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Die neue BundesumweltministerinLoyal, pragmatisch und geschmeidig

Svenja Schulze von der SPD soll Bundesumweltministerin werden. Sie bringt Eigenschaften mit, die ihr in diesem Amt helfen könnten.

Svenja Schulze packt ihre Sachen in NRW und wird Umweltministerin in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Mit Druck kann Svenja Schulze umgehen. 1990, da war Schulze gerade 21 und Asta-Vorsitzende an der Ruhr-Universität Bochum, marschierten Prüfer vom Finanzamt in ihr Asta-Büro. Eine Sekretärin erinnert sich, wie souverän Schulze mit der Situation umging: „Mir war immer klar, von der Svenja hört man noch etwas.“

Nun soll Svenja Schulze Bundesumweltministerin werden. Davor war sie Landesschülersprecherin, sie wurde als Studentin über die linkssozialistische Tu-was-Liste zur Asta-Vorsitzenden gewählt und führte die Jusos in NRW an. Anfang der nuller Jahre nahm Schulze eine politische Auszeit, 2010 wurde sie überraschend als SPD-Wissenschaftsministerin ins Kabinett von Hannelore Kraft berufen und nach deren Abwahl 2017 zur neuen Generalsekretärin der nordrhein-westfälischen SPD gewählt. Ein geordneter Aufstieg.

Und jetzt? Das Umweltministerium ist kein Topressort. Im Gegenteil. Dem Haus wurde die Zuständigkeit fürs Bauen entzogen, Energie ist schon in der letzten Groko ins Wirtschaftsministerium gewandert, Verkehr und Landwirtschaft sind seit jeher von der Umwelt getrennte Bereiche. Auf all diesen Feldern – die jetzt in CDU-Verantwortlichkeit sind – wird Umweltpolitik gemacht, werden Zukunftsfragen verhandelt. Zudem muss Deutschland ab 2020 das Pariser Klimaabkommen umsetzen – die Aussichten stehen schlecht. Erst vor wenigen Tagen kündigte Rainer Baake, Energiewendestaatssekretär im weitaus mächtigeren Bundeswirtschaftsministerium, seinen Rückzug an, aus Frust über die Klimapolitik der Großen Koalition.

Svenja Schulze nimmt also eher auf der Streckbank als auf dem Chefinnensessel eines prestigeträchtigen Ministeriums Platz. Dass sie gut mit Druck umgehen kann, kommt ihr in dieser Situation zugute. Auch andere Fähigkeiten könnten ihr helfen, ihr Ministerium zu manövrieren.

Schulze ist geschmeidig. Während ihrer Schülerinnen- und Studentinnenzeit gehörte sie – ebenso wie Neufinanzminister Olaf Scholz – zum Stamokap-Flügel bei den Jusos, einer dogmatisch-marxistischen Strömung, die ideologisch der DKP nahestand. Stamokap steht für „staatsmonopolistischen Kapitalismus“, den sie bekämpfen wollte.

Über das „Stamokap“-Ticket wurde sie Landesschülersprecherin, AStA-Chefin und schließlich 1993 Vorsitzende der NRW-Jusos. Mit der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles verbindet sie seit dieser Zeit ein gutes Verhältnis. 1997 zog sie als damals jüngste Abgeordnete in den Düsseldorfer Landtag ein. Da hatte sie ihre rebellische Phase allerdings bereits hinter sich gelassen.

Konfliktscheu ist sie auch nicht

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Der Begriff des „staatsmonopolistischen Kapitalismus“ ist längst in der Mottenkiste verschwunden. Von ganz links hat sich Schulze mit den Jahren ins politische Zentrum der nordrhein-westfälischen SPD bewegt. Mittlerweile gilt sie als ideologisch ungebundene und loyale Pragmatikerin.

Das findet auch Ausdruck in ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft: Schulze, die nach ihrem Germanistik- und Politikwissenschaftenstudium zunächst als PR-Beraterin arbeitete, gehört sowohl der als links geltenden Verdi an als auch der rechtssozialdemokratisch ausgerichteten IG Bergbau, Chemie, Energie. Dass sie gleichzeitig Mitglied im Naturschutzbund Deutschland ist, zeugt ebenfalls von ihrem Pragmatismus. Verheiratet ist Schulze seit 2011 mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Andrea Arcais, stellvertretender Vorsitzender der SPD Münster und Geschäftsführer des Vereins KlimaDiskurs.NRW.

Konfliktscheu ist Schulze nicht. Als Landeswissenschaftsministerin drehte sie die ultraliberale Hochschulpolitik ihres Vorgängers Andreas Pinkwart von der FDP zurück – sie reduzierte die Macht der Hochschulräte, stellte die Präsidien wieder unter die Aufsicht des Ministeriums und schaffte die Studiengebühren ab. All das erzürnte die RektorInnen. Bis zum Ende ihrer Amtszeit blieb Schulze umstritten.

An Rückzug habe sie nie gedacht, sagte sie 2014 in einem Interview mit der taz: „Mir war vollkommen klar, das wird keine einfache Geschichte. Aber wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden.“ Darauf kann sie sich heute erst recht gefasst machen.

