+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Putin schweigt zur Brücken-Explosion

Teile des Bauwerks sind am Samstagmorgen eingestürzt, in der Ukraine wird die Zerstörung bejubelt. In Cherson bereitet man Evakuierungen vor.

Die Brücke zur Krim brennt an einer Stelle lichterloh. Schwarzer Rauch breitet sich aus

Brand auf der Krim-Brücke: Inzwischen soll das Bauwerk aber wieder für den Verkehr freigegeben worden sein, heisst es von russischer Seite Foto: dpa

Russische Besatzer rechnen mit „schwieriger Zeit“ in Cherson

Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven bereiten die russischen Besatzer in dem von Moskau annektierten südukrainischen Gebiet Cherson die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor. Unter anderem seien die russischen Regionen Krasnodar und Stawropol zur Aufnahme von Kindern und Erwachsenen bereit, schrieb der Besatzungschef von Cherson, Wladimir Saldo, am Samstag in seinem Telegram-Kanal.

Ein anderer Besatzungsvertreter, Kirill Stremoussow, räumte im russischen Staatsfernsehen ein, seine Verwaltung stelle sich auf „eine schwierige Zeit“ ein. Zugleich sprach er mit Blick auf die geplanten Evakuierungen von „Erholungs-Einladungen“ russischer Regionen an Kinder, Eltern und Ältere. (dpa)

Kein Auftritt Putins geplant

Kremlchef Wladimir Putin wird nach offiziellen Angaben trotz der schweren Explosion auf der strategisch wichtigen Krim-Brücke in den nächsten Tagen nicht zu den Russen sprechen. Ein solcher Auftritt sei nicht geplant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge. Politische Beobachter hatten eine Ansprache des Präsidenten angesichts der schweren Schäden an der Brücke für wahrscheinlich gehalten. Zuletzt hatte Putin sich im Zuge der Annexion der vier ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja sowie der Teilmobilmachung in Russland an seine Landsleute gewandt. (dpa)

Krim: Spur führt nach Russland

Nach der Explosion einer Lkw-Bombe auf der Brücke zur annektierten ukrainischen Halbinsel Krim führt die Spur nach Ansicht der ukrainischen Präsidentschaft nach Russland. „Es ist erwähnenswert, dass der explodierte Lastwagen allen Anzeichen nach von der russischen Seite auf die Brücke fuhr“, erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak am Samstag.„Die Antworten sollten also in Russland gesucht werden“, fügte Podoljak hinzu. „Das alles weist eindeutig auf eine Spur nach Russland hin.“ (afp)

General Surowikin befördert

Der Befehlshaber der russischen Luftwaffe, General Sergej Surowikin, ist zum Kommandeur aller in der Ukraine kämpfenden russischen Truppen ernannt worden. Das teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Samstag mit. Damit ist zum ersten Mal offiziell ein einziger Kommandeur für die gesamte russische Truppe in der Ukraine zuständig.

Im Sommer hatte das Militär bekanntgegeben, dass Surowikin das Kommando über die russischen Truppen im Süden der Ukraine übergeben worden sei. Zuvor hatte Surowkin russische Truppen in Syrien befehligt. Ihm wird vorgeworfen, die brutale Bombardierung von Aleppo überwacht zu haben, bei der große Teile der zweitgrößten Stadt Syriens zerstört wurden. (ap)

Verkehr über die Brücke eingestellt

Eine Explosion und ein schwerer Brand haben die Krim-Brücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel schwer beschädigt. Mehrere Waggons eines Güterzugs standen am Samstagmorgen nach einer Explosion in Flammen. Die Fahrbahn ist an mindestens zwei Stellen eingestürzt. Das russische Zivilschutzministerium teilte mit, der Brand sei gelöscht. Es gab nach offiziellen Angaben keine Verletzten. Der Verkehr über die Brücke wurde eingestellt. Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete die Einrichtung einer Kommission an, die die Hintergründe des Vorfalls aufdecken soll.

