Analyse von Finanzströmen: Geld gegen Feminismus
Christliche Stiftungen sowie Rechte aus Russland und den USA finanzieren den Kampf gegen Feminismus. Das geht aus einem neuen Bericht hervor.
Das EPF vernetzt Parliamentarier:innen zum Thema sexuelle und reproduktive Rechte. Für den jüngsten Report hat das EPF 120 Gruppen gelistet, die sich in Europa gegen freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, LGBTI-Rechte und Gleichstellungspolitik einsetzen. Zu 54 davon waren Finanzdaten verfügbar, die das EPF für die Jahre 2009 bis 2018 ausgewertet hat.
In dem Zeitraum kamen 81,3 Millionen US-Dollar aus den USA, 188,2 Millionen aus Russland und 437,7 Millionen aus der Europäischen Union. Die Gelder aus der EU haben sich im Verlauf von 10 Jahren mehr als verdreifacht. In der Zeit eröffneten antifeministische Organisationen Büros in der Nähe europäischer Institutionen, neue Onlineplattformen entstanden und die Initiativen vernetzten sich transnational.
„Die Lobbyarbeit hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Sie ist proaktiver geworden und professionalisiert sich immer stärker“, sagt Terry Reintke, Europaabgeordnete der Grünen. „Die Akteure versuchen sich einen Anschein von Seriosität zu geben, selbst wenn sie mit hasserfüllten Narrativen arbeiten.“
Reintke erwartet in den kommenden Tagen wieder Tausende E-Mails. Beschimpfungen landen meist im Spam-Ordner, aber es bleiben massenhaft E-Mails über Petitionsplattformen. Und juristische Statements, die analysieren, dass das Europäische Parlament seine Kompetenzen überschreite, wenn es sich zu Schwangerschaftsabbrüchen äußere.
Der aktuelle Anlass: Ende Juni wird das Parlament über den sogenannten Matic-Bericht abstimmen. „Der Matic-Bericht ist wahrscheinlich das aggressivste Projekt, das jemals im Europäischen Parlament vorgestellt wurde“, heißt es Kontext von Mails, die die Abgeordneten zum Nein auffordern. Ziel des Berichtes ist eine symbolische Anerkennung der Wichtigkeit, dass alle Bürger:innen Europas Zugangs zu sexueller und reproduktiver Gesundheit haben.
Christliche Rechte sind wichtige Finanziers
Viele der Akteur:innen, von denen Reintke und andere Abgeordnete gerade kontaktiert werden, tauchen im Report des EPF wieder auf. Die wichtigsten europäischen Geldgeber:innen sind christliche Stiftungen und Netzwerke aus Frankreich, Spanien, Italien und Polen.
Allein das katholische Netzwerk Tradition, Familie, Privateigentum, das auch in die Durchsetzung des De-facto-Abtreibungsverbots in Polen involviert war, hatte zwischen 2009 bis 2018 über 110 Millionen Dollar zur Verfügung. Genannt werden auch Stiftungen deutscher Adeliger, etwa „Ja zum Leben“, in dessen Beirat auch Gloria von Thurn und Taxis sitzt.
Die wichtigsten Finanziers aus den USA sind christliche Rechte, teilweise mit Verbindungen zur ehemaligen Trump-Administration. Deutlich mehr Geld kommt aber aus Russland: Allein von den beiden russischen Oligarchen Vladimir Yakunin und Konstantin Malofeev flossen über Umwege mehr als 180 Millionen Dollar nach Europa. Allerdings nahmen diese Gelder im Zuge der EU-Sanktionen ab. „Das Mindeste, was wir brauchen, ist eine systematische Beobachtung solcher Einflüsse“, sagt die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. „Sonst passiert die Infiltration, ohne dass jemand das richtig mitbekommen hat.“
Neil Datta, EPF-Sekretär und Autor des Berichts, nannte die Untersuchung „Spitze des Eisbergs“, weil die gelisteten Gelder wahrscheinlich nur ein Teil der tatsächlich verfügbaren sind. „Es ist unmöglich, das gesamte Volumen der Finanzierung zu schätzen“, sagt Datta. Einige Organisationen, zu denen keine Daten verfügbar sind, sind sehr groß. „Ich wäre überrascht, wenn die 707,2 Millionen überhaupt nur ein Drittel des Finanzvolumens ausmachen, das zwischen den Organisationen in Europa kursiert“, sagt Datta.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht