piwik no script img

„Nordisches Modell“Allianzen für ein Sexkaufverbot

Am Dienstag trifft sich zum ersten Mal ein fraktionsübergreifender Parlamentskreis zum Thema Prostitution. Dagegen formiert sich Protest.

Das sehen die BefürworterInnen des nordischen Modells anders: Botschaft am internationalen Frauentag Foto: Karsten Thielker

VertreterInnen aller Bundestagsfraktionen haben sich angemeldet, das Interesse sei „beeindruckend“, so Organisator Frank Heinrich (CDU): Am Dienstag trifft sich zum ersten Mal der interfraktionelle Parlamentskreis zu einem Sexkaufverbot.

Der Kreis trägt den bewusst offen gehaltenen Titel „Prostitution – wohin?“, doch ins Leben gerufen hat ihn neben Heinrich, der Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Menschenrechte ist, die Berichterstatterin der SPD-Fraktion für Zwangsprostitution und erklärte Befürworterin eines Sexkaufverbots, Leni Breymaier. Wahrgenommen wird die Runde deshalb als Informationsrunde zum sogenannten nordischen Modell, das den Kauf von Sex bestraft, nicht aber die Prostituierten.

Während dieses Modell in der Union ohnehin weniger umstritten sein dürfte, sprach sich die SPD bislang gegen die Kriminalisierung von käuflichem Sex aus. „Noch habe ich nicht das Gefühl, dass meine Position in der Fraktion breit getragen wird“, sagte Breymaier nun zwar der taz. Doch seit Monaten mehren sich in Partei und Fraktion die Stimmen für ein Sexkaufverbot.

Neben der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, befürwortete jüngst auch der Gesundheitspolitiker und Kandidat für den SPD-Vorsitz Karl Lauterbach das nordische Modell. Am Wochenende sprach sich der Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg nach hitziger Debatte ebenfalls dafür aus. „Prostitution ist Ausdruck struktureller Gewalt gegen Frauen, hat negative Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft und verhindert die Gleichstellung der Geschlechter“, heißt es in dem Antrag, der beim SPD-Bundesparteitag im Dezember eingebracht werden soll.

Kein einfacher Durchmarsch

Dennoch: Ein einfacher Durchmarsch dürfte es für die BefürworterInnen eines Sexkaufverbots auch innerhalb der SPD nicht werden. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) etwa pocht auf die bisherigen Beschlüsse: „Wir haben uns dafür entschieden, die rechtliche Stellung von Prostituierten zu verbessern“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch eine umfassende Strafbarkeit führe nicht dazu, dass es keine Prostitution mehr gebe, sondern dazu, „dass das Ganze in dunkle Ecken verlagert wird“, wo es gar keine Kontrolle mehr gebe.

Die VeranstalterInnen des Parlamentskreises rechnen mit rund 25 Teilnehmenden. Sie wolle nicht vorgreifen, sagte Breymaier – aber ihre Idee sei, ein Jahr lang alle sechs bis acht Wochen Treffen abzuhalten, um sich zu informieren. So ist bei der ersten Veranstaltung die Aussteigerin Sandra Norak eingeladen, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Weiter könne sie sich jemanden von der Kriminalpolizei vorstellen oder eine Person aus Frankreich oder Schweden, die über die Erfahrungen mit dem nordischen Modell berichte.

Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring, lehnt ein Sexkaufverbot ab. Sie will trotzdem am Parlamentskreis teilnehmen, aus Informationszwecken. Für die Frauen selbst sei das Modell kontraproduktiv, sagte Möhring, die selbst in Schweden war, um mit Betroffenen über dessen Auswirkungen zu sprechen: „Man treibt sie in die Illegalität.“ Für die Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung brauche es andere Maßnahmen: „Man muss ihre Rechte und soziale Absicherung stärken.“

Auch außerparlamentarisch formiert sich Widerstand: Die Bündnisse Sexarbeit ist Arbeit und What the fuck, das Netzwerk Care Revolution und die Interessenvertretung Hydra rufen für Dienstag zu Protesten gegen den Parlamentskreis vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin-Mitte auf. Für Sexarbeitende bedeute das nordische Modell Diskriminierung, heißt es im Aufruf. Es sei ein Nährboden für Ausbeutung, Ausgrenzung und Entrechtung. Unter dem Motto „My body, my choice – raise your voice!“ wollen sie ab 18 Uhr Solidarität mit Sexarbeitenden zeigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

53 Kommentare

 / 
  • Ich habe im Frühjahr 2018 mein Diplom als Sexualassistentin gemacht. Meine Klienten sind Menschen, die auf Grund von Krankheit oder schwerster körperlicher Behinderung auch keine Chance haben, einen passenden Sexualpartner zu finden, aber trotzdem das Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Zuwendung haben. Ich musste mich offiziell registrieren lassen, um in den entsprechenden Einrichtungen Aquise betreiben zu können. Meine Gesprächspartnerin beim Bielefelder Ordnungsamt sagte, sie fände meine Initiative "begüßenswert" und es gäbe auch einen konkreten Bedarf - teilte mir aber im gleichen Atemzug mit, dass sämtliche Einrichtungen im Bielefelder Stadtgebiet für mich tabu sind, da sie unter die Sperrgebietsverordnung fallen. Ich frage Sie: wie absurd ist DAS denn? Will man den Bewohnern dieser Einrichtungen zumuten, sich via Krankentransporter irgendwohin karren zu lassen, damit sie sich ihre Streicheleinheiten abholen? Und wie gedenken die Verfechter*innen des Schwedischen Modells mit diesen Menschen zu verfahren? Werden die dann ebenso kriminalisiert wie die Kunden der Prostituierten auf dem Straßenstrich und in den Laufhäusern? Und will man dann die Pflegedienstleiter*innen oder die Familienangehörigen wegen Zuhälterei belangen, wenn sie einem MS-Kranken oder einem Demenzpatienten den Kontakt zu einer Sexualassistentin vermittelt haben? Ich habe im Rahmen eines Tages der Offenen Tür von der Leiterin einer Vermittlungsstelle für Selbsthilfegruppen von einem Fall gehört, der mir sehr zu denken gegeben hat. Diese Dame erzählte mir von einer pflegenden Angehörigen, der Mutter eines etwa 30jährigen Mannes der nach einem Unfall von der Halswirbelsäule abwärts gelähmt ist, aber immer noch sexuelle Bedürfnisse hat. Diese Frau habe sich keinen anderen Rat gewusst, als selber Hand anzulegen, um ihrem Sohn "Erleichterung zu verschaffen".. SOLLCHE Zustände werden von den Verfechterinnen des Sexkaufverbots toleriert - Hauptsache die "bürgerliche Wohlanständigkeit" bleibt gewahrt!

