzeptieren solcher Bedingungen selbige zementiert: da hatte ich schon das Angebot für 1600€ brutto abgelehnt. Und von Bekannten wurde mir aus einer Klinik in Süddeutschland das Angebot zugetragen, man könne doch ein halbes Jahr unentgeltlich als „Praktikant“ arbeiten, dann seien die Chancen auf die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis ganz gut.
Als ich die Präsidentin meiner damaligen Landestierärztekammer auf die geringen Entgelte für angestellte Tierärzt:innen ansprach, blickte sie mich mit strahlenden Augen an und sagte: „Ja, dann gründen SIE doch mal eine Gewerkschaft!“
Wombat
@khar Ein typischer Selbstverwirklichungsberuf und damit nun mal komplett überlaufen. Das führt zu 0 Verhandlungsmacht. Ist aber jedem bekannt der Tiermedizin studiert und trotzdem wird das Studium begonnen.
Bitis
@Wombat Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.
Die Moderation
Wombat
@Bitis Bezahlt wird nicht nach der Wichtigkeit der Gesellschaft sondern nach Angebot und Nachfrage. Und darum verdient man im Design oder als Friseuse nun mal nicht gut - weil das ganze ganz viele kleine Mädchen trotzdem machen wollen.
Bitis
@Wombat Demzufolge müssten die Gehälter für praktizierende TÄ aktuell stark ansteigen. Schau mir mal...
Christian Lange
Wenn das Tier sooo wichtig für die Halter ist, dann wundert mich, dass Sie dieses "Familienmitglied" nicht auch versichern.
Den Ärzten die Schuld für die hohe Rechnung zu geben, zeigt mir, wie verbreitet die Unkenntnis zum Thema ist.
Die allgemeine Verrohung der Kommunikation und die Erwartung dass man alles bekommt, und bitte sofort und umsonst, sind ein anderer Zug der Zeit.
Aber hat man auch untersucht, warum die Menschen den Beruf ergreifen? Liegt da vielleicht eine Ursache zur Depressionsneigung?
Bolzkopf
Der Artikel sagt ja auch, dass im Grunde nicht bekannt ist ob es nicht in anderen Berufen bzw. Branchen ähnlich aussieht.
Mir würden da auf Anhieb schon ein paar Großkonzerne einfallen die mit den Mitarbeitern ... sagen wir mal "rüde" ... umgehen und sich natürlich in einer Suizid-Statistik nicht so gerne wiederfänden.
Und so als Berufspessimist postuliere ich mal, dass das mit ein Grund dafür ist, dass diese Daten nicht erhoben werden...
Joachim Petrick
Danke an Rieke Wiemann für ihren einfühlend umfassend gelungenen Einblick in die Arbeitswelt von Tierärzten*nnen, Veteräneren*nnen, auch die andere emotionale Seite bei gehäuften Einschläfern von Tieren zu erwähnen mit mutmaßlichem Gewöhungseffekt im Umgang mit tödlich sedierend einschläferndem Medikamentenmix.
Bleibt Frage, spingen Tierheime bei Tierhaltern*nnen über öffentlich oder aus Spenden finanzierten Fonds mit Kostenübernahme tiermedizinischer Behandlungen ein, wenn Tierhalter*nnen die Kosten nicht zahlen können, notwendige Behandlungen zu sichern?
Mustardman
Auf eine Versicherungspflicht für Haustiere ähnlich wie die Versicherungspflicht für Autos bin ich noch nicht gekommen, ist aber vielleicht gar keine schlechte Idee.
Mir ist das auch mal passiert: Zu einer Zeit, in der ich wirklich absolut kein Geld hatte, schleppte sich mein Kater von einem Auto angefahren nach Hause. Ich habe ihn dann letztlich in eine Tierklinik gebracht, wo er notoperiert wurde, auch wenn die Überlebenschancen unsicher waren. Er ist dann auch zwei Tage später gestorben. Die Kosten waren exorbitant, ich habe das abstottern müssen und musste mir jeden Euro vom Mund absparen.
Wenn das auch für den letztlich zahlenden Menschen so existentiell ist, dann bringt einen das in einen Konflikt, mit dem man so einfach gar nicht umgehen kann. Ein eher robuster Umgang ("lohnt sich nicht, schläfern Sie ihn ein") ist wirtschaftlich vernünftig, aber so ein Haustier war schließlich auch 10 Jahre Teil der Familie, das macht man so leicht nicht und wenn man so weit ist, wo hört das auf?
