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Einigung um Pipeline Nord Stream 2Ein Gewinner, viele Verlierer

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Deutschland und die USA haben sich über die Gas-Pipeline Nord Stream 2 geeinigt. Doch diese nutzt nur Russlands Präsident Putin – und schadet dem Klima.

Putin, der Gewinner: Muss in Zukunft keine Rücksicht mehr auf das Gas-Transitland Ukraine nehmen Foto: Alexei Nikolsky/imago

B ei der Einigung über Nord Stream 2 gibt es vor allem einen Gewinner: Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Er kann die umstrittene Erdgaspipeline nach Deutschland fertigstellen, was ihm nicht nur sichere Einnahmen bescheren wird, sondern auch seine politische Macht steigert. Denn auf das bisherige Gas-Transitland Ukraine muss er in Zukunft keinerlei Rücksicht mehr nehmen. Ansonsten aber kennt der Deal, auf den sich die Regierungen der USA und Deutschlands jetzt geeinigt haben, nur Verlierer.

Dazu gehören nicht nur die osteuropäischen Staaten, die Russland gegenüber jetzt noch machtloser sind, und US-Präsident Joe Biden, der sich in Sachen Nord Stream 2 gegen Deutschland nicht durchsetzen konnte und dem deswegen ein heftiger Konflikt auch mit Abgeordneten seiner eigenen Partei bevorsteht.

Auch Angela Merkel dürfte langfristig zu den Ver­lie­re­r*in­nen gehören: Zwar hat sie ihre Position durchgesetzt – doch das Verhältnis sowohl zu den USA als auch zu den europäischen Nachbarn dürfte in diesem Machtpoker Schaden genommen haben, der als dauerhafter Schatten über ihrer Amtszeit bleibt.

Und auch der Klimaschutz kann zu den Verlierern dieses Deals gehören. Denn aufgrund der hohen Investi­tions­kosten für die Pipeline wird Russland alles tun, um so viel Gas wie möglich in die EU zu transportieren – und damit deren Klimaziele in Gefahr zu bringen. Denn um diese zu erreichen, muss mittelfristig auch der Verbrauch von fossilem Erdgas stark zurückgehen.

Russland scheint darauf zu setzen, dass Europa seine Klimaziele am Ende nicht ernst nimmt – denn ansonsten würde sich die Pipeline niemals amortisieren.

Die wirkliche Entscheidung, ob Nord Stream 2 ein Erfolg wird, steht also erst noch bevor: Wenn Europa seine Klimaziele beibehält oder, wie es nötig wäre, sogar noch weiter verschärft, wird sich die Pipeline als Investitionsruine erweisen – wie schon die Kohlekraftwerke, die vor wenigen Jahren gegen alle Warnungen in Deutschland noch neu ans Netz gingen. Am Ende könnte es also gut sein, dass es bei Nord Stream 2 gar keinen Gewinner gibt.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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18 Kommentare

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  • gegenwärtig sind ca 1 Gigawatt Gaskraftwerke in D in der Planung oder schon im Bau, dazu kommen die kommunalen Energieversorger, die ebenfalls Kraftwerke planen oder schon bauen.

    Für die nächsten 20 Jahre ist das Gas unverzichtbar...

  • Man sollte sich auch einmal fragen wo sonst unsere fossilen Rohstoffen herkommen, insbesondere das Öl.



    Sind das alles lupenreine Demokratien?

  • "Osteuropäische Staaten, die jetzt Russland gegenüber machtlos sind" heißt im Klartext, sie haben in diesem Bereich keine Handhabe mehr, weder den Lieferanten noch den Belieferten zu erpressen.

  • Warum ist die USA kein Gewinner? Sie haben aus 0, etwaige Zugeständnisse bekommen. Wie kann es sein das ein Land was in diesem Fall nicht zu melden haben sollte, die EU/D unter Druck setzen kann?

    Wir brauchen nicht noch mehr Abhängigkeiten und/oder Vereinbarungen mit der USA, welche sie dann gegen die EU verwenden. Ob nun bei Nordstream 2 oder zuvor im Iran-Atomdeal.

    Das man "Freunde" mit Sanktionen belasten will, damit die ihr Verhalten ändern. Finde doch sonst auch kein gehör. Warum verpasst die EU nicht paar Sanktionen gegen die "befreundeten" USA, wegen Guantanamo, Irak und Co.?

  • Wieso gewinnt Putin?

