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Arbeitsbedingungen von PaketbotInnen60 Kilo Hundefutter in den 5.Stock

Viele PaketbotInnen ackern schwer, weil KundInnen eine schnelle und kostenlose Lieferung erwarten. Zwei Zusteller erzählen.

Wer die Zustellmenge nicht schafft und nach Dienstschluss Pakete zurückbringt, gilt schnell als Loser Foto: dpa

Hochhäuser können ein Albtraum sein. Zum Beispiel dieser Gebäudekomplex aus fünf sechsstöckigen Blocks in der Nähe von Stuttgart, ein Klingelschild mit 30 Namen an der Tür. „Das Hochhaus soll man eigentlich in fünf Minuten schaffen. Ich brauchte dort aber eine halbe Stunde“, erzählt Lars Meyer.

Der 23-Jährige arbeitete einige Monate für die Deutsche Post als Brief- und Paketbote in der Region um Stuttgart. Nie wieder würde er heute einen solchen Job machen, sagt Meyer. Er heißt in Wirklichkeit anders, will aber seinen Namen lieber nicht im Netz lesen, denn künftige Arbeitgeber googeln heutzutage die Namen ihrer Bewerber, und da will man sich nichts verbauen. Heute jobbt Meyer neben seinem Studium in einer Fabrik am Band. Das ist auch Akkordarbeit. „Aber da habe ich nicht das Gefühl, überfordert zu sein“, sagt Meyer.

Als Zusteller bei der Post war er verantwortlich für ein paar Kisten mit Briefen und vor allem für 100 bis 200 Pakete pro Schicht, die möglichst in knapp acht Stunden ausgeliefert werden sollten. „Die Angst, es nicht zu schaffen in einer Schicht, die war am schlimmsten“, erzählt Meyer. Er hat von Kollegen gehört, die zu Beginn einer Schicht angesichts des Paketberges in Weinkrämpfe ausbrachen, weil sie wussten, sie würden es nicht schaffen.

Rund 13 Euro brutto verdiente er in der Stunde, nicht schlecht für einen Job, für den man keine Ausbildung, nur einen Führerschein braucht. „Aber es wurde stillschweigend erwartet, dass man länger arbeitet, auch mit unbezahlten Überstunden, bis alles ausgeliefert war“, schildert er. Einmal sei er 13 Stunden unterwegs gewesen, bis in den Abend hinein. Etwa 30 Prozent der Pakete in seinem Laderaum stammten von Amazon. „Pakete von Amazon Prime sollten wir auf keinen Fall zurückbringen“, sagt Meyer.

Paketlieferanten und -lieferantinnen sind das neue Dienstleistungs­proletariat, sie erleben die Kehrseite eines Onlinehandels, der verwöhnten KundInnen möglichst „kostenlose“ und möglichst schnelle Lieferung verspricht. „Die Einhaltung des Lieferversprechens ist uns wichtig“, sagt Nadiya Lubnina, Sprecherin bei Amazon. Wie genau eine „kostenlose“ Lieferung über Amazon finanziert wird, darüber gibt das Unternehmen keine Auskunft.

Die Kunden sind bequemer und anspruchsvoller geworden

Anna Montasser, Sprecherin des BVOH

„Die Kunden sind bequemer und anspruchsvoller geworden, und das ist auch durch Amazon gekommen“, meint Anna Montasser, Sprecherin des Bundesverbandes Onlinehandel (BVOH), „aber es gibt keine ‚kostenlose‘ Lieferung, es ist alles irgendwo eingepreist“. Amazon handelt als Großversender bei den Zustelldiensten hohe Rabatte aus.

Der gezahlte Preis pro Amazon-Sendung für die Paketdienste läge inzwischen bei etwa 2 Euro, sagt Andreas Schumann, Vorsitzender des Branchenverbandes BdKEP. Der Preisdruck wird an die Boten weitergegeben. Neue Daten aus einer Befragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen, dass Erwerbstätige in Logistikberufen überdurchschnittlich oft „an der Grenze der Leistungsfähigkeit“ arbeiten.

„Eine Sendung darf bis zu 30 Kilo wiegen“, erzählt Meyer, „zwei Sendungen dürfen also 60 Kilo schwer sein.“ Hundefutter zum Beispiel ist beliebt. Wenn Kunden, die im fünften Stock Altbau ohne Aufzug wohnen, dann zwei Pakete Hundefutter à 30 Kilo bestellt haben, muss das Zeug mithilfe der Sackkarre, die mit Gleitschienen ausgestattet ist, über die Treppen mühsam nach oben gehievt werden.

ZustellerInnen brauchen starke Nerven

Wer auf die Idee kommt, einfach nur eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten zu schmeißen und die Pakete lediglich bei der Postfiliale abzuliefern, riskiert Beschwerden. „Mir fuhr auch mal die Personalchefin unauffällig hinterher, um mich zu überwachen“, schildert Meyer.

Der Stress auf der letzten Meile der Zustellung fängt mit dem Halteproblem an. Gelobt seien Kundenparkplätze von Supermärkten, breite Hauseinfahrten oder mehrspurige Straßen mit wenig Verkehr. Oft gibt es das nicht. Die Zusteller und auch die – wenigen – Zustellerinnen sind auf ihre starken Nerven angewiesen, um ihre Kastenwagen oder Sprinter sonst wo zu parken und zu riskieren, von AutofahrerInnen, RadfahrerInnen oder PassantInnen wüst beschimpft zu werden.

„Ich habe mich in absolute Halteverbote, auf Bürgersteige, vor Einfahrten gestellt, was ich als Privatmann nicht machen würde“, erzählt Meyer. Irgendwelche Sondergenehmigungen haben die Postfahrzeuge nicht. Die Ordnungshüter drücken oft ein Auge zu, es sei denn, das Lieferauto steht vor einer Feuerwehrzufahrt.

Der Branchenverband BIEK hat eine Initiative gestartet ‚Liefern lieber in der ersten Reihe‘. „Wir fordern, dass die Straßenverkehrsordnung um ein Verkehrszeichen ‚Ladezone‘ ergänzt wird – analog zum Taxistand und ausschließlich für gewerbliche Be- und Entladevorgänge“, berichtet Verbandssprecherin Elena Marcus-Engelhardt.

Die ZustellerInnen gelten schnell als Loser

„Wenn man die Touren kennt, weiß man, wo man sich hinstellen kann“, sagt Meyer. Es gibt noch anderes kostbares Wissen: Wer die Touren kennt, weiß, wo die willigen NachbarInnen wohnen, die Pakete anderer annehmen. Und wo nicht. Meyer: „Es gibt Straßenzüge, wo keiner für den andern eine Sendung akzeptiert.“

Der Traum eines Zustellers sind Touren mit ausreichend Halteplätzen, nachbarschaftlich orientierten RentnerInnen und möglichst vielen „Ablageverträgen“ mit den Haushalten, also Genehmigungen, ein Paket irgendwo hinterm Gartentor oder auf der Terrasse abzustellen.

Was macht die Politik?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will per Gesetz eine „Nachunternehmerhaftung“ in der Paketbranche einführen. Dann würden etwa Paketdienste wie Hermes dafür haften, dass ihre Subunternehmer für ihre Angestellten korrekt Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Union ist angesichts dieses Plans gespalten.

Das Heil’sche Gesetz würde vor allem die Paketdienste DPD, Hermes und GLS treffen, die hauptsächlich mit Subunternehmern arbeiten. Die DHL (Deutsche Post) arbeitet größtenteils mit direkt angestellten FahrerInnen.

Der Marktanteil an Paketlieferungen für EndverbraucherInnen beträgt von DHL 57 Prozent, von Hermes 30 Prozent, von DPD sieben Prozent. Amazon baut ein eigenes Zustellunternehmen auf, der Marktanteil beträgt derzeit fünf Prozent (Quelle: BdKEP).

