piwik no script img

Karlsruher Urteil zum RundfunkbeitragKein Selbstbedienungsladen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einfluss von einzelnen Bundesländern auf ARD und ZDF eingeschränkt. Doch Kontrollmöglichkeiten bleiben.

Aushängeschild der öffentlich-rechtlichen Sender: die Nachrichten (hier die ARD-Tagesthemen) Foto: Thorsten Jander/NDR

D er öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Schutzpatron. Seit Jahrzehnten hält das Bundesverfassungsgericht seine Hand über ARD, ZDF und Deutschlandradio. Obwohl die öffentlich-rechtlichen Sender im Grundgesetz nicht einmal erwähnt sind, haben die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen ihnen in vielen Urteilen eine Existenz- und Entwicklungsgarantie zugesichert.

Auch in der aktuellen Entscheidung geht es um diesen Schutz. Die Rundfunkfinanzierung, die über Staatsverträge der Länder geregelt wird, darf von der Politik nicht dazu genutzt werden, auf Inhalte und Strukturen der Sender Einfluss zu nehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt erneut bekräftigt und entsprechende Versuche von Sachsen-Anhalt zurückgewiesen. Der Rundfunkbeitrag wird nun erhöht.

Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Sender keine Selbstbedienungsläden, in denen auf Kosten der Bei­trags­zah­le­r:in­nen beliebig viel Geld ausgegeben werden kann. Die Sender können zwar ihren Bedarf anmelden, ob dieser gerechtfertigt ist, entscheidet aber die unabhängige KEF-Kommission. Und diese Kommission ist durchaus streng. Sie genehmigt längst nicht alle Wünsche und verlangt oft sogar Einsparungen.

Dennoch ist die Diskussion legitim, ob Strukturen der öffentlich-rechtlichen Sender verschlankt werden können. Brauchen etwa die Klein-Bundesländer Bremen und Saarland eigene ARD-Anstalten, während sich viel größere Bundesländer wie Baden-Württemberg längst mit Nachbarn zusammenfanden?

Transformation im Gange

Solche Strukturreformen sind schon deshalb erforderlich, weil der öffentlich-rechtlich Rundfunk seine Grundversorgung in den nächsten Jahrzehnten immer mehr ins Internet verlagern wird – nicht nur mit Bild- und Ton-Berichterstattung, sondern auch mit Texten. Die Transformation ist längst im Gange.

Das öffentlich-rechtliche System steht vor enormen Umbrüchen. Doch dass damit dessen demokratische Anbindung verloren geht, muss man nicht fürchten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun zwar die Möglichkeiten einzelner Länder reduziert, über die Beitragsschraube Einfluss zu nehmen. Selbst mit zulässigen sozialpolitischen Argumenten wie der Coronanotlage kann kein Bundesland mehr ein individuelles Veto einlegen. Das können nur alle Ländern gemeinsam tun. Diese Hürde liegt sehr, sehr hoch.

Allerdings werden in der Rundfunk-Politik in den nächsten Jahren noch viele Staatsverträge verhandelt, beschlossen und ratifiziert werden. Den Länder bleibt genug Einfluss. Von den ­konservativen Rundfunk-Politiker:innen in ­Sachsen-Anhalt wird man noch mehr hören, als man heute denkt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Ich sach's mal so: Über den Rundfunkbeitrag entscheidet jetzt - bis auf weiteres das Bundesverfassungsgericht.

    Bisher war das Prozedere ja so:



    1. Die Rundfunkanstalten melden Bedarf an



    2. Die KEF (16-köpfiges Gremium) prüft den Bedarf der Höhe nach (nicht inhaltlich) und gibt eine Empfehlung ab, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Beitragsanpassung erforderlich ist.



    3. Die MinisterpäsidentInnen der Länder arbeiten auf der Grundlage der KEF-Empfehlung einen Staatsvertrag zur Vorlage vor den Länderparlamenten aus.



    4. Damit der Staatsvertrag in Kraft treten kann, braucht er die Zustimmung aller 16 Landesparlamente. Schluß-Aus-Ende.

    Auf den ersten Blick ein hinreichend komplexes Verfahren, das formaldemokratischen Anforderungen durchaus genügt.



    Nun hat sich aber - auf Anruf - das Bundesverfassungsgericht für zuständig erklärt. Warum eigentlich? Man könnte den Eindruck gewinnen, es ginge beim Rundfunkbeitrag in Wahrheit um Lohn und Pension der Verfassungsrichter. Nun kann man ja durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass das beschriebene Prozedere verfassungswidrig ist. Dann müssen die Länder sich zur Finanzierung ihrer Landesrundfunkanstalten etwas komplett anderes ausdenken. Das Bundesverfassungsgericht hat dies aber vermieden und stattdessen einfach mal das Ergebnis der Abstimmung über den Staatsvertrag in Sachsen-Anhalt bemängelt. Geht's eigentlich noch absurder?

  • Gerade dieses Urteil hat den demokratiefernen Selbstbedienungsladen zementiert.

