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Umsetzung der Fahrverbote für DieselDie Straße der Sieger

Hamburg führt das Fahrverbot ein. In zwei Straßen. Mit vielen Ausnahme­n und schlechten Kontrollen.

Schnell, laut und dreckig ist es auf der Stresemannstraße in Hamburg Foto: Miguel Ferraz

Auf dieser Straße stockt einem der Atem. In der Stresemannstraße in Hamburg, einer vielbefahrenen vierspurigen Bundesstraße, lernt man, wie Diesel riecht. 33.000 Autos zwängen sich hier derzeit durch, Tag für Tag. Um schnell wieder durchatmen zu können, treten Radfahrer in die Pedale, Fußgänger gehen im Schnellschritt. Nur die Autofahrer tippen auf die Bremse – zwei Blitzer disziplinieren sie. Die „Strese“, wie man in Hamburg sagt, ist so etwas wie eine verlängerte Autobahn in die City. Wenn die Lastwagen auf ihr von der A 7 Richtung Innenstadt fahren, wackeln in den Altbauten die Wände, Gläser klirren im Schrank.

Deshalb wird es hier ab Ende April „Durchfahrtsbeschränkungen“ für Diesel geben. So nennt das jedenfalls Jens Kerstan. Hamburgs grüner Umweltsenator vermeidet das böse Wort von den „Fahrverboten“ offiziell – mit Rücksicht auf seinen Koalitionspartner und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der lange betont hatte, Fahrverbote seien in Hamburg nicht nötig.

Möglich sind sie seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Dienstag und Hamburg ist die erste Stadt, die das Urteil umsetzt: Die Schilder sind bereits bestellt. Betroffen ist neben der Stresemannstraße auch die Max-Brauer-Allee, beide im Stadtteil Altona.

Etwa 20 weitere Städte in Deutschland dürften bald die älteren Diesel rausschmeißen – auch wenn die Bundesregierung noch so sehr betont, Verbote seien nicht die einzige Möglichkeit, die EU-Grenzwerte für Stickoxide zu erreichen.

Gelbe Blätter, rote Augen

Stickstoffdioxid führt bei Pflanzen zu gelben Blättern, beim Menschen zu geröteten Augen und Herz-Kreislauf-Problemen. Besonders leiden Asthmatiker und Senioren. Die Europäische Umweltagentur macht die Luftschadstoffe für 13.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich – allein in Deutschland. Und: Etwa zwei Drittel aller Stickstoffdioxid-Emissionen im Straßenverkehr stammen vom Diesel.

Deshalb wird die „Strese“ demnächst für alle Lastwagen, die die Euro-6-Norm nicht erfüllen, gesperrt, die Max-Brauer-Allee auch noch für alle entsprechenden Pkw. Eine harte Maßnahme, aber letztlich will das Bundesverwaltungsgericht mit den durch sein Urteil ermöglichten Dieselverboten schlicht EU-Vorgaben erfüllen – und diese gelten bereits seit 2010. 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft sind danach im Jahresmittel erlaubt. 58 Mikrogramm erreichte Hamburg laut Umweltbundesamt im Jahr 2017.

Schon 1991 machte die „Strese“ bundesweit Schlagzeilen. Wochenlang wurde sie freitagabends von Anwohnern blockiert, nachdem ein Kind von einem Laster überfahren worden war. Seither gilt hier Tempo 30, Lkw dürfen nur die mittleren der vier Fahrbahnen benutzen.

Seit 1992 steht auch ein grüner Luftmesscontainer in der Stresemannstraße. Während die Stickstoffdioxidwerte bis zum Jahr 2000 stark sanken, stiegen sie in den Folgejahren stark an – eine Folge der Förderung des Dieselantriebs: zum Beispiel die Steuererleichterungen beim Kraftstoff und bei der Kfz-Steuer. Durch sie entgehen dem Staat jährlich acht Milliarden Euro.

