piwik no script img

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Kreml nennt es „direkte Beteiligung“

Sprecher Dmitri Peskow äußert sich zur geplanten Panzerlieferung an die Ukraine. Kyjiw berichtet von erfolgreicher Abwehr nächtlicher Angriffe.

Die Entscheidung, der Ukraine schwere Kampfpanzer zu liefern, wird vom Kreml als „direkte Beteiligung“ an dem Konflikt gewertet Foto: Libkos/ap/dpa

Kreml-Sprecher: „Sehen, dass dies zunimmt“

Die Entscheidung westlicher Länder, der Ukraine schwere Kampfpanzer zu liefern, wird vom Kreml als „direkte Beteiligung“ an dem Konflikt gewertet. „In Moskau betrachten wir dies als eine direkte Beteiligung am Konflikt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag, einen Tag nachdem Berlin und Washington die Panzerlieferungen bekannt gegeben haben.

„Die Hauptstädte in Europa und Washington geben ständig Erklärungen ab, dass die Lieferung verschiedener Waffengattungen, einschließlich Panzern, in keiner Weise eine Beteiligung an den Kampfhandlungen bedeutet. Wir sehen das völlig anders“, sagte Peskow. „In Moskau wird dies als direkte Beteiligung an dem Konflikt aufgefasst, und wir sehen, dass dies zunimmt.“

Den Krieg erklären werde Russland trotzdem nicht, sagte Peskow. Russland nennt die Invasion in die Ukraine weiter „militärische Spezialoperation“, an ihrem Status werde sich nichts ändern.

Am Mittwoch hatte die Bundesregierung in Absprache mit anderen westlichen Verbündeten die Übergabe von Leopard-2-Panzern an die Ukraine verkündet. Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte später die Zusage im Interview. „Nein auf keinen Fall“, entgegnete Scholz auf die Frage, ob Deutschland damit zur Kriegspartei werde. (AFP/dpa)

Abwehr aller nächtlichen Angriffe

Die ukrainische Flugabwehr hat nach eigenen Angaben alle russischen Drohnen einer neuen Angriffswelle abgeschossen. 15 sogenannte Kamikaze-Drohnen seien allein über der Hauptstadt Kyjiw abgefangen worden, teilte die Militärverwaltung der Metropole am Donnerstag mit. Insgesamt habe das russische Militär 24 Drohnen auf Ziele in der Ukraine gelenkt. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Am Donnerstagmorgen wurde zudem wegen eines mutmaßlichen russischen Raketenangriffs erneut landesweit Luftalarm ausgelöst. (dpa)

Mehrheit findet Leopard-Lieferung richtig

Eine Mehrheit der Deutschen findet die Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine laut einer Umfrage richtig. In der an diesem Donnerstag veröffentlichten Forsa-Erhebung für RTL/ntv unterstützen dies 53 Prozent, 39 Prozent sind dagegen. In Ostdeutschland halten die Entscheidung 65 Prozent für falsch. Die Kluft ist zwischen Grünen- und AfD-Anhängern am größten: 83 Prozent der Grünen-Anhänger befürworten eine Lieferung, 86 Prozent der AfD-Anhänger kritisieren sie.

Insgesamt glauben nur 41 Prozent der Befragten, dass eine Lieferung westlicher Kampfpanzer die Ukraine in die Lage versetzt, Russland aus den besetzten Gebieten zu verdrängen. 43 Prozent wiederum befürchten, dass es zu einer militärischen Reaktion Russlands gegen Deutschland kommen könnte, im Osten sogar 59 Prozent. (rtr)

🐾 Kampfpanzerlieferungen in die Ukraine: Das Wendemanöver des Kanzlers

Olaf Scholz begründet im Bundestag, warum Deutschland doch Kampfpanzer nach Kyjiw liefert. Und versucht, die Angst vor einer Eskalation zu besänftigen. Eine Analyse von taz-Parlamentskorresponent*innen Anna Lehmann, Tobias Schulze und Stefan Reinecke.

Rüstungsindustrie staatlich fördern

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, dringt auf eine staatliche Förderung der Rüstungsindustrie, um den durch den Ukraine-Krieg erhöhten Bedarf an Waffen zu decken. „Wir müssen uns sehr schnell mit der Rüstungsindustrie zusammensetzen, um bei dem Ersatz für die Leopard-Panzer in die Produktion zu gehen“, sagt Hellmich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Wir müssen da durch Anschubfinanzierung und langfristige Abnahmegarantien zusammenkommen, weil es die Sicherheit unseres Landes erfordert. Es muss ja investiert werden, und es müssen zum Teil völlig neue Produktionsstraßen aufgebaut werden, weil die bestehenden ausgelastet sind. Das sind keine geringen Investitionen.“ (rtr)

Selenski fordert Langstreckenraketen und Kampfjets

Nur kurz nach der Entscheidung zur Lieferung von Kampfpanzern sehen sich Deutschland und die anderen Unterstützer der Ukraine mit neuen Waffenforderungen konfrontiert. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bat die Verbündeten seines Landes am Mittwochabend auch um Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge. Auf Deutschland kommt zudem offenbar die Anfrage eines europäischen Staates zu, die Lieferung von Streumunition zu genehmigen.

