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Neuer UmweltministerQualifikation? Egal

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Carsten Schneider war nie Umweltpolitiker und wird trotzdem Chef des Ministeriums. Dabei wäre Fachexpertise hilfreich auf diesem Posten.

Fake it till you make, wenig gut wenn wirklich Ahnung wichtig ist Foto: Jens Kalaene/dpa

M it der Nominierung von Carsten Schneider als Bundesumweltminister setzt die SPD eine Unart der Politik fort: Fachlich weitgehend ahnungslose Parteifreunde übernehmen fachlich sehr anspruchsvolle Ministerien. Schneider war bisher Bundesbeauftragter für Ostdeutschland und hatte früher zum Beispiel Posten in der Bundestagsfraktion wie den des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers oder des haushaltspolitischen Sprechers inne. Als Fachmann für Umweltpolitik trat er nie in Erscheinung.

Umwelt- und Klimapolitik aber ist komplex. Sie ist von einem wissenschaftlichen Diskurs bestimmt und von starken Lobbygruppen wie dem Bauernverband umkämpft. Schneider kann sich in dieses Minenfeld einarbeiten. Aber das könnte dauern.

Abschreckendes Beispiel ist Cem Özdemir, der Agrarminister der Ampelkoalition. Auch der Grüne hatte vor seiner Kür fast nichts mit den Themen seines Ministeriums zu tun. Nach seinem Amtsantritt Anfang Dezember 2021 brauchte er Monate, um sich zu orientieren. Dann begann Ende Februar 2022 die russische Invasion der Ukraine; die Lebensmittelpreise explodierten. Damit konnte der Koalitionspartner FDP sämtliche kostenintensiven Umwelt- und Tierschutzinitiativen blockieren. Am Ende sah Özdemirs Bilanz äußerst mau aus. Das konnte auch seine beamtete Staatssekretärin, die anerkannte Agrarexpertin Silvia Bender, nicht ändern.

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Schneider bekommt das Umweltministerium wohl vor allem, damit der konservative Seeheimer Kreis der SPD und mehr verdiente Genossen aus Ostdeutschland im Kabinett vertreten sind. Solche „Qualifikationen“ reichen aber gerade jetzt nicht, weil das Umweltministerium im kommenden Kabinett mächtiger als in der Ampelkoalition sein wird.

Denn Schneider wird anders als seine Vorgängerin Steffi Lemke (Grüne) auch für den Klimaschutz zuständig sein. Doch vielleicht ist dem SPD-Politiker die Kritik an seiner mangelnden Qualifikation ja auch so viel Ansporn, dass er durch Extra-Engagement eine glänzende Amtszeit hinlegt. Aber das dürfte ihm schwerfallen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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4 Kommentare

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  • Bei flz.de



    "Die SPD hat am Montagvormittag ihre Mannschaft für die neue schwarz-rote Regierung im Bundestag der Öffentlichkeit präsentiert. Carsten Träger wird einer der parlamentarischen Staatssekretäre beim neuen Umweltminister Carsten Schneider."

    Und dann als Überraschung:



    "Der SPD-Politiker holt offenbar Jochen Flasbarth als Staatssekretär zurück. Für Landwirte ist Flasbarth ein rotes Tuch."



    Bei agrarheute.de



    Interessante Besetzungen.



    Flasbarth 2003 bei nabu.de:



    "Umsetzen, was ich früher nur fordern konnte“



    Ein NABU-Abschieds-Interview mit Jochen Flasbarth



    Ende Februar 2003 legte Jochen Flasbarth nach mehr als zehn Jahren als NABU-Präsident sein Amt nieder, um einen neue Position beim Bundesumweltministerium anzutreten. Bernd Pieper und Helge May sprachen mit ihm über seine neuen Aufgaben und über seine Zeit beim NABU."

  • "Dabei wäre Fachexpertise hilfreich auf diesem Posten"

    In der Tat, aber warum ist Robert dann Wirtschaftsminister geworden, ohne dass es Kritik gab - eher das Gegenteil?



    Ich erinnere nur and "Insolvenz usw"?

  • Warum wird kein Mitglied der FFF oder der Neuen Generation eingestellt?



    Okay, zugegeben. Hierarchie ist verpönt, im Gegensatz zur Anarchie. Geschenkt. Aber diese Leute haben weitaus mehr Ahnung als Carsten Schneider, dessen größte Umweltaktion das Aufsammeln einer Pfandflasche war.

  • Robert Habeck war nie Wirtschaftspolitiker und wurde trotzdem Chef des Ministeriums. Geht alles.