piwik no script img

Antisemitismus-Streit der LinkenFeigheit vor dem Freund

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Skandalös ist nicht die Antisemitismus-Definition der Linkspartei. Skandalös ist eine hasenfüßige deutsche Politik gegenüber Israel.

Was wir brauchen: eine sachliche Debatte um Antisemitismus in Deutschland und die Frage, welche Kritik an Israel legitim ist Foto: Michael Eichhammer/imago

D ie Linkspartei hat ein Steinchen ins Wasser geworfen – und eine Empörungswelle ausgelöst. Die GenossInnen haben sich gegen die gängige IHRA-Antisemitismus-Definition gewandt. Die würde, so die nachvollziehbare Kritik, die Trennlinie zwischen der Kritik an Israel und Antisemitismus verwischen. Daher will die Linkspartei sich lieber an die „Jerusalemer Erklärung“ halten, die diese Grenze deutlicher markiert. Der Antisemitismusvorwurf wird oft benutzt, um die Kritik an der rechten Regierung in Israel in eine dubiose Ecke zu rücken. Die Linkspartei thematisiert damit zu Recht die enger werdenden Grenzen des Sagbaren.

Wenig weitsichtig wirkt die Reaktion des Zentralrats der Juden: Die Linkspartei verschweige Antisemitismus und befördere den Hass auf Israel. Das ist überzogen. Die Jerusalemer Erklärung wurde von anerkannten liberalen, teil israelischen Intellektuellen verfasst. Sie in die Ecke des Antisemitismus zu rücken, erinnert an die Strategie der israelischen Rechten.

Die nutzen den Antisemitismusvorwurf als eine Art Superwaffe. Die rhetorische Eskalation um den Linkspartei-Beschluss erschwert, was wir brauchen: eine sachliche Debatte um Antisemitismus in Deutschland und die Frage, welche Kritik an Israel legitim ist – und welche nicht.

Dazu gehört auch die Frage: Welche Kritik ist nötig? Welche zu zaghaft? Frank-Walter Steinmeier lobt beim Treffen mit Israels Präsident Jitzchak Herzog Israel als rechtsstaatliche liberale Demokratie, die sich gegen den islamistischen Terror wehren müsse. Steinmeier merkt nebenbei an, dass Hilfslieferungen nach Gaza zu erlauben wünschenswert wäre. Und mahnt unverbindlich einen Waffenstillstand an.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Diese eingeübte deutsche Sprechweise ist doppelt unangemessen. Im Angesichts des Schreckens des Gazakrieges reicht es nicht, pflichtschuldig in einen Halbsatz das Leid der Zivilisten zu erwähnen.

Das ist, wenn man politische Moral reklamiert, einfach zu wenig. Zudem wird Steinmeier am Dienstag Benjamin Netanjahu lächelnd die Hand drücken. Dabei nebenbei die Einhaltung der Menschenrechte zu erwähnen, wird auf die rechte Regierung in Israel wenig Eindruck machen. Die reagiert, wenn überhaupt, auf Druck. Die Instrumente dafür sind bekannt: ein Stopp der Waffenlieferungen und die diplomatische Anerkennung Palästinas. Das aber ist von der deutschen Politik nicht zu erwarten.

Skandalös ist nicht, dass die Linkspartei sich diese Definition zu eigen macht. Skandalös ist eine hasenfüßige deutsche Politik, die lieber Fototermine macht, als Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen, dass Israel Kriegsverbrechen begeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

49 Kommentare

 / 
  • "Die Linkspartei thematisiert damit zu Recht die enger werdenden Grenzen des Sagbaren."

    Das sagen die Rechten von sich auch. Zumindest in diesem Punkt sind sich Linke und Rechte einig: In Bezug auf Juden muss der Raum des Sagbaren erweitert werden.

    Dass sich darin ausgerechnet sog. "Linke" als Speerspitze hervortun, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

    Obwohl: eigentlich passt das. Waren es doch Linke, die als erste Deutsche nach dem Holocaust wieder Juden selektierten. Vor fast 20 Jahren war sich die taz dessen auch noch bewusst.



    taz.de/Antisemitis...-der-RAF/!5193915/

    Shame on you.