  • Über das nordische Modell und mehr Kundschaft freuen sich bestimmt am meisten die östlichen Sexsklavinnenhalter.



    www.zeit.de/gesell...ier-vergewaltigung

  • taz: "Wahrgenommen wird die Runde deshalb als Informationsrunde zum sogenannten nordischen Modell, …"

    Wenn es wirklich um das nordische Modell geht, dann sollte man vielleicht erst mal "nordische Verhältnisse" in diesem Land schaffen. Der schwedische Wohlfahrtsstaat (auch als „Folkhemmet“ bezeichnet) wurde als politisches Projekt ab den 1930er Jahren aufgebaut. Bei uns wurde der Sozialstaat mit der SPD unter Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010 aber massiv abgebaut.

    Cornelia Möhring (frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion) sagte, sie selbst habe in Schweden mehrere Gespräche zur Auswertung des dort geltenden nordischen Modells geführt. Es verhindere Prostitution nicht, sondern verlagere sie in den illegalen Raum. Betroffene finden noch weniger Schutz als zuvor und werden stigmatisiert. - Solche Argumente kommen bei der SPD aber nicht an, denn die SPD hofft nur, dass die 'Einfältigen' - die glauben, dass man durch Verbote etwas verändern kann - die SPD vor dem Untergang bewahrt, dass Gegenteil wird aber der Fall ein. Hat die SPD eigentlich schon einen Plan, was man mit den 400.000 Frauen anfängt, wenn man sie aus der Prostitution geholt hat? Wohl kaum, aber das ist man ja schon gewöhnt, dass SPD-Politiker nie etwas bis zum Ende durchdenken - wie man ja auch gut an der SPD-Hartz-Reform sieht, die Millionen Menschen zu Bürgern dritter Klasse gemacht hat.

    Dass 400.000 Prostituierte nicht alles Zwangsprostituierte und auch keine Armutsprostituierten sein können - auch wenn soziale Gerechtigkeit mein Lieblingsthema hier in der taz ist - wissen sicherlich auch Politiker. Man hat wirklich langsam den Verdacht, dass es gewissen SPD-Frauen wohl eher um Moralvorstellungen geht, als um den wirklichen Schutz der Prostituierten. "In ihrer Jugend war Maria Noichl (SPD) Mitglied der Katholischen Landjugendbewegung." [Wikipedia]. Anderen Politikern geht es vielleicht auch um die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Bürger - denn Bürger sollen nur gehorchen.

    • @Ricky-13:

      Es gab einmal zwei "Volksparteien". Die eine war evangelisch und die andere war katholisch.. Christlich oder sozial war keine von beiden.

  • Nicht die Prostituieren werden diskriminiert oder kriminalisiert.



    Ein Sexkaufverbot betrifft den Freier.



    In Bremen macht aktuell bals ein fett großes Bordel auf. Geschäftsführerein wird die Frau des Ehefrau des früheren Präsidenten der Hells Angels Bremen sein. Dort wird es nicht um freie Liebe sondern um knallharte kapitalistische Sexausbeutung gehen.

    Normalerweise geht Linken dabei die Hutschnur hoch. Sie werden zu Moralapostel und sehen als „soziale“ Sittenwächter solche Ausbeutung als etwas übles an.



    Kommen aber Vorschläge von Frauen aus der SPD springen Pseudolinke auf und werfen schwuppdiwupti jegliche Grundsätze über Bord und verkaufen dies als notwendige Absicherung von Frauen Cooler Vorgang ;-)

    • @Rudolf Fissner:

      "Nicht die Prostituieren werden diskriminiert oder kriminalisiert.

      Ein Sexkaufverbot betrifft den Freier."

      Es wäre das erste mir bekannte Kaufgeschäft, wo ein Verbot des Kaufens den Verkäufer unbeeinträchtigt ließe. Unterstellt, das Verbot würde tatsächlich einen erheblichen Rückgang der Nachfrage bedeuten, ist das doch zumindest für diejenigen, die Sex aus eigenem Antrieb verkaufen wollen, ein Schlag ins Kontor, oder?

      Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass die knallhärteste Form der Sexausbeutung, Zwangsprostitution und deren Inanspruchnahme, dadurch kein Stück illegaler wäre, als sie es jetzt schon ist. Die Hemmschwelle für Freier, solche ohnenhin kriminellen Angebote wahrzunehmen, würde also im Vergleich zu heute nur marginal erhöht, und die Nachfrage nähme in dem Bereich entsprechend nur unbedeutend ab. Vor allem träfe ein etwaiger Rückgang also die, die sich diese Erwerbsform ausgesucht haben und sie heute legal ausüben. Einmal in die Illegalität getrieben, würden auch deren Freier im Zweifel sogar noch häufiger bei Anbietern landen, die es sich dort bereits - auf Kosten der betroffenen Frauen - gemütlich gemacht haben.

      Am Ende wäre so ein generelles Verbot nur ein oberflächliches Gewissensberuhigerle für den rechtschaffenen Spießbürger, der sich in die Illusion verkriecht, was ihm nicht ins Gesicht springt (wie so ein Großbordell in prominenter Gangsterhand), gäbe es auch nicht. Vogel Strauß lässt grüßen...

      • @Normalo:

        Es geht hier doch um ein bereits vorhandenes Modell, das bereits in einigen Ländern umgesetzt wird. Statt zu mutmaßen, könnte Sie recherchieren, welche Wirkung es in diesen Ländern erzielte. Ich erinnere mich z.B. an eine Dokumentation hierzu, wonach dieses Modell die Gesamtsituation verbessert habe. Da wird es sicherlich noch mehr geben - unabhängig davon in welche Richtung das Urteil dann ausfällt.

        • @Devil's Advocate:

          Was ich bislang gelesen habe, ist bestenfalls zwiespältig und - wie hierzulande auch - hochtendenziös. So wird es offiziell als wesentlicher Erfolg gewertet, dass in Schweden die Straßenprostitution langfristig um die Hälfte zurückgegangen sei (andere Quellen: gerade mal ein Drittel). Die Hälfte?? Im offensichtlichsten und am leichtesten zu verfolgenden Segment, das schon vor dem Verbot nur ein geschätztes Viertel der Prostituierten ausmachte? Ein Zeichen von Erfolg?

          Ich gehe mal davon aus, dass ein Gutteil des "verschundenn Strichs" nach innen ausgewichen ist und die Änderung der Freierzahlen sich in ganz schmalen Grenzen hält. Aber das ist natürlich Spekulation - genau wie die angeblich feste Überzeugung der schwedischen Polizei, dass sie genau wisse, wieviel unsichtbare Prostitution noch stattfindet...

          Dann wird in der - verdächtig einheitlich postitiven - Evaluation davon gesprochen, Schweden sei durch das Verbot für Menschenhändler unattraktiver geworden, während die Verbotgegner die Polizei mit einem nur wenige Monate ältern Statement zitieren, das eine Zunahme des Menschenhandels auf breiter Front konstatierte. Und so weiter...

          So richtig traue ich daher der "Dokumentation" der Auswirkungen nicht - und falle zurück auf die alte Weisheit "Wo ein Wille, da ein Gebüsch."

  • Rein rechtlich müsste, um Sexkauf unter Strafe zu stellen, mindestens die Sittenwidrigkeit, die 2002 aufgehoben wurde, wieder eingeführt werden.



    Eine Verhaltensweise, die nicht einmal sittenwidrig ist, kann ja nicht strafrechtlich verfolgt werden.



    Sonst könnten am Ende diese besonders „konservativen“ Politikern, die jetzt das Sexkaufverbot fordern, auch noch auf die Idee kommen, vorehelichen Sex unter Strafe zu stellen.



    Klingt erst mal unvorstellbar. Aber wehret den Anfängen!



    In Anbetracht der weit mehrheitlich positiven Haltung der Bevölkerung zu unserer liberalen Prostitutionsgesetzgebung würden sich unsere sogenannten "Volksvertreter" mit der Aufhebung der Sittenwidrigkeit und Einführung eines Sexkaufverbotes natürlich auch eigenmächtig über den Willen der „Vertretenen“ hinweg setzen.



    Und so was nennt sich Demokratie!

  • Das Sexkaufverbot ist ein gutes und bewährtes Instrument gegen die Täter.

    • @Rudolf Fissner:

      Unrichtig.



      Das Sexkaufverbot ist ein bewährtes Instrument dafür, Prostituierte zu diskriminieren, zu kriminalisieren, ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen, sie zu stigmatisieren, sie zu entmündigen und zu viktimisieren.



      Gegen "Täter" (= Menschenhändler, Vergewaltiger) lässt sich hingegen schlechter vorgehen als bisher.



      Studien dazu gibt es. Die Auswirkungen von Kriminalisierung der Prostitution auf die Betroffenen.



      Sehr aufschlussreich, wenn auch für die Befürworter des Modells nicht unterstützend.

    • @Rudolf Fissner:

      Interessanterweise wird hier immer wieder argumentiert, dass man die Käufer bestrafen sollte, um die Verkäufer vor Dritten (bösen Zuhältern) zu schützen.

      Darüber, dass man die betroffenen Verkäufer (meist -innen) vielleicht mal generell besser schützen sollte, spricht aber kein Mensch.

      Auch, das man an die dann in den Untergrund wandernden Restbordelle sich per se jeglicher Kontrolle entziehen würden, interessiert die Leute auch nicht.

      Mich erinnert das stark an die selbstbezogene moralisierte Abtreibungsdebatte, bei der man das ungeborene Leben zur Not mit Gewalt schützen will, aber dieselben Personen sich einen Dreck um das bereits geborene Leben scheren. Also um die dann oft zu jungen und alleinerziehenden Mütter mit ihren ungewollten Kindern.

      Ich finde das irgendwie verlogen.

    • @Rudolf Fissner:

      Nur ein Hinweis: Sexkauf ist nicht verboten, daher gibt es keine "Täter".

  • Schwierige Geschichte. Jeder kann sich denken, dass sich (Zwangs-) Prostitution durch ein Verbot nicht verhindern lässt. Die lieben SPD-Frauen, die das Phänomen durch Verbote verhindern wollen, haben vermutlich sonst nichts gegen die Globalisierung. Oder die niedrigen Vergütungen / Löhne in Deutschland, die die SPD zu verantworten hat. Es gibt auch junge Frauen aus der (unteren) Mittelschicht, die sich prostituieren, um Privatschulen besuchen zu können, von denen sie sich bessere Aufstiegsmöglichkeiten erhoffen oder denen die lächerlichen Ausbildungsentgelte nicht zum Leben reichen. Auf diese Fragen haben die Politikerinnen keine Antwort, so was blenden die aus. Es gelten nur die Moralvorstellungen der eigenen wohlbehüteten Verhältnisse. Mit solchen restriktiven Methoden kann der Kommodifizerung des weiblichen Körpers nicht verhindert werden.

    • @Katev :

      Es gab bt viele Situationen, in denen Frauen finanziell abhängig sind und sich prostituieren und sich nicht trauen aufzumucken. In der Ehe, in der Firma ... das ist kein Argument, das ist ebenfalls gruselig.

