AfD-Mitgliedschaft von Beamten: Kommt drauf an
Wie soll der Staat auf Beamte reagieren, die in der AfD sind? Innenminister Horst Seehofer ließ das prüfen.
Nun liegt das Prüfergebnis vor. „Die beamten- und disziplinarrechtlichen Vorkehrungen gegen eine extremistische Aushöhlung des öffentlichen Dienstes durch nicht verfassungstreue Beamte funktionieren“, heißt es in dem Schriftsatz, dessen Kernaussagen der taz vorliegen. Die reine Mitgliedschaft in einer Partei sei unproblematisch, also auch in der AfD, heißt es darin. Entscheidend sei vielmehr das „konkrete Verhalten“ der Beamten. Gerade bei Beamten auf Probe sei „besondere Sorgfalt“ geboten.
Der Auslöser für die Prüfung ereignete sich Mitte Januar. Da stufte der Verfassungsschutz die AfD als Prüffall ein, dessen weit rechtes Sammelbecken „Der Flügel“ und die Parteijugend Junge Alternative gar als Verdachtsfälle. Bei Letzteren gebe es „gewichtige Hinweise“ auf extremistische Bestrebungen. Was aber tun mit Beamten – LehrerInnen, PolizistInnen, RichterInnen, Behördenangestellten – , die genau in diesen AfD-Gruppen aktiv, aber gleichzeitig zu besonderer Verfassungstreue verpflichtet sind?
Das Problem ist nicht abstrakt, auch wenn konkrete Zahlen fehlen. Der Anteil der Beamten unter den 35.000 AfD-Mitgliedern sei hoch, das hört man oft in der Partei. Der „Flügel“-Anführer Björn Höcke ist Lehrer. In seinem Thüringer Landesverband treten gleich vier Polizisten auf den vorderen Listenplätzen zur Landtagswahl im Herbst an. In Sachsen ist der „Flügel“-Obmann, Jens Maier, ein Richter. In Mecklenburg-Vorpommern führt ein Polizist die AfD-Fraktion an. Und in Baden-Württemberg ist einer der AfD-Lautsprecher Thomas Seitz, ein Staatsanwalt – und ebenfalls „Flügel“-nah.
„In jedem Einzelfall“
Seehofers Ministerium sieht dennoch weite Spielräume für Beamte, auch rechts außen. Die „reine Zugehörigkeit“ eines Beamten zu einer Partei, die vom Verfassungsschutz als Prüffall oder Verdachtsfall eingestuft werde, „ist beamtenrechtlich ohne Relevanz“, heißt es im Prüfergebnis – mit offensichtlichem Bezug zur AfD. Erst wenn der Geheimdienst die Verfassungsfeindlichkeit klar feststelle, ändere sich dies – und könne dann mindestens für Beamtenanwärter „beamtenrechtlich erheblich sein“. Heißt: Solange der Verfassungsschutz prüft, haben die Beamten mit AfD-Parteibuch erst mal wenig zu befürchten.
Das Innenministerium betont aber auch: Schon jetzt können Disziplinarmaßnahmen über Beamte verhängt werden, wenn einzelne Verhaltensweisen „mit der Treuepflicht unvereinbar sind“. Dies sei „nicht schematisch“, sondern „in jedem Einzelfall“ zu entscheiden. Die Sanktionen reichten von Verweisen über Geldbußen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst.
Georg Maier, Innenminister
Gerade die Sicherheitsbehörden reagierten bereits früh in der Causa AfD. Vor allem der Verfassungsschutz ist hier in einer heiklen Doppelrolle: Das Amt durchleuchtet derzeit die AfD auf ihren Extremismusgehalt, muss gleichzeitig aber auch eigene Angestellte auf AfD-Nähe prüfen – und andere Behörden beraten, wenn dort Beamte extremistisch auffällig werden. Schon kurz nach AfD-Einstufung erklärte der sächsische Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath, es sei von „hoher Relevanz“, wenn Mitarbeiter des Amtes oder anderer Sicherheitsbehörden in der JA oder dem „Flügel“ Mitglied seien. Auch in anderen Landesämtern wurde auf die Sicherheitsüberprüfung bei Neueinstellung verwiesen: Hier würden die Mitgliedschaften künftig wohl mit abgefragt. Und für Bestandskollegen gelte: Wer bei sich Interessenkonflikte sehe, solle sich melden.
