piwik no script img

Berliner Bausenatorin tritt zurückEin kluger Rückzug

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Berliner Bausenatorin Lompscher musste gehen, um den Blick auf ihre Politik nicht zu verstellen. Ihr Nachfolger muss retten, was zu retten ist.

Hat nicht lange gefackelt: Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher ist zurückgetreten Foto: Florian Boillot

W orum es geht, kann man an den Reaktionen ablesen. Weil Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher zurückgetreten ist, lässt die Spekulantenlobby von CDU, FDP bis AfD die Korken knallen. Endlich ist sie weg, diese Linke mit ihrem Mietendeckel.

Genau deshalb ist es einerseits äußerst schade, dass Berlin eine solche Haltung zeigende Politikerin verliert. Und andererseits ist es ein großes Glück für die MieterInnenbewegung – weit über die Hauptstadt hinaus. Denn sie ist ein Symbol – für beide Seiten.

Hätte Lompscher ihre zweifelsohne fehlerhafte Verrechnung ihrer Bezüge bei landeseigenen Unternehmen nicht umgehend eingestanden und ihren Rücktritt eingereicht, hätte dieser vergleichsweise kleine Makel fortan jede ihrer politischen Handlungen überschattet. Sie musste zur Seite treten, um den Blick auf ihre Politik nicht zu verstellen. Eine NachfolgerIn kann nun versuchen zu retten, was noch zu retten ist.

Lompscher wäre angreifbar geworden. Wer sich wie sie aus dem Fenster lehnt, um tatsächlich linke Politik einer Umverteilung von oben nach unten durchzusetzen, steht eh schon hart im Gegenwind. Selbst aus dem eigenen Umfeld. Vom Koalitionspartner SPD, der sich bis heute schwertut, den Geruch eines Baulobbybuddys loszuwerden. Oder von den Grünen, die – abgesehen von einzelnen Kreuzberger Kämpfern – im Zweifel doch eher vom ökologisch korrekten Eigenheim für die gehobene Mittelschicht träumen.

Das unterscheidet Lompscher auch von Politikerkollegen wie Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) oder CDU-Jungspund Philipp Amthor. Die können alle Skandale an sich abperlen lassen, weil sie genau die Politik veranstalten, die von ihrem Umfeld gewünscht wird. Ihr gemeinwohlausbeutendes Agieren ist Programm. Lompscher hingegen musste abtreten, damit ihr gemeinwohlorientertes Programm nicht scheitert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Fehlt noch, dass Frau Lompscher so eine Art deutsche Katie Hill wird.

  • Die Frau Bauverhinderungssenatorin zieht die Reissleine. Und das bei - im Verhältnis zu anderen politischen Größen - geringfügigen Vergehen. Und da redet der Kommentator davon, daß sie damit ihre Politik retten will? Andersrum wird ein Schuh draus. Das war ein relativ harmloser Anlass, um sich aus der Verantwortung für das totale Desaster zu stehlen, das sich in Berlin Stadtentwicklung nennt. Obwohl Berlin deutlich bessere Voraussetzungen als alle anderen Ballungsräume Deutschlands bietet, hat sie es nicht vermocht, das Problem der Wohnungsnot zu lösen. Stattdessen hat man sich mit Mietendeckel und Bauverhinderung einen Namen gemacht. Wie man da als Kommentator auf die Idee kommen kann, dass das politische Erbe gerettet werden muss, ist mir schleierhaft. Wahrscheinlich wohnt der Kommentator nicht in Berlin.

  • "Wer sich wie sie aus dem Fenster lehnt, um tatsächlich linke Politik einer Umverteilung von oben nach unten durchzusetzen, steht eh schon hart im Gegenwind."

    Wo war sie, die tatsächlich linke Politik?

    Als Lompscher zu ihrem klar lügenden Stasi-Futzi gehalten hat?

    Als sie die Verdichtung im Bereich Karl-Marx-Allee zurücknahm, weil sich das eigene Wählerklientel beschwerte, während die Verdichtung in Viertel mit jetzt schon mieser Wohnqualität und Ghetto-Charakter (z. B. Märkisches Viertel) durchgesetzt wird. Eine "Die Migranten beschweren sich schon nicht"_Linie ist in meinen Augen klar rassistisch.

    Als Lompscher die Wohnungsbaugenossenschaften mit dem Mietendeckel in Bedrängnis brachte?

    Als sie in Gutsherrenart den Nordpankowern ein Neubauviertel überhelfen wollte, das vielen Leuten ihre Wohnstätte genommen hätte?

    Dass sie weder die versprochenen Wohnungen gebaut noch ein Arrangement mit Brandenburg gefunden hat, um die Wohnsituation zu entschärfen?

    Wenn das tatsächlich linke Politik ist, habe ich die letzten Jahrzehnte wohl falsch gewählt.

  • "Genau deshalb ist es einerseits äußerst schade, dass Berlin eine solche Haltung zeigende Politikerin verliert."

    Was soll das denn? Die gute Frau hat betrogen, das ist mal der erste Fakt Dass sie dann "Haltung zeigt " ist ja wohl eher sekundär. Haltung hätte sie zeigen sollen als die Versuchung an sie herangetreten ist. Die nächste Frage die sich mir stellt ist, war oder ist da noch mehr irgendwo versteckt? Ist das der eigetnliche Grund für den Rücktritt?

  • die genossin lompscher hat wohl soviele nebeneinkünfte, dass sie den überblick darüber verloren hat... kann schon mal passieren, gell?



    wie hiess das mal vor langerlanger zeit: ein FACHARBEITERLOHN für jede poltische tätigkeit? :))

  • So ist das halt, wenn ein Bischof, hier eine Bischöfin der Linkspartei, mit der greifenden Hand im Klingelbeutel erwischt wird.

    Die Lobhudelei ist eine extrem schwache. Sie kennt keine Positiva und beruht nur auf der Abwertung anderer Parteien und Politiker.

  • Irgendwann gibt es nur noch unglaubwürdige, neurotische Selbstdarsteller in der Politik. Weil die ehrlichen, glaubwürdigen müssen beim kleinsten Fehler zurücktreten.

  • Nö. Frau Lomptscher hat die Gelegenheit genutzt, um sich aus der Affäre zu ziehen: Sie verantwortet sich nun für eine (vergleichsweise) Lappalie und entgeht damit der Verantwortung für Ihr vollkommenes Versagen als Bausenatorin. Und das die Linke sich die Nachfolge nun "gut überlegen" möchte sollte man eher als "Wir finden keinen, der diesen Karren aus dem Dreck ziehen will." lesen.

  • Was man vielleicht von der Sache in Erinnerung behalten sollte, ist daß ihr selbst scharfe Gegner bei dem Sachverhalt keinen Vorsatz unterstellen, d.h. die persönliche Integrität Katrin Lompschers nicht ernsthaft in Frage gestellt wird. Jedenfalls nicht von den Medien, Parteien und Personen, deren Verlautbarungen ich mir antue (und da ist immerhin schon Springers Welt mit drin).

    • @Wurstprofessor:

      Naja, man unterstellt ihr keinen Vorsatz, weil man sie für zu ökonomisch zu unbedarft und desinteressiert hält. Mit anderen Worten, für "zu doof", die eigenen Einkünfte zu überblicken. Das ist aber etwas, was jeder Steuerbürger, den nicht nur angestellt ist, bringen muss. Qualifiziert nicht gerade für ein höheres Amt.

  • Wirklich schade und ein Rückschritt und Verlust für soziale Politik in Berlin. Die Meister der legalisierten Korruption (Beraterverträge, Vorstandsposten, Vortragshalter) lachen sich über diese Summe kapput. Hoffentlich kann jemand an Ihre Arbeit vernünftig anknüpfen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Ich glaube ihr den Rücktrittsgrund nicht.

  • Hat eine gut bezahlte Senatorin das nötig ? Hat sie so viel tazMilde, soviel tazVerständnis verdient.

  • Neben-Einkünfte ggü. der Dienststelle nicht abrechnen und zudem bei der Steuer nicht angeben - das ist für eine Linke echt toxisch. Zumal man als Linke anderen Gut- und Besserverdienern gerne vorhält, dass sie nicht genug abgeben.

  • Womit war sie erfolgreich? Immer weniger bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

  • Wovon hätte Amthor zurücktreten sollen? - Parteivorsitzender in M-V wird er erst gar nicht, wäre auch kein öffentliches Amt gewesen. Scheuer hat keine seiner verschwendeten Millionen persönlich behalten.

    Es ist im übrigen müßig ein Fehlverhalten damit zu entschuldigen, dass andere so viel schlimmer unterwegs sind. Dann bräuchte ja niemand Reue zeigen, denn irgendeiner ist immer schlimmer ...

    • @TazTiz:

      "Scheuer hat keine seiner verschwendeten Millionen persönlich behalten"

      Wahrscheinlich nicht. Aber er hat sie seinen Spezn zukommen lassen. So was nennt sich neudeutsch "Public Private Partnership".

      Ach kommen Sie. Das ist ein lange eingeübtes Spiel -- nur Amateure (wie Amthor) verheddern sich da (oder werden verheddert). Profis wie Scheuer (oder Glyphosat-Schmidt, oder Schwarze-Kassen-Schäuble) kriegen das besser hin.

    • @TazTiz:

      “Scheuer hat keine seiner verschwendeten Millionen persönlich behalten.“ Aber ganz sicher die Allgemeinheit deutlich mehr gekostet, als den vergleichsweise kleinen Betrag, der bei Frau Lompscher in Rede steht.



      Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Der Fehler liegt bei Herrn Scheuer, dass der nicht schon lange seinen Hut genommen hat, ist der eigentliche Skandal. Und da täte er eben gut daran, sich ein Beispiel an Frau Lompscher zu nehmen.

      • @TheDigit:

        Ich persönlich wäre auch erfreut über Scheuers Rücktritt. Das ändert aber nichts daran, dass es ein Unterschied ist, ob Geld in die eigene Tasche wandert oder ob es durch ein gescheiterter politisches Projekt in den Sand gesetzt wird. Auch wenn ich in beiden Fällen keinerlei Vorsatz sehe.

        Zumal: Falls der Mietendeckel gekippt wird, werden die von Frau Lompscher verursachten Kosten ebenfalls nicht unbeachtlich sein. Insbesondere weil da dann auch die einzelnen Mieter zur Kasse gebeten werden und nicht nur "der Steuerzahler".

      • @TheDigit:

        Sag ich doch ... irgendjemand ist immer schlimmer (als ich).