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9 Kommentare

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  • Das Svenja Schulze Verdi-Mitglied ist, scheint die taz exklusiv zu haben. Weder auf Svenja Schulzes eigener Website noch bei Wikipedia u.ä. findet man das, überall steht nur IG BCE.

     

    Außerdem fehlt, dass Schulze bei Booz Allen Hamilton angestellt ist (zz. freigestellt), einer schlecht beleumundeten US-Beratungsfirma.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Mika:

      Auch wenn Sie es in den Weiten des Internets nicht gefunden haben mögen, ist Svenja Schulze trotzdem Ver.di-Mitglied. Fragen Sie sie doch einfach mal.

  • Schade, dass Frau Hendricks weg gefegt wurde. Weshalb eigentlich? Die Frau war gut und mutig, aber vielleicht zu "frech" anderen Ressorts gegenüber (z.B. der Landwirtschaft) und damit zu unbequem?

     

    Auf Frau Schulze bin ich gespannt.

  • Ihre Ansage vor den Mikros des Fernsehen, sie käme aus einem Industrieland und wisse dass man Ökologie nur mit und nicht gegen die Wirtschaft denken könne, zeigt, wo die Reise bei Umwelt- und Klimaschutz mit der SPD hingehen wird. Kann in ihrem NRW bei den Braunkohlentagebauen besichtigen.

    • @Hans aus Jena:

      In NRW hat sich Schulze für neue Kohlekraftwerke mit CCS ausgesprochen. Das war eigentlich schon tot, aber diese und andere Pseudolösungen könnten jetzt wieder hochkommen, weil das Klimaziel nur mit einer schnellen weltweiten Energiewende zu schaffen wäre, die es aber nicht gibt. Hendricks hatte da immer eine klare Anti-Fossil-Haltung, bei Schulze würde mich das überraschen.

  • Grrr, es ist ja kaum lesbar und das in der taz:

     

    AStA lautet die Abkürzung des Allgemeinen StudentInnen Aussschusses und nicht Asta.

     

    Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeiner_Studierendenausschuss

     

    Heute auch fluide Allgemeiner Studierendenausschuss genannt.

    • @Hanne:

      AStA würde bedeuten, dass man es A-S-t-A spricht. Wenn man es wie ein Wort spricht, schreiben Journalisten in der Regel auch so. Ich finde das vom Prinzip her richtig, weil heute jeder Laden gerne seine Privatrechtschreibung durchsetzen möchte.

  • Also: Wir lernen aus dem Beitrag, dass die Autoren sie toll finden, weil sie in ihren Augen mit Druck umgehen kann, dass sie geschmeidig sei und - und dass sie als Landeswissenschaftsministerin "die ultraliberale Hochschulpolitik ihres Vorgängers Andreas Pinkwart von der FDP zurück[drehte]" und dass sie die RektorInnen "erzürnte". Und daraus folgte: "Bis zum Ende ihrer Amtszeit blieb Schulze umstritten."

    So, kann man das sehen. Die gute Frau Schulze von der SPD korrigierte den bösen Herrn Pinkwart von der FDP und stand mann- oder frauhaft oder wie auch immer alle Anfechtungen durch, denen sie in NRW ausgesetzt war.

    Doch fehlt zur Vollständigkeit leider noch etwas Wichtiges, das ich schon gestern in einem anderen Kommentar benannte. Schulz erzürnte nicht nur die HL-leitungen, sondern sie schaffte es auch, die relativ größte Zahl aller Profs in einem Bundesland gegen sich auf zu bringen und auf einer Schulnotenskala von 1-6 bei der letzten Abstimmung zum Wissenschaftsminister des Jahres, an der sie teilnahm, 2016 die sensationelle Durchschnittsnote von 4,62 zu erreichen. Welch wahrhaft grandioses Arbeitszeugnis, und welch überzeugendes Ticket, um nicht einmal zwei Jahre nach der Abwahl der Landesregierung, der sie damals angehörte, nun auf Bundesebene als Quotenwestfalin weiteres Unheil anzurichten!

    Zitat aus dem aktuellen DHV-Ranking "Rektor und Wissenschaftsminister des Jahres 2018", abrufbar auf der Homepage des Deutschen Hochschulverbandes: "„Wissenschaftsminister des Jahres 2018“ ist Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen Frau Isabel Pfeiffer-Poensgen mit einer Bewertung von 2,72. Die Ministerin ist „eine kluge Frau, die zuhört, versteht, angemessen handelt.“ Dass die Situation für die Hochschulen in manchem Kommentar als deutlich besser als vorher eingeschätzt wird, spiegelt wohl auch die Diskrepanz der Bewertung 2016 (Svenja Schulze 4,62) zur diesjährigen wider."

  • Ob Svenja Schulze oder irgendwer anders, die wichtigsten mitgebrachten Eigenschaften sind das Parteibuch und eine genügend große Anzahl Zustimmungen innerhalb der Partei. Alles andere ist als Kosmetik anzunehmen, was sich aus allem vermuten läßt, worin die SPD in der Vergangenheit versagt es und es mindestens mit großer statistischer Wahrscheinlichkeit dann auch zukünftig nicht anders tun wird.