piwik no script img

AfD-PodcastTiefe und Substanz nur unter Rechten?

Der neurechte Verleger Götz Kubitschek und der AfD-Abgeordnete Maximilian Krah diskutieren miteinander. Und die „Zeit“ steht applaudierend daneben.

Zu den brandgefährlichen Männern gehört auch Götz Kubitschek. Demonstration gegen Rechtsextremismus, Berlin, 3.2.2024 Foto: Carsten Thesing/imago

Auf ihrer Seite eins – prominenter geht es in der Printlogik nicht – lobt die Zeit derzeit einen AfD-nahen Podcast. In dem Podcast streitet sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah mit dem neurechten Mastermind Götz Kubitschek über die strategische Ausrichtung der AfD.

Der Zeit-Redakteur Robert Pausch zeigt sich beeindruckt, meint auch feststellen zu müssen, dass alle anderen Parteien nur Floskeln lieferten, und kommt zu der Frage: „Wie kann es eigentlich sein, dass strategische Diskussionen mit Tiefe und Substanz derzeit nur innerhalb der radikalen Rechten stattfinden?“ So steht es tatsächlich da: Tiefe und Substanz nur innerhalb der radikalen Rechten.

Der Zeit-Artikel hat viel berechtigte Empörung hervorgerufen. Tatsächlich fragt sich so einiges. Ist der Zeit der freundliche Blick über die Brandmauer nur unterlaufen, oder ist das Setzung? Wollte sie die anderen Parteien nur aufrütteln, oder ist sie, wie es im Netz diskutiert wird, der Faszination des Bösen erlegen? Und: Welcher Begriff von Debatte wird hier transportiert? Kann man da unabhängig von den Inhalten entspannt Noten verteilen?

In dem Podcast, der sich schnell im Netz findet, diskutieren Kubitschek und Krah darüber, wie der neorechte Elan aufrechterhalten werden kann. Nervös macht Krah nämlich der Showdown, vor dem die AfD steht: bald womöglich doch eine Regierungsbeteiligung irgendwo einerseits, ein öffentlich längst diskutiertes Parteienverbot andererseits.

Vor diesem Hintergrund überlegt Krah, wie möglichst viele AfD-Ziele, an denen er festhält, grundgesetzkompatibel durchgesetzt werden könnten, durch Verschiebung des Sag- und Machbaren nach rechts etwa. Das wenn auch nur instrumentell eingesetzte Systemkonforme daran hat wiederum Kubitschek irritiert. Er wittert Kompromisslertum und verteidigt knallharten rechten Aktivismus. Kurz: interner neorechter Talk. Pragmatische Wendigkeit (Krah) versus reine Lehre (Kubitschek).

Was soll daran vorbildlich sein?

Für AfD-Beobachter ist das nicht uninteressant. Aber so framed die Zeit den Podcast eben nicht, sondern als Vorbild für Grundsatzdebatten. Was soll daran vorbildlich sein? Die Ressentiments gegen Migration und Multiethnizität, in denen sich Krah und Kubitschek einig sind, sicher nicht. Aber die Leidenschaftlichkeit? Sich selbst hinterfragen Krah und Kubitschek dabei jedenfalls keineswegs.

Politik als Kampf, nicht als Suche nach gemeinsamem Boden über Unterschiede hinweg, die offene Gesellschaft als Feind, der Staat als Gegner – da kommen sie zusammen, und am Schluss hat man eh den Eindruck, dass sie sich im nächsten Podcast bei einem Motto wie „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ treffen werden.

Die für die Zeit günstigste Lesart besteht noch darin, dass sie öffentliche Diskussionen auch bei den anderen Parteien einfordern wollte – was ja nie falsch ist – und über das Ziel hinausgeschossen ist. Eine naheliegende und für sie ungünstige Lesart aber wäre, dass sie mal eben vergessen zu können glaubte, dass in diesem Podcast nicht nur die Inhalte reaktionär sind, sondern auch der Politik- und Debattenbegriff.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • "der Staat als Gegner"



    Habe den podcast gehört und kann diese Zuschreibung zumindest für Krah nicht entnehmen.



    Ein libertäres Staatsverhältnis (wie Milei oder Musk es haben), und was vom Gericht in Münster als möglichen Grund einer Staatsfeindlichkeit angesehen wird, wird von beiden als nicht AfD-typisch bezeichnet.



    Dieser Vorgabe könne die AfD laut beiden leicht entsprechen. (wörtlich: "niedriges Stöckchen")

  • Eigentlich muss man sich nicht wirklich wundern.



    Auch in der Weimarer Republik war es die bürgerlich-liberale Welt, die sich mehr vor links als vor rechts ekelte und damit den Rechten erst den Zugang zu den Salons und dann den Zugang zur Macht ebnete.

    Geschichte wiederholt sich immer als Farce - was besonders deutlich wird, wenn der Herr Pausch Herrn Krah nicht nur zuhört, sondern das dann auch noch gut und tief findet.

  • Ich will festhalten, dass der Link bei der Zeit auf einen Kommentar geht, und dementsprechend wohl auch so gelesen werden sollte.



    Es ist seine Meinung/Kommentar, und ob die Zeit diese so 100% trägt steht wieder auf einer andere Seite (Ah!).

    Aber was mich interessiert, weil ich es zufällig gesehen habe:



    taz.de/Robert-Pausch/!a36079/



    Was muss passiert sein, dass jemand vor 9 Jahren hier für die Taz geschrieben hat und am Ende die AFD feiert?

  • Wie tickt Krah?