In der Ukraine wurden die Bilder mit Jubel aufgenommen. „Krim. Die Brücke. Der Anfang“, schrieb der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Samstag bei Twitter. „Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurück.“ Podoljak sagte aber nicht explizit, dass die Ukraine verantwortlich sei für die Explosionen und den Brand auf der Brücke.

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ende Februar kam es mehrfach zu Explosionen auf der Krim mit schweren Schäden, darunter auf Militärstützpunkten. Die Ukraine hat immer wieder angekündigt, sich die Krim zurückzuholen. Die Militärführung in Kiew hatte auch einen Beschuss der Brückenanlagen angekündigt, sobald es die vom Westen gelieferten Waffen dafür gebe. Zuletzt kam es in der Region Kertsch, die auf der Krim direkt an die Brücke grenzt, immer wieder zu Zwischenfällen mit Drohnen, die explodierten.

Russland hat immer wieder betont, dass ein Angriff auf die Brücke ein klares Überschreiten der roten Linie sei. Der Machtapparat in Moskau drohte für den Fall mit Angriffen auf die Kommandozentralen in Kiew.

Russlands nationales Ermittlungskomitee teilte am Samstagvormittag mit, dass nach vorläufigen Angaben ein Lastwagen auf der Brücke explodiert sei. Das Fahrzeug kam demnach vom russischen Festland und fuhr in Richtung des Küstenorts Kertsch auf der Krim. Die Behörde erklärte nicht, wie ein einzelner Lastwagen Schäden eines solchen Ausmaßes angerichtet haben könnte.

Die Internetzeitung Ukrajinska Prawda berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Kiew, dass der Geheimdienst SBU hinter der Spezialoperation stecke. Der SBU bestätigte das nicht, veröffentlichte aber wie viele offizielle Stellen in der Ukraine in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von der brennenden Brücke – und stellte ein Gedicht dazu.

Die Behörden auf der Krim kündigten an, den Verkehr über Fähren und über den zuletzt in der Ukraine besetzten Landkorridor sicherzustellen. Es drohten keine Versorgungsengpässe, hieß es in der Krim-Hauptstadt Simferopol. Der Chef des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, meinte, „ukrainische Vandalen“ hätten die Brücke beschädigt. Das russische Energieministerium teilte mit, dass auch die Treibstoffversorgung ungeachtet des verbrannten Diesels gesichert sei.

Mit 19 Kilometern Länge gilt die Krim-Brückenanlage, die eine Autobahn und daneben eine Bahnstrecke hat, als längste Brücke Europas. Kremlchef Putin hatte sie selbst 2018 eröffnet und war auch in einem Zug gefahren. Passagierzüge rollen seit Ende 2019, Güterzüge seit Sommer 2020.

Die Sprecherin des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny teilte ein Video in den sozialen Netzwerken von dem Feuer und den Schäden – und kommentierte, dass es sich wohl um ein Geschenk zum 70. Geburtstag Putins handele. Der Kremlchef hatte das Jubiläum am Freitag in seiner Heimatstadt St. Petersburg begangen.

Der ukrainische Postchef Ihor Smyljanskyj kündigte im Nachrichtenkanal Telegram den Druck einer Sondermarke von der Brücke an. „Der Morgen war noch nie so ein schöner. Zu diesem Feiertag bringen wir eine neue Marke heraus mit der Krim-Brücke – oder vielmehr mit dem, was von ihr übrig ist.“ Zuvor hatte die ukrainische Post schon eine Briefmarke des zerstörten Kreuzers „Moskwa“ der russischen Schwarzmeerflotte herausgebracht. (dpa)

Serie von Explosionen in Charkiw

Eine Serie von Explosionen hat am frühen Samstagmorgen die ostukrainische Stadt Charkiw erschüttert. Rauchwolken stiegen auf, gefolgt von einer Reihe weiterer Explosionen. Bürgermeister Ihor Terechow erklärte auf Telegram, die Explosionen seien von Raketenangriffen im Stadtzentrum verursacht worden. Die Angriffe hätten Brände in einer der medizinischen Einrichtungen der Stadt und einem weiteren Gebäude ausgelöst. Dabei handele es sich nicht um ein Wohngebäude. Berichte über mögliche Opfer lagen zunächst nicht vor. (ap)

