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Anstehende Waffenruhe in GazaTrump – jetzt auch Friedensbringer

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Noch ist die Waffenruhe nicht in trockenen Tüchern. Doch fest steht bereits: Der Druck des Bald-Präsidenten der USA hat Wirkung gezeigt.

Foto: Evan Vucci/ap/picture alliance

E s sah aus, als wäre es ein fertiger Deal. Doch am Donnerstag verschob der israelische Premier Benjamin Netanjahu mehrfach die Sitzung des Sicherheitskabinetts, die das Abkommen zur Waffenruhe absegnen sollte. Stützt das Kabinett das Waffenstillstandsabkommen oder platzt der Traum vom Ende des Krieges doch noch auf den letzten Metern? Netanjahu sagt, die Hamas habe neue Bedingungen gestellt. Die Hamas dementiert. Nicht zum ersten Mal kam dieser Vorwurf einer Waffenruhe in die Quere.

Doch es gibt einen gewichtigen Unterschied zu den vergangenen Monaten: Bislang hat der israelische Premier US-Präsident Joe Biden brüskiert. Dieses Mal würde er Donald Trump kurz vor dessen Amtsantritt vor das Schienbein treten; es ist bekannt, wie Trump auf Widerspruch reagiert. Wird der israelische Premier diesen Schritt wagen, um seine rechtsextremen Koalitionspartner zu besänftigen und seine Regierung zu retten – so abhängig wie Israel von den USA und deren milliardenschwerer militärischen Unterstützung ist? Es darf bezweifelt werden. Ausschließen kann man es nicht.

Trump wäre wohl, gelinde gesagt, not amused. Sein Ziel: sich als Friedensbringer zu inszenieren. Er wäre der erste US-Präsident, der sich einen Waffenstillstand noch vor Amtsantritt auf die Fahnen schreiben könnte. Dass die Vorarbeit dazu unter Joe Biden gelaufen ist, wen kümmert’s, wobei tatsächlich wenig Zweifel daran herrschen, dass Trumps Druck Wirkung auf den israelischen Premier Benjamin Netanjahu und auf die Hamas gezeigt hat, die Biden nie hatte.

Extreme Rechte unter Schock

Der nächste Durchbruch, den Trump anpeilt: Ein Normalisierungsabkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien, das den Nahen Osten neu sortieren dürfte. Die Wege dafür sind geebnet, ein derartiger Durchbruch hätte allerdings vor allem mit nationalökonomischen Interessen und kaum mit Trump zu tun. Die extreme Rechte in Israel steht derweil unter Schock. Die Siedler hatten einer Amtsübernahme Trumps entgegengefiebert, träumten davon, mit seiner Unterstützung ihrem Traum von einem Groß-Israel und einer Besiedlung auch des Gazastreifens nahezukommen.

Ausgeträumt, realisieren sie nun. Trump wird sich seine Rolle als Heilsbringer für den Nahen Osten nicht dadurch vermasseln lassen, dass ein paar Siedler die Israelfahnen in den Boden Nordgazas einrammen.

Einen Frieden zwischen Israel und den Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen hätten wir mit der – hoffentlich am Sonntag in Kraft tretenden – Waffenruhe noch lange nicht. Doch ein Platzen der Waffenruhe wäre nichts weniger als eine Katastrophe.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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20 Kommentare

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  • ©️ Kurt Vonnegut

    Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert den Verstand.



    &



    Für die darunter both sides hilflos leiden -



    “"Bombardiert zu werden ist eine außerordentlich passive Angelegenheit. Es gibt nichts, was man tun kann – außer vielleicht zu den Bomben zu sprechen. Man hat als Überlebender auch nichts, worauf man stolz sein könnte." – in einem Gespräch mit Volker Hage, welt.de, 12. April 2007“







    …anschließe mich - hatte Glück bis hück -

    unterm—-



    de.wikiquote.org/wiki/Kurt_Vonnegut

  • Trump hat damit gedroht alles platt zu machen. Toller Plan. Ich wage zu bezweifeln, dass das Hamas oder Israel beeindruckt hat. Trump, der jedem und allen droht, ist sicher kein "Friedenspräsident". Wie man auch nur ein Wort glauben kann, das aus seinem Mund kommt, ist mir schleierhaft.

  • Eigentlich ist es auch egal, wer oder was die Akteure zur Unterschrift drängt. Viel wichtiger ist, dass es überhaupt voran geht und mehr arabische Staaten eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel anstreben. Das könnte in der praktischen Folge das israelisch - palästinensische Verhältnis mehr entspannen, als alle bisherigen Versuche und die Macht der Extremisten zurückdrängen.

  • Ich denke, es war ganz anders:



    Trump ist NOCH NICHT Präsident der USA. Es ist Joe Biden.