In jüngster Zeit sanken die Werte in Hamburg und anderswo zwar wieder – aber nicht tief genug: In der Stresemannstraße waren es im Jahr 2017 laut Hamburger Abendblatt 48 Mikrogramm, in der Max-Brauer-Allee 46 Mikrogramm.

„Die Durchfahrtsbeschränkungen sind der entscheidende Schritt, um die Grenzwerte wieder einzuhalten“, meint Umweltsenator Kerstan. Und meint deshalb, dass nur Fahrverbote helfen. Sie sind Bestandteil eines Luftreinhalteplans, den der rot-grüne Senat im vergangenen Sommer bereits zum zweiten Mal fortgeschrieben hat. Darin stehen dutzende Maßnahmen, um die Luft sauberer zu machen: bessere Radwege, emissionsfreie Busse, aber auch eine Versorgung der Schiffe im Hafen mit sauberem Strom von Land – und eben Durchfahrtsverbote.

Aber: Für Anlieger der betroffenen Straßen wird diese Beschränkung nicht gelten. Auch Liefer-Lkw, die Feuerwehr und Müllautos sind von dem Verbot ausgenommen. Allein bei der Stresemannstraße geht der Senat davon aus, dass fast jede dritte Fahrt unter Ausnahmeregelungen fällt. Und die Beschränkungen sollen aufgehoben werden, sobald die EU-Vorgabe erreicht wird.

München denkt größer

Wer die Diesel „nur“ aus zwei Straßen fernhält, dürfte dafür sorgen, dass sich einige Fahrzeuge einfach auf Nebenstraßen verkrümeln – mit ihnen die Abgase. Auch deshalb wird zum Beispiel München wahrscheinlich einen anderen Weg gehen. In der bayerischen Landeshauptstadt sind die Stickoxidwerte doppelt so hoch wie erlaubt. Dort ist eine Verschärfung der gesamten Umweltzone in der Innenstadt geplant – es droht also ein komplettes City-Fahrverbot für ältere Diesel.

Aber auch dort wird es wieder jede Menge Ausnahmen geben. Und jede Menge Schilder. Die Münchner Stadtverwaltung hat ausgerechnet, dass für ein Fahrverbot 130.000 Schilder montiert werden müssen. Kostenpunkt: 18 Millionen Euro.

Ob in Hamburg, München, Stuttgart oder Düsseldorf, die Durchsetzung des Verbots wird komplex sein. „Wie die ohnehin überlastete Hamburger Polizei die Einhaltung der Dieselfahrverbote kontrollieren soll, steht vollkommen in den Sternen“, unkt schon die Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion.

Wir werden das ähnlich kontrollieren wie bei Tempolimits: Nicht jeden Tag, sondern stichprobenmäßig. An manchen Tagen wird es aber auch Schwerpunkteinsätze geben

Jens Kerstan, Umweltsenator

Denn die bekannte rote, gelbe und grüne Feinstaubplakette, die über die Einfahrt in Umweltzonen entscheidet, zeigt nicht, ob ein Fahrzeug der Euro-6-Norm genügt – und damit die Stickoxidvorgaben einhält. Die Polizei wird die Diesel also einzeln rauswinken müssen, um einen Blick in die Fahrzeugpapiere zu werfen. „Wir werden das ähnlich kontrollieren wie bei Tempolimits: Nicht jeden Tag, sondern stichprobenmäßig. An manchen Tagen wird es aber auch Schwerpunkteinsätze geben“, sagt Kerstan.

Einfacher wäre die Kontrolle mit der Einführung einer „blauen Plakette“ zur Kennzeichnung emissionsarmer Autos. Dieser hat sich die Bundesregierung bisher allerdings versperrt. Immerhin will sie sich angesichts des neuen Urteils nun „alsbald“ mit der blauen Plakette beschäftigen.

