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Wachsende PolitikverdrossenheitArm, abgehängt, ohne Stimme

Arme Menschen gehen nicht mehr wählen. Das belegen zahlreiche Studien. Parteien richten sich folglich an die bürgerliche Mitte.

Eine Demokratie kann es sich nicht leisten, dass zunehmend Wahlzettel im Papierkorb landen. Bild: imago/Christian Ohde

BERLIN/BREMEN taz | Die Meinungsforscher von Infratest dimap taten so, als seien die Nichtwähler bei der Bremen-Wahl eine Partei. Sie verteilten alle Wahlberechtigten neu und errechneten ein fürchterliches Ergebnis. Die Nichtwähler-Partei läge mit 50 Prozent weit vorn, weit dahinter käme die – offiziell stärkste – SPD mit 15,9 Prozent. Die klaren Wahlsieger waren also die Politikverdrossenen.

Eigentlich ist die Wahl der Bremer Bürgerschaft irrelevant für die Bundespolitik. Der Stadtstaat, zu dem auch Bremerhaven gehört, ist zu klein, um Trends für die ganze Republik abzuleiten. Doch diese Wahl sandte eine dramatische Botschaft in die Berliner Parteizentralen: Die Wahlbeteiligung lag so niedrig wie in keinem anderen westdeutschen Bundesland seit Gründung der Bundesrepublik.

Das bröckelnde Vertrauen der Bürger ist einer der Gründe, warum der bisherige Bürgermeister Jens Böhrnsen seinen Rücktritt erklärte.

Welchen Rückhalt hat Politik noch, wenn nur noch die Hälfte der Wahlberechtigten ihr Votum abgibt? Wie interessiert man jene für die Demokratie, denen sie egal zu sein scheint? Oder ist das alles egal, weil das System ja einfach weiterfunktioniert?

Wie unter dem Brennglas zeigt sich in Bremen ein gesellschaftlicher Trend, der bei allen Wahlen der vergangenen Jahre deutlich wurde. Es sind vor allem die Armen und Abgehängten, die an Wahlsonntagen zu Hause bleiben, während die wohlsituierte Mittel- und Oberschicht ihre Interessen artikuliert. Die Demokratie, mahnen Soziologen, drohe zur Exklusivveranstaltung für Wenige zu werden.

Bremen illustriert diese These beispielhaft. In Bremerhaven, das deutlich ärmer als Bremen ist, lag die Wahlbeteiligung nur knapp über 40 Prozent. Der nördliche Stadtteil Blumenthal ist arm, die Industriebrache der einst weltgrößten, 2008 stillgelegten Baumwollkämmerei, sein Wahrzeichen. Ein Viertel der Bevölkerung hier bezieht Hartz IV. Dort lag die Wahlbeteiligung bei 31 Prozent.

Villenbesitzer wählen FDP

Gleichzeitig war die Quote falsch oder unvollständig angekreuzter Wahlzettel besonders hoch. Ganz anders im Villenviertel Bremen-Horn, in dem das mittlere Jahreseinkommen bei knapp 110.000 Euro liegt. Hier lag die Wahlbeteiligung bei 77 Prozent. Die CDU bekam in dieser Gegend fast 42 Prozent der Stimmen, die FDP sensationelle 22 Prozent.

Die hohe Wahlbeteiligung der Oberschicht stabilisiert generell die Parteien, die ihre Interessen am besten schützen. Die Konservativen und die Liberalen profitieren also von der Abmeldung der Marginalisierten, während Parteien links der Mitte eher eine Klientel verlieren, die für sie ansprechbar wäre. Kleinparteien mit Neigung zu Extremen hingegen gewinnen durch schlechte Wahlbeteiligungen, weil ihre Klientel in der Regel voll mobilisiert ist – siehe Einzug der AfD in die Bürgerschaft.

Es existieren stapelweise Studien, die den Rückzug der Unterprivilegierten belegen. Eine der wichtigsten ist die Untersuchung „Prekäre Wahlen“ der Bertelsmann Stiftung, bei der Sozialwissenschaftler das Wahlverhalten sozialer Milieus bei der Bundestagswahl 2013 untersuchten.

