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AfD-Bundesparteitag darf stattfindenNicht schön, aber richtig

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Dass der AfD-Parteitag zum Superspreading-Event wird, ist nicht auszuschließen. Dennoch ist es richtig, dass die Stadt Kalkar ihn jetzt genehmigt hat.

Parteiintern unter Beschuss: AfD-Chef Jörg Meuthen Foto: dpa

D ie Stadt Kalkar hat genehmigt, dass der Bundesparteitag der AfD am letzten Novemberwochenende in der dortigen Messe veranstaltet werden kann. Trotz Corona und Shutdown light. Das kann man furchtbar finden, weil man die AfD ohnehin für rechtsextrem hält, sich strengere Coronaregelungen wünscht oder befürchtet, dass der Parteitag zum Superspreading-Event werden kann.

Grundsätzlich aber ist es richtig, dass Ministerien und Behörden sehr genau prüfen, was wegen der Pandamie untersagt wird. Parteien sind wichtiger Bestandteil der Demokratie, stehen deshalb unter besonderem Schutz und haben besondere Rechte – auch in Zeiten der Pandemie. Das gilt für alle Parteien, die nicht verboten sind. Also auch für die AfD. Trotzdem muss einem nicht gefallen, dass ausgerechnet die Partei, die so gerne über die angeblich verkommene Parteiendemokratie hetzt, von dieser nun besonders profitiert. Aber auch das gehört zur Demokratie.

Dass der Parteitag nun aller Voraussicht nach stattfinden wird, ist trotzdem falsch. Denn natürlich geht von einem zweitägigen Treffen in einem geschlossenen Raum, zu dem 600 Delegierte und 150 Journalist:innen anreisen könnten, eine erhöhte Ansteckungsgefahr aus. Insbesondere weil in Kalkar wohl eine gehörige Anzahl von Coronaskeptiker*innen zusammenkommen wird, die von Schutzmaßnahmen wenig halten.

Dass die AfD anders vorgeht als CDU, Grüne und Linke, die ihre Parteitage entweder verschoben haben oder online abhalten, ist nur folgerichtig. Schließlich bekämpft die Partei die Coronamaßnahmen, viele AfDler:innen haben Zweifel an der Gefährlichkeit des Virus oder leugnen gar dessen Existenz. Schon eine ganze Weile versucht die Partei, der das Mobilisierungsthema abhandengekommen ist, an die Bewegung der Coronaskeptiker*innen anzudocken – bislang ohne großen Erfolg. Mit dem Parteitag, als Widerstand inszeniert, aber könnte sie in diesem Milieu Punkte machen.

Nicht ohne Grund hatte Parteichef Jörg Meuthen jüngst angekündigt, notfalls eine Genehmigung für den Parteitag einklagen zu wollen. Dies öffentlichkeitswirksam zu tun, diese Chance hat die Stadt Kalkar der AfD nun genommen. Dass die Partei nun gegen die Maskenpflicht am Platz, die Teil der notwendigen Auflagen ist, juristisch vorgehen will, dürfte auch damit zu tun haben.

Auch parteiintern ist das Bundestreffen ein wichtiges Zeichen. Durch den Parteiausschluss des Rechtsextremisten Andreas Kalbitz hat sich viel Unmut gegen einen Teil der AfD-Führung aufgestaut. Würde dieser Teil um Parteichef Meuthen und Vize Beatrix von Storch sich für eine weitere Verschiebung aussprechen, sähe das nach feigem Wegducken aus. Zumal sich Meuthen auch beim inhaltlichen Teil der Veranstaltung, der Verabschiedung eines Rentenkonzepts, mit seiner ursprünglichen Position nicht durchsetzen kann. Und der andere Teil hofft ohnehin auf eine Abrechnung.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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16 Kommentare

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  • Irgendwie gibt es da wenig Selbstschutz der Demokratie gegenüber der AFD. Demokratische Rechte für Antidemokrat*innen? Aber ja, vielleicht bekommen es bürgerliche Musterdemokrat*innen hin, nach der Weimarer Republik nun auch die Bundesrepublik abzuschaffen. Machtinteressen hierfür gibt es sicherlich ...

  • Kann man keinen virtuellen Parteitag abhalten?

  • Covidiotendemo: nicht schön und nicht richtig.



    Covidiotenparteitag: nicht schön aber richtig.