    Seltsam, über Nord Stream II Deal Teil zulasten Deutschlands kein Wort bei Kanzlerin Angela Merkels USA Visite. Vermutlich, weil Merkel im Vorfeld ihres USA Abschiedsbesuchs CDU Wirtschaftsminister Peter Altmeier nach Washington schickte, diesen für Deutschland wirtschaftlich, klimapolitisch unappetitlich belastenden Nord-Stream Deal Teil in Verhandlungen mit US-Sonderbeauftragten für Klima, John Kerry, Energieministerin Jennifer Granholm unmerklich abzuräumen, auf seine Kappe zu nehmen, nämlich USA Kontingentabnahme von Flüssiggas, dreckigem Gas durch Fracking gewonnen im Zusammenhang mit angebahntem Nord Stream 2 Deal zu garantieren, bevor Moratorium endet, Kongress Sanktionsentscheid gegen Deutschland wg Nord Stream II auszusetzen bis Lösung da ist.



    Ganz nebenbei hat sich Merkel, auch wenn sie dabei strahlte von Biden übern Tisch ziehen lassen, ohne dass es bemerkt werden soll, auf US Linie umzuschwenken, Wirtschaftsbeziehungen Für und Wider zu fremdem Zweck politisch zu instrumentalisieren.



    Auch, wenn Merkel weiter betont, Nord Stream 2 sei rein wirtschaftliches Projekt, da Sanktionen auszusprechen, gehe gar nicht, weil die zivilrechtlich Konventionalstrafen auslösen könnten wg Vertragsbruch, betont sie doch gleichzeitig in Bundespressekonferenz Richtung Russland, darin an Bidens Seite, wenn Moskau Gas als Waffe gegen Ukraine einsetzt, könnte das Maßnahmen auslösen, die genau eben Sanktionen abbilden, wie diese die USA als Supermacht und nach wie vor weltwirtschaftlicher Hegemon praktizieren, ihre Interessen robust durchzusetzen.



    Historisch ist das Bruch deutscher Außenpolitik aus einem Guss seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 mit unkalkulierbaren Konsequenzen nicht nur in Beziehung zu Russland, China vor allem in Qualität transatlantischer Wertegemeinschaft, deren Säule nicht Trumps Protektionismus sondern freier Handel, Wandel, Verkehr mit Personen, Gütern, Dienstleistungen ist. Denn Sanktionen sind Protektionismus

  • Ich habe bis jetzt noch keine annähernd brauchbare Lösung wahrgenommen, wie man mit Wind- und Sonnenenergie nur halbwegs eine Versorgungssicherheit ermöglichen kann. Das wird halt richtig teuer, deswegen spricht niemand darüber.



    Der Glaube versetzt beim CO2 Ausstoß keine Berge.



    Erdgaskraftwerke sind ideal zum Puffern der Lücken, zum schnellen Hochfahren und mit eher geringer CO2 Belastung. Die Verluste bei der Förderung und dem Transport muss man Veringern.



    Ich fürchte, wir werden noch froh um eine sichere Erdgasversorgung sein.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Klar, der "Demokrat" der Marke Putin ist nur bedingt ein guter Geschäftspartner. Aber: Gibt es eigentlich ein Grundrecht auf Einnahmen aus Durchleitungsgebühren?

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Wenn Kohle und Atomstrom weg ist, brauchen wir mehr Gas als Brückentechnologie bis es ausreichende Stromspeicher gibt! Ohne Gas geht es nicht auch wenn das immer wieder geschrieben wird.

    Die graue Energie der neuen Stromspeicher muss man übrigens auch noch einrechnen in die Klimabilanz.

  • Sehr gut: die Massenblockade des neuen Erdgas-Terminals in Brunsbüttel kommendes Wochenende in Hamburg, von Ende Gelände!

  • "Denn aufgrund der hohen Investi­tions­kosten für die Pipeline wird Russland alles tun, um so viel Gas wie möglich in die EU zu transportieren – und damit deren Klimaziele in Gefahr zu bringen."

    Wieviel die EU letztlich Gas kauft, entscheidet nicht Putin. Es liegt also an der EU, ob Klimaziele in Gefahr sind...

    Nebenbei hat Putin mal behauptet, dass die Pipeline auch für Wasserstoff geeignet ist, den er natürlich gern liefern würde.

  • "Russland scheint darauf zu setzen, dass Europa seine Klimaziele am Ende nicht ernst nimmt – denn ansonsten würde sich die Pipeline niemals amortisieren."