Am Tag der Zusage von Kampfpanzer-Lieferungen seitens Deutschlands und auch der USA sagte Selenski in seiner allabendlichen Videoansprache: „Je mehr Unterstützung unsere Helden an der Front von der Welt erhalten, desto schneller wird die russische Aggression beendet.“ Es sei wichtig, dass der Westen auch „die Lieferung von Langstreckenraketen auf den Weg“ bringe. Kiew und seine Verbündeten müssten zudem „unsere Zusammenarbeit bei der Artillerie ausweiten“ und die „Entsendung von Kampfflugzeugen“ ermöglichen.

Um die ukrainischen Truppen zu stärken, will ein europäisches Land zudem offenbar Streumunition zur Verfügung stellen – und Deutschland dafür um eine Liefergenehmigung bitten. Sein Land wolle die umstrittene Munition an Kiew liefern, sagte ein offizieller Vertreter des Landes in Washington. Seine Regierung habe die Lieferung bereits beschlossen und wolle nun nach der Zustimmung Deutschlands wegen dessen Produktionsbeteiligung ersuchen. Eine Entscheidung der Bundesregierung werde vermutlich einige Zeit brauchen, räumte der Vertreter ein. Er wollte ausdrücklich anonym bleiben und auch den Namen seines Landes nicht nennen lassen.

Streumunition ist international geächtet, weil mit ihr wahllos Menschen getötet oder verletzt werden können. Russland wird vorgeworfen, in seinem Angriffskrieg in der Ukraine auch Streumunition einzusetzen.

Der Vertreter des europäischen Landes sagte zu dem Liefervorhaben seiner Regierung, dass Streumunition inzwischen technisch weiterentwickelt worden sei „und der Kollateralschaden nicht mehr so groß“ sei wie beispielsweise in den 1940er und 1950er Jahren. Weder Russland noch die Ukraine gehören zu den rund 110 Unterzeichnerstaaten einer internationalen Konvention, mit welcher der Einsatz und der Transport, die Produktion und Lagerung von Streubomben verboten werden. (afp)

🐾 Alltag in Odessa: Im Schatten des Krieges

Keine Touristen, andauernd Stromausfälle: In Odessa sind die Folgen des Krieges spürbar. Dennoch wird geheiratet und gehandelt. Auch der Zoo ist offen. Eine Reportage von Bernhard Clasen und Thomas Gerlach.

Unesco-Entscheidung zu Odessa „politisch motiviert“

Russland hat scharfe Kritik an der Entscheidung der Unesco geübt, die Altstadt der ukrainischen Hafenstadt Odessa zum gefährdeten Welterbe zu erklären. Dieser Schritt sei „politisch motiviert“, erklärte am Mittwochabend das Außenministerium in Moskau. Eine Gruppe westlicher Staaten habe die Entscheidung erzwungen. „Sie war hastig vorbereitet und ohne Respekt vor den eigentlich hohen Standards der Unesco“, kritisierte das russische Außenministerium weiter.

Die Unesco hatte die Altstadt von Odessa am Mittwoch in die Liste des gefährdeten Welterbes aufgenommen, was unter anderem besseren Zugang zu technischer und finanzieller Unterstützung bedeutet. „Odessa, eine freie Stadt, eine weltoffene Stadt mit einem berühmten Hafen, die Filme, Literatur und die Kunst geprägt hat, steht nun unter verstärktem Schutz der internationalen Gemeinschaft“, erklärte Unesco-Generalsekretärin Audrey Azoulay.

Russland hatte die Aufnahme der Stadt am Schwarzen Meer in die Liste vergeblich zu verhindern versucht. Der Aufnahmeantrag sei aus Wikipedia abgeschrieben, argumentierte der russische Vertreter unter anderem. Außerdem habe die Ukraine selber Gebäude in Odessa zerstört. Die Stadt wurde seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mehrfach bombardiert, blieb aber weitgehend erhalten. (afp)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Wo ist der Exit?



    Es verging keine Woche, nachdem die Marder abgesegnet wurden, dass Selensky Leoparden forderte. Nun, nach deren Zusage vergeht nicht mal mehr ein Tag, nachdem er zusätzliche Waffensysteme fordert.



    Dieser Wahnsinn muss enden.



    Das Limit ist erreicht. Wir brauchen, vielleicht auch gerade jetzt, wo sich die Machtverhältnisse scheinbar angleichen, eine Exitstrategie. Die kann nicht Sieg heißen, sondern ein Verhandlungsangebot.



    Wir begeben uns mit der Panzerlieferung auf dünnes Eis.



    Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, schön und gut, ich bin allerdings nicht bereit, für Selensky zu sterben.

