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Abstimmung im BundestagSag zum Abschied leise Nein

Am Dienstag soll das milliardenschwere Schuldenpaket im Bundestag verabschiedet werden. Mehr als 31 Abweichler darf es nicht geben.

Abstimmung verleiht Flügel? Es sei denn zu viele Abweichler zeigen Kralle Foto: IMAGO/IPON

Es ist nicht das erste Mal, dass Mario Czaja ausschert aus der Partei- und Fraktionsdisziplin. Der Noch-Bundesabgeordnete der CDU, der auch mal Generalsekretär war, hat das zuletzt im Wahlkampf bewiesen. Während die Forderung nach mehr militärischer Unterstützung für die Ukraine CDU-Parteilinie war, plakatierte Czaja „Mehr Diplomatie statt Taurus“ in seinem Wahlkreis im Osten Berlins. Er verlor das Direktmandat, an diesem Dienstag wird erst einmal seine letzte Bundestagssitzung sein.

Doch da steht er noch einmal im Rampenlicht: Czaja hat angekündigt, gegen das Hunderte Milliarden Euro schwere Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur zu stimmen, das Union, SPD und Grüne gemeinsam durch den Bundestag bringen wollen. „Wir versündigen uns an den nächsten Generationen“, sagt er.

Um die drei vorgesehenen Grundgesetzänderungen zu beschließen, brauchen Union, SPD und Grüne eine Zweidrittelmehrheit. Weil sie die im neuen Bundestag nicht mehr haben, soll der alte abstimmen. Hier reichen die Stimmen der drei Fraktionen, aber groß ist der Puffer mit 31 Stimmen nicht.

Wir versündigen uns an den nächsten Generationen

Mario Czaja, CDU

In der Union wird gegrummelt, auch weil Kanzlerkandidat Friedrich Merz und mit ihm die gesamte Union im Wahlkampf versprochen hatte, keine neuen Schulden zu machen. Auch in der SPD sind nicht alle damit einverstanden, dass nun so viel Geld in Aufrüstung fließen soll. Und wer mit der eigenen Parteispitze noch ein Hühnchen zu rupfen hat, dem bietet sich jetzt eine gute Gelegenheit. Auch die Grünen werden – trotz der weitreichenden Zugeständnisse von Union und SPD – nicht vollständig zustimmen.

Mindestens zwei Abweichler in der CDU

In der Union haben einige Abgeordnete Bedenken geäußert. Der Spiegel schreibt von sieben möglichen Abweichlern. Aber neben Czaja und dem Abgeordneten Jens Koeppen aus Brandenburg, der am Montag bekannt gab, nicht an der Abstimmung teilzunehmen, hat sich bislang niemand öffentlich bekannt.

Nach der Fraktionssitzung der Union am späten Montagnachmittag gab Merz sich „zuversichtlich“, dass die Zweidrittelmehrheit erreicht werde. Bei CDU und CSU rechne er mit „weniger als einer Handvoll“ Abweichler. SPD- Fraktionschef Lars Klingbeil sprach von einer kranken Kollegin und einer Nein-Stimme.

Während man in der Unionsfraktion um Zustimmung wirbt, machen vor allem Wirtschaftsliberale und Konservative an den Rändern der CDU Druck. So wirft der Historiker Andreas Rödder, Vorsitzender der Denkfabrik R21, Merz eine Rückkehr zur „Methode Merkel“ vor: Er adressiere Probleme mit viel Geld.

„Damit ist die Politikwende, die die CDU als Voraussetzung für eine erfolgreiche Regierung ausgegeben hat, im Grunde pulverisiert“, sagte Rödder, der die Präambel des CDU-Grundsatzprogramms mit erarbeitet hat, der Welt.

Mehr Zustimmung in der SPD

Bei der SPD war Ex-Juso-Chefin Jessica Rosenthal 2022 die prominenteste Stimme gegen das Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden. Sie hat 2025 das Direktmandat in Bonn verfehlt und scheidet aus dem Bundestag aus. Sie hat also nichts mehr zu verlieren. Jetzt sagt sie der taz: „Es geht darum, die Schuldenbremse erst aufzubohren und dann abzuschaffen.“

Deshalb wird sie am Dienstag mit Ja stimmen. Es gehe ja auch darum, endlich den Bundesländern Verschuldung zu erlauben. „Dafür haben wir als Linke so lange gekämpft.“

Ähnlich klingt es bei Ruppert Stüwe. Er hat 2022 gegen das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro gestimmt. Es war damals ein Votum gegen den SPD-Kanzler Olaf Scholz. Am Dienstag will der Berliner, der auch in der neuen SPD-Fraktion sein wird, für den nach oben faktisch offenen Verteidigungsetat des kommenden Kanzlers Friedrich Merz votieren. Warum?

