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Arabische JudenEine vergessene Fluchtgeschichte

Warum leben heute kaum Juden in Bagdad und keine in Algier? Die arabisch-islamische Judenfeindschaft ist um einiges älter als der Staat Israel.

Die Meir Taweig Synagoge ist die letzte jüdische Einrichtung in Bagdad Foto: Arnold Paira/laif

In Israel wird der 30. November als Gedenktag an Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern und dem Iran begangen. Das entsprechende Gesetz wurde 2014 im israelischen Parlament verabschiedet. Bereits 2010 hatte die Knesset den Beschluss gefasst, dass keine israelische Regierung ein Friedensabkommen unterzeichnen darf, das nicht auch die Frage der Entschädigung der jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und aus dem Iran regelt.

Außerhalb Israels ist die Geschichte von Flucht, Emigration und Vertreibung der Juden aus den islamisch dominierten Staaten jedoch weiterhin nahezu unbekannt.

Wer, außer ein paar Spezialisten, weiß schon etwas über die Pogrome im marokkanischen Oujda und Jérada von 1948? Georges Bensoussan berichtet in seiner 2019 auf Deutsch erschienener Studie „Die Juden der arabischen Welt“ darüber.

Oder über den Farhud in Bagdad, jenes Pogrom von 1941, das den Auftakt für das Ende der über zweieinhalbtausend Jahre alten jüdischen Gemeinde im Irak bildete? Wem ist heute bewusst, dass Ende der 1930er Jahre über 30 Prozent der Bevölkerung der irakischen Hauptstadt jüdisch waren, ein ähnlich großer Anteil wie zur selben Zeit in Warschau oder in New York?

Stephan Grigat

ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus am Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien in Aachen und der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Er ist Herausgeber von „Iran – Israel – Deutschland. Antisemitismus, Außenhandel und Atomprogramm“ sowie Autor von „Die Einsamkeit Israels: Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung“.

Arabisch-jüdische Flüchtlinge

Jeder Akademiker, Journalist oder politisch Interessierte, der sich auch nur oberflächlich mit dem Dauerkonflikt Israels mit seinen Nachbarn beschäftigt, weiß etwas über die „palästinensischen Flüchtlinge“, womit heute in den allermeisten Fällen ihre Nachkommen gemeint sind.

Ihr Schicksal gilt bis in die Gegenwart als eines der Haupthindernisse für einen Frieden im Nahen Osten. Die etwa 900.000 Juden hingegen, die seit 1948 aus den arabischen Staaten und seit 1979 aus dem Iran geflohen sind, finden in gegenwärtigen Debatten zum Nahen und Mittleren Osten kaum Erwähnung.

Gegenwärtig leben zwischen drei und fünf Millionen Palästinenser in Israels Nachbarstaaten – zum Großteil die Nachfahren der rund 750.000 Flüchtlinge des Unabhängigkeitskrieges von 1948 und des Sechstagekrieges von 1967. Ihr Flüchtlingsstatus wird auf die nachfolgenden Generationen vererbt, wodurch ihre Zahl bemerkenswerterweise immer größer wird.

Im Gegensatz zu den Palästinensern waren Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern nahezu total und standen anders als im Fall der palästinensischen Flüchtlinge nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Kriegsgeschehen.

Erschütternde Zahlen

Die Zahlen zu Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten sind erschütternd: Von den über 250.000 marokkanischen Juden sind nur etwa 2.000 im Land geblieben. In Tunesien lebten 100.000 Juden, heute sind es 1.000.

In Ägypten lebten 1948 75.000 und im Irak 135.000 Juden, heute sind es jeweils weniger als 20. Im Jemen waren es etwa 60.000, heute wird ihre Zahl auf 50 geschätzt. Die syrische jüdische Gemeinde wurde von 30.000 auf weniger als 15 dezimiert. In Algerien lebten 1948 noch 140.000 Juden, in Libyen 38.000. In beiden Ländern leben heute überhaupt keine Juden mehr.

Jüdin in Bagdad um 1880 Foto: Ullstein Bild

Nicht alle der aus den arabischen Ländern vertriebenen Juden sind nach Israel geflohen, aber mit etwa 600.000 doch die überwiegende Mehrheit. Bis zur großen Einwanderungswelle aus der früheren Sowjetunion machten die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und ihre Nachkommen bis zu 70 Prozent der israelischen Bevölkerung aus. Heute sind etwa 50 Prozent der israelischen Juden Nachfahren von jüdischen Flüchtlingen und Emigranten aus den arabischen Staaten.

Die Geschichte von Flucht und Vertreibung der Juden aus der arabischen Welt ist zugleich die Geschichte einer einmaligen Integrationsleistung, die zusammen mit den Fluchtbewegungen aus Europa in Israel letztlich zu einem Bevölkerungsanstieg von etwa 120 Prozent geführt hat. 1948 war der neu gegründete und militärisch bedrohte jüdische Staat hinsichtlich der Masseneinwanderung von Juden aus den arabischen Staaten hin- und hergerissen.

Fluchtpunkt: Israel

Man wollte bedrohten Juden zwar helfen. Zudem gab es ein massives Interesse an jüdischer Einwanderung; bereits 1942 hatte David Ben-Gurion seinen Tochnit HaMillion vorgelegt, einen Plan für eine Million Neueinwanderer. Aber er hatte dabei in erster Linie an möglichst gut ausgebildete jüdische Einwanderer aus Europa gedacht.

Israel förderte zwar Auswanderung und Flucht aus arabischen Ländern, ging dabei anfangs angesichts der immensen Probleme, die der junge Staat zu bewältigen hatte, allerdings ausgesprochen restriktiv vor. Bis 1955 erhielten aus Marokko nur Juden zwischen 18 und 45 Jahren sowie vermögende Familien das Recht zur Einwanderung.

In einigen Fällen hat Israel spektakuläre Luftbrücken eingerichtet. In der Operation Fliegender Teppich wurden 1949 Zehntausende Juden aus dem Jemen ausgeflogen. Bei allen Schwierigkeiten und trotz vieler Vorbehalte der aschkenasischen, aus Europa stammenden Juden gegenüber den Mizrahim aus den arabischen Ländern kam es unmittelbar nach der israelischen Staatsgründung zu einer enormen Integrationsleistung.

Die ursprünglich 650.000 Juden in Palästina nahmen innerhalb kürzester Zeit 700.000 weitere auf, viele von ihnen traumatisiert von der Shoah; und im Fall der Flüchtlinge aus den arabischen Staaten zwar nicht immer, aber doch häufig vergleichsweise schlecht ausgebildete Juden aus verarmten Bevölkerungsschichten.

Integration in Israel

Während die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen bis heute aufgrund der Politik der palästinensischen Führung und der Regierungen in Damaskus, Amman und Beirut mehrheitlich weiterhin in Flüchtlingslagern ein elendes Leben führen – in den meisten arabischen Staaten massiver Diskriminierung ausgesetzt sind und von Antizionisten zum Propagandamittel gegen den jüdischen Staat degradiert werden –, wurden die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern in Israel trotz enormer Schwierigkeiten integriert.

Das ist einer der Gründe dafür, dass über die eine Gruppe bis heute auf höchster politischer Ebene regelmäßig diskutiert wird, wohingegen die andere nahezu in Vergessenheit geraten ist.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ein anderer ist das antiisraelische Agieren der Vereinten Nationen. Seit 1947 wurden über 1.000 UN-Resolutionen zum arabisch-israelischen Konflikt verabschiedet. Mehr als 170 davon behandeln explizit oder indirekt das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen. Dem hingegen wird das Schicksal der 850.000 bis 900.000 jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran weitestgehend ignoriert.

Aus israelischer Perspektive handelte es sich 1948 um eine Art Bevölkerungsaustausch, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen Konfliktregionen stattfand. Die israelische Regierung war bereit, sich sowohl um die jüdischen Flüchtlinge aus Europa zu kümmern als auch um jene aus der arabischen Welt.

Diskriminierung in arabischen Staaten

Sie erwartete aber zugleich, dass sich die arabischen Staaten der Flüchtlinge aus Israel annehmen, die maßgeblich durch den arabischen Angriffskrieg gegen den neu gegründeten jüdischen Staat zustande gekommen waren. Dementsprechend hat Israel so gut wie nie versucht, mit dem Schicksal der jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern Politik zu machen.

Oder gar ein „Rückkehrrecht“ für die irakischen, jemenitische, tunesischen, marokkanischen, algerischen, ägyptischen, syrischen oder libyschen Juden einzufordern.

Die Verfolgungsgeschichte der Juden aus den arabischen Ländern widerspricht der gerade im deutschsprachigen Raum weit verbreiteten Annahme, der Antisemitismus in den arabischen und islamischen Ländern sei ein Resultat des Nahost-Konflikts und der Gründung Israels.

Der Blick auf die antijüdischen Traditionen in der arabischen und islamischen Welt verdeutlicht, dass der arabische und islamische Antisemitismus eine der zentralen Ursachen dieses Konfliktes ist.

Antijudaismus und islamische Gesellschaften

Die von Historikern wie Bensoussan zusammengetragenen Quellen verdeutlichen, inwiefern es sich auch in den vergleichsweise unblutigen Perioden des jüdisch-muslimischen Zusammenlebens in der arabischen Welt mit seiner im europäischen Diskurs so hoch gelobten Tolerierung der Juden als „Schutzbefohlenen“ (dhimmis) um eine Toleranz handelte, die, wie Bensoussan schreibt, „aus Verachtung bestand“, und die schon lange vor 1948 immer wieder auch zu blutiger Verfolgung geführt hat.

Spätestens mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs war großen Teilen der arabischen Juden klar, wie sich ihre Situation darstellte. Und dass es keinen nennenswerten Unterschied machte, ob sie sich für oder gegen den Zionismus stellten.

Die islamisch geprägte Mehrheitsbevölkerung in den arabischen Staaten hat sich letztlich in ihrem Verhalten gegenüber den Juden nicht darum geschert, ob die sich, wie in Syrien und im Irak, lautstark dem arabischen Antizionismus anschlossen; wie in Ägypten ein ums andere mal ihre Loyalität bekundeten; sich, wie teilweise in Tunesien und Libyen, offen hinter die zionistische Sache stellten; oder, wie häufig in Algerien, sich angesichts des Charakters des arabischen Nationalismus auf die Seite der Kolonialmacht schlugen.

Für die arabisch-islamische Verachtung von Juden bedurfte es nicht der israelischen Staatsgründung, die vielmehr als Treibsatz für die Transformation dieser traditionellen Verachtung der jüdischen dhimmis in einen Hass auf die sich selbst zur Souveränität ermächtigenden „Schutzbefohlenen“ fungierte.

Juden als Repräsentanten der Moderne

Die Radikalisierung der arabisch-islamischen Judenfeindschaft setzte vor der israelischen Staatsgründung ein und war in vielen Aspekten eine Reaktion auf die partielle Autoemanzipation der Juden in den arabischen Gesellschaften. Ähnlich wie im europäischen Antisemitismus, aber eingebettet in den Kontext einer anderen religiösen Tradition, wurden die Juden in der arabischen Welt als Repräsentanten der Moderne attackiert.

Dieser Hass auf die Moderne lässt sich bei Sayyid Qutbs programmatischer Schrift „Unser Kampf mit den Juden“ zeigen, die bis heute islamistische Attentäter rund um den Globus inspiriert, oder anhand der Schriften des im deutschsprachigen Raum viel zu unbekannten algerischen Vordenkers des Islamismus, Malek Bennabi.

An Bennabi („Dies ist das Jahrhundert der Frau, des Juden und des Dollars“) lässt sich auch die innige Verbindung von Juden- und Frauenhass im arabischen Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts demonstrieren. Woran sich auch eine deutliche Parallele zum europäischen Antisemitismus insbesondere des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts zeigen ließe.

Doch selbst im Panarabismus musste die radikale antisemitische Politik erst durchgesetzt werden. In Ägypten etwa weigerte sich Muhammad Nagib, der erste Präsident nach dem Sturz der Monarchie 1952, den Forderungen der Arabischen Liga nach Konfiszierung des jüdischen Eigentums nachzugeben. Und zu Jom Kippur besuchte er demonstrativ eine Synagoge in Kairo.

Ein toxisches Gebräu: Antikolonialismus und Antisemitismus

Zur rasanten Verschlechterung der Situation der Juden in Ägypten kam es erst ab 1954 mit dem Sturz Nagibs und der Präsidentschaft Gamal Abdel Nassers. Der hatte als Offizier im Zweiten Weltkrieg aufgrund eines für den Nahen Osten typischen Gemischs von Antikolonialismus und Antisemitismus zeitweise mit deutschen und italienischen Agenten kooperiert. Und er empfahl die antisemitische Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ zur Lektüre, die bis zum heutigen Tag die ägyptische Gesellschaft vergiftet.

Ein schonungsloser Blick auf die antisemitischen Traditionen in den arabischen und islamischen Gesellschaften – eine Reflexion der Geschichte von Diskriminierung, Verfolgung, Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten – würde auch in der deutschsprachigen Diskussion über den Konflikt Israels mit seinen arabischen Nachbarn ein besseres Verständnis der Situation ermöglichen.

Ein solcher könnte perspektivisch wohl auch einen Beitrag zu einer weiteren Annäherung im Nahen Osten leisten, wie sie mit den Abraham Accords derzeit aufblitzt. Diese Annäherung kann letztlich aber nur gelingen, wenn es in den arabischen Gesellschaften und den islamischen Gemeinden zu einer Selbstkritik grundlegenden Ausmaßes kommt. Dementsprechend wäre es wichtig, jene vereinzelten Stimmen zu unterstützen, die solch eine Selbstkritik heute schon formulieren.

Die arabischen Gesellschaften selbst müssen sich letztlich entscheiden: Niemand zwingt sie, innere Konflikte mittels des Antisemitismus weiter auf den äußeren Feind Israel zu projizieren, nachdem sie sich durch die Ver­treibung der arabischen Juden um die konkrete Projektionsfläche im Innern gebracht ­haben.

Bereits Herbert Marcuse notierte im Vorwort für die hebräische Ausgabe von „Der eindimensionale Mensch“ eine Bedingung für eine friedliche Koexistenz von Juden und Arabern im Nahen Osten, die leider bis heute nicht erfüllt ist: „Nur eine freie arabische Welt kann neben einem freien Israel bestehen.“

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36 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es ist bemerkenswert, dass in dem ganzen langen Artikel alle möglichen Akteure wie die arabischen Länder, und die UN für das noch immer ungelöste Flüchtlingsproblem der Palästinenser:innen erwähnt werden, nicht aber der Staat Israel, und die vorstaatlichen zionistischen Milizen, die die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung durchführten.

    Ben-Gurion war bestrebt, palästinensische Araber aus ihren Häusern und Besitztümern zu vertreiben und sie durch Juden aus allen Ländern, einschließlich der arabischen Länder, zu ersetzen. Unter „Plan Dalet“ führten die Zionisten die Vertreibungsphase durch, in der sie 750.000 Palästinenser ethnisch säuberten.



    Die arabischen Länder hatten kein vergleichbares Programm Juden und Jüdinnen zu vertreiben und durch Palästinenser:innen zu ersetzen.

    Internationales Recht sieht vor, dass staatenlose Flüchtlinge ihren Status auf ihre Kinder vererben. Im Handbuch des UNHCR ist über Verfahren und Kriterien für die Bestimmung des Flüchtlingsstatus in Absatz 184 zu lesen. Kapitel 5 der UNHCR-Veröffentlichung, Verfahrensstandards für die Bestimmung des Flüchtlingsstatus gemäß dem Mandat des UNHCR, ist sehr deutlich, dass: „Im Einklang mit dem Recht des Flüchtlings auf Familienzusammengehörigkeit der Flüchtlingsstatus über die Generationen übertragen wird.“ www.un.org/en/abou...on-of-human-rights



    Es handelt sich also nicht, wie so oft fälschlicherweise behauptet, um ein spezielles nur auf palästinensische Flüchtlinge zutreffendes Recht.



    Internationales Recht steht über der israelischen Ansicht, die vertriebenen Palästinenser:innen gegenzurechnen. Man darf auch nicht vergessen, dass diese auch während der letzten 75 Jahre und bis heute noch beraubt und verdrängt werden.

    • @Martha:

      Wen meinen Sie mit "zionistischen Milizen"?



      www.bpb.de/themen/...en-juden-bis-1945/

      • @Günter:

        Zionistische Milizen: Irgun, Haganah, Lechi

        • @Martha:

          ...und die lassen Ihnen als Deutsche keine Ruhe.......?

    • @Martha:

      Es ist bemerkenswert, dass bei jedem Artikel, welcher antisemitische Hamas oder Fatah kritisiert oder wie hier, wo der Antisemitismus in den arabischen Ländern thematisiert wird, Israel von den Israelkritikern als der wahre Buhmann präsentiert wird.



      Also Rückkehrrecht für Mizrahim bis hin zur Abschaffung von den jeweiligen arabischen Sttaten so wie es bei Israel gefordert wird?

      • @h3h3y0:

        Es geht nicht darum einen Buhmann zu benennen, sondern in diesem Fall die Verantwortung für die Vertreibung und Beraubung der Palästinenser:innen aufzuzeigen. Bei der ganzen Gegenrechnerei geht es Israel ja schließich darum, die Verantwortung nicht übernehmen zu müssen.



        Einerseits bezeichnet Israel die eingewanderten Juden/Jüdinnen aus arabischen Ländern als Flüchtlinge, andererseits kehren sie doch nach israelischer Lesart in ihr ursprüngliches Land zurück. Israel hat immer darauf beharrt, dass Palästina, und später Israel, das Heimatland des Weltjudentums sei, während es gleichzeitig behauptet, dass arabische Juden, die nach Israel eingewandert sind, „Flüchtlinge“ seien. Die rechtliche und international akzeptierte Defnition eines Flüchtlings ist jedoch die einer Person, die vertrieben wurde, oder aus ihrem Heimatland fliehen musste und nicht die einer Person,die in ihr „Heimatland „zurückkehrt!

        • @Martha:

          Zum Thema Nakba gab es separate Artikel. Bei diesem Artikel geht es um arabische Länder, den Antisemitismus darin und die daraus vertriebenen Juden.

          Sonst interessiert man für "israelische Lesart" wenig bzw. denunzieren sie komplett. Sobald aber doppelte Standards aufgezeigt werden, wenn es um Juden geht, soll Israel plötzlich "Heimatland des Weltjudentums" sein.

          • @h3h3y0:

            Es geht mir hier darum die Widersprüche der israelischen Regierung aufzuzeigen.

            • @Martha:

              Welche Widersprüche sollen es sein?



              Mizrahim sind israelische Staatsbürger. Israel fordert weder nach einem Rückkehrrecht für Mizrahim noch nach Abschaffung der jeweligen arabischen Länder.



              Bei Palästinensern, wie bereits erwähnt, wird dagegen nach einem Rückkehrrecht bis hin zur Abschaffung Israels gefordert. Palästinenser in Jordanien leben immer noch als Flüchtlinge und Menschen zweiter Klasse.

              • @h3h3y0:

                Der Widerspruch in der israelischen Argumentation ist folgender: Einerseits bezeichnet der Staat Israel die Mizrahim als Flüchtlinge, andererseits vertritt er die Ansicht, dass sie doch in ihr „Heimatland“ zurückgekehrt seien, um die Vertreibung der Einheimischen zu rechtfertigen. Die im internationalen Recht verankerte Definition eines Flüchtlings ist die dass der/die Betreffende vertrieben wurde oder fliehen musste, nicht die des „Heimkehrers“. Die Flüchtlingsbezeichnung für die Mizrahim dient dem Staat Israel zur „Gegenrechnung“ mit den von ihm vertriebenen Palästinenser:innen. Die widersprüchlichen Argumente werden je nach angenommenem Vorteil präsentiert.

                • @Martha:

                  Sie meinen, als Vertriebener und Flüchtling kann nur ein Mensch gelten, dessen Familie nachweislich mehr als 2000 Jahre in einem Land lebt und den Boden bearbeitet? Oder gilt das speziell nur für Juden?



                  Da war die UNRWA beim Status für palästinensische Flüchtlinge aber deutlich kulanter! Sie erkennt als hilfsberechtigte palästinensische Flüchtlinge Personen an, "deren Wohnort Palästina in dem Zeitraum vom 1.Juni 1946 bis 15.Mai 1948 war und die infolge des 1948er Konflikts sowohl ihr Zuhause als auch ihren Lebensunterhalt verloren haben"



                  www.bundestag.de/r...19-06-pdf-data.pdf



                  Das sind weniger als 2 Jahre. Uuund, es gab, nach Schaffung von Infrastruktur und neuen Arbeitsplätzen fast ebensoviel arabische, wie jüdische Zuwanderung.

                  • @Henriette Bimmelbahn:

                    Nein das meine ich nicht. Ich habe die Definition des internationalen Rechts aufgezeigt (siehe weiter oben).

                • @Martha:

                  Wo wird mit der Vertreibung von Mizrahim die Vertreibung von Palästinensern gerechtfertigt?



                  Inwiefern soll dieser Widerspruch hier überhaupt relevant sein?



                  Bei dem Artikel geht es um den Antisemitismus in den arabischen Ländern, Vertreibung von Mizrahim und darum, dass Israelkritiker das alles ignorieren, während sie Israel "Genozid" und "ethnische Säuberungen" unterstellen, nach einem Rückkehrrech für Paläsatinenser fordern und mit all dem die Abschaffung von Israel legitimieren wollen.

  • Guter Artikel zum genau richtigen Datum! Danke, Herr Prof. Grigat.



    Zwar wird die brutale Vertreibung der arabischen und iranischen Juden international verdrängt und vergessen, dennoch wird sie in den Familien tradiert und bewirkt bis heute Skepsis und Misstrauen dieser Menschen und ihrer Nachkommen den arabischen Ländern und dem Iran gegenüber.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Da schließe ich mich mal an.

  • Mizrahim sind ein weiteres gutes Beispiel für die doppelten Standards bei dem 3D-Test für Antisemitismus.

    • @h3h3y0:

      Wieso das?

  • In diesem Artikel wird aus meiner Sicht nicht genügend Rechnung getragen, dass dezidierte Judenfeindlichkeit und Antisemitismus eher ab dem 19. Jahrhundert mit der Kolonialisierung in die islamisch-arabisch geprägten Ländern gekommen sind. Tatsächlich gab es im "islamischen" Mittelalter so gut wie keine Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung (anders als in Europa), allerdings - wie auch im Artikel benannt - genau wie gegenüber christlichen Bevölkerungsanteilen eine deutliche Diskriminierung. Trotzdem war die Situation von "Andersgläubigen" (im Sinne der 'ahl al-kitab', sprich Juden/Jüdinnen und Christ*innen) in der islamischen Welt über Jahrhunderte weitaus besser als die Situation von jüdischen Menschen in Europa.



    Spannend ist an den modernen antisemitischen bis antisemitisch-islamistischen Narrativen in arabischen (und türkischen) Kontexten, dass sie in weiten Teilen (nicht zuletzt durch Kolonialisierungsbewegungen) vom modernen rassistischen Antisemitismus aus Europa geprägt sind und sich oft weniger aus anderen Quellen (z.B. kritischen Äußerungen zu Juden/Jüdinnen im Koran oder Hadith) ableiten. Dementsprechend reißt der obige Artikel einige Punkte an, lässt aber andere, ebenso wichtige außen vor.



    Einen aus meiner Sicht umfassenderen Blick auf modernen Antisemitismus in muslimisch geprägten Kontexten konnten wir in meinen Augen bei folgender Publikation zu diesem Themenkomplex erarbeiten: material.rpi-virtu.../09/Extrem-Out.pdf

    • @Patricia Jessen :

      Zu uns kommen viele Flüchtlinge. Für die Vernünftigen unter uns ist es selbstverständlich, diesen Menschen Schutz zu geben.



      Wenn Juden im 19 und 20 Jahrhundet vor dem sicheren Tod nach Middle East fliehen dreht sich die Perspektive um 180 Grad. Man sagt dann bei uns dazu Kolonialisierung oder Landnahme. Die Judenfeindschaft in den arabischen Ländern durch die Kolonialbewegungen christliche Kolonisten zu erklären ist in sich unschlüssig, freilich regressiv. Natürlich war der Antisemitismus in Europa bei weiten übler als der in arabischen Staaten. Jedoch, die Legende von dem guten Leben der Juden in arabischen Ländern hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Lesen Sie das von Stephan Grigat erwähnte Buch von Georges Benoussan "Die Juden in der arabischen Welt oder "Der zerrissene Faden: wie die arabische Welt ihre Juden verlor" von Nathan Weinstock.



      Der Beitrag von Stephan Grigat ist sehr zu begrüßen, sagt er doch die Wahrheit, die im kognitiven Modell der Deutschen über die Juden kaum Beachtung findet.

      • @Günter:

        Es ist ja richtig Flüchtlingen Schutz zu gewähren, es geht aber darum dass die zionistische Bewegung das Land übernehmen wollte und noch immer will und zwar ohne die Einheimischen Palästinenser:innen.



        Übrigens schreibt Georges Benoussans in seinem Buch, das ich selbst gelesen habe, dass es keine Vertreibung von Juden aus der arabischen Welt gegeben hat, die auch nur in etwa der Vertreibung der Palästinenser entspricht.

        • @Martha:

          Na, dann ist der zionistischen Bewegung aber Alles gründlich danebengegangen, 20% Prozent der Bürger Israels sprechen Arabisch als Muttersprache.



          Und nein, Sie haben das Buch nicht gelesen, und wenn, dann nicht verstanden. Natürlich war die jüdische Nakba mit der arabischen nicht identisch, Juden wurden z.B. nicht in Folge eines Krieges, bzw. vorheriger Kampfhandlungen vertrieben, sondern als arabische Aufrechnung und aus Rache. Hier noch einmal zusammengefasst:



          de.wikipedia.org/w...schen_L%C3%A4ndern

      • @Günter:

        Ich schreibe in meinem Kommentar nicht von einem "guten Leben der Juden in arabischen Ländern" im islamischen Mittelalter. Ich schreibe dezidiert, dass es dort Diskriminierung gab, freilich die Verfolgungssituation und Übergriffe in Form von Pogromen nicht so stattfanden wie in Europa. Zumindest bis ins 19. Jahrhundert. Ab dann lässt sich nämlich mit zunehmenden Einfluss nachvollziehen, dass dies kippt. Es gab zunehmend physische Verfolgung zusätzlich zu einer historisch langfristiger nachvollziehbaren und je nach Kontext und Zeit variierenden Diskriminierung. Hier lassen sich faktisch europäische Narrative, die sich in Verfolgung und Pogromen niederschlagen, nachverfolgen, insbesondere nach der Damaskusaffäre in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das spannende am Antisemitismus in der heutigen arabisch-islamischen Welt ist, wie stark er eben auf europäisch geprägte Narrative, insbesondere aus dem rassistischen Antisemitismus des 20. Jahrhunderts zurückgreift. Es ist aus islamwissenschaftlicher Sicht hochinteressant, dass in den Diskursen vor Ort - außer den islamistischen - nur ein kleinerer Teil der Diskurselemente auf (vermeintliche) islamische Quellen beruht (und dann oft auch noch Aussagen getätigt werden, die sich angeblich auf islamische Quellen bzw. islamische Geschichte beziehen und falsch sind). Der Großteil der Diskurselemente entspringt dem europäischen Antisemitsmus des 20. Jahrhunderts. Nicht umsonst haben die "Protokolle der Weisen von Zion" und Hitlers "Mein Kampf" dort immer wieder Neuauflagen. Das die europäischen Narrative in den Nahen Osten übergeschwappt sind, ist natürlich durch den europäischen Kolonialismus mit geprägt. Der Palästinakonflikt führte und führt dann dazu, dass hier ein weiterer Diskursstrang (und auch nicht erst ab 1948) dazu kam.

    • @Patricia Jessen :

      Z. T. haben Sie sicher Recht, Frau Jessen, doch den Judenhass der Araber auf denjenigen der Europäer reduzieren zu wollen, reicht nicht. Der arabische Antisemitismus ist keine Kolonialismus-Story.

      Im 7. Jahrhundert gelingt es Mohammed, die Juden aus ihrer Heimat Medina zu vertreiben und viele von ihnen zu töten, nachdem sie seinen Glauben nicht annehmen wollen. Seither wurden Juden im Einflussbereich des Islam allenfalls als feige und gedemütigte Zeitgenossen betrachtet. Sie werden "Dhimmis" bezeichnet, als Menschen zweiter Klasse. Mohammed setzte noch ein paar Tiernamen hinzu, die wir hier nicht aufführen wollen.

      Zwar gibt es im Koran auch pro-jüdische Aussagen; es dominieren jedoch Verse, in denen der degradierende Blick bis heute ein Kennzeichen muslimischer Judenfeindschaft geblieben ist.

      Ein sehr guter Artikel zu Islamischen Antisemitismus findet sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung.



      www.bpb.de/themen/...er-antisemitismus/

      Mit diesem Antijudaismus vorbelastet saugte der Islam den mittelalterlichen europäischen Antisemitismus bis hin zur Urmutter aller Verschwörungstheorien "Die Protokolle der Weisen von Zion" ein. DasZeugs tut heute noch seine Wirkung. Man glaubt es nicht.

      Anschließend das ganze Nazi-Zeugs bis hin zur antisemitischen RAF.

      Der hervorragende Artikel von Herrn Prof. Grigat ließe sich sicher auch im Sachkundeunterricht gegen Antisemitismus verwenden.

      Das Beste was ich bisher zu der Thematik gelesen habe.

      • @shantivanille:

        Ja, es finden sich antijüdische Passagen im Koran und ja, Muhammad hat in seiner Zeit die drei jüdischen Stämme in Medina im Rahmen von Machtkämpfen vertrieben bzw. die männlichen Mitglieder eines Stammes sogar getötet. Das lässt sich anhand der wenigen vorhandenen Quellen aus dieser Zeit sehr gut nachverfolgen. Aber das spannende ist, dass dies im islamischen Mittelalter eben nicht das Narrativ und darauf aufbauend den Umgang mit Jüdinnen und Juden so geprägt hätte, das es immer wieder zahlreiche Pogrome wie in Westeuropa gab. Es gab eine Benachteiligung bis hin zu Diskriminierung, physische Übergriffe waren dagegen eine Ausnahmeerscheinung. Das Gros von physischen Übergriffen setzt im 19. Jahrhundert ein, besonders hervorzuheben ist hierbei die Damaskusaffäre, die einen Startpunkt bezeichnen kann. Von dieser aus lässt sich nachzeichnen, das antijüdische Narrative und Judenhass stark durch mitgebrachten Antijudaismus/Antisemitismus von Europäer*innen geprägt wurde (z.B. die Ritualmordlegende oder später rassistische Elemente). Diese wirken bis in den islamistischen Antisemitismus fort. Dementsprechend ist es eben sehr erstaunlich beim modernen Antisemitismus in der arabischen Welt wie sich a) Narrative aus Europa, die mit der Kolonialisierung zunehmend ins Land kamen auswirken und b) eigentlich erst der Islamismus wirklich die möglichen genuin islamischen Quellen aufgreift (z.B. Hadith oder Koranverse, die aus dem Kontext gerissen ggf. antijüdische und antisemitische Ressentiments befeuern können). Gerade letztere spielen jedoch im antisemitischen Mainstream in islamischen Gesellschaften nicht die größte Rolle, sondern eher Elemente des rassistischen Antisemitismus gekoppelt an "Kritik" an Israel und den Palästinakonflikt. Dementsprechend würde ich zumeist nicht von einem islamischen Antisemitismus, sondern von Antisemitismus in islamisch geprägten Kontexten sprechen.

        • @Patricia Jessen :

          Frau Jessen, was mir wichtig ist und worum es mir geht ist, wie können wir den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland stoppen.

          Nazis habe ich längst aufgegeben. Die sind eins mit ihrem Judenhass. Und lernen nie dazu. Obwohl sie wahrscheinlich selbst nie einen Juden kennengelernt haben. Es gibt ja kaum welche in Deutschland.

          Auch ich kenne kaum welche, komme eher aus der atheistischen oder agnostischen Ecke.

          Muslimische Kinder und Jugendliche kann man vielleicht durch Aufklärungsarbeit noch erreichen. Indem man ihnen klar macht was hinter diesem ganzen Antisemitismus steckt. Herr Grigats Artikel ist für so etwas super gut geeignet.

