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Luftfilter an SchulenTeure Pandemiefolgen

Erlangen hat in der Pandemie viel Geld für Luftfilter ausgegeben. Jetzt stehen die Geräte rum und verursachen Kosten. Die Stadt will die Geräte loswerden.

Nach monatelangen Schulschließungen sollten Luftfilter helfen, Präsenzunterricht möglichst sicher zu machen Foto: Volker Herold/imago

Berlin taz | Die Stadt Erlangen in Franken steht vor einer schwierigen Entscheidung: Was soll sie mit den 766 Luftfiltern an Schulen machen, die aktuell nicht in Betrieb sind, aber hohe Wartungskosten verursachen? Mit dieser Frage befasst sich am Donnerstag der Bildungsausschuss der Stadt. Und damit mit der Frage, wie nachhaltig Staat und Kommunen mit den millionenschweren Investitionen umgehen, die während der Coronapandemie für die Gesundheit an Schulen ausgegeben wurden.

Bayern bezuschusste damals wie andere Bundesländer den Kauf von Luftfiltern an Schulen massiv. Auch der Bund stellte für die Anschaffung mobiler Geräte 200 Millionen Euro bereit. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), damals noch im Team Corona, rief im Sommer 2021 das Ziel aus, sämtliche Klassenzimmer im Freistaat mit Luftfiltern auszustatten. Wer mitzog, bekam 50 Prozent der Anschaffungskosten vom Land erstattet. An den laufenden Wartungskosten beteiligte sich das Land jedoch nicht mehr – das könnte sich nun rächen, wie das Beispiel Erlangen zeigt.

Die Stadt zog mit, stattete alle ihre Schulen im Jahr 2021 mit den High-End-Modellen 107 Trox TAP-SPC/L und 644 Trotec TAC M II aus, die damals mehrere Tausend Euro pro Stück wert waren. Insgesamt mehr als drei Millionen Euro investierte die Stadt mithilfe des Landes – doch nur vier Jahre später könnten die teuren Luftfilter entsorgt werden. Das jedenfalls legt ein Bericht der Stadtverwaltung nahe, die mehrere Optionen für den weiteren Umgang mit den Luftfiltern geprüft hat.

Das Ergebnis: Da weder verschenken (verbietet die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern) noch verkaufen (nach dem geringen Interesse bei Test-Auktionen keine Option) realistisch ist, bleibt eigentlich nur mehr die „fachgerechte Entsorgung aller Geräte“, sofern der Haushalt die Kosten von rund 115.000 Euro bereitstellt. Die Geräte einfach zu behalten, schließt die Stadt angesichts der jährlichen Wartungskosten im „6-stelligen Eurobereich“ offenbar aus. Nun, mit Ablauf der dreijährigen Zweckbindungsfrist für die Geräte, kann sich die Stadt den Posten sparen. Die Wartungsverträge hat sie bereits gekündigt.

Auch andere Viren werden rausgefiltert

Die bundesweite Initiative #ProtectTheKids, die sich seit 2021 für saubere Luft an Kitas und Schulen einsetzt, hofft auf ein Umdenken. Sie fordert Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) auf, die Luftfilter weiterhin in allen Erlanger Schulen, die nicht mit einer geeigneten raumlufttechnischen Anlage ausgestattet sind, betriebsbereit zu halten. Nicht allein wegen möglicher künftiger Pandemien: „Luftfilter filtern in Klassenzimmern auch effektiv Influenza-, RSV- oder Erkältungsviren heraus“, sagt Stefan Hemler von #ProtectTheKids der taz. Das sei unter Wis­sen­schaft­le­r:in­nen unstrittig.

Dass Luftfilter zur Kostenfalle für klamme Kommunen werden, hört Hemler derzeit häufiger. Die Versäumnisse sieht er in der Politik, die die Folgekosten für die Wartung der Geräte nicht von Anfang an mitgedacht habe. „Jetzt zeigt sich, wie kurzsichtig der Staat hier fördert.“

Das bayerische Kultusministerium sieht sich auf Anfrage nicht zuständig. Ob Luftreiniger nach dem Förderzeitraum weiter eingesetzt würden, sei Sache der Gemeinden, Städte und Landkreise. Für die Wartungskosten seien die Schulaufwands­träger zuständig.

Lehrerverbandschef Stefan Düll hat die Anschaffung der Luftfilter von Anfang an kritisch gesehen. „Aus meiner Sicht stehen Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis“, sagt Düll der taz. Seit Ende der Pandemie stünden die Geräte nur herum, auch an seiner Schule. Dass der Staat hier Millionen begräbt, hätte man kommen sehen können.

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15 Kommentare

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  • Ich gehöre auch zu denjenigen, die nicht glauben, dass die Geräte bei Nichtbetrieb hohe Wartungskosten verursachen müssen. Ich erinnere mich aber noch, dass während irgendeiner Flüchtlingswelle alles gekauft wurde, was man brauchte: Betten, Schränke, Bettzeug, Container und, und, und... Und als die Flüchtlinge dann untergebracht waren, wurde alles das bei Ebay verscherbelt. Ich habe damals die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, weil es doch völlig klar war, dass dies nicht die letzte Flüchtlingswelle war. Und natürlich standen wir bald darauf vor der Situation, das man sich fragte, woher nun Betten, Bettzeug, Schränke, Container und noch viel mehr genommen werden sollen, während Flüchtlinge wieder mal in mit Tüchern abgeteilten Turnhallen untergebracht wurden. Und nun dasselbe mit diesen Geräten. Es macht mich immer mehr wütend, wie dieser Staat mit unseren Steuergeldern umgeht!

  • Genial. Jetzt ist diese Errungenschaft da und man will sie wieder loswerden. Nur um dann in der nächsten Pandemie danach zu schreien?