      • @Rudolf Fissner:

        Das sollte auch kein Argument für Prostitution sein, sondern ein Hinweis darauf, warum es sie gibt und weshalb ein Verbot wahrscheinlich keine vernünftige Wirkung erzielen kann.

  • Zu den Menschenrechten gehört doch wohl auch das Recht, Sexualität auszuleben. Leni Breymaier (SPD) verwechselt das Ausleben von Sexualität mit Zangsprostitution. Selbstverständlich muss Zwang unterbunden werden; aber die Prostitution zu verbieten, weil einige Frauen zur Prostitution gezwungen werden, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Weil einige Verkehrsteilnehmer mit ihrem Auto nicht umgehen können, verbietet man ja nicht den Autoverkehr.

    Das sogenannte nordische Modell ist sinnwidrig: Frauen dürfen sich zwar anbieten; aber Männer dürfen das nicht annehmen. Hier sind ganz einfach moralinsaure Lustfeinde am Werk. Völlig sinnlos ist der Standpunkt der SPD Baden-Württemberg. Prostitution ist keineswegs Ausdruck struktureller Gewalt gegen Frauen. Zwangsprostitution ist das; dagegen richtet sich das Prostituiertenschutzgesetz. Aber mangels Personal wird es nicht wirksam.

    Warum fragt man nicht die Freier? Das sind nicht alles hirnlose Lustmolche: es sind viele gebildete und urteilsfähige Leute darunter, die den Frauen mit dankbarer Hochachtung begegnen.

    • @Greis Carl-Peter:

      Gute Idee, vielleicht sollte man wirklich erst mal den privaten Autoverkehr verbieten bevor man über ein Verbot des gewerblichen Geschlechtsverkehr nachdenkt. Ich wäre dafür, kein Scherz. Jährlich gibt es mehr Tote durch Autos als durch unsere Bundeswehreinsätze.

    • @Greis Carl-Peter:

      "Zu den Menschenrechten gehört doch wohl auch das Recht, Sexualität auszuleben."

      Nein! Wenn niemand freiwillig mit Dir Sex haben möchte, dann hast Du eben Pech. Es gibt auch kein Recht auf Lottogewinn.

      • @Michael Garibaldi:

        Das ist doch gar nicht das Problem. Das Problem ist, dass für Leute wie Frau Breymaier Prostitution immer Zwangs-Prostitution ist.

        • @Greis Carl-Peter:

          Prostitution ist IMMER (optional) Vergewaltigung!



          Ein Freier KANN das nicht unterscheiden, ob eine Frau gezwungen wurde oder gezwungen ist (er also Gewalt oder eine Notlage ausnutzt).

          Er nimmt also bei jedem Kontakt eine Vergewaltigung billigend in Kauf.



          Und natürlich sollte das auch bestraft werden.

          Keine Frau wählt das als Job. Ein großer Prozentsatz der Frauen wurde als Kind missbraucht oder war als Kind Opfer häuslicher Gewalt.



          Viele sind Drogenabhängig. Und - von den überwiegend osteuropäischen Frauen - ist der größte Teil gezwungen.

          Freier lügen sich das alles schön, aber wer mehr als 10x bei einer Prostituierten war, hat - statistisch - mindestens eine Vergewaltigung begangen - meist unter Einsatz sehr brutaler Mittel (wenn auch nur mittelbar durch den Freier).

          Das gehört natürlich unter Strafe gestellt. Was denn sonst?

          • @Michael Garibaldi:

            "Keine Frau wählt das als Job. Ein großer Prozentsatz der Frauen wurde als Kind missbraucht oder war als Kind Opfer häuslicher Gewalt."

            Das ist genau die Argumentation von Leuten, die von Prostitution keine Ahnung haben und die Persönlickeit der Frauen überhaupt nicht einschätzen können.

            • @Greis Carl-Peter:

              Das sehen die organisierten Sexarbeiterinnen von Hydra und Co. allerdings etwas anders und man kann denen wohl kaum unterstellen von dem Job keine Ahnung zu haben.

          • @Michael Garibaldi:

            Was ist mit den Menschen, die freiwillig als Prostituierte arbeiten? Möchten Sie die komplett ausblenden? Interessiert Sie deren Standpunkt nicht?



            Prostitution ist keineswegs "immer Vergewaltigung". Das können Tausende von Sexarbeitenden bestätigen.



            Falsch ist auch, wenn Sie behaupten, dass keine Frau das als Job wählt. Schlichtweg falsch. Fragen Sie gern nach. Ich persönlich kann Ihnen zig Adressen geben, wo Sie nachfragen könnten, und wo Sie eine gegenteilige Antwort bekämen.



            Mir scheint aber, das interessiert Sie nicht. Denn sonst würden Sie nicht pauschale Aussagen machen, die jeder faktischen Grundlage entbehren. Sie sind derjenige, der sich hier etwas zurechtlügt.



            Ihnen passt es nicht ins Weltbild, dass es Prostitution gibt, und Sie werfen Sie mit Menschenhandel (der sog. Zwangsprostitution) in einen Topf, damit ihre Meinung größeren Eindruck macht.



            Das ist ein fataler Fehler, der unzählige negative Auswirkungen auf Prostituierte hat.



            Menschenhandel ist Vergewaltigung. Beides ist illegal und zwar mit Recht. Wenn man nun Straftaten mit etwas vermischt, das einem lediglich nicht gefällt, dann entbehrt das jeglicher moralischen Grundlage.



            Nur weil es Hehlerei von gestohlenem Schmuck gibt, werden ja nicht alle Juweliere geschlossen. Das wäre doch Unsinn und, vor allem, vollständig kontraproduktiv!

    • @Greis Carl-Peter:

      Völlig sinnlos ist der Standpunkt der SPD Baden-Württemberg; "Prostitution ist Ausdruck struktureller Gewalt gegen Frauen."



      Was meinen Sie, warum ausgerechnet die SPD Baden-Wüttemberg diesen wirren Standpunkt vertritt?



      Weil sie von ihrer ehemaligen Landesvorsitzenden - dezent ausgedrückt - indoktriniert ist.

  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    Die Beziehung zwischen Prostituierten und ihren Gästen ist praktisch die einzige verbliebene Form einvernehmlichen Sexes zwischen Erwachsenen, die noch offen diskriminiert werden darf. (Und ich rede hier nicht von Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zuhälterei. Die sind ohnehin verboten.) Und diese Sonderstellung hat einen wichtigen Grund darin, dass die Gäste bisher nicht dem Mumm haben, sich zu outen und zu dieser Art sexuellen Verhaltens offen zu stehen. Vielleicht bräuchte es eine Art "Pay Sex Pride" Bewegung. Das erfordert Mut, aber Schwule und Lesben haben diesen Mut auch aufgebracht.

    • @06137 (Profil gelöscht):

      Da wird nix diskriminiert.



      OB der Sex einvernehmlich ist oder nicht, können die Freier nicht heraus finden.



      Sie begehen also bewusst optional eine Straftat und vergewaltigen eine Frau mit den brutalsten denkbaren Mitteln und aus den niedrigsten Motiven.

      Möglich dass es Frauen gibt, die ihren Ekel "freiwillig" aus monitären Gründen überwinden und eine Art Einvernehmen herstellen - die Regel ist das sicher nicht.

      • @Michael Garibaldi:

        "Möglich dass es Frauen gibt, die ihren Ekel "freiwillig" aus monitären Gründen überwinden"

        Das gilt für eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten ... ich würde auch niemanden den Po abwischen wollen ... trotzdem gibt es zum Glück Menschen, die das tun ...

      • 0G
        06137 (Profil gelöscht)
        @Michael Garibaldi:

        Wer nicht merkt, ob eine Frau freiwillig Sex mit ihm hat, hat ein schweres Problem.

    • @06137 (Profil gelöscht):

      Nuja, die allermeisten Schwulen und Lesben, die sich outen, werden sich nicht gerade in einer heterosexuellen Beziehung befinden, an der sie gerne noch festhalten wollen. Das dürfte bei vielen potenziellen Mitmarschierern einer möglichen "Pay Sex Pride" unangenhem anders aussehen und die Outing-Schwelle entsprechend heben.

      Genau da liegt auch ein Hauptgrund, warum die Prostitution auch noch eine lange Zeit weiter stigmatisiert werden dürfte: Sie ist ein Stachel in der Seite der noch vor den Kirchen mächtigsten moralischen Instanz der Menschheit, nämlich der Zielgruppe "heterosexuelle Frauen mit Familienambitionen" (die selbst nicht "anschaffen", aber doch teilweise vielleicht Langzeitprostitution nach dem Modell "Versorgerehe" betreiben).

  • Bei Prostitution wird Sex angeboten, ver- und gekauft. Die Umstände, Umfänge, Zeiträume und Preise sind frei am Markt verhandelt.

    Dieser Markt kann durchaus reguliert werden: Anzahl der Kunden pro Frau, Mindestpreise, zusätzliche Steuern, Anforderungen an die Art der Leistung, Arbeitsschutzbedingungen, Qualifikationen usw.

    Das Moralisieren dient all dieser Regulierung nicht, sondern fördert statt dessen Schwarzarbeit.

     

    Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.

    Die Moderation

    • @TazTiz:

      Ja! Ein "Hurra!" auf die unsichtbare Hand des Marktes. Die Regelt das schon. So wie sonst, so sie ja auch ganz hervorragend funktioniert. Genau mein Humor

    • @TazTiz:

      Qualifikationen? Jetzt wird es aber richtig deutsch. Wie stellen sie sich das vor? Weiterbildung oder Ausbildung mit Abschlussprüfung für ein Hurendiplom? Lächerlich.

      • @Andreas J:

        Warum? Gab es alles schon. Die Hetären Griechenlands und Oiran Japans wurden ausgebildet und qualifiziert in Kunst und Liebeskunst.

  • Prüderie, Paternalismus, Sexismus - eine ungute Kombination. Frauen "schützen" zu wollen, indem man anderen verbietet, von diesen Frauen angebotene Dienstleistungen zu kaufen, als wären diese Frauen Unmündige, absurd. Nein, Reglementierung von Sexarbeit sollte darauf gerichtet werden, die Arbeit zu erleichtern, ihren gesellschaftlichen Status zu erhöhen, negative Begleitumstände zu reduzieren, sinnvolle Ausstiegs- (sprich: Berufswechsel-) Perspektiven zu schaffen und Zwangsprostitution (einschl. Zwang durch Armut) zu verhindern, indem man man auf diese Zwänge einwirkt.

  • Wunderbar sind solche absolut wichtigen Themen. Da wird unter dem Deckmantel eines irrationalen Feminismus' getreu dem Motto "Alle Männer sind Schweine" die Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung vertuscht.

    Das ist doch zu offensichtlich. Die wirklich drängenden Probleme werden stets mit Aufregern überkleistert, damit man nicht sieht, wie in Wirklichkeit dieser Staat das Grundgesetz demontieren willen um zu einem totalen Markt- und Überwachungsstaat zu gelangen. Die CDU/CSU hat ja bereits die ersten Eckpunkte durch den willkommenen Vorfall in Halle geliefert und am Ende steht dann das social scoring aus China. Wahrscheinlich gibt es dann als Bonus einen Puffbesuch für vorweg erfolgte einhundert Denunziationen. Dieser Idee könnte sich auch die AfD mit frohem Herzen anschließen.

    Doch halt, die Nostalgiker des Nationalsozialismus der Dreißiger Jahre um Bernd Höcke vergaßen, dass die zuerst versuchte Unterdrückung und Verbot der Prostitution im jungen Nazi-Reich keinen Erfolg hatte. Sie wurde später geduldet und so kamen nicht nur Reinhard Heydrich, sondern echte kernige deutsche Männer in den Genuss dieser Dienstleistungen.

    Besonders apart sind die Vorschläge von den religiösen BGE-Anhängern, die dann eine gratis Prostitution fordern. Das wird aber die ach so feministischen Verbotsverfechter erfreuen. Aber je länger darüber diskutiert wird, kann so die Bundesregierung ihr Zerstörungswerk fortsetzen zur Gesinnungsdiktatur, der Kriminalisierung des Prekariates und der Hege und Pflege der wirklich Herrschenden und der Kosmetik bei der angeblich gutbürgerlichen Klasse.

    Wenn der Rauch über das Prostitutionsverbot verflogen ist, könnte man als nächste Sau ein bundesweites Fleischessverbot durch das Dorf treiben. Die Sau wird's freuen.

  • Das Ergebnis ist doch klar: Damit zwingt man die hunderttausende Berufs/HobbyFrauen in die industrielle Erwerbstätigkeit. Wo sie höchstens noch ein Zehntel verdienen.

  • taz: "Während dieses Modell in der Union ohnehin weniger umstritten sein dürfte, …"

    Die Union hat ja auch lange genug Zeit gehabt von der Kirche zu lernen. Die Kirche sagte einst, wenn wir den Menschen erst mal vorschreiben können wie ihr Sexualleben aussehen soll, dann folgen sie unseren Anweisungen auch bald in allen anderen Lebensbereichen - und darum geht es doch in erster Linie. Es geht um die Gehorsamkeit des Bürgers und der Einschränkung seiner Freiheit.

    Hat die Politik überhaupt schon einen Plan, was man mit den Frauen anfängt, wenn man sie aus der Prostitution geholt hat? Bekommen die Frauen eine Ausbildung bezahlt oder bekommen sie einen Job von dem man auch einigermaßen sein Leben bestreiten kann? Wohl kaum, aber das ist man ja schon gewöhnt, dass Politiker nie etwas bis zum Ende durchdenken. Um die Prostituierten geht es aber auch gar nicht, sonst hätte man schon lange etwas gegen Armuts- und Zwangsprostitution in diesem Land unternommen. Mit dem Prostitutionsschutzgesetz wollte man ja Prostituierte "besser schützen und ihr Selbstbestimmungsrecht stärken". Die Realität schaut aber so aus, dass man mit dem "Prostituiertenschutzgesetz" nur gute geführte Bordelle in Deutschland kaputt gemacht hat, ohne aber die wirklich ausgebeuteten Frauen auf dem Straßenstrich, oder Frauen die in dreckigen Absteigen wie Vieh gehalten werden, zu schützen.

    Wer einmal lachen will, der kann sich ja mal auf Wikipedia den Verstoß gegen die guten Sitten oder den alten Kuppelparagraphen (alter § 180 StGB - Kuppelei) durchlesen, der erst 1969 in Deutschland reformiert wurde und mit dem unsere Eltern und Großeltern im letzten Jahrhundert noch moralisch in Schach gehalten wurden. Wollen wir unseren Volksvertretern wirklich wieder erlauben über unser Sexleben bestimmen zu dürfen? Was kommt danach? Vielleicht sollte der Bürger mal sein Smartphone ausschalten und sein Hirn einschalten.

    "Unbedingter Gehorsam setzt Unwissenheit bei den Gehorchenden voraus." - Charles de Montesquieu

  • Das nordische Modell würde dazu führen, dass Frauen keinen Rechtsanspruch auf die Bezahlung ihrer harten Arbeit haben und auf dem Strassenstrich landen, was lebensgefährlich sein kann.

    Sexarbeit sollte zwar unbedingt stärker reglementiert, keinesfalls aber verboten werden. Die gefährliche Strassenprostitution sollte jedoch in Clubs verlagert werden, wo die Frauen gegen eine geringe Gebühr in einem geschützten Raum arbeiten können. Neben den Nobel-Angeboten sollten endlich auch für ältere Frauen und Geflüchtete ohne Papiere legale Angebote dieser Art entstehen, damit sie nicht auf dem Strassenstrich landen.

    Hier in der Schweiz gibt es in jedem grösseren Dorf einen Saunaclub. Frauen zahlen dort den gleichen Eintritt wie die Männer (ca. 50 - 100 CHF, 45-90 Euro) und führen von ihren Einkünften meist 10 Franken (9 Euro) pro 30 Minuten für die Zimmernutzung ab (oder reinigen die Zimmer selbst). Es gibt feste Halbstundensätze von 60 bis ca. 200 Franken, die von den Frauen jedoch um Extras aufgestockt werden können (z.B. anal, FOT, NS etc. sowie Beteiligungen an optional vom Gast spendierten Getränken wie Champagner).

    Auch in günstigeren Clubs wie dem New Blueup in Zürich-Pfäffikon (70 CHF für 30 Minuten, keine Zimmergebühr) verdienen Frauen aus Osteuropa genügend Geld, um sich damit dort ein Haus zu bauen und die Familie zu ernähren. Für ihre Privatsphäre wird den Frauen meist zu zweit ein Zimmer in einem anderen Teil des Club-Gebäudes zur Verfügung gestellt. Sie bekommen, wie die Männer, kostenlose Getränke und können jederzeit die Infrastruktur des Clubs nutzen (Sauna, Dampfbad, Whirlpool, manchmal sogar Swimming Pool). Die Chefin sorgt dafür, dass es den Frauen gut geht und sie von den Freiern ihr Geld bekommen. Die Atmosphäre ist entspannt, die Frauen sind leistungsbereit und man merkt ihnen an, dass sie den Job sehr viel lieber machen als Fabrikarbeit oder Landarbeit für einen Bruchteil dessen.

  • Überzeugend wäre die Forderung allenfalls in einem Land mit bedingungslosem Grundeinkommen. Solange wir einen faktischen Arbeitszwang haben und Menschen in beliebig schlechte Jobs hineingezwungen oder unter das Existenzminimum sanktioniert werden, ist es reine Heuchelei. Denn ich glaube zwar auch, dass wenige Frauen sich wirklich gerne prostituieren. Ich glaube aber auch, dass die meisten Sexarbeiterinnen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für das kleinere Übel entschieden haben. Dass eine Frau sich lieber prostituiert als für einen Hungerlohn im Niedriglohnsektor zu arbeiten, ist eine Kränkung für konservative Politiker, aber vermutlich die Realität. Nachdem ich selbst im Studium vorübergehend in einem Lagerbetrieb gearbeitet habe (für 5,90€ pro Stunde), kann ich es sogar nachvollziehen. Die Vorstellung, dass alle Jobs in unserer Gesellschaft erträglich und menschenwürdig sind - mit Prostitution als einziger Ausnahme - ist einfach lächerlich.