  • Sorry, wenn ich jetzt versucht habe auch nur einen kleinen historischen Ansatz zu bringen, der einer sachlichen Debatte um Antisemitismus in Deutschland eine winzige Spur weiterhelfen könnte. Sorry, wenn ich die Beobachtung geäußert habe, dass ich bei Die Linke bisher wenig Basiswissen gesehen habe.

    Sorry, wenn ich aus der Danke-danke-danke-Hymne ausschere.

  • Danke, ein notwendige Klarstellung.



    Hoffentlich liest das auch unsere Bundesregierung.

  • Danke für diesen Kommentar, dem nichts beizufügen ist!

  • Ja, es ist feige und unverantwortlich. Punkt. Scheiß ungerechte Doppelmoral.



    Danke für den Kommentar.

  • Sehr gut gemacht, Herr Kollege. Vielen Dank!

  • Exakt das.

  • Danke für den Kommentar!! Auf der einen klare Aussage: Israel begeht im Gaza Kriegsverbrechen habe ich auch als taz Leserin lange gewartet

  • Endlich spricht mir jemand aus der Seele, vielen Dank.

  • Danke für den Kommentar! So unbedingt wichtig!

  • Der Kommentar ist aus meiner Sicht grundfalsch!



    Der Frieden in Gaza hängt eben nicht davon ab, ob die deutsche Regierung kritisiert oder nicht.



    Es gibt mehr als genug Länder die Israel kritisieren.



    Unser Land hat 6 Millionen Gründe Israel, als Heimstatt der Überlebenden, nicht zu kritisieren, auch wenn Israel nicht alles richtig macht!



    Damit wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht und könnte eventuell als Beispiel dafür herhalten, wie man mit historischer Verantwortung in monströsem Ausmaß umzugehen hat.

    • @Thomas Kühnelt:

      Was für ein bestechendes Argument. Niemand, absolut niemand kann eigene Verbrechen dadurch entschuldigen, selbst Opfer eines Verbrechens geworden zu sein. Auch nicht Israel! Das gilt übrigens gerade bei Genoziden. Sonst versinkt die Welt in absoluter Barbarei. Und das zu verhindern, ist gerade Deutschlands Verantwortung!

      • @Gerd Mischler:

        "Niemand, absolut niemand kann eigene Verbrechen dadurch entschuldigen, selbst Opfer eines Verbrechens geworden zu sein. Auch nicht Israel!"

        Das hat der Kommentar auch gar nicht behauptet.

    • @Thomas Kühnelt:

      Aber wieso sollte das aus dem Holocaust folgen? Wieso sollte das Deutschlands Verantwortung sein?

      Ist es nicht der viel größere Freundschaftsdienst, dieser Regierung (denn nur die ist das Problem) eine klare Kante zu zeigen? Fest an der Seite Israels, aber nicht fest an der Seite der Politik Netanyahus?

    • @Thomas Kühnelt:

      Die Lehre aus der deutschen Vergangenheit sollte sein, Recht von Unrecht zu unterscheiden und das Recht zu verteidigen. Nicht, bedingungslos auf der Seite Israels zu stehen.

    • @Thomas Kühnelt:

      Ein Beispiel für den Umgang mit historischer Schuld zu sein, heißt nicht, politische Immunität zu gewähren, sondern eine moralische Haltung zu entwickeln, die konsequent gegen Unrecht ist – immer, überall und unabhängig davon, wer es begeht.

      • @Ice-T:

        "... die konsequent gegen Unrecht ist ..."

        Und was Unrecht ist, bestimmt wer? UN-Gerichte?

    • @Thomas Kühnelt:

      Es ist richtig, dass Deutschland eine besondere historische Verantwortung gegenüber den Juden (m/f/d) weltweit trägt – gerade wegen der Verbrechen der Shoah. Aber gerade diese Verantwortung bedeutet nicht unkritisches Schweigen, sondern das Einstehen für universelle Menschenrechte, auch gegenüber einem Staat wie Israel.