AKW Saporischschja von externer Stromversorgung abgekoppelt

Das russisch-besetzte Atomkraftwerk Saporischschja hat nach Angaben der staatlichen ukrainischen Kernkraftfirma Energoatom keine Verbindung mehr zur externen Stromversorgung. Zur Begründung verweist sie auf Beschuss. Die Anlage beziehe jetzt Strom zur Deckung ihres eigenen Bedarfs aus ihre Notfall-Dieselgeneratoren. Diese seien automatisch angesprungen. Das AKW war in den vergangenen Monaten mehrfach unter Beschuss geraten. Die Ukraine und Russland geben sich dafür gegenseitig die Schuld. (rtr)

530 Leichen in der Region Charkiw entdeckt

In der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine sind nach Angaben der ukrainischen Behörden in den vergangenen Wochen die Leichen von 530 Menschen entdeckt worden. Der stellvertretende Innenminister der Ukraine, Jewhenij Jenin, sagte am Freitag, bei den Todesopfern handele es sich um 225 Frauen, 257 Männer und 19 Kinder. 29 Leichen seien noch nicht identifiziert worden. Sie wurden seit dem 7. September in den von Russland zurückeroberten Gebieten der Region gefunden.

447 der Toten wurden nach Angaben von Jenin in einem Massengrab in der Stadt Isjim entdeckt. Forensiker hätten bei vielen von ihnen Hinweise auf einen gewaltsamen Tod gefunden, darunter auch Anzeichen von Folter: Seile um den Hals, gefesselte Hände, Schusswunden in den Knien und gebrochene Rippen. Insgesamt wurden in der Region Charkiw seit Beginn des Krieges nach ukrainischen Angaben 1350 Zivilisten getötet. Der Leiter der Ermittlungsabteilung der Staatspolizei in der Region Charkiw, Serhij Bolwinow, sagte, in den kürzlich befreiten Gebieten seien 22 Folterstätten gefunden worden.

In der kürzlich zurückeroberten Stadt Lyman wurden zwei Grabstätten entdeckt, eine davon ein Massengrab. Der Gouverneur von Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte am Freitag, an einer Stelle seien 200 Zivilisten in Einzelgräbern bestattet worden. In dem Massengrab könnten sich die Leichen von Zivilisten und Soldaten befinden, und die genaue Zahl der dort begrabenen Menschen sei noch nicht bekannt. Die Stadt wurde von den russischen Streitkräften zurückerobert, die sie monatelang besetzt gehalten hatten. (ap)

Kritik an Militärführung innerhalb Russlands wächst

Angesichts der Rückschläge ihrer Invasionsarmee in der Ukraine sieht sich die russische Militärführung nach Ansicht britischer Experten mit wachsender Kritik im eigenen Land konfrontiert. Zwar sei die politische Führung davon bislang ausgenommen, doch stelle das einen Trend öffentlich geäußerten Widerspruchs gegen das russische Establishment dar, „der wohl nur schwer umgekehrt werden kann“, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums zum Ukraine-Krieg am Samstag.

An der Spitze eines Pro-Krieg-Blocks werden demnach der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow und der Chef der Wagner-Söldnertruppe Jewgeni Prigoschin wahrgenommen, die sich für einen stärkeren Einsatz des Staates und eine größere Bereitschaft zur Eskalation des Konflikts einsetzten. Kritik komme aber auch von TV-Moderatoren, Popstars und einer „zunehmend lautstarken Gemeinde von ultra-nationalistischen Militär-Bloggern“, so die Mitteilung weiter.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (dpa)

Ukraine erhält Milliardenhilfe vom IWF

Die Ukraine bekommt vom Internationalen Währungsfonds (IWF) frische Milliardenhilfe aus einem neuen Programm zum Abfedern von Lebensmittel-Preisschocks. Der IWF-Rat billigte am Freitag die Auszahlung von 1,3 Milliarden Dollar (1,33 Milliarden Euro). Mit dem Geld sollten unter anderem die Einnahmeausfälle durch im Zuge des russischen Angriffskrieges weggefallene Getreideexporte ausgeglichen werden, teilte der Währungsfonds mit.

