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Altersarmut in DeutschlandLinke fordert höheres Rentenniveau

Jeder Vierte erhält nach 45 Arbeitsjahren weniger als 1.300 Euro Rente, teilt das Arbeitsministerium mit. Linke für Kehrtwende in der Rentenpolitik.

Renten: Im Westen höher als im Osten, bei Männern höher als bei Frauen Foto: Felix Kästle/dpa

Berlin dpa | Mehr als jede und jeder Vierte mit mindestens 45 Jahren in der Rentenversicherung erhält in Deutschland unter 1.300 Euro Rente im Monat. Im Schnitt bekommen die mehr als 5,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner mit mindestens 45 Versicherungsjahren 1.668 Euro Rente ausgezahlt. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Frage des Linken-Abgeordneten Dietmar Bartsch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede und ein Ost-West-Gefälle. Im Westen liegt die durchschnittliche Rente nach 45 Jahren bei 1.729, im Osten bei 1.527 Euro. Am meisten ist es mit 1.787 Euro in Hamburg, Schlusslicht ist Thüringen mit 1.491 Euro.

Männer bekommen im Schnitt mehr als Frauen

Männer mit mindestens 45 Versicherungsjahren bekommen im bundesweiten Schnitt 1.778 Euro. Bei den Frauen liegt die ausgezahlte Rente im Schnitt bei 1.449 Euro.

Bartsch sagte der dpa: „Wenn jeder vierte Rentner nach 45 Jahren Arbeit mit weniger als 1.300 Euro Rente auskommen muss, ist das ein Armutszeugnis für die Politik, einer offensichtlich verkehrten Rentenpolitik.“ Die durchschnittliche Rente zeige, „wie unzureichend die gesetzliche Rente das finanzielle Auskommen im Alter sichert“.

Von Kleinstrenten bis zu hohen Beträgen

Die Regierung weist allerdings darauf hin, dass die Zahlen die finanzielle Situation der Betroffenen nicht komplett darstellten. So verteile sich die Höhe von Kleinstrenten bis hin zu hohen Rentenbeträgen.

Nach Angaben des Ministeriums liegt dies auch an der Zusammensetzung der angefragten Zeiten: „Vergleichsweise geringe Renten können auch bei 45 Versicherungsjahren auftreten, da hierzu nicht nur Beitragszeiten, sondern auch beitragsfreie Zeiten zählen.“ Aufgezählt werden unter anderem Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung oder der Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosengeld. Teilzeit könne auch eine Rolle spielen.

„Niedrige Rente sagt wenig über Lebensstandard“

Darüber hinaus weist die Regierung auf den Unterschied zwischen Rente und Einkommen insgesamt hin: „Eine niedrige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sagt aber grundsätzlich wenig über den Lebensstandard im Alter aus, da weitere Einkünfte und das Haushaltseinkommen insgesamt relevant sind.“

Zum Beispiel haben Frauen nur eine geringe Rente, wenn sie jahrelang als Ehepartnerin ohne eigenes Erwerbseinkommen geblieben sind – auch wenn sie beispielsweise mit dem Partner über ein auskömmliches gemeinsames Haushaltseinkommen verfügen.

Bartsch fordert Kurswechsel

Bartsch bekräftigte Linke-Forderungen nach einer Kehrtwende in der Rentenpolitik. Während das Rentenniveau in anderen europäischen Ländern über 80 Prozent liege, müssten Rentnerinnen und Rentner in Deutschland millionenfach mit Minirenten auskommen, sagte der Politiker. „Die von der Bundesregierung versprochene „Stabilisierung“ des Rentenniveaus ist in Wahrheit keine gute Nachricht, sondern vor dem Hintergrund der Realität eine Drohung, dass alles bleiben soll, wie es ist.“ Bartsch forderte, dass alle Erwerbstätigen in die Rentenkasse einzahlen sollten, nicht nur abhängig Beschäftigte.

Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) hatte Ende Juni den Entwurf für ihr erstes Rentengesetz vorgelegt. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabilisiert bleiben. Die Rentnerinnen und Rentner können deshalb trotz Älterwerdens der Gesellschaft auf steigende Renten hoffen.

Das Rentenniveau gibt das Verhältnis der Renten zu den Löhnen an – ist dieses stabil, hinken die Renten den Löhnen nicht hinterher. Während die Arbeitgeber die damit verbundenen Milliardenkosten kritisieren, fordern die Gewerkschaften ein deutlich höheres Rentenniveau.

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9 Kommentare

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  • Wir hatten in der Vergangenheit etliche Rentenreformen. Zum Beispiel wurden eine Schulausbildung und eine Hochschuleausbildung nur noch eingeschränkt rentenwirksam berücksichtigt. Im Osten waren die Gehälter geringer. - 1300 EUR Rente klingen gut - habe ich nicht. trotz Hochschulausbildung und zeitweise adäquater Tätigkeit,dabei letztlich im Osten kein Fußfassen. Jetzt werden es 1.140,00 bei Renteneintritt im Regelalter, also jenseits der 65.

  • Heute hörte ich im bayerischen Rundfunk, dass die Renten in Bayern niedriger seien als im westdeutschen Mittel und das, obwohl die Einkommen relativ hoch seien. Besonders betroffen seien Frauen:



    www.br.de/nachrich...wenig-geld,UqneTFj



    An der Spitze liegen Hamburg, NRW und Baden-Württemberg. Eigentlich ist das alles kein Wunder, denn die aktuellen bayerischen Renten werden noch von der Zeit, als Bayern ein Agrarland war und Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich erhielt (bis ca. zur Wiedervereinigung), nach unten gezogen, während die Länder Hamburg, NRW, Baden-Württemberg und Hessen damals der eigentliche Motor der deutschen Wirtschaft waren.



    Dass der gesamte Osten hinterherhinkt, ist etwas, was in den nächsten Jahrzehnten unbedingt verbessert werden muss, aber dazu muss man die Wirtschaft dort besser aufstellen. In einigen Regionen (z. B. Dresden) ist das bereits gelungen.

    • @Aurego:

      Die gesetzliche Rente wird aus dem Lebenseinkommen einer Person berechnet - also nicht nur aus dem Einkommen der letzten Berufs- bzw. Beitragsjahre.

      Angesichts dieser Tatsache ist es doch kein Wunder, dass sich das früher vergleichsweise niedrigere bayerische Durchschnittseinkommen zu Zeiten des Agrarlandes bei den heutigen Rentnern rentenmindernd auswirkt.

  • "Dank" der früheren riester'schen Rentenreformen ist die "Generation X" die erste, die richtig herbe Einschnitte bei der gesetzlichen Rente hinnehmen muss. Die derzeit in Rente gehende Generation der Babyboomer kommt übergangsweise noch vergleichsweise glimpflich davon.

    Vollzeitarbeit im Niedriglohnsektor über Jahrzehnte hinweg lohnt sich schon lange nicht mehr: Die frühere "Rente nach Mindesteinkommen" wurde durch den früheren Bundesarbeits- und Sozialminister Walter Riester ersatzlos abgeschafft.

    Das, was heute vom Gesetzgeber bzw. der gesetzlichen Rentenversicherung als "Grundrente" verkauft wird, ist demgegenüber ein Witz - denn diese ist so niedrig, dass für viele Betroffene ohne finanziell gut abgesicherten Ehe-/Lebenspartner der mit Scham behaftete Gang zum Sozialamt zur Regel wird. Obendrein steht der vom Sozialamt gewährte Freibetrag für Grundrentenbezieher bei der "Grundsicherung im Alter" in keinem vernünftigen Verhältnis zu jahrzehntelanger Vollzeit-Niedriglohnarbeit - weshalb sich heutzutage viele Niedriglohnbezieher während ihres Erwerbslebens für die Kombination "Teilzeit + Wohngeld (WoGG)" mit weitaus besserer Work-Life-Balance entscheiden.

    • @Jessica:

      Das liegt nicht so sehr an den riester'schen Rentenreformen, sondern eher an der geringen Geburtenrate seit den 70er Jahren.

      • @Aurego:

        Das mag sein.

        Fakt ist, dass sich für Menschen ab der "Generation X"(einschließlich "Millenials" und "Generation Z") jahrzehntelange Vollzeitarbeit im Niedriglohnsektor im Hinblick auf die später zu erwartende gesetzliche Rente nicht lohnt (siehe meinen ersten Beitrag in diesem Thread).

        Und woher sollen gerade Niedriglohnbezieher das Geld (Eigenanteil) für zusätzliche staatlich geförderte oder private Altersvorsorge nehmen?

        • @Jessica:

          Mal ehrlich: Hat sich "jahrzehntelange Vollzeitarbeit im Niedriglohnsektor im Hinblick auf die später zu erwartende gesetzliche Rente" jemals gelohnt?

          • @Aurego:

            Als es früher die "Rente nach Mindesteinkommen" gab, schon noch. Diese war zwar nicht üppig - aber ausreichend, um den meisten Betroffenen den für Viele schambehafteten Gang zum Sozialamt zu ersparen.

            Gerade deshalb ermöglichte die "Rente nach Mindesteinkommen" aufgrund ihrer damaligen Höhe den ergänzenden Bezug von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz/WoGG. Dieses setzt nämlich - anders als die "Grundsicherung im Alter" nach dem SGB XII - ein eigenes Mindesteinkommen durch Rente, Arbeit etc. in Höhe von mindestens 80 % des Grundsicherungsbedarfes voraus und beinhaltet dafür vergleichsweise höhere Einkommens- und Vermögensfreibeträge.

            Im Gegenzug können sich Wohngeldbezieher (WoGG) allerdings nicht vom Rundfunkbeitrag befreien lassen, Bezieher der "Grundsicherung im Alter" (SGB XII) hingegen immer. Weshalb in Grenzfällen sehr genau geprüft werden muss, welche ergänzende Sozialleistung den individuell größeren Vorteil bringt.

            • @Jessica:

              Ich glaube, da irren Sie sich. Derartige Armut ist in Deutschland nichts Neues. Es gibt diese Armut seit der (selbstverschuldeten) Katastrophe des 2. Weltkriegs. Zeitweise hatten wir eine relativ hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland. Der Unterschied ist höchstens, dass sich damals die (etwas zahlreicheren) Kinder noch besser um ihre Eltern kümmern konnten (oft wohnten sie im selben Haus oder in derselben Wohnung) und die Wohnkosten niedriger waren, die Einkommen jedoch auch. Allerdings hatten wir auch höhere Spitzensteuersätze und die Vermögensteuer wurde noch erhoben. Das macht insofern etwas aus, als dass Gutverdiener ihr freies Geld, das dank niedrigerer Steuern vermehrt vorhanden ist, heute in Assets wie Immobilien stecken, was diese verteuert, wodurch auch die Mieten langfristig auf einem höheren Niveau ankommen. Welche Auswirkungen das besonders in Großstädten hat, haben wir während der Nullzinsphase gesehen und sehen es immer noch.