    Wo die neuen Arbeitsplätze für 400.000 Frauen herkommen sollen, kann natürlich auch niemand sagen.

    • @Thomas Friedrich:

      Wie viele von den 400.000 Prostituierten sind eigentlich Armutsprostituierte? Nun ja, darüber möchten Politiker der SPD (und auch von CDU und FDP) sicherlich nicht so genau nachdenken, sonst kämen sie vielleicht noch zu der Erkenntnis, dass die unsoziale Politik der Schröder'schen SPD einen erheblichen Anteil an dem Anstieg der Armutsprostitution in Deutschland hatte.

      Das älteste Gewerbe der Welt (Prostitution) lässt sich nicht verbieten, aber durch eine soziale Gerechtigkeit kann man aus den 400.000 Prostituierten in Deutschland bestimmt eine kleinere Zahl machen. Mit einem ersten Schritt in Richtung BGE wäre der Weg schon einmal bereitet, aber diesen Weg wollen Politiker nicht gehen. Armutsprostitution bekämpft man mit sozialer Politik und einem BGE. Zwangsprostitution bekämpft man mit schärferen Gesetzen. Wir brauchen endlich soziale und intelligente Politiker, die nicht nur Verbote aussprechen, sondern auch wissen, dass aus A meistens B folgt.

      Man vergisst bei dieser ganzen Diskussion auch gerne, dass es sich bei den skandinavischen Ländern um echte Sozialstaaten handelt. Bei uns steht der Sozialstaatsgedanke doch nur noch in Art. 20 GG - aber ohne echte Bedeutung. Skandinavische Staaten lassen ihre ehemaligen Prostituierten sicherlich nicht hungern oder schicken sie in ein Jobcenter, damit sie dort mit § 10 SGB II gezwungen werden, jeden Job anzunehmen. In Deutschland ist das seit Jahren leider Normalität; denn nur so konnte und kann Deutschland auch weiterhin der Exportweltmeister von Europa bleiben. Der schwedische Wohlfahrtsstaat (auch als „Folkhemmet“ bezeichnet) wurde als politisches Projekt ab den 1930er Jahren aufgebaut. Bei uns wurde der Sozialstaat mit der SPD unter Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010 aber massiv abgebaut.

      Mit dem Prostitutionsschutzgesetz wollte man ja angeblich Prostituierte "besser schützen und ihr Selbstbestimmungsrecht stärken". Letztendlich geht es aber nur um die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts.

      • @Ricky-13:

        Fraglich, ob Prostitution das älteste Gewerbe der Welt ist. Sicher ist aber, dass Prostitution aus Sklaverei hervorgegangen ist; von wegen freier Entscheidung und so. In der Öffentlichkeit hören wir vor allem nur die Prostitutionslobbyisten und -istinnen. Die anderen ohne Stimme sieht man nicht.

        • @resto:

          Sklaverei? Merkwürdig, aber wenn ich § 10 SGB II höre und lese, dann fällt mir auch immer das Wort Sklaverei ein.

          § 10 SGB II ist übrigens dieser "Zumutbarkeitsparagraph" im Sozialgesetzbuch 2, mit dem sich der Staat das Recht herausnimmt, jeden arbeitslosen Bürger in jeden noch so dreckigen Job zu verfrachten, ansonsten drohen Sanktionen bis zu 100% vom ohnehin schon kleinen Existenzminimum. Vielleicht sollten die Bürger mal über die versteckte "Sklaverei" in diesem Land nachdenken. Thomas Friedrich hat es in seinem Kommentar sehr gut ausgedrückt: "Die Vorstellung, dass alle Jobs in unserer Gesellschaft erträglich und menschenwürdig sind - mit Prostitution als einziger Ausnahme - ist einfach lächerlich."

  • Ich bin diplomierte Sexualassistentin, arbeite mit Körpetbehinderten, alten Menschen und Demenzpatienten. Gerade Menschen mit Demenz haben ein starkes Bedürfnis nach körperlicher Zuwendung. Wenn diese Bedürfnisse nicht befriedigt werden, neigen sie häufig zu aggressivem oder übergriffigem Verhalten. Ich bin gespannt, wie Frau Brei-Meier in Zukunft mit diesen Patienten umzugehen gedenkt. Sollen sie medikamentös ruhig gestellt werden - ohne Rücksicht auf gesundheitliche Folgen? Oder spekuliert sie darauf, dass in Zukunft das PflegePersonal für gewisse Handreichungen zur Verfügung zu stehen hat? Ein anderes Beispiel : die Leiterin einer Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen erzählte mir vor kurzem von der Mutter eines jungen Nannws, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Diese Frau habe sich irgendwann keinen anderen Rat gewusst, als selber Hand anzulegen, um ihrem Sohn "Erleichterung zu verschaffen ". Findet Frau Brei-Meier solche Verhältnisse normal und wünschenswert? Sollen Behinderte demnächst im Knast landen und Pflegefienstleitungen oder Angehörige wegen Zuhälterei zu belangen, weil sie die Dienste einer Sexualassistentin angefordert haben? Wie weltfremd und menschenverachtend muss jemand sein, um DAS zu forden?

    • 9G
      94795 (Profil gelöscht)
      @Almuth Wessel:

      Geht völlig am Thema vorbei.

      Es geht hier nicht um Sie sondern um Zwangsprostituierte die von mafiösen Zuhältern unter Ausübung von Gewalt zum Geschlechtsverkehr genötigt werden.

      • @94795 (Profil gelöscht):

        "Geht völlig am Thema vorbei."

        Was für eine anmaßende Antwort gegenüber einer Betroffenen, wenn man selbst nur mit Halbwissen operiert!