    Die Bedarfsermittlung ist doch ein System, wo die Verantwortung für die ständigen Erhöhungen eine Institution immer auf die andere schiebt. Die KEF handelt angeblich nur nach den Vorgaben der Anstalten, während die nur nach dem Grundauftrag handeln. Schuld daran, dass man immer mehr Geld braucht ist in dem System immer im Zweifelsfalle jemand anderers, aber man nicht selbst. Und so kann man also bedenkenlos die Gebühren immer weiter anheben.

    Das Veto Sachsen-Anhalts war ein deutliches Zeichen von Demokratie, von so geht es nicht mehr weiter. Das Urteil des BVG dagegen entzieht den ganzen Apparat nochmals deutlich mehr der bereits geringen demokratischen Kontrolle.

  • Ich bin nicht mit dem BVerfG einverstanden. Wenn die Parlamente praktisch keinen Einfluss nehmen können, dann müssten wir Zwangsteilnehmer, wie in anderen Zwangskörperschaften auch, maßgeblichen Einfluss auf die Sendeanstalten bekommen. Aber auch den gibt es nicht. Der öffentliche Rundfunk ist zu einem frei schwebenden Ufo geworden, einem Appendix des BVerfG.

  • Sollte es wirklich einen öffentlich rechtlichen Informations- und Bildungsauftrag geben, so reicht dafür genau EIN öffentlich rechtlicher Sender und nicht 74 Radiosender und über 20 Fernsehsender.

    • @Rudi Hamm:

      Auf den Punkt gebracht! - Und mit den vielen Sendern und Programmen wären wir dann entsprechend viele und überteuerte "Buhros" los.

  • Stimme grundsätzlich zu und habe aber dennoch einen Einwand.



    "Die Sender können zwar ihren Bedarf anmelden, ob dieser gerechtfertigt ist, entscheidet aber die unabhängige KEF-Kommission."



    Die KEF kann prüfen ob die beantragten Summen zum jeweiligen Antragsgrund passen. Eine inhaltliche Prüfung scheidet aufgrund der Rundfunkfreiheit aus und eine Prüfung ob ein Posten sich innerhalb des gesetzlichen Programmauftrags befindet oder nicht gehört auch nicht zu den Aufgaben der KEF. Wenn die ÖRR also 40 Mio. beantragen um damit einen Spartenkanal für kaukasische Experimentalfilme der 50er aufzubauen, kann die KEF allenfals nachrechnen, dass dafür auch ein Budget von 35 Mio. reichen müsste. Den Bedarf so zu formulieren, dass trotz Einsparvorgaben der KEF genügend Puffer und Spielräume verbleiben dürfte für die ÖRR ein lösbares Problem sein.

    • @Ingo Bernable:

      Sie bringen es auf den Punkt. Solange die Anstalten ihre Betätigungsfelder frei ausweiten können, kann die KEF nichts machen, um den Gebührenaufwand einzuschränken.

      Ich freue mich schon auf die kaukasischen Experimentalfilme, vor allem, wenn die aus den 50er Jahren sind; die sollen ja besonders interessant sein ;-). Hoffentlich gibt es nicht stattdessen noch eine weitere Krankenhaus-Soap.

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Die KEF soll streng sein?

    Selbst komplett offensichtliche Einsparungen (Sport, ZDF, dritte Programme, Mehrfachstrukturen zwischen den ARD Anstalten usw.) werden nicht eingefordert.

    Auch wenn man das öffentlich rechtliche System befürwortet, kann man die Verschwendung kaum rechtfertigen.

    Immer weniger Menschen nutzen öffentlich rechtliche und trotzdem wird es immer teurer. Im Vergleich zu anderen Ländern (UK, Frankreich usw.) sieht man das es mir sehr viel weniger Geld geht.

    Ich finde öffentlich rechtliche sehr wichtig, aber es wird nicht besser nur weil man noch mehr Geld hinterher wirft

    • @06792 (Profil gelöscht):

      "...kann man die Verschwendung kaum rechtfertigen"



      Die bedarf keiner Rechtfertigung. Bei "Sport, ZDF, dritte Programme, Mehrfachstrukturen zwischen den ARD Anstalten usw." handelt es sich um "Inhalte und Strukturen", auf die weder die Politik noch die KEF Einfluss nehmen dürfen. Und die "Beitrags"zahler schon garnicht.

    • @06792 (Profil gelöscht):

      Gesparrt wir nur an der Sendequalität.



      720p qaufm 65er is arg wenig gerade jetzt bei Olympia fällt das sehr unangenehm auf. Beim RAdio ists nicht besser die Mainstreamsender hören sich auf dab+ und Internet schlechter an als übern alten UKWtuner. Bei der Finanzausstattung ist das schwer zu verstehen.



      inhaltlich würde ich etwas mehr Neutralität vorzeihen

    • @06792 (Profil gelöscht):

      Volle Zustimmung. Selten so gelacht, wie bei dieser Aussage.