Von der Demokratie ausgeschlossen

Der Befund: „Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen“, schreiben die Autoren. Die Demokratie werde zu einer exklusiven Veranstaltung für Menschen aus den mittleren und oberen Sozialmilieus, während die sozial prekären Milieus deutlich unterrepräsentiert blieben. Ein Fazit: „Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist sozial nicht mehr repräsentativ.“

Vor allem Arbeitslosigkeit machen die Forscher als Indikator fürs Nichtwählen aus. Aber auch die Kaufkraft und der Bildungsstand beeinflussten das Wahlverhalten. Zudem driftet das Wahlverhalten der sozialen Milieus immer weiter auseinander: „Der Unterschied zwischen den Wahlkreisen mit der höchsten und niedrigsten Wahlbeteiligung hat sich seit der Bundestagswahl 1972 nahezu verdreifacht.“

Die Autoren stellen eine brisante Frage: „Wird Deutschland zu einer Demokratie der Besserverdienenden?“ Die Parteien richten sich an der bürgerlichen Mitte aus, die Nachfrage bestimmt das Angebot. SPD und Grüne geben gerade die Idee auf, von Reichen höhere Steuern zu fordern, um zum Beispiel bessere Schulen zu finanzieren. Sie verabschieden sich von Reformen, die armen Schichten Aufstiegschancen böten. Sie fürchten den Liebesentzug der Eliten.

Ein Warnsignal

Der Ehrgeiz der Parteien, das Phänomen zu bekämpfen, ist unterschiedlich groß. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi gehört zu denen, die sich Sorgen machen. Die Bremer Wahlbeteiligung sei „ein Warnsignal“, sagte sie am Montag. Ein Grund sei, dass viele Kommentatoren geschrieben hätten, es bleibe sowieso alles, wie es ist.

Aber die Parteien müssten auch überlegen, wie der Akt der Wahl erleichtert werden könne. Dazu hat sie schon im Dezember 2014 Vorschläge gemacht: eine ganze Wahlwoche, nicht nur ein Wahltag. Mobile Wahlkabinen an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen. Fünf statt vier Jahre Zeit zwischen den Bundestagswahlen. Diese Ideen trugen ihr vor allem Spott und Häme ein. Entsprechend vorsichtig formuliert sie inzwischen. Ihre Vorschläge seien im Gespräch, sagte Fahimi.

Einfach ist es nicht, die Bürger wieder für Politik zu begeistern. In Bremen hatten sie extra Wahlzettel in einfacher Sprache gedruckt, damit auch Ungebildete alles gut verstehen. Das Ergebnis ist bekannt.

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37 Kommentare

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  • @Reinhold Schramm

     

    Da haben Sie völlig recht. Mit einer kommunistischen Partei ist niemand "abgehängt", denn dann sind ja alle gleich arm.

    Von Petitessen wie Selbstschussanlagen, gefälschten Wahlen, Stasi, usw mal abgesehen

  • Mit einer emanzipatorischen Kommunistischen Partei, wie sie noch vor 1956 existierte [1956 erfolgte das Verbot der antikapitalistischen KPD durch die GroKo-Volksparteien der Bourgeoisie], wären die (armen) Menschen heute in Deutschland nicht "abgehängt".

     

    Merke: Die GroKo der Bourgeoisie und Aktionäre trifft stets Vorsorge, gegebenenfalls, auch mit einer sozialdarwinistischen und kapitalfaschistischen Partei an der Regierungsmacht!

  • Wer sagt eigentlich, dass die Abgehängten darunter leiden, in der Form der Demokratie, die sich die Bourgeoisie ausgedacht hat, nicht beteiligt zu sein?

     

    Ich habe den Jugendlichen, die ich betreute, durchaus auch beigebracht, wie sie ihre Möglichkeiten nutzen können, auch, wenn sie politisch keine Mehrheit finden. Und oftmals klappt es auch.

    Einem Menschen, der schon so aussieht und seiner Sachbearbeiterin auf dem Hartz-Amt auch vermitteln kann, dass er 95% Muckis und nur 5% Hirn ist, der bekommt da auch alles, wie ich gemerkt habe. Egal, wie die Gesetze aussehen. Evtl. sollte man das auch mal bedenken, dass es Alternativen zum wählen gibt, auch, wenn uns hochwohlgeborenen intellektuellen Wohlstandsblagen das nicht immer passt.

  • Demokratie.