Saubere Laster und Busse reichen aus

„Punktuelle Fahrverbote für wenige Straßenzüge sind auch Augenwischerei“, sagt Malte Siegert vom Naturschutzbund Hamburg, so sehr er das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch begrüßt: „Tatsache ist, dass angesichts eines unzureichenden Messnetzes das wahre, im innerstädtischen Bereich flächendeckende Ausmaß der Belastungen unter den Tisch gekehrt wird.“

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Im Falle der Stresemannstraße prüft der Senat gerade, was ein Durchfahrtsverbot auch für Diesel-Pkw bedeuten würde. Wahrscheinlich brächte es viel saubere Luft, ist aber nicht nötig, um den Grenzwert zu erreichen – und daher auch nicht verhältnismäßig. Saubere Laster und Busse reichen aus.

Der Hintergrund: Handwerker und Privatiers mit älteren Diesel-Pkws sollen nicht zu Umrüstung oder Neukauf gezwungen werden. Wer müsste das zahlen? „Wer seinen Diesel nachrüsten kann und will, der sollte einen Anspruch darauf haben, dass der Hersteller das übernimmt“, sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Es dürfe nicht sein, dass nur noch über Plaketten diskutiert werde „und dabei die eigentlichen Verursacher des Problems aus dem Blick geraten“.

Die Verursacher – damit meint Hendricks die Autoindustrie, die im vergangenen Jahr erneut Rekordgewinne eingefahren hat. Allerdings, das sieht auch Hendricks so, gibt es derzeit wenig Handhabe, die Autohersteller gesetzlich zur technischen Nachrüstung zu zwingen. Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) wiederholt dazu wortgetreu die Aussagen von VW, Daimler und BMW: „Bevor wir in alte Autos investieren, sollten wir auf die Technologien der Zukunft setzen.“

Also müssen sich Eigentümer von ausgesperrten Dieseln wahrscheinlich selbst helfen. Mit einem neuen Auto. Auf jeden Fall ist das gut für die Industrie.

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14 Kommentare

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  • "Wer die Diesel „nur“ aus zwei Straßen fernhält, dürfte dafür sorgen, dass sich einige Fahrzeuge einfach auf Nebenstraßen verkrümeln – mit ihnen die Abgase. "

    Und dort werden die Schadstoffe nicht gemessen. So einfach ist das. Das die Grünen in HH so eine , sorry Verarschung mitmachen.....

  • "die ohnehin überlastete Hamburger Polizei" ist schlichtweg nicht vorhanden.

    Gelegentlich hört man mal ein Martinshorn. Das war es dann. Präsenz auf der Straße ist seid Jahren nur noch zu Demos gegeben. Außer bei gutem Wetter. Da zeigt sich dann mal die eine oder andere Uniform beim Aufschreiben von Parksündern.

    -- Nicht nur die Raser fühlen sich wie im Paradies.

  • Anlieger dürfen weiter durch fahren? Dann ist das Verbot doch sinnlos, es wird ja kaum einer nur zum Spass da rum fahren, sondern weil er geschäftlich oder privat zu jemandem unterwegs ist.

  • Und wen trifft das ganze mal wieder zuerst? Ja, beispielsweise die Krankenschwester oder den Müllwerker, die sich ihre alten Diesel gerade eben noch so leisten können. Die können sich weder ein neues Auto leisten noch eine technische Umrüstung. Na, prima. Die üblichen Verdächtigen protzen dann mit ihren Dritt-E-Auto vor dem Discounter während die ärmeren Schichten der Bevölkerung auf fliegenden Teppichen umweltgerecht an den Arbeitsplatz segeln.

    • @Thomas Schöffel:

      Mir kommen die Tränen.

      Mir ist ziemlich egal von wem ich vergiftet werde, ob kleiner Handwerker, "arme" Krankenschwester oder Multimillonär.

