Neuer Umweltminister: Qualifikation? Egal
Carsten Schneider war nie Umweltpolitiker und wird trotzdem Chef des Ministeriums. Dabei wäre Fachexpertise hilfreich auf diesem Posten.
M it der Nominierung von Carsten Schneider als Bundesumweltminister setzt die SPD eine Unart der Politik fort: Fachlich weitgehend ahnungslose Parteifreunde übernehmen fachlich sehr anspruchsvolle Ministerien. Schneider war bisher Bundesbeauftragter für Ostdeutschland und hatte früher zum Beispiel Posten in der Bundestagsfraktion wie den des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers oder des haushaltspolitischen Sprechers inne. Als Fachmann für Umweltpolitik trat er nie in Erscheinung.
Umwelt- und Klimapolitik aber ist komplex. Sie ist von einem wissenschaftlichen Diskurs bestimmt und von starken Lobbygruppen wie dem Bauernverband umkämpft. Schneider kann sich in dieses Minenfeld einarbeiten. Aber das könnte dauern.
Abschreckendes Beispiel ist Cem Özdemir, der Agrarminister der Ampelkoalition. Auch der Grüne hatte vor seiner Kür fast nichts mit den Themen seines Ministeriums zu tun. Nach seinem Amtsantritt Anfang Dezember 2021 brauchte er Monate, um sich zu orientieren. Dann begann Ende Februar 2022 die russische Invasion der Ukraine; die Lebensmittelpreise explodierten. Damit konnte der Koalitionspartner FDP sämtliche kostenintensiven Umwelt- und Tierschutzinitiativen blockieren. Am Ende sah Özdemirs Bilanz äußerst mau aus. Das konnte auch seine beamtete Staatssekretärin, die anerkannte Agrarexpertin Silvia Bender, nicht ändern.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Schneider bekommt das Umweltministerium wohl vor allem, damit der konservative Seeheimer Kreis der SPD und mehr verdiente Genossen aus Ostdeutschland im Kabinett vertreten sind. Solche „Qualifikationen“ reichen aber gerade jetzt nicht, weil das Umweltministerium im kommenden Kabinett mächtiger als in der Ampelkoalition sein wird.
Denn Schneider wird anders als seine Vorgängerin Steffi Lemke (Grüne) auch für den Klimaschutz zuständig sein. Doch vielleicht ist dem SPD-Politiker die Kritik an seiner mangelnden Qualifikation ja auch so viel Ansporn, dass er durch Extra-Engagement eine glänzende Amtszeit hinlegt. Aber das dürfte ihm schwerfallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
AfD ist gesichert rechtsextrem
Entnormalisiert diese Partei!
Bundeskanzler in spe
Friedrich und sein Naziopa
Nach Einstufung der AfD als rechtsextrem
Grüne und Linke wollen AfD staatliche Gelder streichen
+++ Die USA unter Trump +++
Trump startet die Woche mit extremen Plänen
Youtube-Wettrennen „The Race“
Frauen können nicht gewinnen
Die neuen SPD-MinisterInnen
Lars Klingbeil und die Neuen