        In Wirklichkeit IST Zwangsprostitution doch längst verboten und das Verbot strafrechtlich bewehrt. Dafür braucht es kein neues Gesetz.

        Die Zusatzwirkung des "nordischen Modells" wäre, dass auch die Annahme jeder anderen Form von Sexarbeit erstmal generell unter Strafe zu stellen wäre - also genau Alles, was freiwillig und . Das würde im Zweifel auch Menschen wie Frau Wessel betreffen, denn die Annahme von Sexualassistenz erlaubt zu lassen, wäre genau das, was die heute legale - freiwillige - Prostution für die Zwangsprostitution sein kann: Eine geeignete Fassade. Ähnliches gilt für Massagesalons, SM-Studios, Begleitservice etc..

        Ich kann mir zwar vorstellen, dass man mit ärztlichen Verschreibungen etc. die Sexualassistenz von der getarnten gewöhnlichen Prostitution trennen könnte, aber damit ist es eventuell nicht getan. Denn das Stigma bleibt, und ob man von Sexualassistenz allein leben kann, bin ich mir nicht sicher.

        @Almuth Wessel: Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen - können Sie dazu etwas sagen?

        • @Normalo:

          Ich bin erst seit einem knappen Jahr in Sachen Sexualassistenz unterwegs. Aber es ist schwierig, in den Einrichtungen die nötige Akzeptanz aufzubauen. Zumindest in den Einrichtungen des Diakonischen Werks - in katholischen Heimen geht man wesentlich pragmatischer mit dem Thema um. Der Löwenanteil meiner Klienten lebt aber noch in den eigenen vier Wänden und wird von einem privaten Pflegedienst versorgt. Zur Zeit komme ich auf zwei bis drei Termine im Monat - und bin dafür teilweise mehr als eine Stunde unterwegs - also ist es schon fast ein Zusatzgeschäft - auch wenn ich bei weiterere Anreise ein Fahrtkostenpauschale in Rechnung stelle. Kleine Anekdote am Rande: ich wurde von einem Pflegedienst an einen alten Herrn vermittelt, der über neunzig ist und kaum noch aus seiner Dachgeschosswohnung herauskommt, weil er ohne fremde Hilfe die Treppe nicht schafft. Nach meinem ersten Besuch dort bekam ich eines Tages einen Anruf von der Tochter dieses alten Herrn: "Mein Vater ist immer noch hell begeistert von Ihrem Besuch - wann kommen Sie wieder?" Ich muss dazu anmerken, dass die Dame in der Schweiz lebt - dort gibt es schon seit Jahrzehnten den ehrenwerten Stand der Berufsberührerinnen. Und die machen eigentlich dasselbe wie ich - nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht unter irgendein total praxisfernes Prostituierten"Schutz" gesetz und unter total antiquierte Sperrbezirksverordnungen fallen. Meine ersten Kontakte wurden mir übrigens über eine Agentur in Hamburg vermittelt, die sich auf Sexualassistenz spezialisiert hatte - aber die hat leider ihren Betrieb eingestellt, weil der Löwenanteil der Damen die dort gelistet waren, sich nicht zwangsregistrieren lassen wollten...

  • Die moderne Prüderie greift um sich.

    Empfehlenswert: die entsprechende Folge der dänischen Politserie Borgen.



    Die veranschaulicht das Thema sehr gut.

    • @J_CGN:

      Prostitution nicht gut zu finden, hat nichts mit Prüderie zu tun - im Gegenteil. Sex sollte keine Ware sein.

      • @resto:

        Natürlich kommt man bei einem sexuellen Kontakt dem Betreffenden sehr nahe - und wenn man öfters mit ihm zu tun hat, stellt sich auch eine gewisse Vertrautheit ein. Was aber die Intimität von Sex an sich betrifft - da muss mal wieder mein Lieblingsbeispiel herhalten: gesetzt den Fall, eine junge Frau verschwindet in der Disco mit einer Zufallsbekanntschaft zu einem 10-Minuten-Quickie auf der Toilette.. wie intim ist DAS denn? Und vor allem: was sagt die liebe Umwelt dazu? In der Regel wird mensch doch sagen, dass man in diesem Punkte jeden nach seiner Fasson selig werden lassen solle. ABER: sobald die betreffende junge Dame die Hand aufhält und zu dem betreffenden Herrn sagt: "50 Öcken bar auf Tatze - oder es passiert GAR NICHTS.."- da mutiert sie in den Augen der Verfechter*innen des Sexkaufverbots ruckzuck zum armen Opfer, die das "ganz bestimmt nicht freiwillig macht." Oder anderes Beispiel: ein Ehemann alter Schule kommt am Freitag Abend angeschickert vom Kegelabend nach Hause und fodert von seiner Frau seine "ehelichen Rechte" ein (gibts!) Und die fügt sich mehr oder minder widerwillig mit dem Gedanken: "tu ich ihm den Gefallen, sonst ist er wieder das ganze Wochenende schlechter Laune..:" na also bitte: wie intim ist DAS DENN?

      • @resto:

        Sex ist eh keine Ware, aber er kann eine Dienstleistung sein - so wie Kloputzen, Altenpflege, Strafverteidigung, Möbelpacken...

        Es gibt viele Berufe, von denen viele Menschen aus den verschiedensten Gründen - mit oder ohne Naserümpfen - sagen würden, dass sie DAS aber nie könnten. Trotzdem gibt iene Nachfrage danach und auch immer wieder ANDERE Menschen, die damit kein Problem haben oder zumindest finden, dass das Geld gut genug ist, um sich den Tort anzutun. Warum soll das bei Sex anders sein?

        Anders gefragt: Was macht Sex so besonders, dass man Ihrer Ansicht dazu ein so tief emotionales/ moralisiertes Verhältnis haben MUSS, dass so eine pauschale Aussage wie Ihre gerechtfertigt ist?

      • 0G
        06137 (Profil gelöscht)
        @resto:

        Ist Ansichtssache. Warum nicht?

      • @resto:

        Warum nicht?