    Aber Herr Trump hat spitzt gekriegt, dass ein Deal kurz vor dem Abschluss steht und DANN und DAHER diese wilden Drohungen ausgesprochen.



    Dadurch kann er jetzt das, was unter Bidens Regierung mitverhandelt wurde, sich ans Rever heften. Inkl. der Behauptung diese Geiselbefreiung wäre auf seinem Mist gewachsen.



    Ein Demagoge par excellence.

    • @So,so:

      Das ist sachlich völlig falsch. An den Verhandlungen war auch Trumps Nahost Gesandter Witkoff beteiligt. Mit ausgesprochener Zustimmung der Biden Regierung. Und wenn es so einfach war, mit einer simplen Drohung den Frieden zu erzwingen, warum hats dann Biden über 2 Jahre nicht geschafft?



      Wahrscheinlich ist es wohl eher so, dass sowohl die Biden Regierung, als auch die Trump Delegation ihren Anteil haben. Biden hat zusmmen mit den Partnern der Gespräche einen Plan ausgearbeitet, der Druck von Trumps Leuten war aber entscheind war für den Deal zum jetzigen Zeitpunkt.



      Obs einem gefällt oder nicht, am Ende spricht Trump genau die Sprache, die Netanjahu und Co. verstehen.

  • was für ein Trugschluss. Trump garantiert nur, dass es nie zu einer Lösung kommt. Es wird nie eine zwei Staaten Lösung geben. Unter Trump und die Palästinenser werden für weitere Jahrzehnte Menschen zweiter Klasse in einem besetzten Land außerhalb Israels sein. Trump ist der Garant, dass Israel weiterhin die 70-jährige Salamitaktik durchführen kann und illegale Siedlung außerhalb Israels errichten kann. Trump ist deshalb alles andere als ein Friedensengel..

    • @Rudolf Fissner:

      Ja wie? - reib die Nase 👀 - kann das sein?



      …anschließe mich - denn Jung anne Weser!



      Das is mal zu arg ernst & trotzdem fein.

    • @Rudolf Fissner:

      Mir egal, was für Trump oder Biden oder sonst wer steht. Im Moment ist nur relevant, dass das Sterben dort aufhört. Über andere Dinge kann man anschließend reden.

    • @Rudolf Fissner:

      So schätze ich das auch ein. Trump wird niemals seinen Buddy Netanyahu für das Scheitern von Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas verantwortlich machen.



      Selbst wenn er sich in seinem Ehrgeiz ausgebremst sähe, Architekt einer neuen politischen Ordnung in Nahost sein zu wollen, ist er seiner evangelikalen Basis in den Staaten verpflichtet. Und die verlangt von ihm, an der Verwirklichung von Eretz Israel mitzuwirken - auch dafür haben sie ihn schließlich gewählt, nicht weil er ein besonders frommer, tugendhafter Kerl wäre.

  • Leider haben sich die US-Diplomaten wieder wie ein schlechter Verkäufer verhalten, um einen Scheinerfolg feiern zu können: Beide Seiten unter Zeitdruck setzen, Bedingungen diktieren und den Abschluss verkünden, bevor er wirklich da ist. Und die Journalisten lassen bereits die Korken knallen...



    Tatsächlich will keine der beiden Seiten wirklich einen Frieden, bevor der Gegner endgültig besiegt ist. So geht das schon seit über 100 Jahren und ein Ende ist nicht abzusehen.

    • @Rudi Lipp:

      Das ist richtig, aber es ist, wenn man unbedingt ein Ergebnis haben möchte und über die entsprechenden harten Machtmittel verfügt, eine funktionale Methode.

      Wenn einer der beiden Seiten jetzt sagt "Naja eigentlich waren wir noch gar nicht fertig" brüskiert er Trump und geht hohe Risiken ein.

  • Die Waffenruhe, die es gar nicht geben wird.



    Die Waffenruhe wird platzen, falls es sie überhaupt gibt. Netanjahu ist zu Kriegslüstern, die Hamas kennt nichts anderes als Terror.

    • @Hans Dampf:

      Das hängt von Trump ab. Letztendlich könnten die USA auch auf die Einhaltung einer Waffenruhe bestehen, wenn es gewollt ist.



      Natürlich ist es ein Trauerspiel, dass Biden weder im nahen Osten, noch in der Ukraine auf diplomatischer Ebene, dass volle Gewicht der USA eingesetzt hat. Am Ende wird sich Trump wirklich als "Friedensbringer" profilieren können.

      • @Alexander Schulz:

        Es ist für die Trump-Administration verlockender, die Schuld am Scheitern der Verhandlungen alleine den Palästinensern zuzuschieben - und das wird auch geschehen. Hierzulande wird schon die zahlreiche Israel-Lobby dafür sorgen.



        Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass Trump sich in Nahost als „ehrlicher Makler“ eines Friedensschlusses präsentieren will (das war vielleicht noch Bidens Motivation). Nicht in einer Lage, in der aus Sicht von Trumps treuesten Anhängern - den US-Evangelikalen - Armageddon, der finale Kampf zwischen Gut und Böse, nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.



        Wer glaubt, Trump könne - sowohl in Nahost als auch in der Ukraine - noch zum Friedensfürsten mutieren, gibt sich m.E. einer ziemlich fatalen Illusion hin.

  • Trump kann ein Scheusal sein wie er will - er ist das Gegengewicht das der Westen jetzt braucht, denn in Russland und China sitzen aktuell die wahren Menschenfeinde unserer Zeit an den Hebeln der Macht und der Westen hat über die letzten Jahre mehr als schmerzlich erfahren müssen, dass man mit Gutmütigkeit und Dialog auf Augenhöhe mit diesen Charakteren nicht verhandeln kann. Derlei Gebaren wird von Ihnen nur als Schwäche und Einladung erkannt, Ihren Machtgelüsten freien Lauf zu lassen.



    Ein selbstverliebter Gockel an der Spitze der freien Welt ist freilich kein Optimum, er ist aber ein hinzunehmendes notwendiges Übel wenn es darum geht mittels einer "stand-your-ground-Politik" den Allmachtsfantasien in Moskau und Peking einen Riegel vorzuschieben.



    Dialog und Miteinander macht nur Sinn wenn alle Beteiligten daran ein Interesse zeigen. Da dies mehr als deutlich gerade keinerlei Priorität in Russland und China genießt (und auch nicht in Nordkorea, bei radikal islamistischen Strömungen, etc) ist Trump der Mann der Stunde.



    Progressive Zeiten werden wieder kommen, im Hier und Heute ist damit auf der Weltbühne kein Blumentopf zu gewinnen.

  • Na dann Friedensnobelpreis. Obama hat ihn auch direkt zu Beginn bekommen und dabei noch einige Kriege befeuert.

  • Herr Netanyahu hat bis Sonntag noch ein paar Details zu klären. Stand heute, Do. 20.20 Uhr, gibt es meiner Meinung nach keine Waffenruhe.



    Ich wünschte sie, allein für die brutal in Sippenhaft genommenen Menschen in Gaza.



    Wir werden sehen.



    P.S. Trump jetzt als Friedensengel zu preisen - hallo taz. War es nicht unter Trumpf erster Herrschaft, dass sich die Rechten in Israel so richtig breit machten und eine Provokation nach der anderen starteten?

  • Druck auf Netanjahu?

    Zitat: „Er wäre der erste US-Präsident, der sich einen Waffenstillstand noch vor Amtsantritt auf die Fahnen schreiben könnte.“

    Den Durchbruch hat wohl Trumps Sondergesandter Steve Witkoff in einem „angespannte“ Treffen mit Premierminister Benjamin Netanjahu am Wochenende erzielt. Er habe es somit geschafft, in einem einzigen Treffen mehr Einfluss auf den Premierminister zu nehmen als der scheidende Präsident Joe Biden im ganzen Jahr, so zwei arabische Diplomaten am Dienstag gegenüber der Times of Israel. (Times of Israel, 15.1.2025)

  • Trump hatte gedroht im Nahen Osten werde "die Hölle losbrechen", wenn die Geiseln bis zu seiner Amtsübernahme nicht wieder zuhause sein sollten, "und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird – offen gesagt – für niemanden gut sein".

    Nun, erstens werden nur maximal 1/3 der Geiseln bis zu seinem Amtsantritt wieder zuhause sein. Und der Deal wird großartig nur für die Hamas sein. Israel ist gezwungen 1000 Hamas-Terroristen frei zu lassen, darunter Täter, die an dem 07.-Oktober-Massaker beteiligt und zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden waren.

    Hat Trump mit seiner Drohung statt der Hamas Israel gemeint?

    Wie verzweifelt muss Israel sein so einem grottenschlechten Deal zuzustimmen, der gleichzeitig als Neustart für die Hamas zu betrachten ist?

    Armes Israel!

    Doch ich freue mich für die 33 Geiseln, die nach unaussprechlichen Qualen endlich frei kommen! Alles Gute!

  • Das ist sicher zu kurz gegriffen. Abwarten. Das ist noch lange nicht das Ende dieses Wahnsinns. Der Prozess dauert zu lange, als das die "Trump-Helferchen" ihn solange im Griff haben werden.



    Trump dient in diesen kurzen Zeitpunkt nur als Zuschreibung warum die jeweilige Seite Kompromisse machen musste, die vorher undenkbar waren. Also nichts anderes als ein sich zur rechten Zeit anbietender Notausgang. Das konnte Trump nicht ahnen noch steuern.