    Die perfekte Form bürgerlicher Herr-

    schaft.

  • Marx charakterisierte das Wesen der bürgerlichen Demokratie, als er in seiner Analyse der Erfahrungen der Pariser Kommune sagte, dass den Unterdrückten, den werktätigen Massen, in mehreren Jahren einmal gestattet wird, darüber zu entscheiden, welche Vertreter [der herrschenden Klasse] sie im Parlament ver- und zertreten sollen.

  • Ich finde, dass man auf dem Wahlzettel die Möglichkeit einführen müsste, " Keine der oben genannten Parteien " ankreuzen zu können ! Häufig hat man sonst ja nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Viele Menschen sind wohl der Meinung, dass keine Wahlpartei sie vertritt.

    Wenn man dann noch diese Stimmen in die Wertung aufnimmt und die anderen Parteien nur die ihnen dadurch noch zustehenden Sitze bekämen ( hier SPD die 15% entsprechenden Sitze ), entstünde ein großer Anreiz, sich um diese Wähler wieder richtig zu bemühen, denn das täte richtig weh.

    Die Arbeit im Parlament wäre wahrscheinlich nicht so stark beeinträchtigt, häufig erreicht man in kleinerer Runde mehr und vor allem würde es für den Steuerzahler wenigstens erst mal billiger werden.

    Die Parteien erhielten dadurch wenigstens ein leistungsgerechtes Ergebnis.

    Ich kann mir vorstellen, dass man der Wahlmüdigkeit dadurch sehr wohl begegnen könnte !

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    In Berlin ist es doch bereits so weit, dass beim Thema Mieten keiner Partei mehr zugetraut wird, das ganze sozialverträglich zu gestalten. Deshalb hoffen doch einige auf den Volksentscheid.

    https://mietenvolksentscheidberlin.de/

     

    Immerhin es geht darum, ob sich Deutschland noch weiter Richtung Neoliberalismus, Thatcherismus und New Labour entwickelt oder ob doch noch mal etwas entgegengesetzt wird, wie der Vergleich München Wien zeigt.

    Die Stadt Wien ist die größte Hausverwaltung Europas und bietet den insgesamt 1,7 Millionen Wienern Hunderttausende günstige Wohnungen.

    http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/jetztmalehrlich/miete-muenchen-wien-100.html

     

    In Deutschland ist die Politik leider dem neoliberalen Vorbild gefolgt.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Leider ist die direkte Demokratie keineswegs eine Lösung. Wie die Erfahrungen zeigen, stimmen auch bei Volksentscheiden vor allem die Besserverdienenden für ihre Privilegien.

       

      Bei der Abstimmung zur Reform des Schulsystems in Hamburg sind diejenigen, deren Kindern die Reform bessere Chancen ermöglichen sollten, nicht zur Abstimmung gegangen. In Berlin hat sich die Mittelschicht ihr schönes Ausflusgziel Tempelhofer Feld konserviert, anstatt die Möglichkeit für bezahlbaren innenstädtischen Wohnraum zu schaffen.

       

      Egal ob repräsentativ oder direkt, wer sich nicht beteiligt, verliert...

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Dhimitry:

        "In Berlin hat sich die Mittelschicht ihr schönes Ausflugsziel Tempelhofer Feld konserviert ..."

        Dort sollten für die sozial Schwachen einige wenige Wohnungen zwischen 6,5€ und 8,5€ kalt entstehen. Aber nur mit einer Mietpreisbindung von 3-4 Jahren. Das war lächerlich. Wenn ansonsten nur im gehobenen Preissegment Wohnraum geschaffen wird, nutzt auch ein Überangebot dort den unteren Einkommensschichten dies nicht. Wieso sollte dann auch dafür gestimmt werden, damit sich einige an schicken Eigentumswohnungen bereichern. Wenn sozialer Wohnungsbau und Genossenschaftsbau vorgesehen gewesen wäre und auch noch beim Mietpreis dauerhaft am Einkommen eine Orientierung stattgefunden hätte, dann wäre der Volksentscheid sicherlich anders ausgegangen!

  • Was ist das wenn man keine Wahl hat und trotzdem wählen geht? Politikverdrossenheit ist eine Vermutung die am Thema vorbeigeht. Wenn das Thema ist, dass es der Mehrheit gut geht, so summiert das nicht unter sozial, sondern vielmehr unter Ausschluß.

