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SPD-Kritik an Kramp-KarrenbauerArglistige Täuschung

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die SPD macht Front gegen die Forderungen der neuen Verteidigungsministerin. Tatsächlich jedoch trägt sie höhere deutsche Militärausgaben mit.

Folgt dem schwarz-roten Koalitionsvertrag: Annegret Kramp-Karrenbauer will mehr Geld fürs Militär Foto: dpa

D ie SPD überschlägt sich geradezu vor Empörung: Gerade erst ins Amt der Verteidigungsministerin befördert, fordert CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon mehr Geld fürs Militär! Wie kann sie nur? Eigentlich eine gute und berechtigte Frage. Allerdings müssten sozialdemokratische PolitikerInnen die Antwort nur allzu gut kennen. Ihre Partei hat schließlich genau das leider mit der Union verabredet.

Der vermeintliche Vorstoß Kramp-Karrenbauers ist bei Lichte betrachtet gar keiner. Die CDU-Vorsitzende hat vielmehr nur bekräftigt, was auch ihre Vorgängerin unablässig propagiert hat – und was auch bisher schon Regierungspolitik ist. Die „Kritik“ der SPD an ihren Äußerungen ist daher eine bloße Nebelbombe.

Auch wenn sich die GenossInnen alle Mühe geben, es zu camouflieren: Kramp-Karrenbauer hat recht, wenn sie feststellt, die schwarz-rote Bundesregierung habe dem Nato-Ziel, die Militärausgaben bis 2024 in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, eine „klare Zusage gegeben“. Wer es genau wissen will: Das war 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales, noch während der Obama-Ära – und gilt bis heute. Das Zwei-Prozent-Ziel ist also keine Erfindung Trumps.

Es führt denn auch in die Irre, wenn SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil jetzt vollmundig verkündet, mit seiner Partei werde es „keine Aufrüstung nach den Wünschen von Trump geben“. Das ist nichts weiter als der ziemlich durchschaubare Versuch, einen falschen Eindruck zu erwecken. Denn damit sagt Klingbeil mitnichten, dass seine Partei für Abrüstung steht. Er tut nur so.

Steht im Koalitionsvertrag

„Wir halten am Zwei-Prozent-Ziel fest“, verkündete Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Ursula von der Leyen auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. „Verbindlich“ werde Deutschland „dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der Nato folgen“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag verklausuliert – womit nichts anderes gemeint ist, als die Militärausgaben in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels weiter zu steigern. Konkret sollen sie bis 2024 erst mal auf 1,5 Prozent steigen. So hat es Kanzlerin Angela Merkel angekündigt, ebenfalls auf der Münchner Sicherheitskonferenz – und ohne sozialdemokratischen Widerspruch.

Und das ist das Problem. Die Aufregung führender Politiker wie Klingbeil oder Interimsparteichef Thorsten Schäfer-Gümbel über die aktuellen Äußerungen Kramp-Karrenbauers ist folgenlose Großmaulerei. Wer einerseits behauptet, mit ihm sei Aufrüstung „nicht zu machen“, andererseits stetig steigende Militärausgaben mitträgt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Seit dem Regierungseintritt der SPD 2013 hat sich der Verteidigungsetat von 33,3 Milliarden Euro auf 43,9 Milliarden Euro in diesem Haushaltsjahr erhöht. Das ist die traurige Realität, alles andere wohlfeiles Geschwätz.

Die Bundesrepublik braucht keine teuren Aufrüstungsfantasien, sondern eine aktive Friedenspolitik. Die deutschen Militärausgaben sind jetzt schon aberwitzig hoch. Zu skandalisieren, dass sie noch weiter steigen sollen, ist völlig berechtigt. Den bloßen Anschein zu erwecken, dagegen zu sein, ist jedoch eine arglistige Täuschung. Helfen wird das der SPD nicht. Lernt sie eigentlich nie aus ihren Fehlern?

