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Kolumne Wir retten die WeltKeine Ahnung? Macht nix!

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Die neue SPD-Umweltministerin Svenja Schulze ist keine Expertin für Ökopolitik. Klingt skandalös? Ist aber gute alte Tradition im Ministerium.

Bitte sehr, die Neue! Expertin Hendricks und Frischling Schulze Foto: dpa

E ine gute Freundin von uns wurde letztens von ihrer Chefin gefragt, ob sie nicht Abteilungsleiterin werden wolle. „Ich habe abgelehnt“, sagt sie, „denn ich hatte von dem Bereich keine Ahnung.“ So geht das manchmal im wirklichen Leben.

In der Politik ist das anders. Da zählen Vertrauen der Parteiführung, Proporz und Durchsetzungskraft. Fachwissen ist nur eine Zusatzqualifikation. Der Gesundheitsminister war schon mal im Krankenhaus, der Außenminister schon mal verreist. Und so bekommen wir mit Svenja Schulze eine SPD-Umweltministerin, die mit Umwelt bisher vor allem verbindet, dass sie vor langer Zeit mal in NRW im Umweltausschuss saß.

Schulze setzt damit eine Tradition fort: Die Ressortchefs im Öko-Ministerium haben bei Amtsantritt keine Ahnung, worum es geht. Walter Wallmann war gleich wieder weg. Klaus Töpfer schwamm durch den Rhein und bei wichtigen Themen. Angela Merkel glaubte als Physikerin an den Segen der Atomkraft. Jürgen Trittin war Grüner, aber kein Öko. Sigmar Gabriel wäre eigentlich lieber bei VW im Aufsichtsrat geblieben. Norbert Röttgen hatte eigentlich geplant, BDI-Chef zu werden. Peter Altmaier fand, er sei viel klüger als seine Beamten.

Wichtiger als Gummistiefel sind Ellenbogen

Barbara Hendricks demonstrierte gerade am Anfang deutliche Schnurzigkeit gegenüber Umweltthemen. Und jetzt bei der Regierungsbildung hieß es plötzlich, Matthias Miersch könne neuer Umweltminister werden. Ein erfahrener Umweltpolitiker, der Feinstaub und Stickoxid auseinanderhalten kann! Allerdings blieb die SPD dem Motto „Avanti Dilettanti!“ treu.

Aber es reicht ja auch völlig, wenn Svenja Schulze unfallfrei das Grußwort zum Biodiversitätskongress vorlesen kann. Viel wichtiger ist es, dass sie sich für ihr Mini-Ministerium Verbündete sucht, um die bösen schwarzen Jungs bei Landwirtschaft, Verkehr und Energie zu stoppen. Dass sie mit dem Parlament, den denkfähigen Teilen der Industrie, den Verbänden und Gewerkschaften Allianzen bildet, um die Zukunft vor der Ignoranz der Gegenwart zu retten. Vielleicht kann ja nur ein IG-BCE-Mitglied wie Schulze den Kohleausstieg durchsetzen, so wie nur die CDU die Wehrpflicht abschaffen konnte.

Natürlich braucht Svenja Schulze ein bisschen Nachhilfe in Sachen Öko. Viel wich­tiger als Gummistiefel beim Ortstermin sind aber Ellbogen am Kabinettstisch. In der Umweltpolitik geht es um Macht, nicht um Wissen. Keine Ahnung? Macht nix. Schlimm wäre: nix Macht.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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15 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Das Wesen einer Kolumne ist ja, ein persönliches journalistisches Meinungsbild mitzuteilen. Das hier ja leider nicht so gelungen. Eigentlich hat Herr Pötter ja eine " Glosse" geschrieben, etwas spöttisch und frotzelnt. Die wäre aber eher daneben. So bleibt, dass Herr Pötter die Frau Schulze im Besonderen und die Besetzung von Ministerien im Allgemeinen persönlich diskreditiert. Das war jetzt keine besondere journalistische Leistung, eher so ein "haben wir es doch schon immer gewußt". Schon nah am Populismus - überigens. Schade. Aber eben TAZ. Leider!

  • Der Staat als Selbstbedienungsladen zur Versorgung bestimmter privilegierter Kreise...

  • Ganz ehrlich! Bei ständig solch einer pauschal Kritik, können nur "Rampensäue" das ausüben, was wir "Politiker" nennen.

     

    Menschen mit Fachwissen jedenfalls, wären über kurz oder lang nur verheizt. Und wenn dann mal einer mit Fachwissen dazwischen ist, dient dieser nur als Feigenblatt.

     

    Parlamente, in denen heftig gestritten wird, findet man heute bei wichtigen Themen noch wo?

     

    Vor allem fehlt der Querschnitt der die gesamt Bevölkerung eigentlich ja abbilden sollte völlig.

     

    Wie hoch ist der Anteil von Akademikern in den Parlamenten?

     

    Deshalb können ja auch die Herrschenden ohne murren, jedenfalls nicht in Nennenswerter Form aus einer lebendigen Demokratie, eine Marktkonforme Demokratie machen.

     

    Anders herum müsste es sein, eine Demokratie die die Märkte formt. Dann hätte es nicht diese Zerstörerischen Ökonomischen in den letzten Jahren in Europa und der Welt und deren verheerenden Auswirkungen gegeben.

  • Sieh an, wer kommt denn da? ...