  • Klar, dieses "alle vier jahre ein kreuz" ist nicht so das Oberdemokratische, wie es die Politschergen immer juchheißen - aber andererseits kann es auch nicht sein, das alle zum mitmachen, mitbestimmen getragen werden müssen. Dann sieht es wirklich so aus: Haja, geht dir doch gut, sonst hättest ja was gesagt.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "..., abgehängt, ohne Stimme" - das ist nicht nur die Realität in der Politik, sondern in der gesellschaftlichen Kommunikation überhaupt!

     

    Ich bin auch Nichtwähler, schon seit sehr langer Zeit (mit meinen 55Jahren war ich vielleicht 3mal ZUVIEL wählen). Politikverdrossen, oder Demokratiemüde, bin ich absolut nicht!

     

    Drei Kreuzchen auf dem Blankoscheck, für die "Treuhänder" dieser leichtfertigen Kompromissbereitschaft, das ist KEINE verantwortungsbewußte Kommunikation, und schon GARNICHT wirklich-wahrhaftige Demokratie.

  • Früher gingen in den norddeutschen 'Arbeitervierteln' alle zur Wahl und wählten SPD. Ein großer Teil war in der Gewerkschaft, ein geringer Teil war in der SPD, ein kleiner Haufen war in der DKP und man wohnte in Genossenschaftswohnungen, sparte die Anteile für die Kinder ab und ein großer Teil war in der Kirche und brachte die Kinder vielleicht noch in den kirchlichen Kindergarten. Dieser 'Kit' ist heute nicht mehr da. Zum einen löste er sich selbst auf, weil die Menschen sozial mobiler geworden sind, wer gut ausgebildet ist, der schafft es oft, diesen Vierteln schnell zu entwachsen. Andererseits hat die SPD ab 1998 sich das sonderbare Ziel gesetzt, diese Viertel, diesen Kit, diesen Zusammenhalt so schnell es geht, aufzulösen. Und das haben sie auch geschafft. Die Folge ist für die SPD sogar noch eher positiv, denn die Enttäuschten und Verstoßenen organisieren sich gar nicht bei den Linken oder den Grünen, sondern sie haben das Vertrauen in die Politik verloren.

     

    Damit bleiben eben nur die oberen sozialen Schichten übrig. Und um die kämpft die SPD auch. Jetzt müssen sie nur noch die untere Mittelschicht stärker abschocken und auspressen bei den Steuern, dann haben sie ihr Ziel erreicht: Dann ist die SPD überflüssig und die CDU dominiert Deutschland für die nächsten 15 Jahre. Die CDU klebt dann: "Weiter so" und keiner interessiert sich dafür, muss ja auch keiner, das Ergebnis steht dann fest: Merkel for ever. Oder CDU lebenslänglich.

     

    Eine Re-Politisierung versprechen allenfalls nocht Parteien wie die AfD, die aber intern zum scheitern verurteilt sind und die eigentlich auch keine Revitalisierung von Stadtteilen, von Beteiligung wollen, sondern der CDU ein Störfeuer hinlegen wollen.

  • Klassismus und postdemokratische Strukturen werden von den Betroffenen durchaus erkannt, die daraus resultierende Passivität in Sachen Wahrnehmung wenigstens des letzten Zipfels Demokratieteilhabe, die den abgehängten noch geblieben ist, wundert mich trotzdem nicht. Um dieses Verhalten nachzuvollziehen, braucht man nicht allzuviel Psychologie zu bemühen.

     

    Dass SPD und Grüne ihre sozialen Ansprüche längst abgelegt haben, ist seit über 15 Jahren kein Geheimnis mehr, auch die DGB-Gewerkschaften haben bislang jede neoliberale Sauerei abgenickt und Die Linke ist eigentlich auch eine Akademikerpartei mit ein paar DGB-Gewerkschaftsleuten durchsetzt und Themen wie die Gender-/Queer-Debatte gehen Menschen, die in der zweiten Monatshälfte nicht mehr wissen, wovon sie das Essen für ihre Familie kaufen sollen, ziemlich am Arsch vorbei.

