Annalena Baerbock und der Ukraine-Krieg: Ein Satz schlägt Wellen
Die Bundesaußenministerin sagt in einer Parlamentsbefragung, „wir führen einen Krieg mit Russland“. Zwei Tage später sorgt das für Aufsehen.
![Annalena Barebock spricht in Mikrofone Annalena Barebock spricht in Mikrofone](https://taz.de/picture/6056907/14/annalena-baerbock-eu-ukraine-1.jpeg)
Sir Christopher Chope, Vertreter der britischen Konservativen im britischen Parlament, befragt Baerbock zur ausbleibenden Antwort der Bundesregierung zur Lieferung von Kampfpanzern. Schließlich ist zum Zeitpunkt der Debatte noch nicht klar, wie Kanzler Olaf Scholz entscheiden wird.
Die Außenministerin beschwört die Einheit der westlichen Alliierten, betont, dass man mehr tun müsse. „Aber das Wichtigste und Entscheidende ist, dass wir es zusammen tun – und nicht Schuldzuweisungen machen in Europa.“ Doch dann lässt sich die Außenministerin zu einem Satz hinreißen, der am Donnerstag für Verwirrung und Empörung sorgen wird. „Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“
Hat die deutsche Chefdiplomatin Russland jetzt den Krieg erklärt? Das Wort #Kriegserklärung trendet auf Twitter sogar kurzfristig. Völkerrechtlich ist die Lage eindeutig. Die westlichen Verbündeten unterstützen die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung. Eigene Truppen entsenden sie aber nicht.
Kreml spricht von „direkter Beteiligung“ der Nato
Dennoch ist die scharfe Aussage Baerbocks ein gefundenes Fressen für den extremen linken und rechten Rand. Angetrieben von der Entscheidung Deutschlands am Mittwoch, tatsächlich Leopard-2-Panzer in die Ukraine zu liefern und auch anderen Staaten, die ähnliches Gerät besitzen, die Genehmigung für den Export zu erteilen. Beide Seiten sehen sich in ihrem Narrativ bestätigt, dass die Bundesregierung Deutschland in einen Krieg zerren will.
Und auch die Reaktion aus Russland kommt prompt. Der Kreml betrachtet die Panzerlieferungen als eine weitere Eskalationsstufe des Westens. „Alles, was die Nato tut, nimmt Moskau als direkte Beteiligung am Konflikt wahr“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Diese Beteiligung wachse immer weiter. Was für Konsequenzen der Kreml daraus zieht, sagte Peskow nicht.
Dafür reden andere. Sie brüllen geradezu. In den Abendnachrichten des staatlichen Fernsehkanals Rossija-1 fasst der Korrespondent die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Deutschland habe seine „historische Verantwortung vor unserem Volk“ im Zweiten Weltkrieg „endgültig“ aufgegeben und „Verrat an der Versöhnung“ zwischen den Völkern begangen, so der Tenor.
Warum? Weil die USA der größte Profiteur der Panzerlieferungen seien und Washington Europa bedrängt habe, meint der Moderator. Joe Biden lasse die Ukraine mit Waffen vollpumpen, die allerdings keine entscheidende Rolle für den Ausgang der „militärischen Spezialoperation“, wie Russland offiziell seinen Krieg gegen die Ukraine bezeichnet, spielten.
Moderator bezeichnet Baerbock als „Miststück“
Deutschland, so schreibt die russische Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa in ihrem Telegram-Kanal, habe den Krieg gegen Russland ohnehin „im Voraus“ geplant. Das habe die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrer Aussage bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg bewiesen.
Der Propagandist Wladimir Solowjow geht noch weiter und bezeichnet Baerbock in seiner Livesendung „Der Abend“, ebenfalls bei Rossija-1, als „absolutes Miststück“. In seinem Furor schreit er: „Krieg, Krieg, Krieg, sie führen Krieg gegen Russland, ist das zu fassen?“ Deutschland, ereifert er sich, sei zum „Vierten Reich“ geworden.
Frankreich hat die russischen Vorwürfe einer „direkten Beteiligung“ am Krieg zurückgewiesen. Eine Sprecherin des französischen Außenministeriums sagte am Donnerstag: „Wir befinden uns nicht im Krieg mit Russland und unsere Partner sind es auch nicht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz