Zehn-Punkte-Plan der Grünen: Geschlossen in den Wahlkampf
Die Grünen konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenz. Sie setzen im Wahlkampf auf Klimaschutz, E-Mobilität und nachhaltige Landwirtschaft.
„Das ist unser verbindliches Angebot an die Bürgerinnen und Bürger“, sagte Göring-Eckardt. Wer mit den Grünen nach der Wahl im September koalieren wolle, „muss bei diesen zehn Punkten entschieden mit uns vorangehen.“
Mit dem Papier senden die beiden Spitzenleute mehrere Botschaften. Die Wichtigste: Die Partei zieht geschlossen in den Wahlkampf. Den Plan hat die komplette Fraktions- und Parteispitze unterschrieben, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und wichtige Landesminister wie der Hesse Tarek Al-Wazir ebenso. Aber auch der einfache Abgeordnete Jürgen Trittin, immer noch ein wichtiger Wortführer der Linksgrünen, unterzeichnete. Wir alle, heißt das, wollen den Erfolg der Grünen.
Diese Geschlossenheit ist inzwischen überlebenswichtig für die Partei, die bei sieben bis acht Prozent in den Umfragen dümpelt – und sich gerne wegen Kleinigkeiten öffentlich streitet. Die zweite Botschaft des gestrigen Auftritts ist: Die Grünen setzen im Wahlkampf auf Klimaschutz und die Ökologisierung der Wirtschaft. Sie fokussieren sich also auf ihre Kernkompetenz. Es ist kein Zufall, dass sich die ersten drei Punkte dem Ökobereich widmen: Den Klimaschutz voranbringen, der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen und die Landwirtschaft nachhaltig machen.
Der Plan ersetzt nicht das Programm
SPD und Union fehle bei der Energiewende die Ernsthaftigkeit, sagte Göring-Eckardt. „Die Energiewende sollte man Profis überlassen – also uns.“ Allerdings ist der grüne Regierungsplan an entscheidenden Stellen weich formuliert. So versprechen die Grünen etwa, die Ära des fossilen Verbrennungsmotors „mit klaren ökologischen Leitplanken“ zu beenden. Außerdem möchten sie aus der „klimafeindlichen Kohle“ aussteigen und die zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abschalten.
In ihrem Programmentwurf verbinden die Grünen solche Versprechen mit Jahreszahlen. Dort treten sie dafür ein, ab 2030 nur noch emissionsfreie Neuwagen zuzulassen. Ebenso legen sie sich darauf fest, den Kohleausstieg innerhalb von zwanzig Jahren zu schaffen.
Dass der Plan all das weichzeichnet, wiesen Grüne weit von sich. Der Zehn-Punkte-Plan sei eine Verdichtung, sagte Özdemir. Er ersetze nicht das Programm. Doch ein taktischer Gedanke wird wohl auch dabei gewesen sein. Wer in der Öffentlichkeit auf Festlegungen verzichtet, hat in Koalitionsverhandlungen mehr Spielräume. Wahlprogramme liest bekanntlich kein Mensch.
Göring-Eckardt und Özdemir gelten in der Partei nicht als ausgewiesene Ökoexperten. Göring-Eckardt hat sich in der Vergangenheit viel mit Sozial- und Flüchtlingspolitik beschäftigt, Özdemir profilierte sich eher in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Ist das ein Problem in einem ausgewiesenen Ökowahlkampf? Die Ökologie sei mit allem verzahnt, er selbst beschäftige sich seit Langem mit dem grünen Umbau der Wirtschaft, entgegnete Özdemir. „Jeder Grüne, der für uns Politik macht, muss im Herzen Ökologe sein.“
Zoom auf die Interessen der bürgerlichen Klientel
Die Ökopartei hält sich in dem Regierungsplan weiter Koalitionen in alle Richtungen offen. „Ganz klar: Wir sind bereit, mit allen zu reden“, sagte Göring-Eckardt. Özdemir betonte, die Grünen sähen sich nicht als Teil eines Lagers. In Umfragen haben die Grünen im Moment nur eine einzige Machtoption, nämlich ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP. In Schleswig-Holstein verhandeln die Landes-Grünen gerade diese Option.
Während die Grünen das Ökologische hervorheben, dimmen sie die Steuer- und Sozialpolitik herunter. Auf ihrem letzten Parteitag beschlossen sie zum Beispiel eine Vermögensteuer – davon ist in dem Regierungsplan keine Rede. Auch die Reform des Ehegattensplittings, die in der Partei leidenschaftlich diskutiert wurde, fehlt. Ebenso Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger.
Die Grünen zoomen also näher an die Interessen einer bürgerlichen Klientel heran. Neu ist auch ein anderer Sound in der Sicherheitspolitik. Das Papier verweist auf Frauen, die sich in der Öffentlichkeit nicht mehr sicher fühlten, auf Ängste vor Einbrüchen und es verspricht eine gut ausgestattete Polizei.
Die Grünen haben – zuletzt im NRW-Wahlkampf – gelernt, dass sie sich um das heikle Thema Sicherheit nicht herumdrücken können. Der Regierungsplan soll auf dem Parteitag Mitte Juni beschlossen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal