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Schriftstellerin gegen KlimaforschendeBizarrer Popanz

Die Essayistin Thea Dorn sieht in Klimaforschern Hohepriester und Ideologen, die besser predigen als forschen. Vielleicht würde das ja helfen.

Das Forschungsschiff „Polarstern“ im Arktischen Ozean Foto: Stefan Hendricks/imago

S chon komisch: Niemand mag „Rechthaber“, auch wenn sie recht haben. Noch komischer: dass diese Keule vergangene Woche in der Zeit gegen Klimawissenschaftler geschwungen wurde.

Der „Warnruf“ der Schriftstellerin Thea Dorn wirft ihnen vor, Metaphysik über Physik zu stellen und „Ideologen des einzig richtigen Wegs“ zu sein: Virologen und Klimaforscher verlangten, wir sollten „bedingungslos an die Wissenschaft glauben“, schreibt die Essayistin unter der Rubrik „Streit“.

Den sucht sie offenbar. Es gebe eine Sehnsucht nach einer „Technokratie mit einem Wissenschaftsklerus, der klare, harte Ansagen macht“. Dorn zitiert die PIK-Forscher Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber und schreibt vom „Wandel von prominenten Wissenschaftlern zu Hohepriestern“, Zweifel würden unterdrückt, Taschenspielertricks angewandt. Überschrift des Textes: „Nicht predigen sollt ihr, sondern forschen!“

In der Tat wird ja überall mit bestellten Gutachten und angeblichen „Experten“-Meinungen viel Unsinn getrieben. Aber dieser Vorwurf ist schon recht bizarr: Gerade die zitierten Wissenschaftler forschen und veröffentlichen, bis es qualmt.

Gewissenschaftler oder gewissenlose Experten?

Und wenn sie „predigen“ oder sich als „Gewissenschaftler“ gerieren (würden wir mit unseren Steuern gern Forscher ohne Gewissen finanzieren?), dann, weil sie nach Dorn „menschliches Handeln als quasi physikalische Größe behandeln“. Ein solches Verhalten passt ihr nicht, aber es stimmt: Wenn man Öl und Kohle verbrennt, lassen sich die physikalischen Folgen menschlichen Handelns als CO2-Fußabdruck in der Atmosphäre sehr genau messen.

Der Text baut einen Popanz auf – als würden hier mächtige Experten durchregieren, als würden mächtige Wissenschaftler die Fäden ziehen. Unserer Emissionsbilanz sieht man das jedenfalls nicht an. Es soll zu wenig Zweifel geben? Eine absurde Behauptung für jede, die einmal einen Bericht des Klimarats IPCC gelesen hat, wo Unsicherheiten und Nichtwissen explizit erwähnt werden.

Dorn schreibt, Wissenschaftler sollten sich aus politischen Entscheidungsprozessen raushalten (aber Schriftstellerinnen dürfen sich natürlich einmischen). Mal abgesehen davon, dass auch Forscher Staatsbürger sind, die ein Mitspracherecht haben: Das ist politisch naiv. Denn gerade die Klimafrage wurde über Jahrzehnte von fossilen Lobbys, bezahlten Meinungsmachern und Wissenschaftsfeinden dominiert, während viele ForscherInnen brav danebenstanden und Moleküle zählten.

Während wir also jedem Reklameheini mit weißem Kittel in der TV-Werbung seinen Expertenrat zur Zahnpasta abnehmen, sollen echte Eliteforscher nichts sagen, was unsere Ruhe stören könnte. Wollen wir wirklich, dass Experten uns nur die Zahlen zeigen und dann den Mund halten?

Wenn der Arzt bei Ihnen eine Krebserkrankung diagnostiziert – wären Sie da nicht froh über ein paar Tipps für eine Therapie? Und selbst wenn die Klimawissenschaft eine Religion wäre, müsste es angesichts der Fakten wohl heißen: Da hilft nur noch beten.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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17 Kommentare

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  • Bernhard Pötters' Hinweis darauf, dass Wissenschaftler auch Staatsbürger sind, die ein Mitspracherecht haben, sollte einen wichtigen Gedankengang freilegen. Wie in dieser Demokratie mit der Wahrheit umgegangen wird, ist der Zweifel fast einem Fehler im System gleichgekommen, d.h. sie bangen um ihre Gehälter. Zudem sind die Forschungsgebiete so sehr ausdifferenziert worden, dass den Fachleuten schon ein Blick in das benachbarte Fachgebiet schwergeworden zu sein scheint. Ich beziehe mich auf die statements, die mehrere Wissenschaftler zur Metastudie zum globalen Insektenrückgang von dem science media center herausgegeben hatten (im Anhang des taz-Artikels "Weniger Ameisen, mehr Libellen" 24.4.20)

    www.sciencemediace...insektenrueckgang/

    In diesem Artikel äußert Prof. Dr. Johannes Steidle aus Hohenheim zur Frage möglicher Interessenkonflikte: "Da fällt mir nichts ein." und über seine Fachkenntnis kommt er zu der merkwürdigen Formulierung: "Ich bin aber auch kein Experte auf diesem Gebiet, da müsste man einen Limnologen fragen. Meine Privatmeinung ist allerdings, dass die Begründung mit steigenden Temperaturen nicht überzeugt. (...)" Das Interesse am Thema scheint mir hier wirklich gegen Null zu gehen. Engagierte Wissenschaftler, die freiwillig veröffentlichen, sollten um so mehr gehört werden.

    Das Zählen in der Forschung muss leider auch durchdrungen werden, um interpretiert werden zu können. Ganz zu schweigen von der Fragestellung zum Forschen.

  • Ich habe den Artikel in der Zeit gelesen und denke Thea Dorn schießt etwas über das Teil hinaus, vor einer politischen Einflussnahme einzelner Wissenschaftler zu warnen und davor, dass wissenschaftliche Urteile nicht kritisch hinterfragt werden. Von daher wird der Artikel schnell missverstanden. Besser wäre es gewesen, sie hätte vielleicht zu einem anderen Thema etwas geschrieben.

  • Christiane Scherer brachte einen ihrer Studiengänge (Philosophie) tatsächlich zu Ende. Sie schreibt danach Krimis und lässt sich plötzlich "Thea Dorn" nennen - sie meint offenbar, Theodor W. Adorno damit einen posthumen Gefallen zu tun.



    Sowas reicht heute offenbar schon, um Aufnahme im PEN-Zentrum zu finden. Und vor Fernsehkameras Auslauf zu bekommen.



    Deutsche Zustände 2020...

    • @Linksman:

      Persönliche Diffamierung als inhaltliche Kritik verklausuliert.

      • @resto:

        Nennen, was ist.

  • Ich habe mir die Mühe gemacht, den Artikel von Thea Dorn in der ZEIT 24/2020 zu lesen, weil ich nicht glauben kann, dass sie -wie hier kritisiert- so stupide Kritik übt an der Wissenschaft.



    Und in der Tat ist dem auch nicht so.

    Am Beispiel eines Essays des renommierten Klimaforschers Stefan Rahmstorf über das Korallensterben wird deutlich, was Dorns Anliegen ist. Dorn zitiert Rahmstorf:



    "Den Kollaps dieses Ökosystems einfach zuzulassen, wäre nicht nur völlig inakzeptabel. Es wäre der Beginn eines Kontrollverlustes, das Fallen eines ersten Dominosteines in einem eng verflochtenen lebenden Erdsystem, in dem alles miteinander verbunden und voneinander abhängig ist.“

    (…)

    Im Weiteren führt Thea Dorn aus:



    "Zum einen tut Rahmstorf so, als hätte der Mensch schon einmal die Kontrolle über das "Erdsystem" gehabt: Denn wie soll ich etwas verlieren, wenn ich es noch nie besessen habe?"







    Letztendlich beschreibt sie nur das, was Carl Friedrich von Weizsäcker auf folgende Kurzformel brachte: "Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit.“

    Ich schließe aus T.D. Ausführungen, dass sie sich gegen einen autoritären Handlungsanspruch wehrt, der ausschließlich dadurch begründet ist, dass bestimmte Wissenschaftler diese Handlungen dringend befürworten.



    Am Beispiel des Virologen Streek macht T.D. übrigens auch deutlich, wie Wissenschaft parteipolitisch ausgeschlachtet wird.

    Thea Dorn ist weit weg von den Verschwörungsspinnern, die Wissenschaft nicht ernst nehmen oder sie instrumentalisieren. Sie wendet sich quasi gegen den Kontrollverlust einer demokratisch gesinnten Gesellschaft, der autoritär eine Handlung vorgeschrieben wird mit der Aussage: „DIE Wissenschaft sagt …."

    • @Rolf B.:

      Thea Dorn versteht nicht, was Rahmstorf sagen will. Nicht "die Kontrolle über das Erdsystem" droht verloren zu gehen, sondern die Kontrolle über die eigenen Handlungen, über die Folgen der Beeinflussung dieses Systems durch den Menschen. Das ist offensichtlich, der Vorwurf man könne die Kontrolle ja nicht verlieren weil man sie nie besessen hätte geht ins Leere. Weiter stört sie sich daran dass man ein so komplexes System nicht auf mechanische Dominosteine reduzieren könnte, damit übernimmt sie direkt die Position der "Klimaskeptiker", alles wäre viel zu kompliziert, so genau wisse man ja gar nicht was passieren wird. Weiß man ja auch nicht, aber das eins zum anderen kommen wird ist relativ gesichert.