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Wen sollen denn arme Menschen wählen, wenn sie wollen, dass ihre Interessen vertreten werden. Notfalls wird eine große Koalition gebildet, um weiterhin die Interessen der Reichen und Machthabenden in diesem Staat weiter zu vertreten.

     

    Ich finde es konsequent, unter diesen Bedingungen nicht wählen zu gehen und es zeugt davon, dass die Leute nicht dumm sind.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @3641 (Profil gelöscht):

      In den USA gibt es eine ähnliche Wahlbeteiligung und die sozialen Verhältnisse dort haben sich nicht verbessert, sondern verschlechtern sich.

      Warren Buffett merkte zu Recht an: "Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen."

      In Berlin ist es doch auch bereits so weit, dass nur noch ein Volksentscheid beim Thema Mieten auf bessere Verhältnisse hoffen lässt! Tja, wenn sich dafür die unteren Einkommenschichten nicht engagieren, wird Warren Buffett recht behalten!

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Als nächstes werden wohl die 16jährigen ihre Stimme in die Urne werfen dürfen, damit ...!?

  • "Die Demokratie, mahnen Soziologen, drohe zur Exklusivveranstaltung für Wenige zu werden."

     

    War sie das nicht schon immer?

    Als Willy Brandt den seinerzeit nahezu revolutionären Satz "Wir wollen mehr Demokratie wagen" rief, sprach er damit ja gleichzeitig die Befürchtung aus, zu viel Demokratie sei ein unkalkulierbares Wagnis für die geschäftsführenden politischen Cliquen. Als er seine Rede abschloss mit „Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an“, protestierte die damalige Opposition mit Zwischenrufen wie „Ein starkes Stück! Unglaublich! Unerhört!“ Mittlerweile ist klar, dass eine aufgesetzte Demokratie eben nur für die von Vorteil ist, die es irgendwie auch nach oben schaffen können. Der Nichtwähler verhält sich deshalb vollkommen rational und logisch. Er ist die größte Partei und macht dies mehr und mehr auch deutlich. Ihm traut man jedoch nichts zu und er traut sich selbst auch nichts zu. Er ist keiner, der sich nach politischen Ämtern drängt, weil er sowieso niemals für diese Ämter vorgesehen war und dort nur vorgeführt und unangenehm auffallen würde. Was für die junge Unternehmerin in der Parteienlandschaft noch eine klare Win-Win Situation darstellt, ist für den politisch unorganisierten Hartz IV-Empfänger eine müde Hängepartie. Entgegen der Ergebnisse der Wahlanalytiker wird man aber nicht einfach und durchgängig davon ausgehen dürfen, dass es die niedrigen Einkommensverhältnisse sind, die zu demokratischer Abstinenz führen. Zum fehlenden Geld muss sich da schon auch noch die fehlende Bildung gesellen. Die 10%, die die Linke gewählt haben, sind nämlich auch nicht nennenswert begütert, aber überwiegend durchaus gebildet. Von diesen Leuten wird man noch positive Entwicklungen erwarten dürfen. Der Rest ist mehr so Bovine spongiforme Enzephalopathie ex situ.

  • "Wie interessiert man jene für die Demokratie, denen sie egal zu sein scheint?"

     

    Der war gut. Indem man Demokratie abschafft.

     

    Gerade weil ihnen Demokratie oder etwas weniger abstrakt, gerechte Lebensverhältnisse NICHT egal sind, können die Ärmeren die Politclowns für die Wohlhabenden nicht wählen.

     

    Aus dem gleichen Grund die hohe Wahlbeteiligung der Villenbesitzer - für die läufts prächtig, denn die brauchen keine Demokratie. Noch nicht.

  • "Einfach ist es nicht, die Bürger wieder für Politik zu begeistern."

    Och Gott , ... halten wir sonstigen Wähler doch bitte nicht die Nichtwähler pauschal für ungebildet u/o dumm . Für die gesellschaftlich Abgehängten , Chancenlosen , "Überflüssigen" ist es schlicht gleichgültig , ob sie wählen und welche Partei sie wählen würden . Es braucht wirklich kein stetes und waches Interesse an Politik , um zu erkennen , dass sich durch Wählen nichts an ihrer Lage ändern würde . Und es wird tendenziell immer gleichgültiger , weil die Parteien in der Konkurrenz sich "zwangsläufig" weiter mehr nach den Interessen der Noch-Wähler richten werden .

