Putin formiert Oberkommando neu: „General Armageddon“

Der russische Syrien-Kommandeur und mutmaßliche Kriegsverbrecher Sergei Surowikin wird Chef der russischen Truppen in der Ukraine.

Portrait des russischen Generals Sergej Surowikin

Sergej Sorowikin Foto: Pavel Golovkin/ap

Ein mutmaßlicher Verantwortlicher für Kriegsverbrechen in Syrien soll jetzt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor dem Zusammenbruch retten. Am Samstag ernannte Russlands Präsident Wladimir Putin General Sergei Surowikin zum Oberkommandierenden der russischen „Spezialoperation“ in der Ukraine – das erste Mal, dass ein einziger General alle in der Ukraine eingesetzten russischen Streitkräfte führt.

Mit dieser Neuorganisation reagiert Putin auf die jüngsten Rückschläge Russlands, das seit Anfang September im Nordosten der Ukraine östlich von Charkiw sowie im Süden nördlich von Cherson die größten Gebietsverluste seit dem Scheitern des Angriffs auf Kiew Ende März hinnehmen musste und sich weiter auf dem Rückzug befindet.

General Surowikin, dem in sozialen Netzwerken Spitznamen wie „Kannibale“ und „General Armageddon“ gegeben werden, gilt als Hardliner. Der 55-Jährige war bereits 1991 am kurzlebigen gescheiterten Putsch des sowjetischen Geheimdienstes KGB gegen Reformpräsident Michail Gorbatschow beteiligt und schlug als Schützenkommandant Proteste dagegen nieder, indem er eine Straßenbarrikade samt den Menschen darauf niederwalzen ließ – „der einzige Offizier, der im August 1991 Schießbefehl erteilte und tatsächlich drei Menschen tötete“, wie der Moskauer Politologe Grigorij Judin auf Twitter schreibt.

Später kommandierte Surowikin nach Angaben von Menschenrechtsgruppen für Verbrechen verantwortliche russische Einheiten in Tschetschenien. 2017, als er bereits Oberbefehlshaber der russischen Luftstreitkräfte war, wurde er Kommandeur der russischen Einheiten in Syrien. Dort verantwortete er Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung in Rebellengebieten, etwa in Aleppo.

Der US-Analyst Charles Lister nennt ihn als Verantwortlichen für das vertraute Muster des syrischen Assad-Regimes, erst mit einzelnen Rebellengruppen „Deeskalationsabkommen“ zu schließen und dann umso gnadenloser die Bevölkerung bombardieren zu lassen. Aus der Syrienzeit stammt auch Surowikins Freundschaft mit Jewgeni Prigoschin, Chef der berüchtigten russischen Söldnertruppe Wagner. Prigoschin begrüßte jetzt die Beförderung der „legendären Figur“ Surowikin, „fähigster Kommandeur der russischen Armee“.

Zuletzt führte Surowikin die Ostgruppe der russischen Streitkräfte in der Ukraine, die einen der wenigen russischen Erfolge der letzten Monate erzielte: die Einnahme der Donbass-Stadt Sewerodonezk Ende Juni nach monatelangen Kämpfen mit Tausenden Toten.

Zerwürfnisse an russischer Militärspitze

Seine Ernennung erfolgte am Tag der Teilzerstörung der strategisch wichtigen Kertsch-Brücke zwischen Russland und der besetzten Krim vor dem Hintergrund von Gerüchten über tiefe Zerwürfnisse an der Spitze des russischen Militärs. Passend zum Syrien-Hintergrund des beförderten Generals hat Russland in der Nacht zu Sonntag schwere Luftangriffe auf die südukrainische Stadt Saporischschja geflogen, obwohl sie offiziell zum von Russland annektierten Gebiet gehört.

70 Häuser wurden beschädigt und mindestens 17 Menschen getötet, teilten die Behörden am Sonntag mit. Bereits am Donnerstag hatte die Stadt die schwersten russischen Luftangriffe seit Wochen erlebt; die Todeszahl dieses Angriffs stieg bis Samstag auf ebenfalls 17.

Am Montagfrüh flog Russland die seit langem schwersten Luft- und Raketenangriffe auf zivile Ziele in zahlreichen weiteren Städte in der Ukraine.

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