230.000 Menschen arbeiten laut Verband BIEK in der Kurier-, Express- und Paketbranche. Die Entgelte für Paketboten sind laut Statistik zuletzt sogar etwas gesunken. Auch die Erlöse pro Sendung für die Zustelldienste gingen leicht zurück, ein Zeichen für einen harten Wettbewerb. 2019 werden schätzungsweise 3,6 Milliarden Sendungen in Deutschland zugestellt. (BD)

Wer nach Schichtende viele Pakete zurückbringt, weil er die Zustellmenge nicht geschafft hat, gilt schnell als Loser, zumal der Kollege von der nächsten Schicht die Fracht übernehmen muss. „Da herrscht Konkurrenzkampf, es gibt auch Mobbing“, sagt Mayer.

Das A und O ist die Zahl der Pakete, die zu Beginn der Schicht am Morgen an der Zustellbasis ins Fahrzeug geladen wird. „Die Qualitätsmanager haben da oft unrealistische Vorstellungen“, schildert Herbert Achtfuchs, 47 Jahre alt, der schon seit vielen Jahren im Raum Freiburg für die Deutsche Post als Zusteller arbeitet und auch lieber nicht mit richtigem Namen in der Zeitung stehen will.

Verdi drängt auf unbefristete Verträge

Mengenvorgaben pro Schicht seien schwierig zu bestimmen, denn die Liefersituation ändere sich ständig, erzählt er. „Einmal wartet man vor einem Obi-Baumarkt fünf Minuten, um ein paar Pakete abzugeben, dann aber kann es plötzlich viel länger dauern, weil vor einem noch andere Lieferfahrzeuge abzufertigen sind oder der Angestellte des Baumarkts erst mal nicht auftaucht“.

Im Unterschied zu Meyer macht sich Achtfuchs keinen Stress: „Ich bin der dicke Junge, der nicht mitrennt“, sagt er. Achtfuchs verdient 16 Euro die Stunde, hat einen unbefristeten Vertrag, Kündigungsschutz, jahrzehntelange Unternehmenszugehörigkeit, er war sogar mal im Betriebsrat. „Wir drängen auf unbefristete Verträge, weil sie ganz andere Sicherheiten bieten“, erklärt Sigrun Rauch, Post-Expertin bei Verdi.

Am schlechtesten dran sind die AusfahrerInnen bei kleinen Subunternehmen, die etwa für Hermes oder DPD arbeiten und selbst zu knapp kalkulieren. „Viele Subunternehmer, die keine Erfahrungen haben, nehmen Aufträge an mit zu viel Paketen für zu wenig Geld“, meint Schumann vom BdKEP. Daher kämen die vielen unbezahlten Überstunden und überlangen Schichten zusammen, bis die ganze Lieferung ausgefahren sei.

Die Kundin oder der Kunde scheren sich darum eher nicht, wenn sie das dritte Paar Sneakers, diesmal in Hellblau, oder den billigen Rucksack in Lederoptik aus China ordern. „Die Leute bestellen einfach zu viel“, sagt Paketbote Achtfuchs. Auf seiner Tour begegnen ihm manchmal die KollegInnen von der Müllabfuhr, man kennt sich. „Wir klatschen uns dann ab“, erzählt er, „die Fahrer sagen: Du bringst den Müll, wir holen ihn wieder ab.“

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41 Kommentare

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  • Genau das ist es: Den ganzen Schrott einfach erst gar nicht kaufen. It's that easy!!!

  • Der eigentliche Skandal wird nicht erwähnt. Die Post macht mit den Aushilfen sogenannte Rahmenvertäge, die alle Arbeitnehmerrechte ausschalten. Mutterschutz, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Kranheitsfalle usw. Das Bundesarbeitsgericht hat das gebilligt. Seit 2013 ist das Arbeitsministerium vom der SPD besetzt. Nahles, Barley, Heil. Und was macht die SPD? Nichts. Also nichts gegen die SPD, denn die tut ja nichts, (Zynismus aus). Am 26. Mai 2019 ist Europawahl. Wählen gehen oder Briefwahl beantragen.

  • Es gibt doch "Ladezone"-Schilder, die wurden nur überall nach und nach abmontiert...

  • Mitgefühl mit den Paketdienstlern ist wirklich angebracht. Doch eine Karte in den Briefkasten zu werfen und den Adressaten dazu zu zwingen, sein Paket etwa in der nächsten DHL-Filiale abzuholen, kann nicht der Weg sein, wenn Logistikunternehmen tatsächlich anbieten, die bestellten Waren auch in obere Stockwerke zu liefern. Ich verstehe die Verärgerung von Paketkunden, wenn sie Waren etwa bei DHL abholen sollen, obwohl sie eigentlich zu Hause waren.

  • Liebe verärgerte Besteller und andere Paketempfänger:



    Bloß weil es häufig heißt kostenlose Lieferung und diese nicht auf der Rechnung aufgeführt ist, ist es nicht auch eine.



    Und wir, Ihre Lieferanten, sind diejenigen die das zu einen großen Teil ausbaden dürfen.



    Also sehr geehrte Tierfutter-, Trampolin-, Spülmittelgroßbehälter- , Matratzen- , Fernseher-,Kartoffel-, Bürosessel-, Bonbon-, Kleinmöbel-, Wasserkisten-, Rasenmäher-, Katzenkratzbäume-, Fenster,- Tiefkühlfleisch-, Blumen und Pflanzen-, Weihnachtsbäume-, Schuhe und Bekleidungsbesteller. Einfach mal weniger konsumieren !



    "Witzigerweise sind die meisten Onlinebesteller ja hippe Städter mit Fahrrad die nur im Biosupermarkt shoppen und nur fairtrade-Kaffee /Tee kaufen." Aber irgendwelchen Kram Online in China oder sonstwo bestellen :-) .

    • @Waldo:

      Genau, einfach mal weniger konsumieren. Wenn z.B. nur noch halb soviel bestellt wird haben die geschundenen Zusteller*innen ja schließlich auch nur noch halb so viele Pakte im auszuliefern und damit endlich erträgliche Arbeitsbedingungen. Zumindest so lange bis das Management die geänderte Auftragslage bemerkt und die Hälfte von ihnen entlässt. Die verbliebenen haben dann genau dieselben miesen Bedingungen wie aktuell auch schon und die anderen, dürfen als oftmals Ungelernte darauf hoffen möglichst schnell von Hartz IV in den nächsten Niedrigstlohnsektor zu rutschen, etwa als Erntehelfer*innen in der Landwirtschaft. Aber wir kennen die Lösung dafür ja schon: einfach nicht mehr kaufen.

      Letztlich verfängt das Märchen von Konsumverzicht und vom ethischen Verbrauch so super weil es einerseits den Kund*innen eine Wirkmächtigkeit in Bezug auf die Markt- und Produktionsbedingungen zuschreibt die sie real einfach nicht haben. Das Angebot am Markt ist nicht ausschließlich durch die Nachfrage gesteuert, sondern die Nachfrage auch durch das Angebot. Andererseits bietet der "bewusste" Einkauf dann aber den Distinktionsgewinn als USP, das aber funktioniert nur unter der Prämisse eines konventionellen Marktes als konstitutives Äußeres.



      Der Glaube die Zuständen durch individuelle Askese verbessern zu können, mag sich zwar schön in eine protestantische Ethik einfügen, macht aber eben leider auch die Notwendigkeit einer Kritik und Veränderung auf systemischer Ebene obsolet.

    • @Waldo:

      Und dann starten solche Onlineshopper (auf Nachfrage selbst zugegeben) Petitionen für die Umwandlung von 30-Zonen in Spielstraßen, „weil die Lieferautos den ganzen Tag so herumrasen“. Gerade kürzlich erlebt. Und empfanden den Lösungsvorschlag, ihren Kinderwagen doch mal konsequent den knappen Kilometer bis zur nächsten Abholstation zu schieben, als Zumutung: „Überhaupt keine Zeit dafür“. Da fällt einem nix mehr ein.

      • @Ruhig Blut:

        Ein 30-Liter-Sack Katzenfutter passt sowieso nicht in den Kinderwagen.

  • Wenn das Mobbing wirklich so schlimm wäre , würden mir die Zusteller meine Wäre liefern.



    Erstens bin ich meist im Haus, und nehme Pakete auch für Nachbarn an, zweitens nehmen die Nachbarn auch meine Pakete an, sollte ich mal nicht im Hause sein.



    Trotzdem muss ich mich bei der DHL regelmäßig beschweren, weil die Pakete nicht ankommen, nicht mal wenn es zugesagt wurde, und bei der GLS, isz das Paket fünfmal zitück an den Absender gegangen, bevor sie sich erbarmt haben es zuzustellen, bei der DPD mussten wir das Paket in einem schäbigen Imbiss selber abholen.

    Uhr Zusteller macht eure Arbeit ordentlich, dann dürft ihr jammern

    • @Mutter03:

      Sie haben als 2te Leidtragende der Situation ein Recht auf Beschwerde. Tun Sie das doch bitte bei Ihren kommerziellen Versendern die für ein Paket, Größe Gewicht im allg. egal ,innerhalb der Richtlinien,aktuell für unter 2 € verschicken. Vor ca. 2 Jahren munkelte man etwas von < 1 € p.P. bei Zalando und Amazon mit DHL .

  • Auf seiner Tour begegnen ihm manchmal die KollegInnen von der Müllabfuhr, man kennt sich. „Wir klatschen uns dann ab“, erzählt er, „die Fahrer sagen: Du bringst den Müll, wir holen ihn wieder ab.“



    Wie wahr, wie wahr! ;/



    Ich vermisse hier Kommentare wie Kapitalismus, Freiheit, Wohlstand blablabla. ;)

  • Meine Erfahrung als Empfänger ist eher die: ich wohne im 5. Stock, sage immer schon an der Gegensprechanlage, daß ich ihnen entgegen komme, und treffe sie dann, wenn ich rasch gehe, ganz unten an.

    In unserem Haus nimmt man bereitwillig die Sendungen der Nachbarn an. Dies führt aber nicht selten dazu, daß der DHL-Bote gar nicht erst bei mir klingelt, obwohl ich sicher da war, und lieber alles unten im Vorderhaus abgibt.

    Unbezahlte Überstunden? In der jetzigen Arbeitsmarktlage kann man ohne weiteres sagen, "ich arbeite fleissig und gründlich, aber nicht umsonst". Im nächsten Abschwung wird dies allerdings schwer durchzuhalten sein, wenn man zur Kenntnis nimmt, wieviel Einwanderung es in den Niedriglohnsektor gibt.



    Wundert mich, warum bei den Paketen noch niemand auf eine Frauenquote gekommen ist.

    • @notsocommon:

      " ... und lieber alles unten im Vorderhaus abgibt."

      Bei der wachsenden Bedeutung des Internethandels wäre es langsam angebracht, Paketbriefkästen in Mehrparteienhäusern einzurichten, so selbstverständlich wie Postbriefkästen.



      Sollte jemand keine Ablageverfügung erteilen wollen, die den Fahrer von der Quittung befreit, kann man ja von der Zustellung gleich zugunsten von Abholstationen absehen.

  • Ich hab auch mitgemacht, aber nie mehr. Das ist ein Selbstmordjob. 200 Stops, 12 Stunden unterwegs, 6 tage der Woche, bei einem Subunternehmer, Strafzettel ohne Ende (Falschparker, Einbahnstrassen,"nette" Nachbarn- Anzeigen). Zwischen das Depot und Zustellgebiet sind es meisten auch paar Killometer, in meinem fall waren es 50 km(beiden Richtungen 100, Denivelation auch noch 900 m). Und das alles für 900 Euro monatlich. Vergiss es! Schon damals (2011) hat sich die Zustellmenge jedes neues Jahr mindestens verdoppelt. Mitlerweille nehme ich jedes Paket für meine Nachbarn und gehe lieber einkaufen statt bestellen. GLS, Hermes, DHL und etc. üben eine moderne Sklaverei aus. Und was ist mit den Umweltschaden?! Wie viele Fahrszeuge jeden Tag fahren Pakete aus ? Wieviel davon sind umweltschönend(vllt 1%)?! Fangen wir bald an Pakete zu essen und Diesel zu trinken ?

    • @Octavius Ausländerus:

      Ich habe früher auch alle Pakete aus Mitleid mit den Fahrern angenommen. Scheiß Job. Aber das hat da zu geführt das sie nur noch bei mir geklingelt haben, obwohl die Empfänger zuhause waren. Weil ich im Erdgeschoss wohne. Kann ich nachvollziehen. Aber nachdem ich gelesen habe das die Zustellfirmen einkalkulieren das Nachbarn die Pakete annehmen und so den Fahrern noch mehr Pakete auf Auge Drücken, mache ich das nicht mehr. Die Fahrer tun mir leid, aber das System muss erst kollabieren bevor sich was an den Arbeitsbedingungen ändert. Wahrscheinlich müssen erst ein paar Auslieferer mit Herzinfarkt auf der Treppe zusammenbrechen. Traurig.

      • @Andreas J:

        "Die Fahrer tun mir leid, aber das System muss erst kollabieren bevor sich was an den Arbeitsbedingungen ändert."

        Mit so viel branchenspezifischem Mitgefühl rechne ich erst bei einem Massensterben.



        Eher finde ich, dass verdi die Logistiker mit Streiks angreifen müsste.

        Allerdings bin ich nicht informiert, inwieweit man das schon versucht hat, aber ich schätze, der Organisationsgrad unter den Fahrern ist denkbar niedrig. Und das muss sich natürlich ändern, denn bei hoher Beteiligung hätten Paketboten eine beachtliche und Streikmacht - mehr als die Amazon-Mitarbeiter, die verdi regelmäßig in ihren Lohnforderungen unterstützt.

        • 9G
          91491 (Profil gelöscht)
          @Marzipan:

          Genau ,das ganze System mal für ein paar Tage, durch Streik, zum Stillstand bringen.



          Dann bewegen die sich schon.



          Gab es da nicht mal was bei " South Park " ?

  • In Dänemark gibt es die Lieferung zur Haustür nur gegen Aufpreis. Standard ist die Lieferung an einen Paketshop meist in einem Supermarkt.



    Gutes System wie ich finde, zumal man den Weg sowieso macht, wenn der Postbote während der Arbeitszeit vorbeikam.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Finde ich gut , wusste ich gar nicht.



      Wohne an der dänischen Grenze.

    • @nutzer:

      Die Idee kann ich unterstützen. :)



      Das würde die Zusteller sicherlich entlasten.

      • @Sabrina Klevenow:

        In Dänemark bekommen, wie in den meisten westeuropäischen Staaten mit einem ausgebauten Sozialsystem, behinderte Menschen, die nicht mehr schleppen können, auch ausreichend Geld vom Staat zur Verfügung gestellt, um einen Aufpreis zahlen zu können.

        • 9G
          91491 (Profil gelöscht)
          @Age Krüger:

          Stimmt auch ,da hinkt unser Sozialsystem mächtig hinterher.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Ad 3:

    Um Bei dem Artikel-Aufmacher zu Bleiben. 60 Kilo Hundefutter mit dem ÖPNV vom Einkaufszentrum auf dem flachen Lande und ohne Bus/Bahn-Anschluß gleich um die Ecke;

    da wäre ich froh, gar keinen Hund zu haben ...

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Ad 2:

    Da ja auch und gerade hier bei der taz der Klimawandel -und was dagegen tun- so hochgehalten wird, sei die ketzerische Frage erlaubt:

    Was wäre denn, wenn wir, wir alle, mit unseren SUV's die Innenstädte und die Einkaufszentren besuchen, das Gewünschte hier und da suchen, vergleichen und ggf. kaufen?

    Da scheint mir das Online-Shopping und die Bündelung auf einige "Sprinter" et al. doch wesentlich ökologischer;

    besser natürlich auf E-Sprinter ...

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @90857 (Profil gelöscht):

      Es gibt eine Studie, die die ökologischen Vorzüge des Versandhandels belegt.

      Und das Freiburger Ökoinstitut gab ihr sogar höhere Weihen:

      etailment.de/news/...ltfreundlich-16392

      • @88181 (Profil gelöscht):

        "Es gibt eine Studie, die die ökologischen Vorzüge des Versandhandels belegt."

        Guter und wichtiger Hinweis.



        Internethandel ist - außer für Frischwaren - unter so ziemlich allen Aspekten sinnvoller als stationärer Handel (es sei Konsum ist Freizeitbeschäftigung - Deppenstichwort "Shopping").

        Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Logistik-Arbeiter müssen natürlich angehoben werden.

        Deswegen aber zum stationären Handel zurückzukehren hat was von Weberaufstand: Maschinenstürmung, um die Handarbeitslöhne zu halten.

        Automatisierung bedeutet im Prinzip Fortschritt für alle, auch in Handel und Logistik.

        Das muss nur endlich politisch gestaltet werden, statt empört über private Verweigerungsmöglichkeiten nachzudenken.

        Online-Kunden geben solange den Paketboten bei jeder Zustellung Geld, wie in der Kneipe längst üblich. Nicht als "Trinkgeld", sondern als fixe Ausgleichsabgabe für den eigenen einseitigen Kostenvorteil.

        • 9G
          91491 (Profil gelöscht)
          @Marzipan:

          Konsum ist Freizeitbeschäftigung -Deppenstichwort " Shopping "



          GROSSARTIG !

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Hab' kein SUV. Hey, ich habe nicht mal einen Führerschein.

      Und Amazon... ich habe dort nie was gekauft, und hoffe das auch noch den Rest meines Lebens lang durchziehen zu können.

      Hundefutter? Fahrradanhänger. Und für die wenigen, die es nicht leisten können (ja, die gibt es auch) hat Ihr/e freundliche/r Händler/in auch einen zugang zum Lieferdienst: vermutlich weniger gestresst als die subsubsubunternehmer von Amazon (& Co, da sind Zalando und die anderen sicher nicht besser).

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Ad 1:

    Die Lieferung via Amazon ist ja nicht "umsonst"; und da wir zuwenig dort für eine ebenfalls kostenpflichtige Prime-Mitgliedschaft bestellen, so zahlen wir immer mal (unter 29 Euro Bestellwert oder über Drittlieferanten) auch Versandgebühren;

    dürfen der Bequemlichkeit wegen gern höher sein!

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Die Frage bleibt berechtigt, warum bei Amazon bestellen? Für jeden Artikel findet man nach sehr kurzer Suche zahlreiche alternative Versandhändler. Der Hund muss also auch ohne Amazon nicht verhungern und man hat etwas gegen die Monopolisierung des E-commerce getan..

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Man sollte erst gar nicht bei Amazon einkaufen. Asozialer Arbeitgeber der seine Angestellten elektronisch überwacht, betriebliche Mitsprache bekämpft und dem die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller am Arsch vorbeigeht. Nur damit der Börsenwert auf über eine Billion Dollar steigt. Jeder der dort kauft unterstützt dieses System. Und das alles aus purer Bequemlichkeit und unmittelbarer Konsumbefriedigung.

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @Andreas J:

        Ok, was "man" nicht machen sollte, das habe ich verstanden; wusste es schon.

        Nur, und bitte sehr konkret, was soll "man" dann machen?

        Meine zwei weiteren "Ad's" haben Sie vielleicht gelesen ...

        Vielleicht den nicht vorhandenen Hund verhungern lassen? Wo würden Sie Hundefutter und in welchen Mengen kaufen, wenn Sie einen hätten;

        ebenso alles Sonstige jenseits schnöder Konsumbefriedigung?

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Hundefutter gibt es auch im Supermarkt um die Ecke oder im nächsten Baumarkt. Früher sind ja auch nicht alle großen Hunde verhungert.



          Ansonsten gibt es alles was Amazon anbietet auch woanders. Habe noch nie bei Amazon was gekauft und lebe noch. Klar man kann nicht auf alles verzichten, aber ich kaufe unter anderen auch nichts von Nestle, Uni-Lever, Apple oder Starbucks. Wenn jeder ein bisschen in dieser Richtung handelt und wenigstens die schlimmsten Firmen/ Konzerne meidet, können die Verbraucher dort Druck ausüben wo es weh tut: beim Profit. Dann bewegen die sich ganz schnell. Es liegt an uns etwas zu verändern.

          • 9G
            91491 (Profil gelöscht)
            @Andreas J:

            ich kaufe unter anderem auch nichts von Nestle,Uni-Lever....



            Das ist fast unmöglich.



            Das habe ich auch mal probiert .



            Zu diesen Konzernen gehören so viele Firmen das man/ frau es gar nicht merkt,auch wenn ich mich informiere, wenn ich was von denen kaufe.

          • 9G
            90857 (Profil gelöscht)
            @Andreas J:

            Macht "jeder ein bisschen in dieser Richtung" ...

            In dem Sinne, schönen ersten Mai!

            • @90857 (Profil gelöscht):

              Sie sollten mal ihre überhebliche Art auf Kritik zu reagieren überdenken. Ist scheinbar ein Reflex von Alt68ern.

  • Und 3 Minuten im Durchschnitt ist schon viel zu knapp berechnet. Anfahrt, Parkplatzsuche, klingeln, warten, Treppe hoch, Unterschrift einsacken, Treppe runter... mehr als 15 Pakete pro Stunde im Durchschnitt kann ich mir einfach nicht vorstellen.



    Die unbezahlten Überstunden werden mit einkalkuliert und der Druck auf Leute in der Probezeit wohl auch hoch genug bei ungelernten Arbeitern. Dazu noch eine Arbeitsatmosphäre wo die Arbeiter sich gegenseitig Druck machen. Ich hoffe die Gewerkschaften setzen sich hier durch und verschaffen diesem Beruf faire Bedingungen.

  • Selbst früher bei der Zigarettenwerbung war Anspruch und Wirklichkeit näher beeinander als heute bei Delivery Heroe oder Amazon Prime-Versprechen: Der sprotlich glückliche BOte der dem Besteller den Allerwertesten hinterherträgt.



    Es liegt am Kunden der unglaubwürdige Versprechen als Maßstab akzeptiert. Dass er das bezahlen muss, muss ihm eigentlich klar sein. Dass das zu wenig ist eigentlich auch. Er ändert dennoch weder Einstellung noch Konsumverhalten? Willkommen in der Gesellschaft des Jahres 2019.

  • In den Achtzigerjahren waren überwiegend Beamte zuständig. Heute ist es das "Dienstleistungs­proletariat". Wieder so ein Beispiel für Deregulierung: Deregulierung der Finanzmärkte ergab die Bankenkrise, Deregulierung des Wohnungsmarktes ergibt momentan enorme spekulative Preissteigerungen und mittlerweile die Forderung nach Enteignung, Deregulierung der Post ergibt das "Dienstleistungs­proletariat".



    Ergo: Deregulierung ist in der durchgeführten Form und in den genannten Fällen eine ziemlich blöde Idee gewesen!



    Aber das lässt sich alles ganz einfach korrigieren. Soziale Regulierung ist möglich. Muss nur politisch gefordert und umgesetzt werden.

  • Wenn man die, in meinen Augen, gar nicht so unrealistische Rechnung anstellt, dass ein Paket mindestens 3 Minuten in Anspruch nimmt, ist man bei 200 Paketen mit mindestens 600 Minuten, also 10 Stunden und mehr dabei. Wahnwitziges Konzept. Da muß man sich nicht wundern, wenn die Pakete im Flur landen oder einfach in den Garten geschmissen werden.

    • @Hampelstielz:

      Sie machen es sich zu einfach. Durchschnittlich 3 Minuten heisst, dass die Auslieferung eines Pakets an einigen Stellen weniger als 3 Minuten, an anderen Stellen auch mehr als 3 Minuten dauert.



      Fast jeder Paketfahrer/in hat auch gewerbliche Kunden und gibt dort mit einer Anfahrt mehrere Pakete ab. Bei uns, kleines Unternehmen, sind das ca. 8 bis 10 Pakete pro Tag, für die der UPS (insgesamt) selten mehr als 2 is 3 Minuten braucht. Bei der Nachbarfirma bringt er sicher jeden Tag 30-40 Pakete pro Anfahrt. Dass das bei Privatkunden anderst aussieht, ist aber auch klar.