    Darüber, dass sich diese Pipeline niemals armortisieren kann, liegt bereits seit 2018 ein Gutachten der Sberbank-Analysten Alex Fak und Anna Kotelnikova vor.

    Die vorhandenen Durchleitungskapazitäten für Gas Richtung Europa sind selbst zu Stoßzeiten nicht ausgelastet und voll funktionstüchtig, allein deshalb ist das Projekt für Gazprom betriebswirtschaftlich unsinnig. Es beschert keine "sicheren Einnahmen" (die gab es vorher Jahrzehnte lang auch) sondern reduziert und gefährdet sie aufgrund der hohen Baukosten.

    Putins Oligarchenfreunde - die Brüder Rotenberg und Arkadi Timtschenko, die den Zuschlag für den Bau erhielten - haben sich mit überhöhten Baupreisen eine goldene Nase verdient, auf Kosten der Gazprom-Aktionäre (also in erster Line des russischen Volkes). Gazprom hat sich für den Bau (Pipeline plus Zuleitungsnetz) verschuldet und wird diese Schulden noch abtragen, wenn Putin und die fossile Energiewirtschaft Geschichte sind. Dieses Bereicherungsschema war und ist der Hauptzweck des Projektes.

    Das ist soweit (wenn man der Logik der russischen Kleptokraten folgt) verständlich. Was mich brennend interessieren würde ist, wie die westlichen Finanzinvestoren (ENGIE, OMV, Shell, Uniper und Wintershall) ihre Co-Finanzierung begründen.

  • Auch Gerharde Schröder, der SPD-Zerstörer, darf sich mal wieder freuen.

    • @Ulrich Haussmann:

      Klar der alte Kriegsveteran - 2 Kerben am Colt - verkehrt nur mit lupenreinen Demokraten!



      & Hola zum 70.



      Schroeder feiert mit Putin und Missfelder seinen 70 Geburtstag



      m.youtube.com/watch?v=FK64qL4jDZE



      & suboptimale Promillegrenze



      Elefantenrunde: 10 Jahre legendärer Schröder-Auftritt



      m.youtube.com/watch?v=hS3Vw-H_hCA

      kurz - “Gebt mir mal’n 🍺!“

  • Doch, das Klima würde dann am Ende gewinnen...

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Strolch:

      "There is no climate 'B'". Da es nur ein Klima gibt, steht es auch in keinem Wettbewerb und kennt "gewinnen" und "verlieren" nicht.

  • Prima Kommentar. In Putins Kriegskasse wird auch weiterhin keine Ebbe herrschen. Genug Zaster für hybriden Krieg in der Ukraine, kriegsverbrecherische Unterstützung von Kumpels wie Assad und weitere Aufrüstung bis an die Zähne.



    Vor ein paar Tagen hat Putin einen 40 Seiten langen Artikel veröffentlicht, in dem er dem weißrussischen und ukrainischen Volk das Recht auf eigene Staatlichkeit abspricht.

    Während der ukrainische Präsident Deutschland besuchte, veröffentlichte Putin einen Artikel über „die historische Einheit“ der Russen und Ukrainer. Was genau schreibt er? Und wie antwortet die Politik Deutschlands? www.faz.net/aktuel...dung-17440499.html

    Das ist nichts Anderes als die Ankündigung weiterer gewaltsamer Grenzverschiebungen und Ausdehnung des russischen Imperiums. Und Deutschland macht sich wieder einmal zum nützlichen Idioten des russischen Diktators durch Projekte wie NS 2.

  • Der Deal mit dem Gas ist natürlich ein Gewinn für Putin.



    Aber, Deutschland wird die nächsten 30-50 Jahre noch auf Erdgas angewiesen sein. AKW werden dichtgemacht, Braun- und Steinkohlekraftwerke werden bis 2038 stillgelegt aber der Stromverbrauch wird die nächsten Jahre massiv steigen. Bei uns im Rhein-Maun Gebiet werden einige neue Rechenzentren gebaut weil wir sie brauchen. Das größere benötigt zweimal soviel Leistung wie eine 100.000 Einwohnerstadt.

    Wer wirklich glaubt das alles mit Wind- und Solaranlagen stemmen zu können lebt mit beiden Beinen auf einer Wolke.

  • Wäre Fracking-Gas per Diesel-Tanker über den Ozean verfrachtet mit aufwändig gebauten Terminals weniger schädlich? Nur so ne Frage.