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„Friedensplan“ der US-RegierungPutin wird belohnt, die Ukraine aufgegeben

Kommentar von Barbara Oertel

Trump wollte den Ukraine-Krieg großmäulig innerhalb von 24 Stunden beenden. Mit seinem aktuellen Plan wirft er Russland die Ukraine zum Fraß vor.

Protest gegen die Außen­politik von US-Präsident Trump am Mittwoch vor den Toren von 10 Downing Street, London Foto: Frank Augstein/AP/dpa

W eit über hunderttausend Tote und Verletzte, schwerste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie gewaltsame Grenzverschiebungen: Der russische Präsident Wladimir Putin kann sich glücklich schätzen. Sein Angriffskrieg, mit dem er seit über drei Jahren das Nachbarland Ukraine nahezu täglich in Grund und Boden bomben lässt, zahlt sich also doch noch aus.

So und nicht anders muss der sogenannte Friedensplan der US-Regierung unter Donald Trump gelesen werden, der mit dem Begriff Kapitulation aus der Sicht Kyjiws wohl treffender umschrieben wäre. Washington erkennt Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim genauso an wie die partielle Besetzung der vier Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja.

Zum Dank für Moskaus freundliches Entgegenkommen, vielleicht doch einem Waffenstillstand zuzustimmen – spätestens nach 24 Stunden ohnehin schon wieder Makulatur –, gibt’s die Aufhebung der US-Sanktionen noch obendrauf nebst vertieften Wirtschaftsbeziehungen. Die Ukraine oder besser das, was von ihr übrig ist, wird den Europäern vor die Füße geworfen. Sicherheitsgarantien bitte, aber ohne uns!

Für Trump, in Sachen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ähnlich verwahrlost wie sein neuer Bruder im Geiste Wladimir Putin, ist das ein echter Deal. Hauptsache, man entledigt sich des lästigen Problems Ukraine. Wenn auch noch Dollar und Rubel rollen – umso besser.

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Dass Kyjiw diesem Kuhhandel nicht zustimmen kann, liegt auf der Hand. Denn es geht nicht nur um Territorien und Grenzen, sondern um Menschen. Sie aufzugeben, hieße Zigtausende Russland frei Haus ans Messer zu liefern. In den besetzten Gebieten werden Fakten geschaffen. Planmäßig treibt Moskau sein Ziel, alles Ukrainische zu vernichten, voran. Dazu gehören ein systematischer Bevölkerungsaustausch sowie schwerste Verletzungen der Rechte derer, die sich weigern, nach den neuen Regeln zu leben. Wer redet noch über die mehr als 20.000 Kinder und Jugendlichen, die in die entferntesten Regionen der Russischen Föderation zwangsverschleppt und zu Rus­s*in­nen umerzogen werden.

Hinzu kommt, dass die Chancen, die Verantwortlichen für die Gräueltaten juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, immer mehr schwinden. Und die westlichen Verbündeten Kyjiws? Schon lange macht der Begriff eines möglichen Diktatfriedens die Runde. Der könnte jetzt Realität werden. Ablehnung des US-Friedensplans, Solidaritätsbekundungen gegenüber der Ukraine – gut und schön. Doch das darf nicht die einzige Antwort bleiben.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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1 Kommentar

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  • Ich vermisse auch eine Antwort, die die Ukraine in eine Position der Stärke bringt, so dass sie Russland unter Druck setzen kann. Seh ich allerdings überhaupt nicht nirgends.



    Also was dann.