  • Wie es der Kremel nennt, ist doch zunächst nicht wichtig. Was sagt denn das Völkerrecht zu Panzerlieferungen und zur Ausbildung von Soldatinnen?

    Liebe Taz: Bitte erhellt uns.

    • @Zweitkorrektur:

      Ja, Viele meinen ja, der Kremel sei nicht wichtig.



      Interessante Sichtweise angesichts des Krieges.



      Wenn der Kremel also ernst macht, dann heben wir einfach einen Zettel in die Luft, auf dem Steht: das darfst Du aber gar nicht! Bätsch!



      Oder wohinter planen Sie sich dann zu verstecken?

  • was soll es denn anderes sein als "direkte Beteiligung"?

    • @beck jürgen:

      Es macht also überhaupt gar keinen Unterschied zu die Bundeswehr hinschicken?

      Falls doch, dann sollten wir beides doch bitte auch sprachlich noch differenzieren dürfen. Wer immer auf maximale rhetorische Eskalation drängt, verliert ziemlich bald die Fähigkeit reale Unterschiede auch ausdrücken zu können.

      • @O-Weh:

        wenn die bundeswehr eine patrone verschießt sind wir im krieg, kriegspartei... nicht beteiligt...

  • 》„Die Hauptstädte in Europa und Washington geben ständig Erklärungen ab, dass die Lieferung verschiedener Waffengattungen, einschließlich Panzern, in keiner Weise eine Beteiligung an den Kampfhandlungen bedeutet. Wir sehen das völlig anders“, sagte Peskow. „In Moskau wird dies als direkte Beteiligung an dem Konflikt aufgefasst, und wir sehen, dass dies zunimmt.“《

    Außenministerin Baerbock sieht es offenbar genauso, wenn sie vor zwei Tagen im European Council auf die Frage nach Panzerlieferungen erklärt: 》“This is why I’m not calling on your country, on other’s countries, saying why haven’t the Howitzers 2000 been delivered when Netherlands and Germany delivered them.

    “This ends nowhere. This ends only in dividing Europe. Therefore I have said already in the last days yes we have to do more to defend Ukraine, yes we have to do more on tanks. But the most important and crucial part is that we do it together and we do not do the blame game in Europe because we are fighting a war against Russia, and not a war against each other.”《

    www.theguardian.co...8a8f0868f0e7132fef

    "We are fighting a war against Russia" - was ist daran missverständlich?

  • "Selenski fordert Langstreckenraketen und Kampfjets"



    Nur weiter so. Langstreckenraketen, Kampfflugzeuge, Streumunition...



    Und Annalena Baerbock erklärt Russland schon mal vorsorglich den Krieg: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland..." [1]



    [1] www.welt.de/politi...gegeneinander.html

  • "Weder Russland noch die Ukraine gehören zu den rund 110 Unterzeichnerstaaten einer internationalen Konvention, mit welcher der Einsatz und der Transport, die Produktion und Lagerung von Streubomben verboten werden." - Und wie ist es mit Deutschland?



    "Für Deutschland unterzeichnete Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Abkommen", heißt es bei Wikipedia: de.wikipedia.org/w...Cber_Streumunition

  • "Selenski fordert Langstreckenraketen und Kampfjets"

    Wetten, daß er als nächstes dann Bodentruppen fordert?

    Erinnert irgendwie an das Märchen vom Fischer und seiner Frau:

    Die wollte auch immer mehr haben.



    Und hat dann am Ende alles verloren.

    • @Denkender_Buerger:

      Nur daß die Ukraine das alles unverändert seit bald einem Jahr fordert, da ist nichts mit immer mehr. Unsere Lieferbereitschaft ist es, die nur so nach und nach zunimmt - laut unserem Kanzler ja einer konsequenten und notwendigen Strategie folgend.

      Tatsächlich sind die Forderungen sogar zurückhaltender geworden, von einer Flugverbotszone ist schon lange nicht mehr die Rede.

      Und übrigens sind Kampfjets schon längst geliefert worden. Nur eben nicht "westlicher Bauart" - was ja aus unerfindlichen Gründen einen geradezu magischen Unterschied zu machen scheint.

  • 53% sind für Panzerlieferungen, 39% sind dagegen.

    Täglich liest man unterschiedliche Zahlen, was soll man da glauben. Liegt es etwa an der Fragestellung?

  • "...dass Streumunition inzwischen technisch weiterentwickelt worden sei „und der Kollateralschaden nicht mehr so groß“ sei..."

    Was soll man dazu eigentlich sagen?

    • @Nansen:

      Nichts mehr...



      Es fehlen die Worte!

    • @Nansen:

      Tabus werden derzeit massiv geschreddert - und das nicht zum Guten.

    • @Nansen:

      Pfui Deibel.

    • @Nansen:

      Wenn der Westen Streubomben liefert gehört er vor Völkergericht. Dass Putin alle Rechte mit den Füßen tritt kann nicht rechtfertigen, dass wir dies auch tun.