      Frieden in Gaza hängt sehr wohl auch von der internationalen Haltung ab – Deutschland eingeschlossen. Als Land mit Einfluss, wirtschaftlicher Macht & historischer Erfahrung mit Extremismus trägt Deutschland Verantwortung dafür, seine Stimme zu erheben, wenn Menschenrechte verletzt werden – unabhängig davon, wer sie verletzt.

      Andere Länder kritisieren Israel, ja – aber das kann kein Argument dafür sein, sich selbst der Pflicht zur moralischen Positionierung zu entziehen. Es geht nicht um "Israelkritik" im historischen Sinne, sondern um konkrete politische Entscheidungen, die Leid verursachen – auf beiden Seiten. Wer dauerhaftes Leid von Palästinensern schweigend hinnimmt, trägt nicht zur Sicherheit Israels bei, sondern zementiert einen Teufelskreis von Gewalt und Radikalisierung.

    • @Thomas Kühnelt:

      Daran ist gar nichts grundflasch. Niemand verlangt, das "Israel kritisiert" wird. Es sollen lediglich Menschen- und Völkrechtsrechtsverstöße einer rechtsnationalen Regierung kritisert werden. Das ist trotz aller Gleichsetzungsversuche ein gewaltiger Unterschied und es basiert auf den universllen Lehren, die die Welt nach dem zweiten Weltkrieg gezogen hat. Gerade wenn man es ehrlich meint mit Freunden, dann schaut man nicht weg, wenn diese falsch handeln. Denn es ist auch die israelische Zivilbevölkerung, die unter diesen Konflikt und ihren Anheizern leiden.



      Und nebenbei. Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße als "nicht alles richtig machen" zu bezeichnen ist im Übrigen ziemlich daneben. Es gibt keinerlei Legitimation, Zivilisten von Hilfsgütern abzuschneiden.

    • @Thomas Kühnelt:

      Ja, Deutschland hat eine historische Pflicht, auf Menschenrechte insbesondere von Jüd:innen zu achten und diese durchzusetzen. Und ja, Deutschland ist mit Schuld daran, dass massenhaft Menschen in ein schon besiedeltes Gebiet umgesiedelt wurden und dass daraus ein sehr vorhersehbarer Konflikt entstanden ist.



      Allerdings gibt es einen Unterschied von Diskriminierung und "Kritik" an einer Religion zu der Kritik an der Politik eines Staates. Nicht alle Jüd:innen leben in Israel und bei weitem nicht alle Israelis stimmen der aktuellen Politik ihrer Regierung zu! Man kann nicht den Staat mit den Menschen, die in ihm leben, gleichsetzen.



      Und wenn ein Staat (also hier Netanjahu + ein paar seiner Anhänger) Menschenrechtsverletzungen begeht mit der Absicht, ein Volk auszulöschen oder mindestens zu vertreiben, dann muss dagegen Kritik geübt werden.

    • @Thomas Kühnelt:

      Unser Land hat 6 Millionen Gründe, Juden zu schützen. Unser Land hat weit mehr als 6 Millionen Gründen, sich mit einem von Rechtsradikalen gelenkten Staat nicht zu verbrüdern.

    • @Thomas Kühnelt:

      Nach ihrer Logik hätte Deutschland dann auch 20 Millionen Gründe, Russland nicht zu kritisieren.



      Wäre das in Ihrem Sinne?

      Oder gelten Menschenrechte universell?

    • @Thomas Kühnelt:

      Danke, dass Sie hier mutig diese Meinung vertreten. Es ist derzeit wichtig, dass sich der Staat Israel wenigstens auf die wenigen Freunde verlassen kann, die zu ihm stehen. Und dazu gehört Dt., jetzt wieder.



      "Die Instrumente dafür sind bekannt: ein Stopp der Waffenlieferungen und die diplomatische Anerkennung Palästinas." Abgesehen davon, dass die Methode "Instrumente zeigen" aus einer anderen Epoche zu kommen scheint, wäre beides unter den aktuellen Umstände das Ende des Staates Israel und damit der Möglichkeit für Juden, sich an einem (für sie) beispiellos sicheren Ort uneingeschränkt aufhalten zu können.