Im Bundesamt für Verfassungsschutz wandte sich die Geheimschutzbeauftragte in einem Schreiben an die Mitarbeiter: Diese sollten prüfen, ob sie „durch Kontakte zu AfD-Mitgliedern oder eine eigene Mitgliedschaft in dieser Partei in sicherheitsrelevante Konfliktsituationen geraten können“. Falls dem so sei, könne man dies „in einem vertrauensvollen Gespräch“ erörtern, eventuell sei „ein Wechsel in einen anderen Arbeitsbereich des BfV sinnvoll“. Dies, so hört man, sei bisher noch nicht nötig geworden.
Versetzung in Sachsen
In Sachsen indes schon: Hier betraf es, noch vor der jüngsten AfD-Einstufung, den Verfassungsschützer Henrik S. – der parallel auch in der AfD aktiv ist. Aus seiner Doppelrolle machte der 51-Jährige keinen Hehl. In einem Interview lobte er gar die „intelligenten Aktionen“ der rechtsextremen Identitären – die indes unter Beobachtung seines Arbeitgebers, des Verfassungsschutzes, stehen. Henrik S. wurde im Oktober 2018 schließlich in eine andere Behörde versetzt.
Auch den Beamtenbund treibt das Thema AfD um. „Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, für den ist bei uns kein Platz“, sagte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach der taz. Der öffentliche Dienst verpflichte sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, er sei ein „Garant“ für den Rechtsstaat. „Wer hier um einen glasklaren Standpunkt herumlaviert und sich nicht klar von Extremisten distanziert, der möge seine Sachen packen.“
Wie nun Seehofer prüfte auch der Beamtenbund die Rechtslage. Generell seien auch Beamte Grundrechtsträger und dürften Parteien angehören oder die Regierung kritisieren, heißt es dort. Weil sie ihre Aufgaben aber „unparteiisch“ zu verrichten hätten, obliege ihnen eine „Pflicht zur politischen Mäßigung“. Auch müssten sie sich „durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“. Von extremistischen Gruppen hätten sich Beamte daher zu distanzieren.
So sei Beamten zwar durchaus die Teilnahme an Demonstrationen gestattet, auch von der AfD, heißt es im Beamtenbund. Würde dort aber der Hitler-Gruß gezeigt oder würden symbolische Galgen für Politiker getragen, müssten Beamte diese verlassen. Und auch bei der AfD müsse im Einzelfall geprüft werden: Bekennt sich der Beamte offen zum „Flügel“ oder der JA? Äußert er sich selbst extremistisch? Dann, so heißt es im Beamtenbund, drohten auch hier Disziplinarmaßnahmen.
Einige Innenminister machen klare Ansagen. „Ein Engagement von Beamten im ‚Flügel‘ der AfD kann disziplinarische Folgen haben“, warnt der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD). „Ich werde nicht zögern, die notwendigen Schritte im Rahmen einer Einzelfallprüfung einzuleiten.“ Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, Beamte, die „Flügel“- und JA-Mitglieder seien, gehörten überprüft: Ihre Verfassungstreue stehe „infrage“.
