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Klimaexperte über Vertriebswege„Onlinehandel ist häufig besser“

Käufe in stationären Läden hätten oft eine schlechtere CO2-Bilanz, sagt Umweltexperte Till Zimmermann. Sie verbrauchten pro Produkt mehr Energie.

Geschäfte sind jetzt eh zu. Aber ist online womöglich generell umweltfreundlicher? Foto: dpa
Interview von Svenja Bergt

taz: Herr Zimmermann, Vorweihnachtszeit plus Pandemie – es ist jetzt schon absehbar, dass deutlich mehr Einkäufe online getätigt werden als in den vergangenen Jahren. Was heißt das für die Umwelt?

Till Zimmermann: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Wenn wir zunächst mal auf den Onlinehandel schauen, fallen da zwei große Faktoren negativ ins Gewicht. Das ist einerseits der Transport auf der letzten Meile, also DHL, Hermes, dpd, die Lieferwagen in den Straßen. Und andererseits die bei diesem Transport verwendete Verpackung. Das ist eine zusätzliche Verpackung, die wir im stationären Handel nicht haben.

Und beim stationären Handel?

Da fällt die Fahrt mit dem Pkw zum Laden massiv ins Gewicht. Man kann hier tatsächlich die pauschale Aussage treffen: Wenn ich mit dem Pkw einkaufen fahre, bin ich in nahezu jedem Fall schlechter als bei einer Onlinebestellung.

Gerade in der Pandemie nutzen aber viele Menschen aus Infektionsschutzgründen das Auto, wann immer es geht.

Da wäre dann ein Online-Einkauf vorzuziehen. Wer jetzt aber statt mit dem Auto mit dem Fahrrad fährt oder läuft, verbessert die CO2-Bilanz deutlich. Der öffentliche Nahverkehr liegt dazwischen, aber deutlich näher am Auto als am Fahrrad. Und je länger die mit dem ÖPNV zurückgelegte Strecke, desto besser würde in der Bilanz eine Onlinebestellung abschneiden. Für die Mehrheit der Fälle kann man aber ohnehin sagen: Wenn wir nur auf die CO2-Emissionen gucken, ist der Kauf im Onlinehandel häufig besser als der Kauf im stationären Handel.

Im Interview: Till Zimmermann

Der Wirtschaftsingenieur, arbeitet seit 2015 beim Ökopol Institut für Ökologie und Politik in Hamburg. Er leitet aktuell unter anderem das Projekt „Ökologisierung des Onlinehandels“ für das Umweltbundesamt.

Für welche Produktgruppen gilt das?

Beispielsweise für viele Elektronikprodukte sowie einen Großteil der Bekleidungsprodukte – zumindest wenn es nicht zu Retouren kommt.

Warum schneidet der stationäre Handel da so schlecht ab?

Der Händler vor Ort muss sich hier messen mit den Gegebenheiten eines Lagers. Und aufs Produkt gerechnet braucht der Händler deutlich mehr an Wärme, an Strom, wenn er das T-Shirt schön aufhängt, als wenn es in einem hallenhohen Regal liegt. Oder wenn das Smartphone und das Notebook schön ausgeleuchtet präsentiert werden. Gerade der kleine Laden um die Ecke, den wir besonders gern unterstützen wollen, ist aus Umweltsicht leider meist ganz besonders schlecht im Vergleich zum Großlager eines Versandhändlers. Weil er auf die Fläche gerechnet verhältnismäßig wenig umsetzt.

Beim Onlinehandel, wo der Transport so stark ins Gewicht fällt, stehen vor allem die Retouren in der Kritik.

Das stimmt. Denn sie verdoppeln die durch den Transport verursachten Emissionen. Doch es gibt noch einen weiteren großen Punkt: den Faktor Verpackung. Kleine Transporttaschen aus Kunststoff, die häufig beim Versand von Textilien eingesetzt werden, fallen zwar nicht so ins Gewicht, ein großer, massiver Pappkarton aber schon.

Paketabgabe für Online-Händler

Paketabgabe Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung und Christian Haase schlagen in einem neuen Papier vor, eine Paketsteuer für die Online-Händler zu erheben, um den ungleichen Wettbewerb zu bekämpfen.

Corona Online-Händler steigern ihre Umsätze in der Pandemie, während sich die Einzelhändler in den Innenstädten derzeit im zweiten Lockdown befinden und keinerlei Einnahmen erzielen.

Gewerbesteuer Der Wettbewerb wird zudem verzerrt, weil viele Online-Konzerne ihre Gewinne ins Ausland verschieben und hierzulande kaum Steuern zahlen. Auch die Gewerbesteuer entfällt damit weitgehend: Die Online-Händler nutzen die städtische Infrastruktur, zahlen dafür aber nicht.

Innenstadtfonds Die Einnahmen aus der Paketsteuer sollen in einen „Innenstadtfonds“ fließen, um die Lebensqualität in den Stadtzentren zu steigern. Zu den Maßnahmen soll auch gehören, leerstehende Gebäude anzukaufen oder anzumieten. UH

Was ist mit der Vernichtung von zurückgeschickten Waren, wie stark wirkt sich das aus?

Nach aktueller Studienlage findet das nicht in dem riesigen systematischen Maß statt, wie das vor einem Jahr mal diskutiert wurde. Über alle Produktgruppen hinweg werden demnach etwa 16 Prozent aller Waren zurückgeschickt. Und etwa 0,6 Prozent aller Sendungen werden entsorgt. Das ist relativ erst mal wenig. Anderseits sind diese 0,6 Prozent, gemessen an dem, was Amazon oder Zalando so verschickt, schon ein riesiger Warenwert. Wenn man das anhand des insgesamt im Onlinehandel erzielten Umsatzes hochrechnet, landet man für die vernichteten Waren etwa bei einem Wert von 320 Millionen Euro. Und da stecken ja auch Ressourcen und Energie drin. Das wäre also ein Minuspunkt für den Onlinehandel – zumindest wenn es diese Vernichtung im stationären Handel nicht gibt.

Ist das denn so?

Umgetauschte oder zurückgegebene Waren werden zwar nicht im gleichen Umfang entsorgt. Was wir aber aus dem stationären Handel kennen, ist, dass nicht verkaufte Saisonware vernichtet wird, und zwar in großem Maßstab. Doch der Handel lässt sich da nicht gern in die Karten schauen.

Beim stationären Händler kaufen Kund:innen auch vermutlich eher mehrere Produkte auf einmal, oder?

Ja, tatsächlich werden einzelne Produkte eher mal online bestellt. Wer zu einem stationären Händler fährt, kauft häufiger mehrere Produkte, das senkt die Umweltauswirkungen, auf das einzelne Produkt bezogen. Außerdem gibt es andere Effekte, wie den, dass Wege kombiniert werden. Beispielsweise wenn ein Einkauf auf dem Weg von der Arbeit nach Hause erledigt wird. Und diese ganzen Effekte machen es wahnsinnig schwer, eine pauschale Aussage darüber zu treffen, ob die Onlinebestellung oder der Einkauf vor Ort besser ist. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir mit dem Handel nur einen ganz kleinen Teil des Emissionsgeschehens abbilden.

Inwiefern?

Wir haben die Ressourcengewinnung, die Herstellung und den Transport der Produkte bis zum Einzelhandel. Und nach dem Kauf haben wir dann noch die Produktnutzungszeit, die ja auch wieder Umweltauswirkungen hat, zum Beispiel wenn wir Kleidung waschen oder ein Elektronikgerät nutzen. Selbst die Entsorgung, und sei sie noch so sachgerecht, verursacht Emissionen, zum Beispiel der Transport zum Recyclinghof. Bei den meisten Produkten wird der Einkauf nur zwischen 0 und 10 Prozent der Auswirkungen auf die Umwelt ausmachen, wenn wir uns den gesamten Produktzyklus anschauen. Wenn ich wirklich ökologisch einkaufen will, muss ich mich daher weniger fragen: Onlinehandel oder stationär? Sondern eher: Muss ich das Produkt wirklich kaufen? Verzicht auf Konsum ist der viel größere Hebel. Und wenn ich öfter mal auf einen Kauf verzichte, muss ich mir beim nächsten Mal weniger Gedanken darüber machen, ob ich online oder im Laden einkaufe.

Für den Rest sollte es ja aber trotzdem das Ziel sein, sowohl den stationären als auch den Onlinehandel so ökologisch wie möglich zu gestalten. Wo sehen Sie da Potenzial?

Erster großer Punkt ist die Energiewende. Wenn sich der Anteil der erneuerbaren Energien weiter deutlich erhöht, reduzieren sich deutlich die Emissionen des stationären Handels. Der zweite große Punkt ist die Verkehrswende. Elektrofahrzeuge, betankt mit einem besseren Strommix als derzeit, verbessern die Bilanz. Aber auch, und das geht häufig unter: Wir brauchen andere Transportwege. Zum Beispiel, dass Waren an wenigen zentralen Punkten auf Lastenräder geladen werden. Denn das Problem in den Städten sind ja nicht nur die Emissionen, sondern auch die zahlreichen Lieferwagen – die übrigens auch den stationären Handel beliefern. Auch Packstationen sind ein Ansatz, der die Situation verbessert.

Zumindest wenn die Kund:innen da nicht mit dem Auto hinfahren.

Das stimmt. Und als dritten großen Punkt haben wir noch die Verpackungen. Da lässt sich noch viel verbessern, zum Beispiel mit Mehrwegverpackungen.

Aber die müssen dann noch auch wieder zurück, was wieder eine Retoure bedeutet?

Das wäre dann natürlich nicht so gut. Aber wenn sie sich zusammenfalten lassen und an zentralen Punkten, die Lieferwagen sowieso anfahren, abgegeben werden, kann die Ökobilanz besser sein. Es gibt eine Firma, deren Mehrwegverpackungen lassen sich so klein zusammenfalten, dass sie als Brief zurückgeschickt werden können. Und solche Ansätze brauchen wir flächendeckend.

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34 Kommentare

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  • Keine einzige Zahl und dazu noch "hätte", das ist eindeutig zu wenig Substanz für die Debatte um sich über eventuelle positive Auswirkungen auf das Klima durch den Online-Handel zu beziehen.

  • Logistisch betrachtet ist der Online-Handel ziemlicher Blödsinn. Da fahren dann z.B. öfters mal 40-Tonner mit einer Palette los, damit König Kunde seine Ware in der versprochenen Zeit bekommt.

  • Machen wir uns nichts vor. Onlineshoppen zerstört Städte und Jobs. Die Gewerbesteuern kollabieren. Immer mehr Stadtverwaltungen kriegen nicht mal mehr ihre Straßenreinigung bezahlt.

    „Ich hoffe, dass es in meiner Firma eines Tages keine Menschen mehr gibt. Alles soll zu 100 Prozent von Robotern und Künstlicher Intelligenz betrieben werden“, so der "Bezos Chinas" wie JD.com-Chef Richard Liu auch genannt wird. JD.com ist neben Alibaba der größte Online-Shopping Konzern Chinas.

    Nun, ich glaube kaum, dass Bezos seinem chinesischen Konkurrenten bei der Automatisierung und dem Menschen-Rausschmeißen in irgendetwas nachstehen wird. Verpackungs-Roboter sind im Vormarsch. So auch Auslieferungs-Roboter. Und längst kündigt Künstliche Intelligenz automatisch.

    Doch zuerst einmal hat sich Bezos Indien vorgenommen. Dort liefen vor einigen Monaten in vielen Städten Großdemonstrationen gegen den Einmarsch von Amazon. Zig Millionen indische Shopkeeper bibbern vor Amazon. An diesen Shops hängen die Stellen von mindestens 130 Millionen Menschen. Und das in einem Land mit sehr hoher Arbeitslosigkeit.

    Amazon ist längst der größte Job- und Einzelhandelskiller der Welt.

    Nichts und niemand, keine Branche bleibt vor Bezos verschont.

    Nun, mögen die Couch-Potatoes ihre Geiz-ist-geil-Orgie weiter durchziehen.

    Für mich persönlich gilt: Ich habe nie etwas bei Amazon gekauft und werde es nie tun. In meinen Augen icht mit der menschlichen Würde vereinbar.