Für die ukrainische Wirtschaft werde in diesem Jahr ein Schrumpfen um 35 Prozent vorhergesagt und der Finanzierungsbedarf bleibe hoch, betonte der IWF. Zugleich lobte er die ukrainische Regierung dafür, dass sie unter diesen Umständen die finanzielle Stabilität aufrechterhalten habe.

Das neue IWF-Unterstützungsprogramm im Zusammenhang mit der Lebensmittelkrise war erst vor wenigen Tagen gestartet worden. (dpa)

Bundesverteidigungsministerin zu Besuch in Litauen

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist mit militärischen Ehren zu einem Besuch in Litauen empfangen worden. Ihr Amtskollege Arvydas Anusauskas begrüßte die SPD-Politikerin am Samstag vor dem Großfürstenpalast in der Hauptstadt Vilnius. Im Anschluss daran kamen die beiden Minister zu einem Gespräch zusammen, ehe sie sich zum Militärstützpunkt Rukla aufmachen wollten. Dort wollten sie auf dem Truppenübungsplatz Gaiziunai gemeinsam die erste Übung der deutschen Nato-Brigade zum verstärkten Schutz des Bündnispartners besuchen. Vorgesehen sind Gespräche auch mit der Einsatzleitung sowie mit Soldatinnen und Soldaten. Lambrecht war am Samstagmorgen in dem baltische EU- und Nato-Land eingetroffen und auch mit Regierungschefin Ingrida Simonyte zusammengetroffen.

Laut Angaben der Bundeswehr werden insgesamt 250 Soldaten der deutschen Nato-Brigade mit Ausrüstung an der Militärübung „Fast Griffin“ teilnehmen und mit litauischen Truppen üben. Es ist die erste gemeinsame Übung nach der im Juni erfolgten deutschen Zusage, eine Brigade nach Litauen an die Nato-Ostflanke zu entsenden. (dpa)

Oligarchen-Yacht in Hongkong vor Anker gegangen

Die Megajacht eines vom Westen sanktionierten russischen Tycoons ist in Hongkong vor Anker gegangen. Die „Nord“ von Alexej Mordaschow im Wert von mehr als 500 Millionen Dollar kam aus dem russischen Wladiwostok und legte die Strecke in mehr als einer Woche zurück. Mordaschow ist Hauptaktionär und Vorsitzender von Sewerstal, dem größten russischen Stahl- und Bergbauunternehmen. Sein Vermögen wird auf mehr als 18 Milliarden Dollar geschätzt.

Mordaschow wurde nach der russischen Invasion in die Ukraine im Februar von der EU, den USA und Großbritannien mit Sanktionen belegt. Vor europäischen Gerichten geht er dagegen vor. Ein Sprecher der Marinebehörde in Hongkong wurde von der Zeitung South China Morning Post mit den Worten zitiert, Hongkong sei nicht daran gebunden, von anderen Ländern verhängte einseitige Sanktionen umzusetzen.

US- und europäische Behörden haben mehr als ein Dutzend Jachten russischer Oligarchen beschlagnahmt um zu verhindern, dass sie in Häfen verlegt werden, in denen die Sanktionen nicht umgesetzt werden. Manche Jachten legten seither in türkischen Häfen an; die Türkei unterhält weiterhin Beziehungen zu Russland.

Die knapp 142 Meter lange „Nord“ verfügt über zwei Hubschrauberlandeplätze, einen Swimmingpool und 20 Kabinen. Die Jacht fährt unter russischer Flagge. (ap)

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