Affäre um Marinechef Schönbach: Leerstelle Außenpolitik

Der Rücktritt von Marine-Inspektor Schönbach war nötig. Schwadronierer wie er füllen eine Lücke, die die Bundespolitik in Sicherheitsfragen aufmacht.

Männer in Uniformen sitzen an einem Konferenztisch

Hier redete sich der Ex-Marinechef Schönbach um Kopf und Kragen Foto: Manohar Parrikar Institute for Defense Studies

Wenn sich Generäle in einem demokratisch verfassten Staat in die Politik einmischen, haben beide Seiten ein Problem. Der Chef der deutschen Marine, Vizeadmiral Schönbach, hat bei einem Vortrag in Indien als „ganz radikaler Katholik“ Russland zum christlichen Bündnispartner gegen China erklärt, gegen das es Krieg geben werde, und mit huldigenden Äußerungen gegenüber Putin die Ukrai­ne brüskiert. Seine politische Vorgesetzte, Bundesverteidigungsministerin Lambrecht, hat seinen Rücktritt angenommen.

Dass der Admiral es für angebracht hielt, dergestalt über deutsche Außenpolitik zu philosophieren – in Uniform, vor der Kamera, umgeben von namhaften Sicherheitsexperten einer Großmacht –, das ist weder hinnehmbar noch erstaunlich. Außen- und Verteidigungspolitik ist in der deutschen Politik eine Leerstelle geworden, die diese Bundesregierung bislang noch weniger mit einem kohärenten Inhalt füllt als ihre Vorgängerin.

Ganz unabhängig davon, was man von Schönbachs Weltsicht halten mag: Wieso hält eigentlich ein deutscher General in Indien eine strategische Grundsatzrede über den Indopazifik? Hat Deutschland gerade keine Politiker übrig, die schon mal auf einen Globus geschaut haben?

In diese außenpolitische Leerstelle drängeln in Deutschland seit geraumer Zeit zahlreiche Nos­talgiker, die abwechselnd von den guten alten Zeiten der Sowjetunion und der Ostpolitik und von der Verteidigung des christlichen Abendlandes schwadronieren. Sie sehen in Putin den ersehnten Ersatzführer, der anstelle des schlaff gewordenen liberalen Westens die Tugenden ihrer jungen Jahre hochhält.

„Tradition – Strenge – Kampf“

„Tradition – Strenge – Kampf“ schrieb die Bundeswehr Schönbach als „Motto“ zu, als er 2018 das Kommando der Marineschule Mürwik in Flensburg übergab und nach Berlin wechselte, wo er danach bis ganz nach oben aufstieg.

Schönbach droht nun das Schicksal, von diesem rechten Rand in die lange Reihe seiner Märtyrer wie zuletzt Hans-Georg Maaßen gehoben zu werden – noch jemand, der angeblich zur Unperson wird, weil er unbequeme Wahrheiten ausspricht. Unabhängig davon, ob der Admiral a. D. diesen zweifelhaften Heldenstatus verdient oder nicht: Es ist richtig, dass sein Auftritt in Indien seine Karriere beendet. Und nun sollte die Bundesregierung schleunigst selber eine anständige China- und Russlandpolitik definieren und vertreten, die diesen Namen auch verdient.

Sonst verstärkt diese unselige Episode nur den ohnehin katastrophalen Eindruck, den Deutschland in diesen Wochen eines drohenden Krieges immer deutlicher im Ausland hinterlässt: ein unsicherer, unehrlicher, selbstbezogener Kantonist, auf den kein Verlass ist, der keine Solidarität übt und der nicht einmal die eigenen Interessen und Werte überzeugend darzustellen vermag.

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