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„Agenda 2030“ der CDUStaatliches Armutsprogramm

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die Union setzt auf den armen Staat. Dabei bräuchte es in Anbetracht von Klimawandel, Wirtschaftsflaute und globalem Wettbewerb das genaue Gegenteil.

Die Jubeljugend Junge Union beklatscht weniger Steuern auf Kosten der Ärmeren: Merz beim Deutschlandtag der JU im Oktober 2024 Foto: Sebastian Willnow/dpa

D ie Ampel ist vor allem am Geld gescheitert. Ebenso versagen wird die nächste Regierung, wenn sie das Programm Agenda 2030 umsetzt, das die CDU an diesem Wochenende beschließen will. Es ist zukunftsblind, weil es der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung den schmerzfreien Übergang in eine bessere Zeit verspricht. Das Leben wird leichter, die Steuern sinken, mit weniger Geld kann der Staat mehr erreichen, heißt es. Diese Beschwörung wird vermutlich nicht funktionieren, auch wenn sie sich als konkretes Wirtschaftskonzept tarnt.

Die eigentliche Herausforderung besteht momentan darin, die öffentliche Infrastruktur zum Beispiel bei der Bahn zu modernisieren und zentrale Industriebranchen auf klimafreundliche Produktion umzustellen. Das muss schnell gehen: Im globalen Wettbewerb mit China und den USA werden die Märkte neu verteilt. Wirtschaftspolitik ist auch Sicherheitspolitik. Außerdem stehen deutlich höhere Ausgaben für Verteidigung auf der Tagesordnung. Der Finanzbedarf des Bundes bewegt sich in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro jährlich.

Das ist mit der umfangreichen Senkung der Einkommensteuer ohne Erhöhungen an anderer Stelle, wie sie die CDU propagiert, kaum zu vereinbaren. Der Staat braucht nicht weniger Geld, sondern mehr – was auch den ewigen Versprechen stetig steigenden privaten Wohlstandes zuwiderläuft. Eine gewisse Plausibilität beinhaltet allenfalls die Forderung nach einer geringeren Körperschaftssteuer für Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen – andere Staaten haben solche Abgaben ebenfalls reduziert.

Die CDU aber wünscht sich den armen Staat. Um die erwartbaren Löcher zu stopfen, will sie Milliarden beim Bürgergeld, bei Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen kürzen. Dies und weitere Einsparungen in der staatlichen Verwaltung werden das Geldproblem jedoch nicht lösen. Zumal auch eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz ausgeschlossen wird und die Kreditfinanzierung von Zukunftsinvestitionen nicht erwähnt wird.

Die Rechnung geht nicht auf

Die marktliberale Hoffnung besagt: Wenn der Staat die privaten Haushalte und Unternehmen entlastet, investieren diese mehr, die Wirtschaft wächst stärker, und die daraus resultierenden Steuereinnahmen kompensieren die Verluste der öffentlichen Hand. Dieser Mechanismus spielt eine Rolle, braucht aber Jahre, bis er wirkt.

Was tut der arme Staat in der Zwischenzeit? Beten, dass die US-amerikanische, russische und chinesische Regierung ebenfalls Pause machen bei der Neuverteilung der globalen Macht- und Wirtschaftssphären? Diese Rechnung geht nicht auf.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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10 Kommentare

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  • Der ganze Stastshaushalt geht am Ende in Migration und Rente. Und da wir alleine in der Rentenversicherung eine Kostensteigerung von 370 Mrd heute auf 805Mrd in 2045 haben werden (allein die Steigerung ist als der ganze Bundeshaushalt) kann man sich leicht ausrechnen dass für Schulden kein Geld da ist. Es ist am Ende für gar nichts mehr Geld da.

  • "Die marktliberale Hoffnung besagt: Wenn der Staat die privaten Haushalte und Unternehmen entlastet, investieren diese mehr, die Wirtschaft wächst stärker, und die daraus resultierenden Steuereinnahmen kompensieren die Verluste der öffentlichen Hand. Dieser Mechanismus spielt eine Rolle, braucht aber Jahre, bis er wirkt."



    2019 cicero.de



    www.cicero.de/wirt...anzwende-blackrock



    "Antwort auf Friedrich Merz



    -Für eine neue Kultur der Finanzwelt



    EIN GASTBEITRAG VON GERHARD SCHICK am 26. Juni 2019



    In einem Essay für „Zeit Online“ konstatierte Friedrich Merz eine Krise der Demokratie und Marktwirtschaft. Sein Lösungsvorschlag aber geht vollkommen an der Realität des Landes vorbei – dient aber den Interessen von BlackRock. Durch seine Lobbyarbeit ist Merz selbst Teil des Problems"



    Das Wirtschaftsprogramm d. Union wurde schon vielfach durchleuchtet, es ist lückenhaft u. nicht nachvollziehbar strukturiert in der Finanzierung, also nicht plausibel. Der "Zauberlehrling" nach Goethe:



    "Welch entsetzliches Gewässer!



    Herr und Meister! hör mich rufen! -



    Ach, da kommt der Meister!



    Herr, die Not ist gross!



    Die ich rief, die Geister,



    werd ich nun nicht los."

  • Der alte Irrtum, der Staat habe nur das Geld der Steuerzahler und privater Kreditgeber, ist einfach nicht totzukriegen.

    Ein Staat braucht keine Einnahmen, um Geld ausgeben zu können, sondern er muss erst Geld ausgeben, um es danach einnehmen zu können.

