Ampel-Verhandlungen: Vergesst das Tempolimit
Der Erfolg der Grünen misst sich nicht am Tempolimit oder der Zahl der Windräder. Sondern daran, ob es gelingt, Klimaschutz zu entpolitisieren.
D as Wort Klimaschutz müsste man eigentlich abschaffen. Das Klima wird immer noch Klima sein, selbst wenn die Temperaturen um zwei, drei oder vier Grad ansteigen und es kein Zurück mehr gibt. Doch es wird dann kein Klima mehr sein, in dem Menschen ohne Weiteres überleben können. Richtiger wäre es deshalb, von Menschheitsschutz zu sprechen. So hat es der grüne Co-Vorsitzende Robert Habeck gelegentlich auf Wahlkampfveranstaltungen ausgedrückt.
Doch was vor der Wahl gesagt wird, wird bekanntlich nach der Wahl in die Kreislaufwirtschaft der Reden entsorgt und in vier Jahren als recyceltes Produkt wieder auf den Markt gebracht. Am Montag jedenfalls, wenn die Ampel-Parteien in Berlin wieder zu Verhandlungen zusammenkommen, wird es erneut darum gehen, wer wem etwas abringt, wer wem nachgibt und wer auf wessen Kosten am Ende der Verhandlungen als Gewinner oder Verlierer dasteht. Wieso ist das Tempolimit vom Tisch? Warum ist der Kohleausstieg nicht verbindlich terminiert? Lassen sich die Grünen etwa das Finanzministerium nehmen?
Tatsächlich jedoch wird der Erfolg der Grünen nicht an der Zahl der Windräder oder der Dichte von Ladestationen für Elektroautos gemessen. Entscheidend ist vielmehr, ob es ihnen gelingt, den Kampf gegen den Klimawandel zu entpolitisieren. Denn wenn Klimaschutz in Wahrheit Menschheitsschutz ist, dann kann er keine Frage der politischen Ansicht und schon gar nicht eine der diesbezüglichen Polarisierung sein. Es würde schließlich auch keiner eine politische Debatte darüber führen, ob die Feuerwehr kommen sollte, wenn es brennt.
Diese Entpolitisierung ist auch deshalb von so großer Bedeutung, weil es den Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nicht gelungen ist, zu einer dritten Volkspartei aufzusteigen. Für den klimabedingten Menschheitsschutz sind dringender denn je gesellschaftliche und politische Mehrheiten nötig, die die Grünen bisher aber nicht für sich gewinnen konnten – ganz egal, wie oft im grünen Wahlkampf „Die Menschen in unserem Land wollen…“ gerufen wurde. Die Umweltverbände um Unterstützung zu bitten, wie die Grünen-Spitze es jetzt in einem Brandbrief getan hat, ist deshalb der falsche Weg. Er führt in eine Sackgasse.
Die politische Kunst besteht darin, eine Regierung zu bauen, die den Kampf gegen die Erderwärmung als gemeinsames Projekt annimmt. Davon müssen die Grünen ihre künftigen Koalitionspartner überzeugen. Noch immer aber geriert sich das grüne Führungspersonal so, als hinge die Zukunft des Klimawandels allein von ihr ab.
Kein Wunder also, dass nicht nur SPD und FDP jeden Schritt in Richtung CO2-Neutralität als Punkt für die Grünen verbuchen – diese tun das ja auch. Eine gemeinsame Aufgabe aller Parteien kann es nur dann werden, wenn die Grünen ihren Alleinvertretungsanspruch in Klimafragen aufgeben. Denn man kann nicht einerseits darüber jammern, dass die anderen Verhandlungspartner auf der Bremse stehen, und sich andererseits jeden Beschluss in diesem Themenfeld wie einen Orden anheften.
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