Andere dagegen zögern. Denn die Sache ist heikel: Schon einmal ließ der Staat seine Beamten auf Extremismus prüfen, mit dem „Radikalenerlass“ 1972. Der Protest war groß.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) warnt denn auch aktuell „vor einer Kapitulation der Demokratie“. Die AfD sei nicht verfassungsfeindlich, auch für den „Flügel“ oder die JA gelte dies gegenwärtig nicht. Eine rechtliche Grundlage, jemanden allein wegen dortiger Mitgliedschaft aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, gebe es daher nicht, so Stahlknecht zur taz. „Jemanden, der einem politisch unliebsam ist, einfach aus dem Dienst zu nehmen, ist rechtlich nicht zulässig. Und das ist nach zwei Diktaturerfahrungen in Deutschland auch gut so. Daher gilt es, die AfD argumentativ zu stellen.“
In Sachsen-Anhalt gab es dazu bereits einen Streitfall: Mario Lehmann, AfD-Abgeordneter und einst Polizeibeamter. Wiederholt fiel er im Landtag mit vulgären Ausfällen auf, nannte Geflüchtete „Fickificki-Fachkraft“ oder „hereingeholte Antänzer“. Aber auch hier fordert Stahlknecht Zurückhaltung: „Das Beamtenverhältnis von Herrn Lehmann ruht aufgrund seines Mandats derzeit. Auch wenn ich die Äußerungen für diffamierend und abstoßend halte, habe ich als Dienstherr dagegen keine Handhabe.“
Tatsächlich könnten Lehmann erst bei seiner Rückkehr als Polizist Disziplinarmaßnahmen treffen. Oliver Malchow, Chef der im DGB organisierten Gewerkschaft der Polizei, betont bereits: „Es ist höchst problematisch, wenn Beamte sich für eine Partei betätigen, die im Verdacht extremistischer Bestrebungen steht. Rechtstreue, Toleranz und Menschlichkeit sind Eigenschaften, die Kompass jeden Tuns von Polizeibeamten sein müssen, nicht nur im Dienst.“
Malchow fordert Polizisten in der AfD auf, sich von Höckes „Flügel“ zu distanzieren. Die Gruppierung sei europafeindlich, sie stelle „unappetitliche Bezüge zur deutschen Vergangenheit“ her. „Jeder Beamte, der auf die Verfassung schwört, hat sich an diesen Eid zu halten.“
Schule ohne Höcke
Auch die Personalie Höcke bleibt umstritten. Bis Herbst 2014 unterrichtete er in Hessen als Lehrer für Geschichte und Sport. Schon 2017 hatte sich der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) festgelegt: Er werde „im Rahmen seiner Möglichkeiten alles dafür tun, dass Herr Höcke nicht mehr Unterricht an einer unserer Schulen erteilen wird“. Höcke kritisierte daraufhin eine „Drohkulisse“ und Verletzung der „Fürsorgepflicht“ durch Lorz. Seine Beurteilungen als Lehrer seien „tadellos“. Lorz’ Sprecher versicherte der taz indes, an der Position des Ministers habe sich nichts geändert. Höcke habe ein Recht auf Rückkehr, aber nicht auf denselben Posten. Denkbar sei etwa die Schulverwaltung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde Höcke nicht mehr vor Schülern unterrichten.
Besonders hart griff der Staat bei dem AfD-Bundestagsabgeordneten Seitz durch, der vorher in Freiburg als Staatsanwalt arbeitete: Seitz wurde sein Beamtenstatus aberkannt. Auf Fotos, die Seitz im Wahlkampf nutzte, hatte er mit über den Arm gelegter Robe, weißer Krawatte und einer strafrechtlichen Gesetzessammlung posiert – eine Vermischung von Amt und politischem Meinungskampf. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, Seitz will auf allen Ebenen dagegen vorgehen. „Und wenn nötig, auch den Europäischen Gerichtshof anrufen.“
In der AfD wird die gesamte Diskussion durchaus mit Nervosität verfolgt. „Die Absicht ist, unsere Mitglieder, die im öffentlichen Dienst sind, einzuschüchtern“, sagt der Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, am Dienstag. Dafür werde der Verfassungsschutz instrumentalisiert. Rechtsaußen Höcke behauptete jüngst in einer Rede, er kenne Beamte, welche die Beschäftigung des Amtes mit der AfD scharf kritisierten. „Die kochen vor Wut, weil sie sich als neutrale Staatsdiener missbraucht fühlen.“ Und Parteichef Alexander Gauland gab zu: „Langfristig mache ich mir schon Sorgen, dass wir die Beamten verlieren.“
Das Prüfpapier aus Seehofers Innenministerium könnte die AfD-Funktionäre nun etwas beruhigen. Womöglich aber nur vorerst. Denn entscheidet der Verfassungsschutz, dass die AfD tatsächlich eine verfassungsfeindliche Partei ist, dann wäre die Schonzeit für die dortigen Beamten vorbei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen