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ARD-Doku über Gerhard SchröderMit Schröder auf dem Golfplatz

Gerhard Schröder ist mal wieder die Lachnummer der Nation. Aber ist es fair, alles, was in der Russlandpolitik misslungen ist, auf ihn zu schieben?

Außer Dienst? Gerhard Schröder feiert am Sonntag seinen runden Geburtstag Foto: Sven Wettengel/ndr

E s ist schwer, älter zu werden. Dafür, dass die Knie weh tun, muss man ja nicht erst 80 werden. Noch schwieriger ist es, in Würde zu altern. Also weder berufsjugendlich noch jetzt-ist-alles-egal.

Gerhard Schröder feiert am Sonntag seinen runden Geburtstag. Und man kann den Mann beglückwünschen, so offensichtlich privat glücklich, selbstzufrieden und äußerlich gesund in dieses hohe Alter gekommen zu sein.

Aus Anlass dieses Geburtstags ist eine Dokumentation erschienen, an der sich Deutschland gerade abarbeitet. Schröder sagt darin schrödermäßige Sätze, nennt Kevin Kühnert einen „Wicht“, weil der ihn aus der Ahnengalerie der SPD entfernt habe. Vermisst Professionalität in Annalena Baerbocks Außenamt. Wünscht sich mehr Realpolitik und weniger Moral. Spricht über angeblich freie Wahlen in Russland. So weit, so wenig überraschend.

Es ist richtig, sich immer wieder mit den Verfehlungen der deutschen Russlandpolitik auseinanderzusetzen, mit Schröders Rolle als Kreml-Lobbyist. Aber braucht es dafür eine Homestory vom Golfplatz?

Die Beschäftigung mit dem Ex-Kanzler, nicht nur in der TV-Doku, sondern auch in Dutzenden Artikeln über sie, hat einen Beigeschmack. Ganz so, als käme Schröder den Deutschen wie gerufen, als Buhmann für das eigene schlechte Gewissen.

Immer die gleichen Fragen

Es war ja nicht so, dass Schröder die Deutschen verführen musste, billiges russisches Gas zu kaufen. Es war der Wunsch der deutschen Industrie, und es war auch eine besonders deutsche Form der Vergangenheitsbewältigung. Mit dem, was die eigenen Väter an der Ostfront getan hatten, wollte man sich nicht auseinandersetzen, aber Versöhnung mit Russland, und dabei gleichzeitig gute Geschäfte machen, das war eine feine Sache.

Gerade ist ein Buch über die deutsch-israelischen Beziehungen erschienen, „Absolution?“, von Daniel Marwecki. Er zeichnet nach, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht das „Wunder der Vergebung“ sind, als die sie deutsche Politiker in Gedenkstunden gern überhöhen, sondern beiderseits das Ergebnis harter Interessenpolitik: Israel benötigte nach der Staatsgründung Waffen und Geld, Deutschland brauchte Israel, um als postfaschistischer Staat anerkannt zu werden.

Beim Lesen dachte ich, es würde sich lohnen, auch die deutsch-russischen Beziehungen mit nüchtern-analytischer Brille zu betrachten, statt einem der Selbstkritik unfähigen Ex-Kanzler die immer gleichen Fragen zu stellen.

Auch Merkels Russlandpolitik war verfehlt

Es ist jedenfalls einfach, sich über Schröder zu empören und Angela Merkels Beitrag zur verfehlten Russland- und Energiepolitik zu vergessen. Aber wie so vieles, gelingt Frauen auch das Altwerden in Würde besser. Gerade sitzt Merkel an ihren Memoiren, für einen zweistelligen Millionenvorschuss, wie kolportiert wird. Auch sie will ihren widersprüchlichen Nachlass verteidigen und hat bisher kaum Selbstkritik erkennen lassen. Sie stellt sich nur etwas geschickter an als ihr Amtsvorgänger.

wochentaz

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Die übermäßige Beschäftigung mit Gerhard Schröder sagt mehr aus über die Deutschen als über ihren Ex-Kanzler. Da wird in der Süddeutschen gejammert, es gebe keine Elder Statesmen mehr, und dann Wolfgang Schäuble herangezogen, nur weil der gern altersweise Interviews über die Demokratie an und für sich gab, nachdem er die Europäische Union an den Rand des Abgrunds geführt hatte.

Schröder dagegen: Man erwischt sich dabei, ihn sympathisch zu finden, wie er feixend wie ein Schuljunge durchs Land läuft, sich selbst für keine Provokation zu schade. Neben dem Golfplatz gibt es auch noch Besuche bei chinesischen Unternehmen, die Schröder als Grüßaugust eingeflogen haben. Etwa eine Firma, bei der Schröder in einen essbaren Teller beißt. Wie gut, dass ein deutsches Fernsehteam mitflog, um diesen Moment festzuhalten.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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29 Kommentare

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  • Über Merkel: "Aber wie so vieles, gelingt Frauen auch das Altwerden in Würde besser. ... Sie stellt sich nur etwas geschickter an als ihr Amtsvorgänger."

    Ist das so? Oder wird Merkel von den Medien und den Linken einfach mehr geschont, weil sie eine Frau ist und weil sie so eine menschliche Flüchtlingspolitik betrieben hat?

    Das große Paradox der Jahre zwischen 1998 und 2021 ist ja, dass ein SPD-Kanzler "rechts" (maskulin und wirtschaftsfreundlich) rüberkam, während die CDU-Kanzlerin mehr "links" erschien (unaufdringlich und flüchtlingsfreundlich).

    Frau Merkel zu kritisieren, gilt ja heute als "rechts", weil Linke das kaum tun und die CDU immer noch besoffen ist von der Ämterflut, die Frau Merkels Wahlerfolge ihr beschieden hat, obwohl sie das durch Aufgabe aller konservativen Werte der Partei erreicht hat.

    Die Folge ist auf beiden Seiten viele politisch Heimatlose, die als Wahlflüchtlinge umherirren und nicht wissen, wo sie ihr Kreuz machen sollen - haben doch erst SPD und dann CDU ihre Werte verraten und die Extremisten sind auch nicht so dolle.

    • @Gorres:

      Da sprechen sie ein paar gute Punkte an. Angela Merkel ist eigentlich super gestartet, doch dann kam nur noch Stagnatiom und Aussitzen. Das war bei Kohl genau so. 16 Jahre sind zu lange für dieses Amt. Da bleibt nur noch verbrannte Erde. Ganz gleich ob bei Mann oder Frau. Aber Schröder war von Anfang an ein selbstverliebter Schaumschläger dem es wichtiger war wie er sich vor "wichtigen" Leuten wichtig machen kann, als die Probleme in der Poitik anzugehen. Der Genosse der Bosse eben.

      • @Jungle Warrior:

        Nachtrag, weil mich das etwas zum Nachdenkem bringt.

        Mit Schröder hatten wir eigentlich schon damals so eine art Trump. Ein großer Zampano. Nur nicht ganz so schrill, aber in manchen Dingen sehr ähnlich.

        • @Jungle Warrior:

          Es sind sich aber viele einig, dass Schröders "Agenda 2010"-Reformen den Grundstein zur wirtschaftlichen Erholung Deutschlands gelegt haben, von der Angela Merkel dann profitierte.

          • @Gorres:

            Die Wirtschaftsbosse haben profitiert. Das ist richtig.

            • @Jungle Warrior:

              Angela Merkel natürlich auch. Aber sozial war daran irgendwie nichts. Ich bin selbst viele Jahre in der Zeitarbeit stecken geblieben. Ein wirtschaftlicher Erfolg war es aber allemal. Nur nicht für den arbeitenden.

  • Irgendwie machen doch alle diesen Hype aus, die die Sendung schauen, die Meinungen dazu diskutieren oder die Biografien kaufen bzw verschenken. Ich fürchte, dass irgendwer auch mich, vermutlich an Weihnachten, beglücken will mit Memoiren, die mich "null" interessieren, weil sie 'eher unterkomplex unkritisch' mit kritischen Inhalten "reüssieren" sollen, egal von wem verfasst.



    /



    Da lob ich doch die einfache Sprache zu einem einfachen Bedürfnis, das ist authentisch vom Ex-Kanzler, den seine Fußballkumpel "Acker" nannten (warum wohl?).



    youtu.be/0H4WGCL--...i=gQxSf3RJ7jmlAhZM



    /



    tus-talle.de/legenden-des-tus/

  • Je länger man die Doku schaut, um so sympathischer wird einem Schröder, denn im Gegensatz zu Scholz hat er natürliches Charisma.

    Bleiben werden die Mankos Putin und Hartz lV.



    Aber: Schröder zog nicht in den Irak-Krieg, was viel aufwiegt. Und: für die verfehlte Russlandpolitik sind viele andere Politiker und Industrielle mitverantwortlich, nicht zuletzt Merkel.

    Schröder als Paria der Partei zu behandeln ist deshalb kleinkariert von der SPD, da halb Europa Putin auf den Leim gegangen ist.

    Bleiben werden die wunderbaren Kirchenfenster des Malers Lüpertz, die Schröder in Hannover stiftete. Sie werden Bürger noch in Tausend Jahren staunen lassen.

    Schröder ist ein komplizierter und kluger Politiker mit großen Fehlern, dessen Verhalten und Politik in Bezug auf Russland und Putin noch entschlüsselt werden muss. Vielleicht liegt ein Schlüssel dafür im Tod seines Vaters in Russland. Auch Putin verlor Familienmitglieder im 2. Weltkrieg. Eine gemeinsame Basis um Frieden im Ukrainekrieg zu stiften, vielleicht.

  • Dieser Welt geht es immer besser und besser. Der Wohlstands index steigt fast überall. Das liegt aber garantiert nicht an den Politikern. Alle guten, von den ich weiß wurden recht schnell weggepuscht oder umgebracht. Wobei ich nicht sicher bin, ob die nicht auch durchgedreht wären, wenn sie länger dabei geblieben wären. Schröder war und ist genauso gefangen in seiner eigenen Realität wie wir alle.



    Mir fällt da immer Nigel Farage ein, zum Brexit gefragt. Er ärgert sich maßlos, denn der wäre ja wirklich ein Erfolg geworden (hier stimme ich mit ihm überein), wenn ja wenn nur die englischen Politiker so etwas wie Kompetenz besitzen würden.

  • Schröder ist die Lachnummer? Ist die Ampel exculpiert. Wird AfD ernstgenommen?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    SchröderIch:



    Ich. Ich. Wichtig.



    Wichtig. Wichtig. WichtIch.



    Wicht? Ich!

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      btw.: Um an die Un Wicht Ich Keit von Merkel und Schäuble zu erinnern, sollten keine Vergleiche mit Schröder benutzt werden.



      Die beiden stehen für sich.

  • Der letzte, wirklich sozial-demokratische Kanzler.

    • @Gambitus:

      Ob ironisch gemeint oder nicht - meine volle Zustimmung. Der Wandel von der Arbeiterpartei hin zu einer Partei der Arbeitslosen hat der SPD erkennbar nicht gut getan. Und wie zum Beweis steht die heutige SPD ohne Hartz IV bei weniger als der Hälfte der Wähler, die noch unter Schröder zu verzeichnen waren.



      Was an der heutigen Peinlichkeit als Putins Pausenclown nichts ändert.

    • @Gambitus:

      Satire bitte als solche kennzeichnen

      • @Jungle Warrior:

        sozial-dramatisch nach meiner Einschätzung,

        • @Martin Rees:

          Konservativer Sozialdemokrat:



          Fördern und fordern.

      • @Jungle Warrior:

        Streichungen dito. Nettizense via Modderatistas sollten schon mit offenem Visier hantieren! Woll



        Wennstes auch kopfschüttelnd nicht kapierst - isses wenigstens ✔️



        Besser is das.

        • @Lowandorder:

          Mein Beitrag ist auch über die Planke gegangen.

          Vielleicht ist es ja ein EDV-Problem?

          Sonst steht da dann ja immer etwas Kursives.

          • @Jim Hawkins:

            Hier stünde kursiv - nichts => ⛓️🪚

            Na Mahlzeit

            • @Lowandorder:

              Da sage ich mal als Schwabe:

              "Do kennsch jo auf dr Sau fud!"

              Vielleicht waren es die Russen?

    • @Gambitus:

      Ironie?

  • Schröder war der letzte gute Bundeskanzler ; er hat Deutschland vor der Teilnahme am Irakkrieg bewahrt , den die damalige Oppositionsführerin A. Merkel befürwortet hatte.



    Seine Reformen waren die letzten großen Reformen der Bundesrepublik und haben uns einige Jahre einen Aufschwung beschert , der seine Nachfolgerin 16 Jahre im Amt gehalten hat.



    Und mal ehrlich: Ist Kevin Kühnert neben den Schwergewichten der SPD, Brandt, Schmidt, H.J.Vogel, Rau nicht ein "Wicht"?



    Ich bin der SPD seit meiner ersten Wahl , der sgn. "Willy"-Wahl 1972 mehr oder weniger treu geblieben , Schröder war nicht der Schlechteste.



    Die Fernsehdokumentation zeigt unterhaltsam einen Ex-Bundeskanzler : " I did it my way !"



    Das sich Deutschland daran abarbeitet dürfte die Bedeutung der Sendung doch weit überschätzen und ich glaube nicht, das Schröder die Lachnummer der Nation ist .Er ist mit seiner Nibelungentreue zu Putin eher ein Ärgernis , dennoch hat die Ukraine ihn zu einem Vermittlungsversuch gebeten.

    • @Barthelmes Peter:

      In der Tat. Und im Vergleich des Amtierenden greift ihre Stellungnahme insbesondere!

    • @Barthelmes Peter:

      Btw zum ersten Absatz

      Lovando



      “Die Darstellung Irak-Krieg zu Schröder und Fischer ist schlicht falsch. Deutschland war entgegen ihrer Darstellung - Kriegspartei

      In seiner Irak-Entscheidung hat das BVerwG dies unmissverständlich klargestellt. Schröders und Fischers dreistes Öffentlichkeitsverhaltung - der sie hier unverständlicherweise immer noch auf den Leim gehen - sollte die Wiederwahl absichern.



      www.bverwg.de/210605U2WD12.04.0



      &



      “angeschrägter Bonmot am Rande =>

      ps der BE zum Urteil war mein viel zu früh verstorbener Weggefährte Freund und Kollege Dieter Deiseroth im Wehrdienstsenat.

      Die offene und klandestine Reaktion der Politik blieb nicht aus.

      pps Er durfte dieserhalb zweimal bei Angie “vorturnen“.!;)

      Da - wären wir gerne Mäuschen gewesen - 🙀🥳 - Woll

      always at your servíce“



      taz.de/Schroeder-D...m-Ersten/!5999311/

  • Der ist nicht zum Lachen, sondern zum Fremdschämen.

    • @Erfahrungssammler:

      Ja, der Kommentator ist wirklich unsagbar schlecht.

      • @mause tung:

        Ein schlechter Ex-Kanzler - die Leistungen/Verdienste des seinerzeit amtierenden dürfen ruhig kontrovers diskutiert werden (wie hier ja auch geschieht) - bringt auch keine besseren Kolumnen hervor.



        Besser man lässt es.



        HABEN WIR EIGENTLICH KEINE ANDEREN PROBLEME?!