  • Wenn Frau Rahimi wirklich meint "Ein Grund sei, dass viele Kommentatoren geschrieben hätten, es bleibe sowieso alles, wie es ist." dann war ihre Bemerkung ja wohl vollends für die Halde – denn blöde Ausreden gehören nämlich GENAU zum Beweismaterial, dass alles bleibt wie es ist ...

    • @Index:

      Ob sich Frau Fahini wohl der Tatsache bewusst war, dass sie mit ihrer Aussage ("Die Presse war's!") in die gleiche Kerbe haut wie die Pegida-Demonstranten ("Lügenpresse")?

       

      Die Schuld bei jedem außer sich selbst zu suchen (und umgehend auf andere abzuschieben, wenn man sie da gefunden zu haben meint), ist halt typisch menschlich. Dass der Mensch im Einzelfall ein öffentliches Amt begleitet und/oder einer (früher mal) diskriminierten Minderheit angehört, macht ihn offenbar noch nicht zum besseren Menschen.

  • Eine Sache steht in dem Artikel nicht wirklich. Eine Erklärung, warum die entsprechenden Nichtwähler nicht zur Wahl gehen. Dies ist aber meines Erachtens erst der Ansatzpunkt, um die Nichtwähler zu mobilisieren.

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @shashikant:

      ... das sehe ich auch so. Die Erklärungsmuster Armut, Bildung Teilhabe erklären dieses Phänomen nur zum Teil.

      Sicherlich gilt immer zuerst der Grundsatz "Erst kommt das Fressen, dann die Moral".

      Politisches Desinteresse, Gleichgültigkeit und Ausgrenzung von Armen findet sich aber in allen Gesellschaftsschichten wieder (auch bei den Ausgegrenzten selbst).

      Wir sind eine "Spaßgesellschaft" geworden, in der mal eben 500.000 Leute zum "Schlagermove" kommen - für sowas ist keine Mühe zu groß.

      Andererseits spüren natürlich alle, das die wirklich wichtigen Entscheidungen immer ohne sie getroffen worden sind und werden.

      Direkte Abstimmungen zb über den Euro, TTIP oder selbst die Autobahnmaut wären da ein gutes Mittel. Wie steht es denn um die Wahlbeteiligung in den Ländern, wo so etwas möglich ist?

  • " Sie verabschieden sich von Reformen, die armen Schichten Aufstiegschancen böten." - Und welche genau sollten das sein? Also nicht nur gut gemeinte, sondern solche, die erwiesenermaßen schon mal irgendwo was gebracht haben (Jenseits der Subvention einer evaluationsresistenten Betreuungsindustrie...)?

  • "Arme Menschen gehen nicht mehr wählen. Das belegen zahlreiche Studien. Parteien richten sich folglich an die bürgerliche Mitte".

     

    Dann müssen unsere Politiker viel mehr für die armen Menschen tun, denn es gibt mit jedem Jahr immer mehr arme Menschen. Die bürgerliche Mitte schrumpft also mit jedem Jahr. Selbst HARTZ IV hat dazu beigetragen, dass der Niedriglohnsektor sich sehr stark ausgeweitet hat.

  • Wenn wir minderbemittelten Bürger es nicht schaffen, unseren Interessen Nachdruck zu verleihen, sind wir es selber schuld. Die Parteien verlieren dann Wähler, wenn sie diese nicht mehr vertreten. So einfach ist das.

  • Das ist ziemlich widersprüchlich: Auf der einen Seiten unterstreichen die Autoren daß die Wahlbeteiligung in verschiedenen Vierteln höchst unterschiedlich ausfällt, auf der anderen Seiten stimmen sie Fatimi zu, die behauptet "Ein Grund sei, dass viele Kommentatoren geschrieben hätten, es bleibe sowieso alles, wie es ist. "

    Wenn das wirklich der entscheidende Grund für die niedrige Wahlbeteiligung sein sollte, müßte das nicht für Villen- wie Armenviertel gleichermassen gelten? Die grossen Unterschiede zwischen den verschiedenen Viertel legen die Vermutung nahe, daß hier andere Faktoren im Spiel sind, als die von Fahimi erwähnten.

  • Was soll die ganze Theorie !