      • @Senza Parole:

        Wenn Sie demnächst mit einer Unfallverletzung (Vielleicht haben Sie sich ja beim Radfahren den Hals gebrochen.) im Krankenhaus liegen und der Notfallchirurg kommt per (gesundem) Ochsenkarren aus der Umgegend in die Klinik - so schnell es eben geht- soll uns das also auch egal sein, oder wie ? Keine Träne für Senza Parole ?

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Da sehe ich schon, was in Stuttgart passieren wird: ein paar Straßen im Kessel unten werden gesperrt und die ganzen Stinker quälen sich mit rußendem Auspuff den Berg hoch, um von der anderen Seite wieder runter zu fahren.

    Und die Autoindustrie kommt natürlich wieder ungeschoren davon. Toll, wenn man als Lobbyisten die Regierung selbst hat!

  • Na schön. Aber wenn die Stadt Hamburg jetzt konsequent ist, dann sperrt sie ihren Hafen für alle dieselbetriebenen Schiffe. Die stoßen mehr Schadstoffe aus als alle Diesel-PKW der Stadt.

  • Seit der Wiedervereinigung steigt die Luftqualität Jahr für Jahr an. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei über 80 Jahren, die Dieselverbote werden an diesem Wert keine signifikante Änderung herbeiführen.

     

    Der Technologiewechsel wird einzig bewirken, dass die Emissionen künftig wo anders statt finden.

  • Das Projekt ist von vorne herein nutzlose Augenwischerei.

    Schließlich können bzw. müssen die Dieselfahrer eben woanders lang fahren.

     

    Die naiv-elitäre Haltung "die sollen sich eben neue Autos kaufen" zeugt nicht gerade von hohem Verständnis für Fakten. Das Sankt-Florians-Prinzip - Verschon mein Haus, zünd andre an. --

     

    Man kann das Ganze auch andersrum sehen:

    Wer in einer Großstadt an einer Hauptverkehrsader wohnt, muss damit rechnen, dass er da keine reine, klare Bergluft atmen kann. Wer das will, muss aufs Land ziehen. Das ist seit hundert Jahren schon so. Erst eine günstige Immobilie an der Hauptstraße kaufen und dann wegen des Verkehrs rumzetern ist dreister Opportunismus.

     

    Welcher Normalverdiener kann sich denn dauernd neue Autos kaufen? Das aktuelle Auto ist meist noch nicht mal abbezahlt, gekauft in bestem Glauben. Schließlich wurden Dieselmotoren bis vor kurzer Zeit als Non-Plus-Ultra an Sauberkeit verkauft, weil sie weniger CO2 ausstoßen als Benzinmotoren.

    • @Läufer:

      Vielleicht hat der Anwohner an einer großen Straße aber dort schon gewohnt, bevor die Autos in Massen auf die Straßen kamen.

      Ist es nicht eher St. Florians Prinzip jeden Meter mit der Auto zu fahren und sich um die Folgen nicht zu scheren ?

      Aber ihre Argumentation passt natürlich in unsere Ich bezogene Zeit.

  • Eine interaktive Karte erstellen die aufzeigt wo Menschen mit Asthma, atembeschwerden und sonstige Krankheiten die durch Stickoxide verursacht werden leben. Übersteigt die Anzahl an Krankheitsfälle einen bestimmten Wert gilt für diese Straßenzüge ein Verbot.

     

    Die interaktive Karte stelle ich mir vor wie die der TAZ beim https://migration-control.taz.de/#de

     

    Und wenn Hamburg dann Flächendeckend rot angezeigt wird, fängt der eine oder andere doch noch damit an nachzudenken worum es hier eigentlich geht.

  • Falls keine Fahrtverbote gewünscht, ein Schilderwald vermieden werden möchte, gibt's da (sogar realpolitisch) noch andere Maßnahmen:

    //http://www.bahn-fuer-alle.de/pages/argumente/verkehrswende-und-umstieg-ndash-jetzt/ausstieg-aus-der-autogesellschaft.php

  • wie hieß das bei den Banken? Verluste solidarisiert, Gewinne privatisiert...