Vermögensabgabe in der Pandemie: Adenauer hat's vorgemacht
Die Linke-Fraktion will Superreiche in der Coronakrise zur Kasse bitten. Vorbild ist der Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Linkspartei fordert deshalb, die Superreichen durch eine Vermögensabgabe an den Kosten für die Coronakrise zu beteiligen. Ihre Bundestagsfraktion und die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung haben ihr Konzept extra vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durchrechnen lassen. „Es ist Zeit, dass sich die obersten ein Prozent fragen, was sie für dieses Land tun können, und nicht immer nur fragen, was dieses Land für sie tun kann“, sagte Fabio de Masi, Finanzexperte der Linke-Fraktion.
Vorbild soll der Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Unter dem CDU-Kanzler Konrad Adenauer mussten Vermögende eine Abgabe in einen Fonds zahlen, mit dem zum Beispiel Spätheimkehrer oder Vertriebene entschädigt wurden.
Die Kosten für die Coronapandemie belasten den Staat sehr. Allein für 2021 sieht der Bundeshaushalt von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Neuverschuldung von gut 96 Milliarden Euro vor. Der Staat hat drei Möglichkeiten, mit den immensen Corona-Ausgaben umzugehen: Er kann die Schulden ignorieren, was angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank möglich ist. Er kann Ausgaben kürzen, etwa im Sozialetat, der einen großen Anteil am Haushalt ausmacht. Oder er kann sich neue Einnahmen verschaffen – genau hier knüpft der Vorschlag der Linke-Fraktion an.
310 Milliarden Euro für den Staat
Ihr favorisiertes Modell einer Vermögensabgabe würde die oberen 0,7 Prozent der Deutschen treffen. Jeder, der mindestens über ein privates Nettovermögen von 2 Millionen Euro verfügt oder über Betriebsvermögen von mindestens 5 Millionen Euro, müsste eine einmalige Abgabe zahlen. Der erste Euro über diesen Freibeträgen würde mit einem Steuersatz von 10 Prozent belegt. Jener stiege gleichmäßig bis zu einem Höchstsatz von 30 Prozent an. Dieser Satz würde aber erst ab einem Vermögen von 100 Millionen Euro fällig.
Die einmalige Abgabe wäre über 20 Jahre zu tilgen. Auch hier lehnt sich das Modell an Adenauers Lastenausgleich an, der über einen langen Zeitraum abgezahlt werden durfte. Durch die Streckung werde Besteuerung in der Substanz vermieden, ist sich die Linke-Fraktion sicher. Ebenso würden Immobilien in guten Innenstadtlagen nicht belastet, welche manche Familien wegen des Booms auf dem Wohnungsmarkt auf dem Papier zu Millionären gemacht hätten.
Fabio de Masi schätzte die Belastungen für die Reichen durch das Konzept als „moderat und realistisch“ ein. Mit den Einnahmen von 310 Milliarden Euro ließen sich über den Bund die Investitionen in Ländern und Kommunen anschieben, betonte er. Das DIW hat auch andere Varianten gerechnet. Wenn der Spitzen-Abgabesatz von 30 Prozent schon ab Vermögen von 30 Millionen Euro greifen würde, könnte der Staat bis zu 560 Milliarden Euro einnehmen.
Die SPD wirbt seit Längerem für eine Vermögensteuer. Allerdings hielt Lothar Binding, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, den Zeitpunkt der Initiative für viel zu früh. „Wir wissen ja noch gar nicht, wie lange die Coronakrise andauern wird, welche Auswirkungen sie haben wird und vor allem, wer gut und wer schlecht durch die Krise kommt“, sagte Binding am Mittwoch der taz.
Grüne bleiben vage
In der Krise kümmere sich die Gemeinschaft um all jene, die in Not gerieten – und nachher kümmerten sich alle, die gut durch die Krise gekommen seien, wieder um die Gemeinschaft. „Und da können jene, die etwa zu den stärksten 10 Prozent gehören, einen größeren Beitrag leisten als alle anderen.“ Auch eine Vermögensabgabe, auf 30 oder 40 Jahre verteilt, könne erträglich sein, sagte Binding.
Auch Lisa Paus, die Finanzexpertin der Grünen-Fraktion, mahnte eine faire Lastenverteilung an. „Die größte wirtschaftliche Krise der Nachkriegsgeschichte werden wir nur gemeinsam lösen, und auch die Krisenkosten müssen fair verteilt werden“, sagte sie am Mittwoch der taz. Sonst drohe die Krise die soziale Spaltung weiter zu verschärfen.
Während einige wenige nahezu unbeschadet durch die Krise gekommen seien, habe sie viele kalt erwischt, betonte Paus. „Es kann nicht sein, dass wir in einer solchen Situation die Fehler der letzten Finanzkrise wiederholen.“ Deutschland habe immer wieder nach besonderen Herausforderungen besondere Formen des Lastenausgleichs gefunden.
Paus vermied allerdings die Wörter „Abgabe“ oder „Steuer“. Der Hintergrund: Die Grünen machten im Wahlkampf 2013 schlechte Erfahrungen damit, in der Steuerpolitik allzu konkret zu werden. Deshalb, so eine interne Verabredung, wollen sie über detaillierte Instrumente tunlichst schweigen – und nur allgemein auf die Solidarität Vermögender pochen.
Union ist strikt dagegen
Die Union ist strikt gegen eine Vermögensbesteuerung sehr reicher Menschen. „Vermögensabgaben wärmen nur die Herzen von Menschen, die keinen ökonomischen Sachverstand haben und unsere Wirtschaft ruinieren wollen“, sagte Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, am Mittwoch der taz. Eine solche Abgabe treffe immer das Betriebsvermögen von Familienunternehmen, Mittelständlern und Kleinunternehmern.
Betriebsvermögen liege nicht nutzlos auf Bankkonten herum, sondern sei in Maschinen und Produktionsmitteln gebunden, betonte Rehberg. Eine Vermögensabgabe gehe zulasten von Investitionen und Arbeitsplätzen. „Wir können aus dieser schweren Krise nur mit unseren Unternehmen herauswachsen – und nicht gegen sie.“
Wegen der Haltung der Union wird es in dieser Legislaturperiode nicht zu einer Vermögensabgabe kommen. Auch Schwarz-Grün würde sie vermutlich nicht einführen. Eine solche Abgabe wäre ein Projekt für eine grün-rot-rote Koalition.
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