    Where is the difference?

  • Unser Rechtsstaat gilt auch für die AFD. Und wenn es die momentanen Coronaregeln hergeben, warum nicht. Ich muss ja Gott sei Dank nicht hingehen.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    "Nicht schön, aber richtig" scheint das deutsche lebensmotto zu sein.



    wenn es richtig ist, muss man aktuell: wälder roden, dörfer wegbaggern, autos und autobahnen bauen, pop-up-radwege wieder für autos freigeben, quer"denker" demonstrieren lassen usw..



    alles nicht schön, aber richtig.



    ist hier und heute vielleicht richtig immer das gegenteil von schön?

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Ja klar! Immer mehr Schulen müssen schliessen , aber der AfD wird mal wieder der Würfelzucker in den A........



    geblasen. Immer schön Zugeständnisse machen ,um schlimmeres ( angedroht) zu verhindern.



    Das hat mit Demokratie nichts zu tun.

  • "Grundsätzlich aber ist es richtig, dass Ministerien und Behörden sehr genau prüfen, was wegen der Pandamie untersagt wird." Der war gut. Ich glaube die Kulturwirtschaft ist da ganz Ihrer Meinung. ;)

    • @Karlheinz:

      Die Gastro schließt sich der Meinung an...

  • Massenhaft gegen Auflagen zu verstoßen war in Berlin und Leipzig ein geplantes Szenario, um die Hilflosigkeit und Schwächen des Rechtsstaates und der Demokratie offen zu legen. Wer etwas anderes in Kalkar erwartet, hat die rechten Strategien immer noch nicht begriffen.



    Was will die Stadt denn machen, wenn die Delegierten, oder nur einzelne Delegierte, gegen die (Masken-)Auflage verstoßen? Den Tagungssaal einer "demokratischen", nicht verbotenen, Partei mit der Polizei räumen? Delegierte an der Ausübung ihres demokratischen Rechts hindern und von politischen Entscheidungen ausschließen? Sämtliche Parteitagsbeschlüsse wären ungültig. ...



    Schmieröl für die Propagandamaschine, wie es sich nicht leichter herstellen lässt. Inklusive dem nächsten Gang nach Karlsruhe, um die Schwächen des "demokratischen Systems" aufzuzeigen. Inklusive einer flügelübergreifenden Solidarisierung, gegen das herrschende "System".

    In den Auflagen muss eine Zwangsquarantäne für sämtliche Teilnehmer an dieser Veranstaltung angedroht werden, falls gegen die Auflagen verstoßen wird. Was bei Bewohnern von Mietshäusern oder Mitarbeitern von Schlachtfabriken möglich war, muss erst recht bei bewussten und strategisch geplanten Verstößen einer "demokratischen" Partei möglich sein.

    • @Drabiniok Dieter:

      Zwangsquarantäne alleine nutzt nichts. Dann zahlen immer noch WIR deren Stunden an der Beatmungsmaschine! Der Gesellschaft unnötig solche Kosten auf zu bürden - alleine es in Kauf zu nehmen - ist asozial.

      • @danny schneider:

        "Antisozial" triffts evtl besser, aber: ja.

  • „Nicht schön, aber richtig“

    Sicher - Corona könnte ja schließlich auch ein wirksames Mittel im Kampf gegen Rechts werden. Die AfD muss es doch eigentlich nur wollen. Wer die alte Lust am Untergang wieder neu verbreiten möchte, sollte schon bereit sein, sie durch sich selbst vorzuleben, wenn er denn auch möglichst überzeugend damit rüberkommen will.

  • Für mich steht fest: kein Kontakt mit irgendjemandem, der der AfD nahe steht, mindestens bis Ende Dezember ;-D

    • @tomás zerolo:

      In welchem Jahr?

  • Einerseits ja, richtig, muss stattfinden können. Sicher.

    Nur: wie bitte lässt sich vor diesem Hintergrund rechtfertigen, dass man z. B. Restaurants und Theater schließt? Mir fehlt da spätestens die Verhältnismäßigkeit.

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Mein Vorschlag: Falls Maskenpflicht und Abstände nicht eingehalten werden den Parteitag kurz vor Schluß dicht machen und in eine abgeschlossene Seuchenstation - mit Feldbetten und Quarantäneärzten umwandeln. Das dann für die übliche Quarantänezeit von 14 Tagen...