      Und weil selbst Dt. den Juden keine Sicherheit bieten kann (zunehmender Antisemitismus von drei Seiten), muss es aus historischer Verantwortung heraus für die Sicherheit Israels einstehen.



      Palästina als Staat anzuerkennen ist erst dann eine realistische Option, wenn es so etwas wie eine demokratische Alleinvertretung aller palästinesischen Araber gibt, die das Existenzrecht Israels anerkennt.

    • @Thomas Kühnelt:

      Ich glaube unsere Lehre die wir aus dem zweiten Weltkrieg ziehen sollte nicht sein bedingungslos und ohne Sinn und Verstand einen Staat Israel zu unterstützen. Die Lehren die wir ziehen sollten sollte sein, keinen Massenmord mehr auf diesem Planeten zu beheen oder zu unterstützen und zwar egal an wem. Von daher werden wir unser Verantwortung aktuell überhaupt nicht gerecht.

  • Auch meine volle Zustimmung. Vielen Dank für den Artikel!

  • Ein hörenswertes Interview mit Shimon Stein, ehemaliger Israelischer Botschafter, der sich dafür ausspricht, dass zu "Freundschaft" zwischen Staaten auch Kritik an politischen Entscheidungen gehört:

    www.ardaudiothek.d...nforadio/14553117/

  • Danke, Danke und nochmal Danke

  • Nun denn - dann aber nun auch die scharfe Debatte möglichst hier eröffnen.



    Zum Beispiel mit einem Interview in dem Andrej Hermlin gefragt wird, weshalb er mit Teils richtig echt falschen Behauptungen die Polemik anführt, DIE LINKE habe sich vom Kampf gegen den Judenhass verabschiedet.

    Da man redlich informiert, um Analyse und Begriff bemüht davon ausgehen muss, dass diese Behauptung schlicht falsch ist,



    muss die Frage gestellt werden, zu welchem Zweck, für welches Kräfteverhältnis und für welche Bündnisse, der Kampf gegen Antisemitismus und Judenhass real echt wirklich auf die Beine gestellt werden soll.



    Mit falschen Behauptungen. Mit Polemiken, die keiner Emanzipation von zum Falschen geschönten Gründungsmythen Israels dienen und damit sowenig vorlegen, wie eine Geschichtsschreibung von PLO und palästinensischem Widerstand, er so etwas wie die Hamas immer auch schon in sich trug.

    Welche Stumpfheit ist es, verwechselt man die Analyse, dass die messianischen, rechtsreaktionären, ultrareligiös-nationalistischen Regierungen Israels und die Hamas sich gegenseitig unabdingbar machten. Während sie behaupten in ihren Machtansprüchen und Gesellschaftsentwürfen Feind zu sein?

  • Das sieht Andrej Hermlin viel klarer als Stefan Reinecke. Er sagt zurecht:



    "Für mich ist der dort gefasste Antisemitismus-Beschluss eine Zäsur. Ich hätte nicht gedacht, dass es nach dem Beschluss des Parteivorstands vom Oktober 2023, der mich damals zum Austritt aus der Partei nach immerhin 33 Jahren bewogen hat, noch schlimmer werden könnte. (...)Judenfeindschaft ist damit – allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz – zu einem organischen Bestandteil dieser Partei geworden. "



    und



    "Kritik an Israels Regierung oder seiner Kriegsführung ist legitim, aber hier passiert etwas ganz anderes: Israel wird als Staat delegitimiert. Die Antisemitismus-Definition, auf die sich die Linke nun beruft, ist ja keine wissenschaftliche, sondern eine politische. Wenn darin behauptet wird, die Israel-Boykottbewegung BDS sei nicht antisemitisch oder wenn darin eine Ein-Staat-Lösung im Nahen Osten als akzeptabel angesehen wird, dann rüttelt man wissentlich am Existenzrecht Israels. Das ist so schwerwiegend, dass die Partei damit den Kanon der anständigen Parteien verlassen hat."

    checkpoint.tagessp...cial-button-nl-web

    • @Neville Longbottom:

      Und um es Ihnen auch so zu sagen:



      Andrej Hermlin ist kein Diskurspartner der um Präzision bemüht ist.



      Tatsächlich stimmt er in einen Mainstream ein, der vor allem mit Stimmung, Befindlichkeit, Gefühl - ganz in der Logik einer völlig retardierten marktwirtschaftlich durchökonomisierten Challenge, Bodycount und Werbe- und Konkurrenzlogik gar nicht mehr hinter die Dinge sieht.

      Er behauptet in seinem auslösenden Interview in der "Jüdische Allgemeine" zum Beispiel die RAF habe Flugzeuge entführt und Passagiere selektiert.



      Das ist falsch. Die RAF hat nie ein Flugzeug entführt und das was er meint ist Entebbe, an der Personen der "Revolutionären Zellen" teilnahmen. Die wiederum haben zu Beginn der 1990er zu diesen Sachverhalten Zeugnis abgelegt, das nicht davon überschrieben wird, das ein Andrej Hermlin mal eben so pauschal unpräzise RAF- RZ -2.Juni-PLO-PFLP - iss ja eh alles dasselbe - in einen Topf wirft. Um dann Präzision in der Antisemitismus-Definition einzufordern. Welche Präzision, welche Genauigkeit, welchen Willen zum Nicht-Polemischen legt er denn bitte vor? Wo ist denn da der begründete, seriöse Anspruch auf Gehör?



      Stimmung! allenthalben iss doch schon genug und überall.

    • @Neville Longbottom:

      Das kann man völlig zu Recht, in jeder Hinsicht fundiert und im Sinne eines tatsächlichen Kampfs gegen Antisemitismus völlig anders sehen.

      Die Idee einer Ein-Staaten-Lösung - so fern sie auch sein mag - rüttelt allein an der Agenda und den Machtprojektionen nationalistischer, völkischer, messianischer, ultrareligiöser Kräfte. Beider Seiten. Davon zu träumen gemeinsam in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben, ist nicht schon per se antisemitisch.

      Die IHRA-Definition Antisemitismus ist nicht weniger unwissenschaftlich, nicht weniger politisch, als die Jerusalemer Erklärung. Letztere beruft sich zu Recht auf die Notwendigkeit, die tödliche, kriegsverbrecherische Funktionalisierung des Kampfes gegen Antisemitismus, als Begründung von Verbrechen wirksam zu entsolidarisieren. Sie verbündet sich zudem mit jenen gesellschaftlichen Kräften Israels, die in diesem Sinne in scharfer Opposition zu den messianischen Kriegerregierungen Israels und ihrer Praxis stehen, die seit 30 Jahren die Agenda jenes Extremisten erfüllen, der mit Jitzchak Rabin den Friedensprozess ermordete.

      Lesen Sie die Jerusalemer Erklärung, statt den begriffssutzigen Tagesspiegel zu zitieren.

      • @Elise Hampel:

        Chapeau!

      • @Elise Hampel:

        Die Idee einer "Ein-Staaten-Lösung" ist eine "Kein Israel"-Lösung und rüttelt an der Heimat von immerhin Millionen von Israelis. Sie bringt die Hamas ihren Träumen ein Stück näher. Palästina arabisch und dann das universelle Kalifat.



        Soweit sind wir also mittlerweile in Deutschland.

  • Die offensichtliche Doppelmoral der deutschen Regierung(en) ist verheerend für das Ansehen Deutschlands in der Welt und ist zudem ein Tritt vor's Schienbein für all jene Israelis, die seit Monaten (Jahren?) gegen die rechte Netanjahu-Regierung auf die Straße gehen.



    Der Zentralrat der Juden in Deutschland spielt dabei eine traurige Rolle, indem er sich nurmehr als Sprachrohr der israelischen Regierung versteht und vehement vertritt, was diese von sich gibt. Damit erweist er den Juden in Deutschland einen Bärendienst.