    Wenn der Staat Geld ausgibt, mindert er per Mausklick sein Konto bei seiner eigenen Zentralbank. Die Minderung ist technisch gesehen unbegrenzt möglich, da nur ein Datensatz. Wenn sich in der Folge das Zentralbankkonto der Empfängerbank und dadurch dann das Girokontos des Empfängers erhöht, wird Geld aus dem Nichts geschöpft.

    Steuereinnahmen sind analog dazu eine Geldervernichtung.

    Steuern oder Staatsanleihen sind also gar nicht zur "Finanzierung" eines Staates notwendig. Steuern haben aber andere wichtige Funktionen (Akzeptanz der Währung, Schutz vor Inflation, Verhinderung von Vermögenskonzentration und Lenkung des Konsums)

    Der Staat könnte also alle für die Allgemeinheit notwendigen Ausgaben tätigen, ohne auf die Einnahmen zu schauen.

    Eine natürliche Grenze für ein höheres Staatsdefizit findet sich lediglich bei einer möglichen Überlastung der Wirtschaft, sprich Vollbeschäftigung. Davon sind wir aber Lichtjahre entfernt.

  • So sehr man sich einen reichen Staat auch wünschen mag: mit bedrucktem Papier werden wir das nicht erreichen.

  • fakt ist jedenfalls, das der Staat seit Jahren immer mehr einnimmt - Staatsquote 50 Prozent fast erreicht - und trotzdem nicht in der Lage war, seine Pflichtaufgaben zu erfüllen. Als Bahnfahrer kann man nur noch die Wut bekommen.

  • Sehr geehrter Herr Koch,



    jahrzehntelang beruhte die Möglichkeit, den Sozialstaat auszubauen, auf einem stetigen Wirtschaftswachstum und genau da müssen wir wieder hin.



    Das erreichen wir aber nicht durch einen planlosen, ideologischen Umbau der Industrie durch klimatologische Rezepte, die wir als einzige auf der Welt fördern wollen.



    Wir brauchen Wachstum durch mehr Arbeit, günstige Energie und weniger Bürokratie.



    Natürlich ist eine moderne Infrastruktur notwendig, aber dadurch schuldenfinanzierte, staatliche Investitionen wird es nicht funktionieren, sondern nur, wenn man ein investitionsfreundliches Umfeld schafft.



    Geld ist auf dem privaten Markt genug da, nur die Geldgeber müssen auch einen Sinn und eine Renditeerwartung haben.

    • @Dirk Osygus:

      Ihre Kommentare sind intelligent und bringen genau das Problem der heutigen BRD auf den Punkt. Irgendwann zerbricht jedes ideologisiertes Handeln an der Realität. Aber anscheinend gibt es ja noch ausreichend Leute, die überzeugt sind, dass das Perpetuum Mobile doch irgendwo zwischen Flensburg und Rosenheim versteckt ist.

    • @Dirk Osygus:

      Alleine bei den Schulen in Deutschland gibt es einen Investionsbedarf von 55 Milliarden Euro. Und wir reden dabei von Bestandsssicherung und nicht von Neubauten. Sowas wirft aber keine Rendite ab, also brauch es einen Staat der die Kosten übernimmt.



      Immer weniger Steuern zu verlangen ist kein unique selling point.

    • @Dirk Osygus:

      Danke. Noch zu erwähnen wäre, dass der gigantische Verwaltungsaufbau der letzten 3 Jahre nicht zu der versprochenen Verbesserung geführt hat, da Verwaltung notfalls neue Regeln und Dokumentationspflichten erfindet, um sich zu beschäftigen. Fragen sie mal die MitarbeiterInnen der Rathäuser des Landes, wie hoch der Teil ihrer Arbeit ist, den sie noch für sinnvoll halten. Die Antworten sind erschreckend. Peinlich für Deutschland, wir haben z.B. noch immer keinen Grundsteuerbescheid für 2025.

      Wie sie sagen, Geld ist auf staatlicher und privater Seite vorhanden und will investiert werden, aber die Investitionen müssen sinnvoll und vor allem planbar sein. Beide Punkte hat die Regierung Scholz nicht umgesetzt. Individuelle Investitionshilfen der falsche Weg, da man damit innerstaatliche Konkurrenz verzerrt.

      Besonders traurig finde ich, dass sich bei allen Parteien in der ersten und auch in der zweiten Reihe PolitierInnen positionieren, die schon ausreichend bewiesen haben, dass sie für solche Führungspositionen gänzlich ungeeignet sind. Das macht mir mehr Sorgen als Parteiprogramme, die pures Zielgruppenmarketing sind, und so sowieso in der Realpolitik kaum umgesetzt werden (können).

    • @Dirk Osygus:

      Herr Koch, Sie sollten sich mal klarmachen, ob denn der Staat die Produktion auf CO2 Neutralität umstellen muss, oder die Industrie. Das dann zu verknüpfen mit der Begründung, dass global derzeit "neue Märkte verteilt werden" .... äh, die der CO2 Neutralität etwa? ... ist eine wenig sinnvolle Verknüpfung.



      Weiterhin sollte man sich klarmachen, dass der Staat, wenn er denn Schulden macht Zinsen bezahlt und nicht Geld erhält. Wenn jedoch für das gleiche Projekt ein Unternehmen Geld ausgibt der Staat via Steuereiennahmen Geld generiert. Was also ist besser?



      Ich sage es Ihnen: Rahmenbedingungen schaffen, dass Projekte auf den Weg gebracht werden, die eine Rendite (statt Zinszahlungen) abwerfen und der Staat via erfolgreicher Privatwirtschaft Steuern einnimmt. Dass das mehr Innovation, Mut, Ideen know how erfordert ist klar. Muss man sich aber mal abseits von dumpfer Schuldenaufnahme mal verständlich machen.