Ausbeutung von Paketzustellern: Massive Verstöße
Pakete liefern zu lassen, ist leicht. Die Boten haben es aber teils extrem schwer. Gegen Missstände soll nun eine Initiative Niedersachsens im Bundesrat helfen.
Berlin dpa | Angesichts des Verdachts auf Ausbeutung in der Paketzustellung startet Niedersachsen eine Initiative im Bundesrat. „Hier gibt es massive Verstöße“, sagte Landessozialministerin Carola Reimann (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Noch im März solle sich die Länderkammer mit ihrer Initiative befassen.
Wie jüngste Kontrollen auch in Niedersachsen gezeigt hatten, werde mit Stundenlöhnen von teils nur 4,50 bis 6 Euro regelmäßig gegen den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland verstoßen, dazu gegen das Arbeitszeitgesetz, sagte Reimann. Zudem würden in der Branche oft Sozialbeiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt. „Die für die Paketzustellbranche beschriebenen Zustände sind in ganz Deutschland anzutreffen, insbesondere in Ballungsgebieten und Großstädten“, heißt es in dem Entschließungsentwurf, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Entwurf zielt auf die „Sicherung der Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten“ sowie die „Ausweitung der Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche“.
Nachunternehmerhaftung bedeutet, dass der eigentliche Auftraggeber für die korrekten Arbeitsbedingungen bei allen Subunternehmern verantwortlich ist. Das gibt es bisher nur in der Bau- und in der Fleischbranche. Reimann führte denn auch das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft von 2017 als Vorbild an.
Eine Ursache ist der hohe Preisdruck
Der Entwurf nennt einen hohen Preisdruck bei der Auftragsvergabe durch Versandhandelsunternehmen an Zustellfirmen als Ursache für die Missstände – sowie die Auslagerung der Zustellleistung an Subunternehmen. „Dadurch können Nachunternehmerketten entstehen, die vielfach mehrere Glieder haben, so dass die ursprüngliche Auftraggeberin bzw. der ursprüngliche Auftraggeber keine Kenntnis mehr hat, wer als letztes Glied der Kette letztlich die Ware ausliefert.“ Die von Versandhandelsfirmen beauftragten Logistik-Unternehmen zögen sich aus der Verantwortung, wenn Verstöße bekannt werden, indem sie Subunternehmen kündigten.
Niedersachsen schlägt zudem eine Erweiterung der Dokumentationspflichten vor. „Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – auch im Bereich der Paketbranche – zur Aufzeichnung von Arbeitsaufnahme, Arbeitsende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dient letztlich der Rechtssicherheit“, heißt es dazu in dem Entwurf.
Leser*innenkommentare
noevil
Dafür ist es allerhöchste Zeit. Allerdings frage ich mich, wann sich die restlichen Bundesländer diesem positiven schritt anschließen.
hessebub
Das ist wenigstens mal ein Anfang. Den Prekarisierungssumpf trockenzulegen ist eine der wichtigsten aufgaben auf dem Weg zu einer sozial-demokratischen Gesellschaft, die den Namen verdient.