Wie immer kann man den Umgang mit unseren Tieren nicht von dem mit unseren Mitmenschen trennen, das ist irgendwo alles dasselbe. Wer mitleidet, der leidet mit und wer es nicht tut, der tut es nicht.
Ich habe mit Tierärzten ansonsten eigentlich immer nur gute Erfahrungen gemacht, aber ja, die erleben eine Menge trauriger Geschichten.
Toto Barig
@Mustardman Schlimm, daß der/die Autofahrer/in die Kosten nicht übernommen hat, bzw. die Verkehrshaftpflichtversicherung.
fly
Interessant.
Aber es fehlen so ein paar Infos.
Die Studiengänge starten häufig mit 90% Frauenanteil. Offensichtlich gehen davon nicht alle in den Beruf.
Wie ist denn die Suizid-Gefährdung von Männer und Frauen? Männer haben eher Großtierpraxen, Frauen eher Kleintierpraxen - mit zwei ganz verschiedene Klientel und Stresslevels. Eine Kleintierpraxis in der Stadt kann man 9 to 5 betreiben (plus Notdienste).
Bei den generellen Statements der zur Wortkommenden Tierärztinnen gibt es aber auch ein paar Unklarheiten:
"Mir ging es schon oft.... vorgeworfen ..., zu hohe Preise zu haben"
"Heute verdient sie als selbstständige Tierärztin „deutlich mehr“ – und das, obwohl sie in Teilzeit arbeitet."
"wünschen sich ...eine verpflichtende Tierkrankenversicherung ...[um mehr Gehalt zu bekommen]".
Bei den Wünschen muss man dann vielleicht auch aushalten, dass einem hohe Preise vorgehalten werden.
"Das Tiermedizinstudium ist genauso anspruchsvoll und anstrengend wie das Humanmedizinstudium. Es ist ungerecht, dass Tierärzt*innen weniger verdienen“
Nu, es gibt aber keinen Automatismus zwischen Anspruch in einem Studium und Gehalt. Zumal, wer bestimmt den Anstrengungsfaktor?
und zu guter Letzt:
"Würden uns alle mit Respekt begegnen.."
Nenne eine Berufsgruppe, Personengruppe, die, besonders in der Pandemiezeit, nicht über mangelnden Respekt geklagt hat. Das scheint sich durch die Gesellschaft komplett durchzuziehen (Erzieherinnen, Polizistinnen, Politikerinnen, Handwerkerinnen, junge Leute, alte Leute, jede Minderheitengruppe....). Woran liegt das?
Annette Thomas
@fly "Bei den Wünschen muss man dann vielleicht auch aushalten, dass einem hohe Preise vorgehalten werden."
Nun ja - wenn Sie in Vollzeit mit Wochenweiser 24h-Bereitschaft (also 168h-Bereitschaft) 2800,- brutto verdienen, ist der Wunsch, dass die Leute sich versichern, um die Arbeit bezahlen zu können, mehr als verständlich.
Immer - speziell wenn es um andere geht - gehen wir davon aus, dass Liebe zu Mensch, Tier und Beruf die schönste Belohnung ist - auch wenn man ausgebeutet und angeschrien wird.
Das ist einfach falsch. Es beutet aus, es blutet aus.
Bitis
@fly Auch männliche TÄ nehmen sich das Leben - was im Artikel mit der sonderbaren Darstellung des "männlichen Geschlechts" als Risikofaktor(?) auch erwähnt wird.
"Bei den Wünschen muss man dann vielleicht auch aushalten, dass einem hohe Preise vorgehalten werden." Klipp und klar: nein. Niemand muss sich dafür rechtfertigen müssen, für seine Expertise und Fähigkeiten angemessen bezahlt zu werden. Anders ausgedrückt: Wenn ich einen schwierigen operativen Eingriff innerhalb von Minuten hinkriege, zahlen Sie nicht für die Minuten, sondern für die Jahre Training davor, wegen denen ich nur Minuten für den Eingriff brauche. Vom materiellen Aufwand (Sie wollen ja auch nicht ohne ordentliche Narkose und unter unhygienischen Bedingungen operiert werden, oder?) gar nicht erst zu reden.