     

    Es ist ein schlichtes Phänomen der 'gepamperten' Gesellschaft.

     

    Eine Gesellschaft, in der mehr und mehr dazu erzogen wird daß Verantwortung individuell deligiert werden kann, entwickelt mehr und mehr für sich minder verantwortliche Individuen. Und zwar querbeet durch alle Reviere der eigenen Mitverantwortung.

     

    Wer sich täglich den Herausforderungen zur Bewältigung der eigenen Existenz stellen muss und dies auch für sich unabhängig besorgt, der verfügt über ein stärkeres Bewußtsein für die Übernahme von Pflichten und Verantwortung. Auch einen Willen zur Ausübung seines Wahlrechtes, oder sogar der Teilnahme als Wahlhelfer.

     

    Und trotzdem ... die goldene Ausnahme von der Regel:

    In der Friedensgemeinde in Bremen waren Wahllokale eingerichtet.

    Im Innenhof der Kirchengemeinde spielte ein Vatern mit seinem Kind.

    Um -geschlagen- 18h begab er sich zu seinem Wahllokal.

    Der Wahlvorsteher hatte jedoch pünktlich die Wahl für beendet erklärt.

    Dies teilt er ihm mit.

    Der Wahlbürger greift sich eine Porzellan-Kaffeetasse von einem Tisch und schmeißt diese wutentbrannt gegen die Wand.

    Auf die erfolgte Reaktion des Publikums, meinte er sich auch noch im Recht für seine gewalttätliche Überreaktion

  • es geht mir chice, und *deshalb* tue ich nichts dagegen?

    Aber ganz im Ernst: Wer so "denkt", der hat einen guten Grund dafür geliefert ...

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @uli moll:

      Ich glaube schon, dass die von Ihnen gemeinten schon versucht hatten, was zu tun.

      Sie mögen vielleicht 1998 (Wahlbeteiligung: 82,2%) der Schröderschen-SPD eine Chance gegeben haben. Dann haben sie festgestellt - egal, Rot-Grün, bürgerliches Lager, 2x GroKo, besser für sie wird's nicht. Steuern oben: runter, Löhne unten: runter, Renten: runter.

      Ach ja, man könnte ja die Linke wählen, aber alle Medien sagen, die seien so böse (wegen der Mauertoten) und hätten keine Ahnung (wg. 500€ HartzIV und 10€ Mindestlohn).

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Wieso denn "ohne Stimme"? Eine Stimme hätten die armen Abgehängten doch abgeben können. Vielleicht nicht für Harald Glöökler. Aber das muss ja auch nicht. Auswahl gab es ja genug. O.k., keine Partei hat Freigeld für alle versprochen (fast keine), doch das erwartet doch niemand ernsthaft. Oder?

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Chutriella:

          "Wieso denn "ohne Stimme"?"

           

          Steht nicht bei mir.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Dann hören Sie doch auf, die Gemeinten zu manipulieren. Schließlich gab es noch mehr Wahlauswahl: die Tierschutzpartei, die Partei, die Piraten, die NPD. Es muss als Protestwahl nicht immer DIE linke LINKE sein.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Chutriella:

          "Es muss als Protestwahl nicht immer DIE linke LINKE sein."

           

          Genau. *Alles* außer CDU-SPD-Grüne-FDP(?) ist "Protestwahl". Jedenfalls so wird's überall dargestellt, damit die (potentiellen) Wähler verinnerlichen, dass sie mit der Stimme zwar ihre Angepisstheit zum Ausdruck bringen dürfen, aber die Gestaltungsmöglichkeiten durch Regierungsbeteiligung, Politikwechsel etc., nein, das gibt es nicht. Jedenfalls nicht bei wichtigen, fetten Brocken.

           

          Gilt für den westlichen Teil der Republik wohlgemerkt.

          • @10236 (Profil gelöscht):

            Wer so leicht zu beluegen ist, muss sich ernsthaft fragen, ob er (oder sie, natuerlich) nicht genau die Demokratie bekommt, die er verdient.

            • 1G
              10236 (Profil gelöscht)
              @N Dy:

              "Wer so leicht zu beluegen ist..."

               

              Mitnichten "leicht" und wohl auch nicht "belügen". Es ist vielmehr langfristig angelegte, gut finanzierte und organisierte Überzeugungsarbeit.