  • Die deutsche Israelpolitik verharrt im Trauma der frühen Bundesrepublik. Damals - es waren die Zeiten der Schußstrichdebatte, der zögerlichen Aufarbeitung der Naziverbrechen, der Nazi-Schergen in Regierungsämtern - wollte man sich von Schandmal des Völkermords befreien und wieder Aufnahme in den Kreis der zivilisierten Völker finden. Adenauer suchte die "Versöhnung" mit Israel, weil er so dieses Ziel erreichen konnte. Israel dagegen brauchte deutsche Waffen, um sich gegen seine erzürnten arabischen Nachbarn behaupten zu können und verpflichte sich im Gegenzug dazu, der Westintegration Westdeutschland nicht im Weg zu stehen und fortan die junge Bundesrepublik nicht mehr zu deutlich an den millionenfach begangenen Mord am jüdischen Volk zu erinnern. Es ging also um einen Deal. An dessen wahre Beweggründe freilich mag sich die deutsche Politik bis heute nicht gern erinnern. Verklärung hatte fortan höchste Priorität.



    Israel ist dessen wohl bewusst. Es setzt sein Wissen dazu ein, um Deutschland in die Bahn zu zwingen, wenn immer auch nur zaghaftester Widerspruch sich regt gegen eine Politik, die Völker- und Menschenrecht offen missachtet.

  • Dieser Artikel ist vollkommen richtig und trifft den Nagel auf den Kopf! Danke dafür.



    Antisemitismus ist in keiner Weise akzeptabel und wir müssen alles tun, dagegen vorzugehen. Das heisst aber auch, die Kriegsverbrecher in der israelischen Regierung und die sie unterstützenden Hardliner hart anzugehen. Viel zu viele Menschen in aller Welt differenzieren nicht zwischen Juden und Israelis, schon gar nicht zwischen anständigen Menschen in Israel und den faschistischen Akteuren dort - und verdammen gleich alle Juden ohne Unterschied. Und genau das ist dann Antisemitismus, befördert von den Hardlinern. Sehen die denn nicht oder besser: wollen die nicht sehen, dass die Verachtung von Menschenrechten, die völkerrechtswidrigen Handlungen in Gaza, in Syrien. im Libanon und im Westjordanland den Antisemitismus regelrecht fördern? Wenn wir den Isarelis und den Juden insgesamt wirklich helfen wollen, dann müssen wir klar und deutlich werden und die Dinge beim Namen nennen.

  • Vielen Dank für den Kommentar - Zustimmung.

  • Es ist offensichtlich unmöglich, Kritik an der katastrophal-destruktiven rechten Regierung Israels zu üben. Netanjahu hat bezeichnenderweise den Haftbefehl des IStGH als Akt des Antisemitismus bezeichnet. Ein echter Freund Israel würde die Regierung Natanjahu als das bezeichnen was sie ist: eine Geißel Israels, die Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Natürlich OHNE die andere Seite (Hamas, Hisbollah, Iran, Huthis) zu unterschlagen. Allerdings ist das Thema derart emotional aufgeladen, dass differenzierte Stimmen kaum noch durchdringen.



    Die deutsche Regierung leistet hier mit Sicherheit keinen sinnvollen Beitrag, sowohl die alte als auch die neue.

  • Danke für die Einordnung.

    Frieden beginnt mit Gerechtigkeit



    Es kann keinen Frieden geben ohne Gerechtigkeit. Keine Sicherheit ohne Menschenrechte. Kein Miteinander ohne Anerkennung des Anderen als gleichwertigen Menschen. Diese Grundsätze gelten universell – oder sie gelten nicht. Die Situation in Gaza ist keine ferne Krise, sie ist ein Prüfstein für unser eigenes Werteverständnis. Unsere Reaktion auf dieses Leid zeigt, was uns unsere Prinzipien wirklich wert sind.



    Die Geschichte wird auch auf Deutschland schauen. Nicht nur darauf, was es in der Vergangenheit getan hat – sondern auch darauf, was es in der Gegenwart unterlassen hat.

  • Antisemitismus ist immer falsch und muss immer bekämpft werden.