    Immer mehr Menschen finden deutliche Worte gegen Amazon. Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht fordert die Einführung einer 25-prozentige Steuer „auf all den Kram, den wir tagein, tagaus online bestellen. Und dieses Geld sollte den Kommunen für die Strukturentwicklung zur Verfügung gestellt werden“, sagte er in einem Interview mit dem Handelsblatt.

    Ein guter Anfang.

    www.wiwo.de/future...iert/23116970.html

  • Beim stationären Handel muss man auch die vergeblichen Fahrten miteinrechnen.



    Nehmen wir mal an, ich brauche ein PC-Kabel. Also mit dem Auto zu Elektronikmarkt A. "Ham wer nich. Könn mer bestellen. Dauert aber ne Woche." Meh, vielleicht hat es der B ja vorrätig.



    Also mit dem Auto ans andere Ende der Stadt zum Elektronikmarkt B. "Ham wer nich, kommt auch nich mehr rein."



    Also wieder zu Laden A und bestellen.



    Eine Woche später, jetzt müsste das Teil da sein, wieder mit dem Auto hin. "Tut mir leid, gibbet nich mehr. Sie könn auch das Teil xy nehmen. Müssn wer bestellen, dauert 14 Tage."



    Nein, danke.



    So ähnlich machen es täglich tausende Kunden in Deutschland, für alle möglichen Waren: Schuhe, Klamotten, Elektrozeug, usw.



    Also lieber gleich bei Amazon bestellen, meistens kommt die Ware schon am nächsten Tag.

  • Die Retouren haben durch den Onlinehandel aber auch zugenommen:Wenn ich Kleidung im Laden anprobiere ,weiß ich ob sie passt oder nicht. Bei Onlinebestellung habe ich nur die Größenangaben und die fallen je nach Hersteller oft sehr unterschiedlich aus.Also wird zurückgeschickt ,erneut bestellt,usw.

  • Sage ich seit Jahren und werde dafür immer verpönt. Es ist eben so, das sobald ein PKW ins Spiel kommt, die Co2 Bilanz sehr schlecht wird.

    Gilt aber auch wenn man z. B. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum laden fährt. Dort sind dann auch die Bilanzen nicht so gut wie bei einer Logistik, deren Ziel es ist, mit einem Minimum an Kosten, Zeit und Transportwegen das Gut zum Zielort zu bringen.

  • Was nicht nur häufig besser sondern in jedem Fall besser ist - ist weniger zu konsumieren. ;-)

  • einspruch ...

    bereits der zusätzliche verpackungsmüll -kunststoffe, mit klebeband überzogene kartonagen, plastik, styropor- belastet in seiner menge enorm.

    wird von vielen haushalten nicht getrennt. landet in der papiermühle. dann im wasserkreislauf. und letztlich in der nahrungskette.

    nee, nee ...

    • @adagiobarber:

      Die Verpackungen sind auch beim EH vorahden DU siehst sie nur nicht. Ich empfehle dir mal bei einem Einzelhändler "hinter" den Laden zu gehen. Dort stehen meistens die 4 Tonnen Müllpressen um Kartonage, Stypropor und sonstige Umverpackungen zu komprimieren.

    • @adagiobarber:

      Dass es durch die Mülltrennung nun in den Müllverbrennungsanlagen zu einem Einsatz von Brennstoff als Ersatz für fehlendes Papier und Pappe kommt, ist bekannt?

  • Im ersten Moment hätte ich fast gesagt "Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt, das Kacke garkein Gold enthält Goooold enthält ..."

    Aber tatsächlich fehlt mir in der Betrachtung der Energieverbrauch der Online-Infrastuktur. Rechenzentren, Kabelinfrastruktur, PCs in den Haushalten ... da kommt sicher Einiges zusammen...

    • @Bolzkopf:

      Auch hier wurde nicht zuende gedacht. Die Online-Infrastruktur ist auch bei den normalen Einzelhandel im Einsatz. Auch wenn man "selbst" nicht zugang hat zu den Warenwirtschaftssystemen laufen diese 24/7 in großen Rechenzentren und müssen jeden Tag Terrabyte an Daten bewegen.

      Da ich bei einem großen EH in der IT beschäftigt bin, kann ich dir aus erster Hand sagen, das "wir" nicht weniger Daten bewegen und verarbeiten, als jeder großer Onlineshop ebenso. Meistens sogar weniger, da wir eben keine weiteren Webpräsenzen betreiben müssen, sondern die EH direkt über die SAP Systeme oder über spezielle Webseiten ihre Bestellungen abwickeln.

      Daher ist das evtl. nicht in diesem Bericht dokumentiert, aber diese Strukturen verbrauchen Gigawatt an Energie. Das jeden Tag.

      Ebenso muss die Hardware dort ständig erneuert werden.

      Ein Markt-PC (Kasse, Büro usw.) wird im Schnitt alle 4 Jahre getauscht. Die MDE Geräte werden im Schnitt alle 5-6 Jahre getauscht. Des weiteren sind gigantische Mengen an Netrwerkkabeln und weiteren IT-Infrastrukturen direkt im Markt verbaut und werden vor Ort betrieben.

      Oftmals müssen noch Server im Markt betrieben werden um z. B. Bestell und Kassendaten vorzuhalten. Diese Rechner laufen, im Gegensatz zum heimischen System, auch 24/7.

      Also bei der Bilanzierung von Werten wird das "gerne" ausgespart.

  • Ok, aber schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne wie z.B. bei Amazon oder Hermes und einigen Anderen sollten auch Beachtung finden. Die Niedrigverdiener in diesen Branchen haben von dem Boom außer Stress nix. Neulich stand in einem Artikel der taz, dass bei Amazon jeder Dritte im Niedriglohnbereich arbeitet. Mit Bewegungsmelder der dem Vorarbeiter mitteilt ob man zu lange auf dem Klo war oder mit einem Kollegen gequatscht hat.

    • @Andreas J:

      Kurzum: EH und Amazon, Otto usw. stehen sich im Punkt schlechter Bezahlung in nichts nach.

      Der gesamte Handel ist extrem schlecht bezahlt und generiert daher auch so extrem große Gewinne.

      Das Amazon seine Überwachung so extrem betreibt, das würde ich als einen negativpunkt werten.

      Jedoch existiert zu dem großen A auch kaum eine wirklich alternative, aktuell zumindest.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Andreas J:

      Was lese ich über Amazon Versandmitarbeiter 1825€ Brutto



      Verkäufer Einzelhandel 1890€ Brutto.



      Wenn das stimmt, ist der kleine Laden nicht besser.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Nicht nur das. Amazon beschäftigt für diese 1800€ häufig Leute, die keinerlei Qualifikation haben und deren einzige Alternative Hartz4 ist. Der Einzelhandel nimmt solche Leute nicht.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Ok , ist nicht mehr so schlecht wie vor 10 Jahren, aber den Flächentarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel lehnt Amazon seit Jahren ab und im Versand ist Accord angesagt. Wie Amazon mit seinen Mitarbeitern umgeht:



        www.ardmediathek.d...1iMWI0MTU5Y2FiMmQ/

  • Eigentlich ist es simpel. Das bessere Konzept setzt sich durch und dieser Wirtschaftsbereich hat die Herausforderung der Anpassung zu Meister, was auch neue Chancen bedeutet.



    Wie man es nicht machen sollte, hat der stationäre Buchhandel gezeigt

  • Sehr gutes Interview zu einem wirklich spannenden Thema, allerdings doch etwas kurzsichtig. Ja, der Laden um die Ecke muss zwar beleuchten, aber der Internethandel muss eine digitale Struktur aufrecht erhalten, die auch über Strom funktioniert! Webseiten, Bezahlsysteme, ... und wer schneidet dann besser ab?

  • Ich oute mich mal als Amazon-Kunde der allerersten Stunde. Damals gab es ja nur Bücher, aber immerhin. Für Bewohner auf dem Land ist der Versandhandel der Segen schlechthin.