    "Anmerkung Jens Berger: Ahnung ist nicht notwendig, wenn man die richtigen Kontakte hat. Neben Schulze wird in der kommenden GroKO ein gewisse Michelle Müntefering als Staatsministerin im Auswärtigen Amt die NRW-SPD vertreten. Hat die 37jährige Frau Müntefering dafür eine einzige Qualifikation? Außer ihrem Ehemann? Mit solcher Personalpolitik zerstört die SDP auch noch den letzten Rest „Vertrauen“."



    http://www.nachdenkseiten.de



    von heute

  • „Goldei-Regel“ von dereinst:

     

    „Wer nichts wird, wird Wirt.“ - Heute erweitert: „Wenn‘s selbst zum Wirt nicht taugt, dann geht‘s eben in die Politik...!“

     

    Keine Ausbildung hierzulande legt einen solchen Blitzstart hin; nach oftmals nur 3-monatiger Wahlkampfperiode wird hernach siegreich der „BürgerMEISTERTITEL“ verliehen, honoriert mit einem beachtlichen Salär, strandet doch ein solcher 2000-Seelen-Häuptling sofort in der Besoldung A14.

     

    Wozu andere Jahre benötigen, geht das in der Politik „rucki zucki“. Die große Klappe ersetzt dabei nicht selten die entsprechende Fachkompetenz, und das über die jeweiligen Hierarchien hinweg. - So what!

     

    Dennoch ist genau aber die Besoldung in der Tagespolitik das eigentlich große Problem:

     

    Für eben jene, die eine solche einstreichen, ist diese in Abhängigkeit von der erbrachten Leistung viel zu hoch angesiedelt; die wirklichen Koryphäen aber, die ein solches Amt wünschenswert anstreben sollten, sehen anderweitig leider weitaus bessere berufliche Perspektiven....

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ja wie jetzt? Sind Quoten und Proporz plötzlich nicht mehr der adequate und überfällige Ersatz für dröges Faktenwissen?

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Im Ernst Herr Potter? Sie kommen 2018 darauf, dass Politiker meist unqualifiziert sind. Wurden Sie gerade aufgetaut?! Offenbar sind Juristen für einfach alles geeignet.

  • Das ist durchgängig in der ganzen Politik so: bei uns hat ein ehemaliger Postbote, weil bekannt und beliebt und dadurch zum Gemeinderat gewählt, gleich mal im Bauausschuss die Bauordnung (mit) neu geschrieben, an der unser Ort nun seit über 30 Jahren stagniert. Der strotzt vor völlig blödsinnigen Forderungen und Auflagen.

     

    So bekommen wir dann mit inkompetenten Ministern, die WIR nicht bestimmen können (!) auch die tollsten "gewählten" Entscheidungsträger für unser Land. Im Leben nicht hätte irgendein Bürger den Seehofer zum Binnenseehofer gewählt!

  • In den meisten Ministerien würde sich mit den neuen Ministern mit ihrem Fachkenntnissen nichts tun und auch sich nichts verändern.

    Ohne die Hundertschaften von Mitarbeiter in den Ministerien würde sich sonst noch viel weniger in den Ämter und in der Politik bewegen.

    In welche Richtung, weiß vorher keiner, geschweige die Minister.

  • Ich finde s gar nicht mal schlecht, wenn "fachfremde" Ministerien führen. Sie müssen nur die erforderliche charakterliche und intellektuelle Eignung aufweisen. Und daran haperrt es in der Politik.

  • Proporz...

     

    Politik hat mit Fachkenntnissen nix zu tun. Denn da geht es um Proporz und Intrigen.

    Und das merkt man!

    ...

  • Ahnung...

     

    Politiker haben sowieso von alles eine Ahnung...

    Auch die nichtgediente v.d. Leyen konnte doch Bundesverteidigungsministerin werden.

    Das gibt es nur bei Politikern!

    So is Polletick. Im Gegensatz zum richtigen Leben.

    • @Hartz:

      Das erwarten wir doch auch von unseren Politikern. Mit allen möglichen Themen sollen sie sich beschäftigen und in unserem Namen kluge Entscheidungen treffen. Wichtig ist doch, dass sie sich schnell in ein Thema einarbeiten können und in der Lage sind Informationen zu interpretieren und zu analysieren. Die eigentlich Arbeit erledigen doch die Mitarbeiter. Müssen daher natürlich auch in der Lage sein diese Mitarbeiter zu managen. Ob Frau v.d. Leyen ein Gewehr reinigen kann ist völlig irrelevant.

      Leute mit richtiger Erfahrung haben keine Zeit für eine politische Karriere und würden für ein Ministergehalt eh nicht anfangen.

      • @JoWall:

        Satire? ...

         

        "Wichtig ist doch, dass sie sich schnell in ein Thema einarbeiten können und in der Lage sind Informationen zu interpretieren und zu analysieren. "

        Das ist die Stellenbeschreibung für einen guten

        Journalisten.

        ...

  • Macht ist wichtig und eine kompetente Umweltministerin ohne Macht wäre schlicht ohnmächtig. Aber noch wichtiger ist die Kompetenz. Wir haben Jahrzehnte hinter uns, in denen umweltpolitische Vorschläge immer weiter verwaschen wurde. Wir haben Umwelt- und Abwrackprämien, Biosprit und Gelber Punkt - alles Dinge, die als umweltpolitische Erfolge verkauft wurden, aber einen bestenfalls neutralen - meistens aber negativen ökologischen Effekt haben. Wenn wir also mehr echte Umweltpolitik durchsetzen könnten und weniger "erfolgreiche" Projekte, deren ökologisches Ergebnis erfolglos war, dann wäre das ein Riesengewinn. Von daher sind Macher_innen, die ökologische Nullnummern sind, eine reale Gefahr.