Das veterinärmedizinische Studium ist anspruchsvoll - das kann ich Ihnen bestätigen. Und anders als in der Humanmedizin muss man mehr als eine Spezies können. Dementsprechend, such hinsichtlich der immer wieder ach so hochgehalten Tierliebe ist da ein gewisser Anspruch gegeben.
Was mangelnden Respekt anbelangt: es fällt auf, dass die Leute immer aggressiver und extremer reagieren. Ob das allein der Pandemie zuzuschreiben ist -??? Der rasante Zuwachs an Haustier-Anschaffungen seit 2020 ist indes letzterer zuzuschreiben.
Grauton
@fly Schön, daß der Artikel so großes Interesse bei Ihnen ausgelöst hat.
Vielleicht ein Anreiz sich selbst noch weiter zu informieren.
Jalella
Vielleicht wäre es einfacher für die TierärztInnen wenn z.B. bei einer OP von 1500€ klar wäre, warum das so teuer ist. Vielleicht natürlich auch nicht ...
Transparenz der Kosten - wenn sie denn gerechtfertigt sind - wäre generell gut.
Auch für unsere kleinen zweibeinigen Freunde (also uns selbst) wäre es spannend, die Kosten aufgeschlüsselt zu bekommen.
Bitis
@Jalella Allein der mitschwingende Vorwurf, die Kosten wären nicht (immer) gerechtfertigt und die TÄ würden heimlich aus Geldgier Unsummen verlangen, ist eine Frechheit, die in wiederholter Form mit zu der Suizidrate beiträgt.
Transparenz gibt es in Form der auch online einsehbaren GOT. Die Kostenaufschlüsselung findet sich auf jeder TA-Rechnung.
"Kleine zweibeinige Freunde" - was möchten Sie mit dieser seltsamen Formulierung ausdrücken?
thomys
Bei einer verpflichtenden Tierkrankenversicherung hätten die Praxen mehr Einnahmen?
Bei 3-stelligen Versicherungskosten pro Monat (so viel kosten diese Versicherungen!) könnten 80 % aller Tierärzte sich beim Arbeitslosenamt melden. Für die meisten Tierhalter einfach unbezahlbar.
Und solange ein einfaches Röntgenbild bei meinem kleinen Hund mehr kostet als bei mir ein MRT als Privatpatient ist das wohl Meckern auf sehr hohem Niveau.
eva strüve
@thomys 1. wir unterscheiden in der GOT nicht ob der HUnd klein oder groß ist- das röntgenbild wird angefertigt (strahlenbelastung sieselbe wie bei einem großen hund...), ausgewertet und- ganz wichtig- man hat das teure gerät in der praxis stehen und 2. kann ich mir niemals vorstellen dass Sir mehr für ein (!) röntgenbild gezahlt haben als für ein HUman- MRT. Zufällig mehrere Ebenen angefertigt worden, im Notdienst da gewesen, bissigen Hund gehabt oder Hund in Sedation geröngt? Dinge die man natürlich gesondert berechnen muss und das Röntgenbild dann auffällig "teuer" machen.
Annette Thomas
@thomys Nach Ihrer Logik ist es ok, sich ein Tier anzuschaffen, für dessen Gesundheit man nicht das Geld hat - dann darf es halt nicht krank werden.
Oder ein wohltätiger Spender taucht auf, im Zweifel eben der Tierarzt.
Ja wieso das denn?
Und wie schon Bitis schreibt: wenn nicht mehr 16%, sondern 86% versichert sind, sinken wahrscheinlich die Beiträge erheblich.
Alles andere sind Milchmädchenrechnungen.
Bitis
@thomys Nein, es ist nicht Meckern auf hohem Niveau; Sie vergleichen nur Äpfel mit Birnen.
80% der TÄ arbeiten nicht nur in der Kleintiermedizin.
Je mehr Haustierbesitzer diese Versicherungen nutzen würden, desto mehr Anbieter und desto eine größere Angebotsauswahl (auch hinsichtlich Preis/Leistung) gäbe es. Das zeigen die Erfahrungen in anderen Ländern, in denen mehr Haustiere krankenversichert sind.
Toto Barig
@Bitis Auf jeden Fall wäre es eine neue Einnahmequelle der darbenen Versicherungsbranche. Diese zu unterstützen sollte allen Menschen eine Herzensangelegenheit sein.
Bitis
@Toto Barig Ihren Sarkasmus können Sie sich sparen. Wenn dadurch tatsächlich Leid bei Mensch und Tier gelindert werden, käme das allen zugute.