    Kritik an Israel, genau genommen an Israels politische Führung aber ist völlig angebracht.



    Die Kunst ist es, beides argumentativ nicht miteinander zu vermischen. Das gilt auch für die Gegner der aktuellen Politik von Netanjahu, die sind nicht per se Antisemiten oder Nazis, weil sie das politische Israel kritisieren.



    So sehr ich Israels Kriegseintritt gegen die Hamas verstehe, so sehr kritisiere ich jedoch, wenn unschuldige Kinder und Menschen nun Hunger leiden müssen, weil das politische Israel Menschenunwürdige Maßnahmen als Kampfmittel einsetzt.



    Zur Klarstellung: Diesen Konflikt hat die Hamas begonnen. Sie und ihre Unterstützer zu bekämpfen ist richtig, doch immer mit Augenmaß und nicht zu sehr auf dem Rücken der schwachen Palästinenser. Das ist zur Zeit nicht mehr gegeben, wir wird auch gegen Zivilisten "gekämpft".

    • @Hans Dampf:

      Bei der heillosen Überladenheit der Argumente in der Auseinandersetzung ist es fast unmöglich, die Kritik an Israel und am Antisemitismus nicht argumentativ zu vermischen.



      Dieses Problem gibt es auch auf der anderen Seite. Dort heißt Kritik an der Hamas schnell Rassismus und Unterstützung von Genozid und Kolonialismus.

    • @Hans Dampf:

      "Zur Klarstellung: Diesen Konflikt hat die Hamas begonnen. "

      Jain. Natürlich hat die Hamas am 7.10. einen grausamen barbarischen Akt begangen, allerdings kann man den nicht isoliert vom gesamten Nahostkonflikt betrachten. Nach meiner Ansicht sind die Hauptakteure Israelis und Palästinenser sowohl Opfer und Täter und das auch schon vor 1947.

      • @Mustardmaster:

        Ich meinte mit "diesen Konflikt" nur den vom 7.10., gebe ihnen aber in ihrer der Gesamtbetrachtung recht.

    • @Hans Dampf:

      Klare Missstände klar benennen. Das ist Kunst. Nicht nur Kunst der Sprachbeherrschung, auch Kunst des Mutes zu äußern was ist und was gewesen ist. Irgendwem wird es nicht gefallen.

      Israel ist u.a. aus einem Genozid entstanden. Einen, den Deutsche betrieben haben. In Deutschland und temporär eroberten Gebieten und sogar auf dem Gebiet von allzuuntertänigen Kriegsverbündeten.

      Das war nicht der einzige Genozid Deutschlands. Nicht nur, weil es sich dabei um mehrere Genozide auf einmal handelte, je einer gegen Juden, Sinti+Roma, Sowjetmenschen, Sozialisten, Homosexuelle, Behinderte. Mein Paradebeispiel ist immer der Völkermord an Herero und Nama. Ja, dieser Bundespräsident hat ihn anerkannt, nur haben seine Worte keine Wirkmacht in der Politik. Solchen Worten kann nur der Deutsche Bundestag Wirkmacht geben. Und auf dieser Grundlage kann auch ein Bundespräsident glaubwürdig Israel anklagen, wenn es Kriegsverbrechen begangen hat. Innerhalb Gazas hat Israel in den letzten Jahren gleich mehrere Vertreibungen vorgenommen. Und nun kommt es schon zum wiederholten Male wegen unterdrückter Hilfsleistungen zu Hungersnot. Vertreiben + Aushungern, wie im Szenario Genozid gegen Herero und Nama,

  • Die Angst vorm Hingucken!

  • Danke für den Kommentar - volle Zustimmung.

  • Genau so ist es!!! Danke.

  • Danke!

  • Vielen lieben Dank, Stefan, für diesen Kommentar, der mein seit anderthalb Jahren anwachsendes Unbehagen ob der kognitiven Dissonanz deutschen (Regierungs)Handelns auf den Punkt bringt.

    Und in diesem Zusammenhang auch Kudos an die Linke. Oppositionsluft macht offenbar frei.