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • Arglistige Täuschung ist der Kommentar des Autors. Die SPD will sich an die Vereinbarungen innerhalb der Koaltion zur Höhe der Ausgaben halten, AKK will mehr, sie will in Richtung 67 Millionen gehen. Was sie damit veranstalten will, sagt sie nicht. Aber erstmal rumposaunen, dass sie mehr Geld will. Und die taz hat nichts anderes im Sinn, als diejenigen zu kritisieren, die nicht an dieser Rüstungsspirale mitdrehen wollen. Es ist nun mal Trump, der massiv auf die 2% drängt.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Adalbert:

      Sorry, aber die SPD dreht doch an der Spirale kräftig mit – und ist sogar noch stolz darauf. Das mag Ihnen nicht passen, ist aber leider die Realität. Wenn Sie es nicht glauben, dann hören Sie sich doch die gestrige Bundestagsrede des verteidigungspolitischen Sprechers Fritz Felgentreu an: „(…) Wir haben in der Koalition eine klare Vereinbarung, bis 2024 eine NATO-Quote von 1,5 Prozent zu erreichen. Darüber hinaus könnte heute keine Koalition seriös planen. (...) Erst seit die SPD wieder regiert, unternimmt dieses Land Jahr für Jahr größere Anstrengungen für Sicherheit und Verteidigung. (…) Seit die SPD regiert, haben wir einen Aufwuchs des Etats um fast 40 Prozent erreicht. Im Haushalt 2019, für den Olaf Scholz verantwortlich zeichnet, haben wir einen Anstieg von 12 Prozent. Kein Finanzminister der Union hätte das geschafft. Und wir werden weiter nicht lockerlassen, um die Bundeswehr wieder dahin zu bringen, wo dieses Land sie braucht. (…)“

      • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
        @Pascal Beucker:

        In seiner Zielsetzung ist Felgentreu damit deckungsleich mit AKK, die dazu gestern sagte: „Wenn die Bundeswehr die Fähigkeiten zeigen soll, die wir von ihr verlangen und die wir erwarten, dann muss der Verteidigungshaushalt weiter ansteigen, dann brauchen wir 1,5 Prozent in 2024 und dann brauchen wir einen verlässlich stetig wachsenden Pfad bis dorthin.“

  • Richtig! Die SPD tut hier mal wieder nur so, als ob sie täte und macht sich mal wieder mehr als flüssig - nämlich überflüssig

  • Und Werter Pascal Beucker, wie üben wir jetzt unser Widerrufsrecht gegenüber dieser "Partei" aus?

    Was im Kommentar fehlt ist der Hinweis darauf dass um das 2% "Ziel" zu erreichen, nochmal mindestens 23,3 Milliarden Euro mehr für den Verteididungshaushalt nötig sind, denn mit den Zahlen von 2018 arbeitend von destatis, ẃären 67.720.000.000 € die 2 Prozent des Volkseinkommens.

    Das ohne auch nur einen Feind in Sicht noch wieder in die Bundeswehr anstatt in die Umwandlung der Umverteilung die seit Jahrzehnten in die falsche Richtung geht, zu stecken ist nicht hinnehmbar.

  • 2% für die "Bundeswehr" oder 2% als Verteidigungsetat & Natobetrag?



    .



    That is the question!



    .



    Wer sich die recht kreative Buchführung in diesem Bereich der anderen Natopartner so anschaut könnte auf die IDEE kommen....



    .



    ...unsere Verteidigungspolitiker sind einfach zu wenig "kreativ"!



    .



    Wir kommen locker auf/über den Prozentsatz, wenn man "Friedenserhaltende Maßnahmen & Kollateralschäden abfangen" einfach MIT in den "Verteidigungs"-Haushalt einrechnet!



    .



    Dazu gehörten mMn. "Erhöhter Sicherheitsaufwand im Inland" (Flug, Veranstaltungen usw.) Notfallintervention usw. bei Flüchtlingen& Asyl suchenden usw, usw.



    .



    Da kommen wir locker weit HÖHER als 2%.



    .



    Wenn man sich dort am "Größten Freund westl. des Atlantiks", bzw an Nachbarn in der Nordsee. in Europa orientieren" die ohne wenn & aber Eigen & Nato Interessen durcheinander werfen...



    ... sind wir doch auf der "sicheren" Seite!



    .



    Gr Sikasuu

  • Was genau wurde eigentlich auf dem auf dem Nato-Gipfel in Wales 2014 beschlossen? Weshalb? Und von wem?



    Über das Budget entscheidet in Deutschland der Bundestag, nicht die Regierung, und schon gar nicht die Verteidigungsministerin auf irgendwelchen Tagungen im Ausland ...



    Weshalb lassen wir uns eigentliche eine Diskussion über abstrakte Ausgabenziele (was für ein denkwürdiges Wort!) aufzwingen, anstatt über Ziele und Inhalte zu sprechen? Gegen welche Bedrohung schützt uns die Bundeswehr, was braucht sie, um das zu können, und was kostet das?

  • Ich habe beim Überfliegen der TAZ nur gelesen: Arglistige Täuschung und SPD und dachte gleich, typisch, links blinken um dann volle Kanne rechts zu fahren. Wann hört diese SPD Trickserei und Wählertäuschung endlich auf? Wann?



    Da labern SPD Politiker im Bundestag über Menschenrechte und ähnliches um anschließend ihre Pfoten für das Ausländerabschiebe – Gesetz zu heben. Ein Gesetz das erlaubt, Menschen die vor Krieg und Vertreibung geflüchtet sind, in Gefängnisse einzusperren, das erlaubt Kinder einzusperren, bei Säuglinge soll es lt. Horsthofer Ausnahmen in sog. Härtefallreglungen geben.



    Ein solches herzloses Gebaren gegenüber Menschen betreibt selbst Donald Trump in den USA nicht. Aber die SPD trägt sowas in Deutschland mit. Es ist einfach unglaublich!

  • "Das Zwei-Prozent-Ziel ist also keine Erfindung Trumps."

    Stimmt. Und es war von Anfang an absurd. Es ist Schwachsinn, die Militärausgaben auf einen festen Satz des BIP festzulegen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Der Prozentsatz ist ja nur ein - gar nicht mal so abwegiger - Maßstab, um bei der Bemessung der Bündnisverpflichtungen die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes in die Relation zu nehmen. Schließlich gilt es bei der NATO, so unterschiedlich große und unterschiedlich reiche Länder wie z. B. die Türkei und Luxemburg unter einen Hut zu bringen.

      Das ein Bündnis dauerhaft nicht trägt, wenn jedes Land seinen Beitrag nach Gutdünken bemisst, sollte klar sein: Irgendwann geht das stärkste Land hin, wählt sich einen populistischen Trompeter als Chef und beansprucht hegemoniale Macht über den Rest des Bündnisses (sie können selber wählen, ob Sie diesen Allgemeinplatz als auf die NATO oder den Warschauer Pakt gemünzt verstehen wollen...).

      • @Normalo:

        Maßstab muss die Bedrohungslage sein.

        Es ist absurd, festzulegen, dass eine gut laufende Wirtschaft einen Zwang zur Aufrüstung schafft.

        Wie Sie hier: de.statista.com/st...-militaerausgaben/

        nachlesen können, geben aktuell allein die großen europäischen Länder mehr als das Dreifache des potentiellen Gegners Russland aus. Und das soll nicht reichen, um eine Streitmacht zu unterhalten, die Europa verteidigen kann? Das Problem ist, dass es nicht um Verteidigung geht. Es geht um imperiale Großmachtpolitik.

        "Irgendwann geht das stärkste Land hin, wählt sich einen populistischen Trompeter als Chef und beansprucht hegemoniale Macht über den Rest des Bündnisses..."

        Bleiben wir beim aktuellen Bündnis. Die USA beanspruchen die Hegemonie seit der Gründung der NATO. Egal wer Präsident ist. Das war von Anfang an der Sinn der NATO.