    Mit Genoziden scheint der kein Problem zu haben. Ist das der ZEIT entgangen?

    Wiki: "Der chinesischen Staatsführung gratulierte Krah in einem Video zum 70. Geburtstag der Volksrepublik. Außerdem gratulierte er zum 70. Jahrestag der chinesischen Besetzung Tibets: „Sie feiern jetzt 70 Jahre Autonome Region Tibet, ich finde, Sie haben allen Grund dazu, stolz auf das zu sein, was Sie erreicht haben."



    Die Besetzung Tibets durch China kostete 1,2 Millionen Tibeter das Leben. Millionen flüchteten. Mittlerweile leben in Tibet mehr Chinesen als Tibeter. Tibet war einmal. Den Rest erledigt grade Xi.



    Zudem enorme Umweltschäden in Tibet und der Himalaya-Region angerichtet.



    Krah (und die AfD?) haben damit allem Anschein nach kein Problem. Das lässt auf einiges schließen.

    Berliner Morgenpost: Und "Taiwan hält Krah für einen Teil Chinas." So wie Tibet?

    Ja, so geht Krah.

    www.morgenpost.de/...-ich-in-China.html



    de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Krah



    www.welt.de/print-...n-den-Genozid.html

  • Wo wenig Substanz, da feiert sich das intellektuelle Schaumschlägertum. In Zeiten geistiger Leere meint man nun also, bei Antaios fündig zu werden. Viel haben sie nicht zu bieten, die Rechten. Das wirklich Konservative ist ihnen fremd. Doch halbgebildete Checkerkreisen finden es reizvoll, ein wenig dem (Fast)Verbotenen zu fröhnen, so dämlich und inhaltsleer es auch immer sein mag. Man darf sich so exklusiv jenseits des Mainstreams fühlen.

    Ich beobachte diese kokette Behämmertheit schon eine ganze Weile und sie geht mir gehörig auf den Keks. Die "Zeit" an sich ist nicht mehr lesbar und nur noch ein Schatten ihrer selbst. Einst relevant, geht sie bei uns mittlerweile getrost als Wurstblatt durch.

  • "so framed die Zeit"? Mit -ed? Ich tue mir ja schon damit schwer, dass das Partizip Perfekt mit -ed erlaubt wurde ("wurde geframed"), aber im Präsenz ist das hoffentlich immernoch falsch.

    • @decaflo:

      Lieber "umrahmt" oder "bettet ... ein". Klingt halt nicht so hip und fresh.

  • Es ist schon länger her, dass ich die ZEIT regelmäßig gelesen habe. Doch nun ist damit endgültig Schluss.

  • Ein bisschen wie die journalistische Entsprechung dazu, Serienmördern Liebesbriefe zu schreiben.

    Die Quellenangabe "findet sich schnell im Netz" gefällt mir auch sehr gut. Man muss nicht so willfährig allem eine Plattform bieten wie die Kollegen bei der ZEIT.

  • "Die für die Zeit günstigste Lesart besteht noch darin, dass sie öffentliche Diskussionen auch bei den anderen Parteien einfordern wollte"

    Das ist nicht die "günstigste Lesart", das ist ganz klar der Kontext dieses Artikels. Sorry, das kann man gar nicht mißverstehen, wenn mans nicht mißverstehen will.



    Der Artikel eröffnet mit dem Satz "Der rechtsradikale Verleger Götz Kubitscheck hat sich vor einigen Tagen mit dem rechtsradikalen Politiker Maximilian Krah über Sinn und Zweck rechtsradikaler Politik unterhalten". Da wird gleich zu Beginn eingeordnet, wo man diesen Podcast verortet.



    Der Artikel mag provokant daherkommen, da er den Rechten hier einen Punkt einräumt. Aber er legt den Finger genau in die richtige Wunde. Nämlich die fehlende tiefgründige Debatte über Visionen in den demokratischen Parteien, wie man sich zukunftsorientiert aufstellt. Welche Lehren man aus politischen Entwicklungen zieht und wie man strategisch dem Erstarken des rechten Randes entgegenwirkt. Momentan hat man meist das Gefühl, die Vision heißt "irgendwie durchwurschteln" und die Strategie gegen rechts heißt Dauerempörung. Dass der Artikel direkt zuvorderst Schnappatmung erzeugt unterstreicht das Dilemma.

  • Ich verstehe das nicht so, dass die Inhalte befürwortet würden oder der Faszination des Bösen gefrönt. Dass es der Rechten, angefangen bei Rechtskonservativen bis hin zur radikalen Rechten, hervorragend gelingt, sich zusammenzuschließen, gemeinsame Strategien zu entwickeln und Themen wirksam zu platzieren und in Agenden einfließen zu lassen, ist hoffentlich auch dem Verfasser dieses Artikels nicht entgangen. Seit Jahrzehnten wurde an entsprechenden Scharnieren gearbeitet. Und immer wieder entwickelte dies Wirkung (Asylkompromiss) und Außenwirkung. Die Lufthoheit über den Stammtischen und in vielen Kommentarspalten haben die vereinten Rechten schon und treiben die Politik vor sich her. Die Anschlussfähigkeit bzw. auch Übernahme verkürzter, monothematischer Antworten auf komplexe Problemlagen reicht bis in die Regierungsbank. Kulturelle Hegemonie par excellence.



    Das anzuerkennen tut weh. Aber den Überbringer der Nachricht zu köpfen ist gemeinhin falsch.

  • Die Folge einer „Zeitenwende":



    Die alte „Zeit" findet ihr Ende.