      "Thea Dorn ist weit weg von den Verschwörungsspinnern"

      Aber gar nicht weit weg von den Leugnern des menschengemachten Klimawandels, denen auch daran gelegen ist dass Klimawissenschaftler weiter still vor sich hin forschen während die Industrie die Richtung der Debatte bestimmen kann.

    • @Rolf B.:

      Aktuell sieht es bezüglich des "Kontrollverlusts einer demokratisch gesinnten Gesellschaft" so aus, dass nach einer Studie in Großbritannien dort ein eine Woche früherer Lockdown bzw. Kontaktverbote nur die Hälfte an Coronatoten bewirkt hätte, also aktuell dort 20 000 Menschen das Leben gerettet hätte.

      Das sind die realen Folgen, wenn eine demokratisch gewählte Regierung auf die Wissenschaft hört oder eben aus Angst an Kontrollverlust nicht bzw. wenn Wissenschaft die "neue Religion" ist oder besser die Hirngespinnste von Schriftstellerinnen, Köchen oder scheinchristlichen Jammerbarden. Die Wissenschaft ist offen für Diskussionen, Fehler und Alternativen bei Forschung und Wahrheitssuche, Schriftsteller haben da schon methodisch so gut wie nichts beizutragen. Frau Dorn sei daher zu raten: Einfach mal die Fresse halten und keine Menschenleben gefährden!

    • @Rolf B.:

      gut daß Sie ein paar Zitate hier nennen.



      Friedrich von Weizäckers Aussage ""Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit.“ könnte umgedeutet so um einiges treffender sein:



      ""Der Glaube an die freien Märkte mit ihrem Konsumismus spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit.“



      In einer Zeit des unersättlichen Resourcenverbrauchs für den bequemen Wohlstand der privelligierten reichen Länder wie Deutschland sind warnende Wissenschaftler nur Sand im Getriebe der Konsumgläubigen. Die Autorin weiß sich einer großen Leserschaft sicher, die spaßverderbende Forscher auch nicht mögen. Bernhard Pötter hat meiner Ansicht nach sehr treffen geschrieben.

    • @Rolf B.:

      Danke. Ihre Ausführungen ergeben ein ganz anderes Bild.

  • Frau Dorn, und nicht nur sie, hat überhaupt nicht bemerkt, dass wir jeden Tag Predigten von wissenschaftsgläubigen PolitikerInnen (und Journalisten) hören und lesen. Dass der technologische und wissenschaftliche Fortschritt unsere Lebensgrundlagen erhalten wird, die durch eben diesen Fortschritt bedroht werden.

    Dass die Überbringer von schlechten Nachrichten den Mund halten sollen, gehört seit den "Grenzen des Wachstum" zum Standardrepertoire ignoranter Politik. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind nur dann akzeptabel, wenn aus ihnen Wertschöpfung entsteht. Und wenn daraus Schäden entstehen, dann werden sie mit neuen Technologien behoben, aus denen wiederum Wertschöpfungsketten entstehen. Wir werden schon was (er-)finden! Aus Heraklit ist ja auch ein Dämmstoff geworden!

    Valide wissenschaftliche Erkenntnisse zu bestreiten, und der Glauben an eine "Rettung" durch Technologie, haben ein gemeinsames Fundament: Die Angst vor Veränderung.

  • Da die sonst eigentlich recht kluge Thea Dorn sich wohl vergalopiert. Das eigene Fach gwohnt, in dem es "Tatsachen" nicht gibt, versteht sie wohl zu wenig, wie Naturwissenschaft funktioniert.



    Schade aber, dass sie selbst nicht verstanden zu haben scheint, dass hier Wissenschaftler nicht nur nicht "durchregieren", sondern gar nicht regieren. Sie berichten den Stand ihrer - sich in Sachen Corona ständig ändernden - Erkenntnisse. Und die Politiker müssen darauf basierend dann die Entscheidungen treffen.



    Erschreckend, dass jetzt zusätzlich zu den unsäglichen "Hygienedemonstranten" selbst so kluge Kulturschaffende wie sie Wissenschaftsbashing betreiben.

    • @Jalella:

      That's the way it is!!!

  • Danke!

  • Wer wie Frau Dorn Volkswirte als Eltern hat wächst halt mit einem Weltbild auf das im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Klimaforschung und den Forderungen zum Klimaschutz steht.



    Dies erzeugt scheinbar bei Frau Dorn eine kognitive Dissonanz, die sie dadurch aufhebt, dass sie die Fakten negiert und die Überbringer der Botschaft attackiert. Damit liegt sie auf einer Linie mit einem großen Teil der Leugner des menschengemachten Klimawandels.

    • @Ressourci:

      Treffend formuliert !

  • Sternchen für diese Reflexion.