          Mir stinkt einfach so viel Unbewusstheit. Und Antisemitismus ist das klassische Beispiel für ein absolutes Höchstmaß an totaler Unbewusstheit. Hier wird alles auf Juden projiziert was man in seinem eigenen und kollektiven Unterbewusstsein nicht sehen möchte.

          Und das 100 Jahre nach Freud!

          Lernen wir nie etwas dazu?

          Als größte Schande empfinde ich es, wenn sogar bestimmte linke Gruppierungen dabei mitmachen. Das tut weh.

          Wenn es so weiter geht in diesem Land wird aus dem "Nie wieder!" ein "Immer wieder!".

          www.zeit.de/2015/0...uropa-auswanderung

          www.cicero.de/kult...itismus-nie-wieder

          • @shantivanille:

            Ich würde sagen neben Kindern und Jugendlichen, die einen muslimischen Hintergrund haben, gilt es auch die nicht-muslimischen Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu erreichen. Rein prozentual spielen sie und ihr Antisemitismus gesamtgesellschaftlich in der BRD die größere Rolle. Ich mag es nicht, wenn eine Minderheit genommen wird, um zu überdecken, was bei Mehrheiten schief läuft. Wir haben in der Gesellschaft weit verbreiteten Antisemitismus, ganz unabhängig vom Antisemitismus bei muslimischen Menschen. Deren - ebenfalls zu problematisierenden - Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen jüdische Mitbürger*innen darf uns nicht davon ablenken, an die eigene Nase zu fassen. Und wer sich als Links bezeichnet, aber sich antisemitisch äußert, der oder die hat das mit dem was „Links Sein“ ausmacht, nicht verstanden, so meine ich…

        • @Patricia Jessen :

          Nun, die Bundeszentrale für politische Bildung ist anderer Meinung. Sie nennt es - wie Sie dem Link von Shantivanille entnehmen können - einfach "islamischer Antisemitismus". Darüber hinaus ist ihre Vorstellung vom Leben der Juden in arabischen Ländern doch stark rosapink angefärbt. Der französische Historiker Georges Bensoussan, der selbst aus einer alteingessenen jüdischen Familie in Marokko stammt, die nach Frankreich auswandern musste, stellt das sehr anders dar.



          www.deutschlandfun...-welt-die-100.html

          • @Henriette Bimmelbahn:

            Sie lassen mich gerade ratlos zurück. Ich habe soeben den Text von Hr. Küntzel bei der Bundeszentrale noch einmal gelesen und finde dort nichts, was dem, was ich geschrieben habe widersprechen würde. Genauso wie ich verweist er auf verschiedene Diskursstränge in dem, was er "islamischen Antisemitismus" nennt und ich eher als "Antisemitismus in arabisch-islamischen Kontexten" bezeichnen würde. Er kommt zu den gleichen Schlussfolgerungen und gewichtet die Diskursstränge ähnlich wie ich dies tue. Wo ich dann die Situation von Juden und Jüdinnen in arabischen Ländern als "rosspink" darstelle, wenn ich - wie Küntzel - sage, dass es dort eine dauerhafte Diskriminierung seit der Verbreitung des Islams gab, verstehe ich dann auch nicht. Gerne verweise ich noch einmal auf eine von mir mit verfasste Publikation, wo wir das alles (übrigens mit Bezügen zu Küntzel) auch herausgearbeitet haben: material.rpi-virtu.../09/Extrem-Out.pdf.

            • @Patricia Jessen :

              Danke für den Link. Mit "rosapink" meinte ich, dass Sie mehrfach schreiben, erst ab ca. dem 19 JH hätten die Juden in den muslimischen Ländern unmittelbar Gewalt und Verfolgung erfahren. Selbst wenn: wir sind mittlerweile im 21.JH angekommen und ihre "Neuheit" macht die Gewalterfahrungen der Juden aus den letzten 2 JH um nichts besser!



              Der Antisemitismus ist ein sehr altes Phänomen, er hat sich mehrfach verändert und neue Formen entwickelt, die sich auch mischen und miteinander wechselwirken.



              Also, ja, es steckt in der jetzt in muslimischen Ländern verbreiteten Form des A. eine Menge europäisch-rassistischer A.. Und? Mittlerweile ist der europäische A. hervorragend im muslimischen Umfeld angewachsen und blüht und gedeiht dort. Genau darauf beziehe ich mich.

              • @Henriette Bimmelbahn:

                Es ist historisch so, dass es Gewalt und Verfolgung gegen Menschen jüdischen Glaubens im islamischen Mittelalter bis in die Neuzeit hinein eben so gut wie nicht gegeben hat. Es gab eine Benachteiligung, es gab Diskriminierung, Menschen jüdischen (und christlichen) Glaubens waren "Bürger*innen zweiter Klasse". Aber es gab nur sehr vereinzelt Pogrome. Erst in der Neuzeit setzt diese physische Verfolgung ein. Und das ist in Punkto Judenfeindschaft/ Antisemitismus ein großer Unterschied zu Europa. Das ist eine reine Beschreibung und keine Bewertung in dem Sinne, dass die Diskriminierung nicht so schlimm war oder aber gar, es habe da ein problemloses Zusammenleben gegeben, wo alle gleichberechtigt waren. Pogrome ab dem 18. Jahrhundert und die damit einhergehenden Narrative sind im hohen Maße dann von europäischen Motiven geprägt. Auch das ist keine Wertung, sondern reine Deskription historischer Entwicklungen. Als Islamwissenschaftlerin ist es für mich zudem spannend, dass eben nur begrenzt auf die Möglichkeiten, antijüdische Elemente aus religiösen Kontexten für den modernen Antisemitismus in der islamischen Welt genutzt wird. Das wäre in einem viel größerem Umfang möglich, wenn man das mit christlich motivierten Antijudaismus vergleicht. Auch das macht es für betroffene Jüdinnen und Juden selbstverständlich nicht besser. Aber aus wissenschaftlicher Perspektive ist es eben interessant, wie sich diese im weitesten Sinne "islamisch" motivierten antijüdischen Motive am ehesten im Islamismus niederschlagen und das eben zeitlich auch recht spät, während das Gros moderner antisemitischen Narrative im arabisch-muslimischen Kontext eben nicht davon geprägt ist.

                • @Patricia Jessen :

                  .....aha..und Granada 1066?



                  www.youtube.com/watch?v=SSdrVgQp5h4



                  -Ich kenne kein Alesia! Ich weiß nicht, wo Alesia liegt! Niemand weiß, wo Alesia liegt!-

                  Natürlich stimme ich Ihnen insoweit zu, dass es im 19. Jahrhundert christliche Fundamentalisten waren, die insbesondere über diplomatische Kreise den christlichen Antisemitismus in den arabischen Raum trugen. Der heutige europäische Antisemitismus lässt sich da nicht lumpen. Lesen Sie dazu "Die Einsamkeit Israels" von Stephan Grigat.



                  Dort beschreibt er unter anderem, wie linke und rechte Antizionisten aus Europa den Antizionismus , Zitat "..aus ihrem jeweiligen ideologischen Fundus mit immer neuen Verrücktheiten bereichern..." Zitat Ende



                  Mit dem ganzen Zeug im Gepäck machen sich die Europäer:innen dann auf den Weg nach Middle East. Stephan Grigat beleuchten auch, wie der Zionismus "...in nahezu all seinen Ausprägungen..." eine Reaktion auf den Antisemitismus war.



                  Leider hat sich in Middle East eine gewisse Affinität zum historischen -christlich europäisch- geprägten Antisemitismus gezeigt. Das ist es worauf all unsere deutschen "Friedensfreunde" in Middle East bauen, wenn sie Ihre besten Kinder dort hinschicken, um die Araber mit ihrem Zeug zu verderben.

                • @Patricia Jessen :

                  Wissenschaftliche Forschung zu Antisemitismus schätze ich keineswegs gering, ganz im Gegenteil. Die Forschungsarbeit leidet aber erheblich, wenn Sie Schwierigkeiten haben aus - nehme ich an - politischen Motiven heraus elemetare Grundbegriffe zu verwenden und sich stattdessen winden. Gemeint ist der Begriff "islamischer Antisemitismus". Der Begriff "christlicher A." meint nämlich auch nicht den A. von Christus, bzw. der Bibel, sondern den A. der Menschen, die zur christlichen Religionsgemeinschaft gehören, kurz: der Christen.



                  Daher ist es zwar wichtig, wenn Sie feststellen so richtig judenfeindlich sei weder der Koran, noch die Hadithen. Mag sein. Unter Muslimen gibt es jedoch leider erschreckend viele fanatische Judenhasser und das sollten auch Wissenschaftlerinnen zur Kenntnis nehmen.

      • @shantivanille:

        Ein sehr guter Kommentar, so was macht Mut!!!

  • Danke für diesen sehr informativen Beitrag zur Geschichte der Juden in den arabischen Ländern bzw. Magreb. Zu dem Thema Staat Israel und Situation der Araber im Westjordanland werden die im Artikel geschilderten Tatsachen gerne verschwiegen.

  • Wow, Herr Prof. Grigat, das ist mit Abstand der beste Artikel in deutschen Medien, den ich bisher zu der Problematik gelesen habe.

    Ein Lob an die taz, diesen veröffentlicht zu haben. Das ist es, was die taz in der hiesigen Medienlandschaft auszeichnet.

    Juden erfahren von Arabern, also vorwiegend Muslimen seit 1300 Jahren nichts anderes als Diskriminierung, Hass und Rassismus.

    Zum Begriff "Dhimmis" fällt mir noch eine Definition ein, die ich mal bei der Bundeszentrale für Politische Bildung gelesen habe:

    "Mohammed gelingt es (nachdem diese nicht seinen Glauben annehmen wollen), die Juden aus Medina zu vertreiben und Hunderte von ihnen zu töten. Seither wurden Juden im Einflussbereich des Islam allenfalls als feige und gedemütigte Zeitgenossen betrachtet. Sie galten neben den Christen als Dhimmis – als Menschen zweiter Klasse, sie mussten eine zusätzliche Steuer zahlen und Diskriminierungen erdulden. . . Zwar gibt es im Koran auch pro-jüdische Aussagen; es dominieren jedoch Verse, in denen Juden als Feinde dargestellt, gar als "Affen" und "Schweine" abgewertet werden. Dieser degradierende Blick ist bis heute ein Kennzeichen muslimischer Judenfeindschaft geblieben."



    www.bpb.de/themen/...er-antisemitismus/

    Dieser Antijudaismus des frühen Islam bildet wohl die Basis dafür, dass Juden von Arabern, also vorwiegend Muslimen seit 1300 Jahren nichts anderes als Diskriminierung, Hass und Rassismus erfahren müssen.

    Auch Ihre Lösungsvorschläge finde ich hervorragend, Herr Prof. Grigat.

    Ein tiefes Bewusstsein für die Entstehung dieses Konflikts könnte geschaffen werden.

    Dort, aber vielleicht auch hierzulande im Schulunterricht?

    Alles andere ist Herumdoktern an Symptomen und hat bisher überhaupt nichts gebracht.