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Enttäuschendes KlimakabinettDie Streiks müssen weitergehen

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Zu spät, zu niedrig, zu unklar. Die Beschlüsse des Klimakabinetts sind ein Anfang, aber bringen kaum Perspektive für die Zukunft.

Während das Kabinett seinen Beschluss öffentlich machte, streikten in Berlin und weltweit Millionen Menschen fürs Klima Foto: dpa

V ergleicht man die aktuellen Beschlüsse des Klimakabinetts mit dem, was noch vor einem Jahr klimapolitisch für möglich gehalten wurde, ist durchaus ein Fortschritt zu sehen: Über einen Preis auf CO2 wollte die Union damals noch nicht mal reden, Milliarden-Investitionen in umweltfreundliche Infrastruktur galten als ausgeschlossen, und selbst für die von allen Seiten gewünschte Förderung für die Dämmung von Wohnhäusern fand sich keine Mehrheit.

Ein Jahr später hat sich die Debatte gedreht. Die Klima­krise ist das dominierende politische Thema. Getrieben von Schüler*innen, die seit knapp einem Jahr auf die Straße gehen, und von Umfragen, in denen eine breite Mehrheit für entschiedenen Klimaschutz plädiert, konnten Union und SPD das Thema nicht weiter ignorieren. Das zumindest ist ein Erfolg für die neue Klima­bewegung, die mit dem weltweiten Streik am Freitag einen neuen Höhepunkt erlebte.

Doch damit enden die guten Nachrichten leider auch schon. Denn der Vergleichsmaßstab für die aktuellen Beschlüsse ist nicht, was vor einem Jahr denkbar schien. Sondern das, was zum Erreichen der Pariser Klimaziele notwendig wäre. Und da fällt das Urteil leider vernichtend aus.

Die Vorschläge, die die Groko in ihrer Nachtsitzung ausgearbeitet hat, reichen nicht mal ansatzweise aus, um Deutschland auf einen Kurs zu bringen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang steht.

Der Kompromiss macht sprachlos

Denn die Regierung hat zwar einige sinnvolle Einzelmaßnahmen wie billigere Bahntickets und höhere Zuschüsse für Elektroautos verabschiedet. Doch bei den großen Stellschrauben haben Union und SPD komplett versagt. Weil die Union das Wort „Steuer“ um jeden Preis verhindern wollte, kommt der Einstieg in die CO2-Bepreisung in Form des weitaus komplizierteren Emissionshandels.

Aber vor allem kommt der CO2-Preis so spät, so niedrig und mit einer so unklaren Zukunftsperspektive, dass die Wirksamkeit dieses eigentlich richtigen Instruments gegen null tendieren wird. Dass die SPD diese Katastrophe auch noch als gelungenen Kompromiss verkauft, macht nur noch sprachlos.

Fridays for Weltklima

In diesen Tagen dreht sich alles ums Klima. Aus dem einsamen Protest von Greta Thunberg in Stockholm ist eine globale Bewegung geworden. Sie ruft zum weltweiten Streik auf. Am 20. September protestiert „Fridays For Future“ in 400 deutschen Städten, weltweit soll es 2.000 Aktionen in 120 Ländern geben. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung die Weichen für eine strengere Klimapolitik.

Die taz ist Teil der Kampagne „Covering Climate Now“. Mehr als 200 Medien weltweit setzen bis zum UN-Klimagipfel vom 21. bis 23. September in New York gemeinsam genau ein Thema: Klima, Klima, Klima.

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Zudem fehlt ein klares Verfahren, wie die Einhaltung der Ziele überwacht und bei drohender Verfehlung nachgesteuert wird. Denn das ist das Kernproblem jeder Klimapolitik: große Ziele, kleine Umsetzung. Dass das Klimakabinett diese Aufgabe selbst übernehmen will, lässt Schlimmes ahnen. Denn schon bisher hat es sich gern mal der Realität verweigert, wie das aktuelle Klimakonzept beweist.

Mit diesem Paket bis 2030 die nötigen 300 Millionen Tonnen CO2 im Jahr zu sparen, ist praktisch ausgeschlossen. Und selbst wenn das durch ein Wunder doch gelingen sollte, wäre das Ziel noch lange nicht erreicht. Denn das deutsche Klimaziel ist längst überholt; um mit Paris im Einklang stehen, müsste etwa 1,5 mal so viel CO2 eingespart werden. Doch obwohl sich die Regierung in ihrem aktuellen Papier zum globalen 1,5-Grad-Ziel bekennt, weigert sie sich bisher, die deutschen Emissionsziele entsprechend anzupassen.

Für die Klimabewegung können die aktuellen Klima-Beschlüsse darum nur ein Ansporn sein, weiterzumachen. Die Themensetzung und die Rhetorik haben die Proteste immerhin schon verändert. Wenn der Druck von der Straße im nächsten Jahr so weitergeht, wird daraus ja vielleicht auch noch reale Klimapolitik. Das wäre auch dringend nötig.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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15 Kommentare

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  • Quelle surprise!

  • Diese Beschlüsse sind auch eine klare Ansage an die junge Generation im Sinne von "wir wissen zwar, dass wir dringend handeln müssten, aber wir sind nicht bereit, auf irgend etwas zu verzichten". (SUV fahren, 3x im Jahr in den Urlaub fliegen, jeden Tag ordentlich Fleisch auf dem Teller). "Wie es dann hier aussieht, wenn wir mal abtreten, wissen wir nicht, da müsst ihr halt gucken." Die Proteste müssen nicht nur weitergehen, sie müssen eigentlich auch noch viel radikaler werden!

  • Über das Emissionsziel für 2020 redet schon niemand mehr ... das wäre doch der Maßstab für ein Aktionsprogramm gewesen - oder notfalls, eine davon ausgehende Linie in den nächsten Jahren zu erreichen und die 2020 überschüssigen Emissionen wieder auszugleichen.

  • Der Berg kreißte und gebar noch nicht mal eine Maus. Darum - anders machen. www.gemeinsameinfachmachen.de versucht das. Bitte mitmachen! :-)

  • Die versammelte Klimawissenschaft hat ihr Urteil bereits kundgetan, selbst Kommentatoren des Deutschlandfunks, für ihre Nüchternheit bekannt, sind entsetzt. Die Bevölkerung ist nicht so dämlich, dass sie diese Trumpsche Dimension von Faulheit und Unfähigkeit der Politik noch toleriert.



    Das von Merkel, Scholz und Söder zu verantwortende Nichtstun ist ein derart destruktiver Akt, dass ich mich in der Geschichte der Bundesrepublik an kaum etwas erinnern kann, was ähnliche katastrophale Folgen mit sich gebracht hätte (die in den 50er Jahren verpeilte deutsche Einheit samt Aufrüstung vielleicht). Söder blockiert sogar Windkraft in Bayern.



    Damit hat diese Regierung auf der ganzen Linie abgewirtschaftet; die Umweltministerin sollte jetzt zurücktreten, um das bisschen Ehre, was ihr noch bleibt, zu retten.



    Klar - vor diesen Beschlüssen lief alles darauf hinaus, die Talentshow der SPD noch etwas laufen zu lassen, um dann eine Halbzeitbilanz zu erstellen: Das hat sich jetzt erledigt.

  • Das Thema Klima ist so alt dass man politisch notwendige Naßnahmen nicht ad-hoc in einer Nachtsitzung klären muss. Da sollte man sich schon Zeit nehmen. Denn sonst kommen solche "Klimaschutzprogramme" raus. Ein Programm das nur Kasse macht und keine Lenkwirkung zeigt. Ein bisschen Mehrwertsteuer da rauf und dort runter. Ich hätte zumindest erwartet dass die Diesel- und Kerosinsubvention eingestellt wird, die Dienstwagensubvention überprüft wird, ein Tempolimit kommt und Fleischfabriken verboten werden.

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Bezeichnend, laut den DLF-Nachrichten stiegen die Börsenwerte der Auto- und Energieindustrie nach der Verkündung des Reförmchens.



    De facto werden die Autofahrer gepampert mit Abwrackprämien und Pendlerpauschale und die Agrar- und Tierindustrie wird überhaupt nicht angetastet. Die Proteste müssen weiter gehen, Extinction Rebellion legen im Oktober nach.

  • Bislang - bislang... höre ich immer nur Preiserhöhung und Pendlernachlass, für die meisten wird's wohl bei Pauschalen bleiben, ergo, nix davon (Entlastungen) haben. Naja, wie im SF - Reiche haben alles, die gemeinen m/w/d "verbrennen". Ich freue mich schon auf die nächsten Wahlen.

  • "Mit diesem Paket bis 2030 die nötigen 300 Millionen Tonnen CO2 im Jahr zu sparen, ist praktisch ausgeschlossen."

    Und nicht nur das! Die zusätzlichen Investitionen, der Auf- und Ausbau der erforderlichen Infrastrukturen wird mit zusätzlichen CO2 Emissionen einher gehen. (Gegenwartsenergiemix) und auch die "energetische Gebäudesanierung", wird mit zusätzlichen CO2-Emissionen einher gehen.

    Und das beste zum Schluss: Die CO2 Emissionen des Straßenverkehrs werden ansteigen, weil laut EU-Kommission die Einhaltung der zulässigen CO2 Grenzwerte voraussichtlich erst ab 2030 geprüft werden kann und E-Mobile als "klimaneutral" gelten.

    Es sind für die nächsten 10 Jahre nicht einmal mehr Software-Manipulationen nötig, weil, man hat "klimaneutrale" E-Mobile um die Grenzwerte runter rechnen zu können.

  • Die CDU habe ich noch nie gewählt. Die SPD ist heute für mich auch unwählbar geworden.

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @Haggi:

      Nachtrag: schon deshalb müsste die SPD aus Selbsterhaltungstrieb die Groko erlassen.

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @Haggi:

      Die Schlimmsten sind Scheuer, Altmeier und die Klöckner, aber offenbar war die gar nicht mit am Tisch, oder?!



      Ich glaube, gegen dieses Trio Infernale kommen die SPDler kaum an.

      • 6G
        64984 (Profil gelöscht)
        @93559 (Profil gelöscht):

        Wäre für die SPD ganz einfach, gegen die anzukommen. Sie müssten einfach nur stur sein und sagen „Sonst gehen wir aus der Koalition raus“

        Und das dann auch machen.

        Die Prozentzahlen würden ziemlich nach oben schnellen, wenn die Menschen sehen, dass die SPD wirklich für etwas steht. Hat man ja damals bei Schulz gesehen.

        Aber eine Partei, die für nichts steht außer für ihre Posten und die paritätische Krankenversicherung, die kommt selbst gegen eine solche Nullnummer wie Scheuer nicht an.

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @Haggi:

      +2