    Fahrten zur nächsten Großstadt waren lange nur noch für Klamottenkäufe angesagt. Aber auch das fiel irgendwann mit den Outlet-Centern aus. Und wo stehen diese Dinger? Bei uns auf dem Land. :-)

  • Kapitalismus ist eben nicht statisch und Erfolgsmodelle setzen sich durch.

    Das Modell von Amazon ist ein Tsunami, dem kann sich entgegenstellen oder kann es lassen.

    Ich könnte mir vorstellen, dass der Einzelhandel überlebt, der einen Benefit bietet, irgendetwas Besonderes.

    Der Rest geht über den Jordan, so wie die Kolonialwarenläden und die Hutmacher. Von denen gab es in my little town vor hundert Jahren noch sagenhafte drei.

  • "...zumindest wenn es nicht zu Retouren kommt."



    Eine Rechnung ohne die Retouren ist keine. Sie haben Ihren Job nicht gemacht Herr Zimmermann.

    • @Wolf Haberer:

      Auch dort hat "Herr Zimmermann" richtig berechnet. Eine Retoure lässt sich inzwischen von @Home besser abwickeln, als z. B. eine Retoure, welche man "selbst" zum Laden bringt.

      Nimm eine Kaffeemaschine, ein Defekt und muss getauscht werden.

      Im stationären Einzelhandel: Hinfahren, Kaufen, Heimfahren, auspacken, Probieren, Schaden feststellen, wieder hinfahren ---- Diskussionen .... umtauschen, heimfahren.

      Am Beispiel Amazon einmal:



      Bestellen, Lieferungen und Auspacken, Probieren, Schaden feststellen, CHAT, neue Maschine auf dem Weg, Neue Maschine entgegennehmen UND alte direkt mit geben zur Retoure.

      Besser und wesentlich bessere CO2 Bilanz.

      Genau solche Aussagen hier, führen dazu das die Menschen glauben Onlinehandeln = nur Böse ;)

  • Kohlendioxid ist nicht alles. Ich möchte keine toten Geisterstädte und bin bereit, etwas dafür zu tun. Bücher suche ich bei Amazon -- der deutsche Buchhandelsverband hat in Jahrzehnten teuren Dilettieriens noch immer keinen brauchbaren Katalog zustandegebracht -- und bestelle im Stadtteilladen. Den Extraumweg zu Abholen nehme ich hin, obwohl ich es viel bequemer haben könnte. Dafür werde ich bei Geschenken für andere mit völlig anderen Interessen als meine auch kompetent beraten.



    Und der sonstige Einzelhandel? Der Versuch, irgendeine und sei es die einfachste Information zu bekommen, endet irgendwo zwischen Eliza und Buchbinder Wanninger. Brauchbare Beschreibungen und Datenblätter finde ich nur im Netz. Ich möchte mich gar nicht jedes Mal stundenlang mit sowas auseinandersetzen müssen. Ich möchte meinen Anwendungsfall und meinen Bedarf einem Berater vortragen und eine passende Lösung vorgeschlagen bekommen. Dafür wäre ich sehr gern bereit, etwas mehr zu bezahlen, aber Gespräche verlaufen stets so, als wäre jeden Moment mit dem Enttarnen der versteckten Kamera zu rechnen. Dann eben nicht.



    Das Sterben des Einzelhandels läuft ja schon lange, Covid hat es nur beschleunigt. Und genau das sind die Gründe dafür. Wer sein Desinteresse an mir als Kunde so deutlich zeigt, der möge bitte hinterher nicht jammern. Der Versandhandel ist alles andere als gut, aber besser als der meiste Einzel-"fach"-handel in jedem Fall.

  • Im gegensatz zur Überschrift ist der Artikel tatsächlich lesenswert.

    Der Aspekt, der mir fehlt ist tatsächlich noch der der Lebens- und Arbeitsqualität: wie stehen sich Arbeitsqualität beim "Laden um die Ecke" und beim Online-Handel gegenüber?

    Nach einer in Le Monde zitierten Studie (sorry, gerade zu faul, in Papier zu blättern) "vernichtet" ein Arbeitsplatz bei Amazon in Frankreich 2.2 Arbeitsplätze im traditionellen Einzelhandel. Wollen wir das? Ist das unser Zukunftsmodell?

    • @tomás zerolo:

      "wie stehen sich Arbeitsqualität beim "Laden um die Ecke" und beim Online-Handel gegenüber?"



      Man kann wohl davon ausgehen, dass sich on- wie offline die ganze Palette an Arbeitsbedingungen finden lässt. Und der selbstständige Onlinehändler wird komplett andere Bedingungen haben als der angelernte Picker/Packer bei Amazon, genauso wie ein Ladeninhaber anders arbeiten kann als die 450€-Aushilfe.



      "'vernichtet' ein Arbeitsplatz bei Amazon in Frankreich 2.2 Arbeitsplätze im traditionellen Einzelhandel"



      Anders gewendet bedutet das, dass sie die Produktivität mehr als verdoppelt haben und dabei sogar im Durchschnitt noch klimafreundlicher sind. Die im Einzelhandel freigesetzten Arbeitskräfte können andere Aufgaben übernehmen die gesamtwirtschaftlich sinnvoller sind, alternativ könnte man anfangen mal über die 4-Tage-Woche nachzudenken.

      • @Ingo Bernable:

        Wie Amazon die Produktivität erhöht:



        www.ardmediathek.d...1iMWI0MTU5Y2FiMmQ/

        • @Andreas J:

          Klar, schön ist das nicht, aber Dingen wie Befristung, Akkord, Konkurrenz, Leistungsdruck und Kontrolle sind nun auch wirklich kein Spezifikum von Amazon oder auch nur dem Online-Handel.



          Solange das alles im legalen Rahmen ist wäre doch die Frage zu stellen ob nicht statt Amazon die Politik Adressat der Kritik sein müsste um höhere Mindeststandards festzuschreiben die dann auch allen Angestellten zugute kämen.

          • @Ingo Bernable:

            Amazon treibt es aber auf die Spitze. Ich habe noch von keinem anderen Unternehmen in Deutschland gehört das die Bewegungen von seinen Mitarbeitern elektronisch überwacht. Natürlich muss die Politik was machen. Aber da kann man lange warten. Verdi wird da von der Politik im Stich gelassen. Die Wirtschaft handelt immer nach dem Prinzip was nicht ausdrücklich verboten ist , ist erlaubt. Deshalb werde ich nicht aufhören Amazon zu kritisieren und sage jeden das ich es verantwortungslos finde dort zu kaufen. Nur mit der Schulter zu zucken und sagen, die Politik muss das machen, ist mir zu fatalistisch.

            • @Andreas J:

              Die BEWEGUNG von Mitarbeiten, wird nicht nur bei Amazon überwacht. Ich hasse diese auf "einen" Unternehmen herumschlagen.

              Realtität in unseren Lager: Kundenauftragsammler wird erstellt. Mitarbeiter wird zugewiesen (Picken). Der Mitarbeiter erhält den Auftrag auf sein MDE und "geht" durch das Lager und stellt Kisten zusammen.

              Dabei wird er von dem System DAUERHAFT! Überwacht. Jeder Schritt, jede Drehung und jeder aufgenomme Artikel wird erfasst.

              Das geschieht NICHT aus dem Bedürfnis der Überwachung, sondern damit das System (Rechenzentrum) ein "Bild" davon bekommt, wieviele Paletten fertig sind und überwacht ob auch alle Dosen usw. zu den passenden Bestellungen einsortiert wurden.

              Am Ende des Tages kannst du aber auch genau sehen, das ein Mitarbeiter seine 15-20km Wegstrecke mit um die 5000-6000 Picks durchgeführt hat.

              Also möchtest du Kritik üben? Ja darfst du gerne tun, nur ist deine Kritik leider nicht zu halten, da es bei jedem EH um die "Ecke" genauso abläuft in den Zentrallagern und USP.

              • @VigarLunaris:

                Warum ist meine Kritik nicht zu halten? Wenn andere das auch machen wird es nicht besser.

            • @Andreas J:

              "Nur mit der Schulter zu zucken und sagen, die Politik muss das machen, ist mir zu fatalistisch."



              Angenommen es gelänge mit einem breit angelegten Boykott Amazon bessere Bedingungen abzuringen. Wäre dann alles gut oder wäre nicht viel eher wahrscheinlich, dass sofort ein anderer Anbieter da wäre der Rahmen des gerade noch erlaubten ausschöpft und damit billiger wäre. Sie schreiben doch selbst "Die Wirtschaft handelt immer nach dem Prinzip was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt." Deshalb ist der Verweis auf die Setzung der richtigen Grenzen durch die Politik eben kein Fatalismus, sondern der einzig wirksame Weg sinnvolle Mindeststandards zu etablieren. Kapitalismus und freier Wettbewerb führen zwangsläufig zu einem Unterbietungswettkampf. Unternehmen zum Vorwurf zu machen, dass sie sich entsprechend dieser Systemlogik verhalten ohne das System selbst in Frage zu stellen oder zumindest allgemeingültige, verbindliche und vertretbare Mindeststandards zu fordern wirkt dagegen etwas inkonsequent.



              "sage jeden das ich es verantwortungslos finde dort zu kaufen." Wobei sich aber eben auch die Frage stellt ob ein Rückgang der Bestellungen dazu führt, dass Amazon die Bedingungen verbessert. Wahrscheinlicher würden sie tun was sie zum Ausgleich der saisonalen Schwankungen im Auftragsvolumen ohnehin machen und nicht mehr benötigten Leute einfach entlassen. Ob man die Situation dieser oftmals Ungelernten also mit Boykottaufrufen wirklich verbessert, zumal bei coronabedingt mäßig laufender Wirtschaft?

              • @Ingo Bernable:

                "Die Wirtschaft handelt immer nach dem Prinzip was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt". Damit meinte ich, dass etisches Handeln ohne Druck im Kapitalismus eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt. Auf die Politik warten ist für mich Fatalismus, weil außer "die Linke", die nichts zu melden hat, keine Partei diesbezüglich handelt. Das kann nur der Verbraucher und die Gewerkschaften. Kleine Gewerkschaften wie GDL und GDF bekommen politischen Druck wenn sie zu viel Macht haben. Siehe Andrea Nahles SPD. Die Begründung, wenn der es nicht macht, machts ein anderer, muss als Entschuldigung für Ausbeutung auf der ganzen Welt herhalten. Nun auch noch einen Boykott abzulehnen weil es Arbeitsplätze gefährdet, ist voll auf der Linie der Politik die den ausbeuterischen Kapitalismus als alternativlos ansieht. In diesem Sinne hat die repräsentative Demokratie völlig versagt. Sie ist zu verstrickt mit der Wirtschaft, die einen privilegierten Zugang zu Entscheidungsträgen haben. Soziale Standards werden geschliffen und auf die Umwelt wird keine Rücksicht genommen, weil ansonsten ja angeblich alles den Bach runter geht. Ich fordere von Unternehmen das selbe ethische Handeln wie von jeden anderen. Firmen wie Amazon, Nestlé oder Unilever bekommen keinen Cent von mir. Natürlich ist mir bewusst das ich keinen Bogen um jede scheiß Firma machen kann. Aber man kann anfangen. Das kracht eh alles früher oder später zusammen, wenn man nicht von der Idee des ewigen Wachstums und des hemmungslosen anhäufen von unglaublichen Reichtum von einigen wenigen, wegkommt. Außerdem wenn die Produktivität erhöht wird, durch Druck auf die Arbeitnehmer fliegen eh Leute raus. Ist ja Sinn der Sache.

  • 1. Der Online- Handel ist sowieso nicht aufzuhalten. Man bekommt dort einfach mehr.



    2. Wer Innenstädte mit Läden möchte muss die irgendwie subventionieren.



    3. Der so wunderbar sozialistisch anmutende Vorschlag der CDU, die Erhebung einer "Paketsteuer" könnte und sollte genau dafür verwendet werden.



    4. Die Umweltbilanzen von Online- und Vor- Ort- Handel sind so nah beieinander, dass das individuelle Verhalten der Kunden den Unterschied macht. Das sind zum einen die Retouren, die sollte man auf jeden Fall teurer machen, zum anderen ist da die Frage, wie sich die Menschen zum Einkaufen bewegen.