    Denn die wird kommen. Die Wissenschaft ist sich eigentlich einig, die Frage ist nicht ob, sondern wann.

  • Damals hat man sich für die mobilen Dinger entschieden, da der Einbau (vom BAFA geförderter) dezentraler Anlagen "einer intensiven planerischen Vorleistung " bedürfe und "die Inanspruchnahme grundsätzlich stark abhängig von den zur Verfügung stehenden Personalressourcen" sei. Verständlich. Man hofft, dass die Stadt diese Personalressourcen nun aufbringen kann.

    766 dieser Dinger eingewickelt im Keller stehen zu haben schadet sicherlich auch nicht (man braucht aber einen recht großen Keller).

  • Wieso verursachen Luftfilter, welche NICHT in Betrieb sind, Wartungskosten? Kann das mal jemand erklären? Werden die Kommunen hier verarscht?

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich irgendwann herausstellt, dass es irgendendein CSU Politiker vom Hersteller der Luftfilter eine stattliche Summe erhalten hat.

  • Luftfilter muss man nicht gegen jeden Virus einsetzen. Zuviel Sauberkeit kann auch ein Problem sein, siehe Krankheiten, die in westlichen Ländern gehäufft auftreten.



    Aber wieso verursachen die weiterhin hohe Kosten? Die Kosten fallen im Betrieb und besonders beim Austausch und Entsorgung der Luftfilter an. Man könnte die doch auch mit zwei Sätzen neuen Luftfiltern einlagern, für später… Aber ja, dass ist vielleicht nur herausgeschoben…

    • @fly:

      Irgendwer verarscht die Schulen, bzw. das Amt. Luftfilter die nicht genutzt werden kosten keinen 6stelligen Betrag, da macht man ne Folie drum und stellt sie in Keller. Für 100.000€ würde ich meinen Keller zu Verfügung stellen und die Dinger auch noch kostenlos abholen.

  • 1. Während der Pandemie musste schnell gehandelt werden. Da war abzusehen, dass einige Investitionen fehlgeleitet werden oder ggf. nach der Pandemie nutzlos werden. Da ist jetzige Kritik wohlfeil.

    2. Die Dinger kosten Geld, ok. Aber: Dafür sind vielleicht Lehrer und Schüler weniger krank. Damit können Lehrer und Eltern häufiger arbeiten, die Schüler mehr lernen und das Gesundheitssystem wird entlastet. Wie sieht es dann aus mit Kosten/Nutzen?

    • @Peter Rabe:

      Lüften wäre mindestens genauso effektiv.

  • Das war abzusehen.



    Die Dinger hatten sowieso nur eine Aufgabe:



    Hysterische Eltern und deren Vertretungen ruhigzustellen.

    • @Dromedar:In:

      Ich fürchte, der Kern ist hier ein wahrer.



      Zumindest nahm auch ich es so wahr, dass Hilflosigkeitsgefühle von Mittel/Oberschichtseltern dieses falsche Ventil suchten und fanden.

  • "Dass der Staat hier Millionen begräbt, hätte man kommen sehen können."

    es ist nun einmal eine Binde, dass man solche zweckgebundenen Geräte, nach der Pandemie nicht mehr so wirklich gebrauchen kann.



    Das ist genauso, wie mit halb aufgebrauchten Medikamenten, die nach der Krankheit im Arzneischrank verbleiben, da jammert auch keiner....



    Hinterher klagen die Erbsenzähler, man hätte ja vorher alles schon wissen können und ausserdem, das viele Geld... ja richtig, aber Notmaßnahmen kosten nun mal auch wenn sie sich hinterher als unnütz herausstellen, waren sie richtig.



    Wenn man während der Pandemie erst einmal Studien beauftragt und Wirksamkeiten nachweisen will, um ja keine falsche Entscheidung zu treffen (sprich Geld auszugeben) na dann kann man es auch gleich laufen lassen und beobachten was passiert. Ist eh die beste Evidenz, so weiß man hinterher wenigstens, ob es sich gelohnt hätte einzugreifen.



    Eine gewisse Freihändigkeit in Notsituationen ist absolut wichtig, inkl. der Fehlertoleranz!

    • @nutzer:

      Es ist ja nicht so, dass die Geräte jetzt komplett nutzlos wären. Sie z.b. während einer Grippewelle wieder in Betrieb zu nehmen wäre sicher nicht verkehrt. ich würde eher empfehlen, die Wartungsverträge unter die Lupe zu nehmen - der Verdacht, dass da bei Nicht-Betrieb unnötige Dienstleistungen abgerechnet werden drängt sich auf.

  • Der Freistaat sollte es den Gemeinden einfach ermöglichen, die Geräte an Einrichtungen mit entsprechendem Bedarf zu spenden (gegen Selbstabholung).

    Warum es sinnvoll sein soll, sie weiter laufen zu lassen um auch andere Viren zu beseitigen, erschließt sich mir nicht.

    Weder in den Öffis noch sonst wo werden Viren rausgefiltert, dann kann man sich das in den Schulen auch sparen. Es wäre sinnvoller, das Geld für funktionierende Sanitäreinrichtungen in Schulen zu investieren.

  • Für einen Cent verkaufen?



    Wartezimmer von Arztpraxen? Medizinische Einrichtungen? Als Vorstufe bei Reinräumen? Für private Angstmenschen?

    Politisch immer fatal ist, wenn "Action" demonstriert wird aus Angst, der Untätigkeit geziehen zu werden, und teuer in Sackgassen gesteuert wird. Fehler machen wir alle, doch manche sind teurer und weniger nötig als andere. Hier hätten es z.B. die Masken ja auch getan.