Es gehe „diesmal in die richtige Richtung“, so Stüwe. Die Grundgesetzänderungen via 500 Milliarden für Investitionen würden „die Schuldenbremse aufweichen“. Außerdem sei mit der Union vereinbart, bis Ende dieses Jahres eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse anzugehen. Das sei beim letzten Sondervermögen, das nur der Rüstung diente, nicht der Fall gewesen. Stüwe verhandelt derzeit mit der Union über die Koalition in der AG Bildung mit.

Grüne eher entspannt

Bei den Grünen kündigte am Montagmittag die erste Abgeordnete an, mit Nein zu stimmen: Canan Bayram, bisherige Direktabgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg, die dem neuen Bundestag nicht angehören wird – und die schon in der Vergangenheit immer mal wieder gegen die Fraktionslinie abgestimmt hat.

In einer Erklärung schreibt sie, dass Investitionen in den Klimaschutz genauso von der Schuldenbremse ausgenommen werden müssten wie Verteidigungsausgaben. Eine solche Reform wäre auch mit den Mehrheiten des nächsten Bundestags möglich gewesen, meint Bayram. „Einer ‚provisorischen‘ Grundgesetzänderung, die nur für die kommende Bundesregierung finanzielle Beinfreiheit ermöglicht und damit den Druck für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse verringert, kann ich nicht zustimmen“, so die Abgeordnete.

Viel mehr Ab­weich­le­r*in­nen werde es neben Bayram aber nicht geben – diese Einschätzung teilen viele in der Fraktion. Und dass, obwohl es intern nach der Einigung auf die Grundgesetzänderung einige kritische Anmerkungen gab.

Karoline Otte, Grünen-Abgeordnete aus dem linken Flügel, sieht neben Schatten auch Licht – und will daher zustimmen. „Schwarz-Rot wollte mit seinen Haushaltsplänen Steuersenkungen für Superreiche finanzieren“, sagt sie. „Wir Grünen konnten das verhindern und sicherstellen, dass das Geld in Investitionen fließt, die der Breite der Gesellschaft zugutekommen.“ Dass es „schnell eine grundlegende Reform der Schuldenbremse“ brauche, sei dennoch klar.

Auch Frank Bsirske möchte am Dienstag zustimmen, anders als 2022 bei der Einrichtung des Bundeswehr-Sondervermögens. „Das Verhandlungsergebnis ist von unseren grünen Positionen meilenweit entfernt“, kritisierte er damals. Zur jetzigen Verfassungsänderungen sagt er: „Die Grünen haben erreicht, dass jetzt auch in den Klimaschutz investiert wird, und der Infrastrukturfonds ermöglicht es, den jahrzehntelangen aufgebauten Investitionsstau anzugehen.“ Zudem sei der Sicherheitsbegriff „deutlich erweitert“ worden. Anders als 2022 geht es nicht mehr rein um Militärausgaben.

Letzte Hürden: Gericht und Bundesrat

Viel spricht also dafür, dass es am Dienstag für eine Mehrheit reicht. Aber zuvor könnte das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben noch stoppen: Dort waren neue Eilanträge von Abgeordneten eingegangen, die die kurze Beratungszeit beanstanden. Eine Entscheidung stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Und dann muss auch der Bundesrat noch zustimmen, auch er mit einer Zweidrittelmehrheit. Zählt man die Stimmen der Landesregierungen mit Beteiligung von SPD, Union beziehungsweise Grünen zusammen, ist man bei 41 Stimmen – 5 zu wenig. Diese Lücke könnte Bayern mit seinen 6 Stimmen schließen, auch wenn die dort mitregierenden Freien Wähler Vorbehalte haben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aber hat bereits angekündigt, dass Bayern zustimmen wird.

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12 Kommentare

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  • Mit der CDU/CSU zieht eine " Politik " ala' " Bayrischer Komödenstadel " in Berlin ein. Es ist derart unwürdig, welch Schauspiel hier den Wählern schamlos und ohne jeglichen Respekt geboten werden soll.



    Nur noch unterirdisch, & an Dreistigkeit nicht mehr zu überbietende " Aufführung ". Eine Fehlinterpretation von Demokratie seitens der Legitimierten - den Bürgern gegenüber - wird hier durch diese Farce offenbart.

  • Der/die Abgeordnete ist doch nur seinem/ihrem Gewissen verpflichtet.



    Warum muss er/sie mit seiner/ihrer "gewissenhaften Stimmabgabe" warten, bis er/sie von der Partei/Fraktion nichts mehr erwarten kann oder will?

  • Dann ist Czaja wenigstens jemand, der tatsächlich die völlig irrsinnige Schuldenbremse richtig findet und nicht darauf gepocht hat, nur um Deutschland und dem politischen Gegner zu schaden. Das ist schon mal um Längen besser als Leute wie Merz, die skrupellos dem Land schaden, um an die Macht zu kommen.

    Generell kann man sagen, dass ein(e) "UmfallerIn" immerhin mit großer Wahrscheinlichkeit jemand ist, der tatsächlich seinem Gewissen folgt - so wie es verpflichtend im Grundgesetz steht. Das nötigt Respekt ab. Selbst wenn es, wie im Fall von Czaja, falsch ist.

    Schön auch, dass man von Frau Rosenthal wieder etwas hört. Leider scheidet sie aus. Denn sie ist/war eine der wenigen SozialdemokratInnen, die es noch in der SPD gibt.

  • Man muss sich an das Narrativ von „Wahlen, als Fest der Demokratie“ erinnern, um zu verstehen, was hier gerade versucht wird: Ein Staatsstreich gegen die repräsentative Demokratie. Die behauptet nämlich, dass mit jeder Wahl die Karten neu gemischt und verteilt werden, dass die WählerInnen damit über die zukünftige Regierungspolitik (mit-)entscheiden. Nun will eine nach den vorgezogenen Wahlen wahrscheinlich neue Regierungsmehrheit aus CDU/CSU und SPD mit den Mehrheitsverhältnissen aus dem alten Bundestag (CDU/CSU, SPD und Grüne) noch ein Finanzermächtigungsgesetz durchdrücken, dass für mindesten drei weitere Legislaturperioden Spielräume für Regierungspolitik neu definiert. Ohne Wissen um die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag wäre diese Allianz gegen die repräsentative Demokratie nicht vorstellbar.

    Ob dass Finanzpaket durchkommt und ob es dann noch positive Wirkung entfaltet ist alles andere als sicher. Sicher ist aber, dass das Vertrauen in die politischen Akteure sinken und am Ende vor allem die AfD profitieren wird.

  • Man kann nur hoffen, dass die Abstimmung scheitert.

  • Ja klar.... Grüne feiern die Ökologiepunkte. Mal ganz schlicht: Hätten die sowas wie ein Tempolimit durchgekriegt hätte ich mehr Respekt gehabt.

  • So wagemutig, seine Kanzlerschaft daran zu binden, dass er diese Hürde nimmt, ist Merz nicht. Er weiß, dass ihm dann ein Knockout droht, denn es sind noch nicht alle Rechnungen beglichen und alle Verletzungen ausgeheilt. Mit Kanzlermehrheit u. Richtlinienkompetenz straff u. stringent durchregieren, eine Illusion.



    Fast alle Ankündigungen für den ersten Tag u. die erste Periode seiner Kanzlerschaft liegen jetzt auch auf dem Verhandlungstisch u. in d. Waagschale.



    Opposition homemade:



    "Wir versündigen uns an den nächsten Generationen“, sagt Czaja

    "Die Art und Weise, wie und in welcher Höhe Staatsausgaben bzw. Staatsschulden begrenzt werden, hat starke Auswirkungen sowohl auf unseren Alltag als auch auf unsere Zukunftsaussichten und das Leben junger Generationen. Klar ist: „Eine zukunftsfähige Finanzpolitik lässt sich nicht von der Angst vor Staatsverschuldung leiten, sondern investiert in unsere Zukunft”



    www.exploring-econ...on-staatsschulden/



    Alternative:



    www.pro-medienmaga...ungsverantwortung/



    "gigantischen Militärhaushalts“ hält er für „fragwürdig“ und mit christlichen Werten nicht vereinbar."

  • "Mehr als 31 Abweichler darf es nicht geben." Jedenfalls nicht aus Sicht der herrschenden Politik. Aus den Reihen der Grünen werden sie kaum kommen, schließlich führt die CDU entgegen den dem Willen der Bevölkerungsmehrheit entsprechenden Lockrufen "so nicht weiter" deren Politik "weiter so" fort, insbesondere die des grünen Wirtschaftswunders mit seiner Umverteilung von unten nach grün und der Deindustrialisierung Deutschlands.

  • Es gibt ein Problem, dessen Sprengkraft in der Mischung aus Selbstüberschätzung und einem im Kern entpolitisierten Begriff von der eigenen (staatstragenden) Rolle als Abgeordnete, als Mandatsträger steckt:



    In Wahrheit kontrolliert niemand der Herrschaften Kraft eigener Wassersuppe, Selbstbesprechung und fortlaufender Verbreitung der Erzählung man bestimme es,



    wie sich die Dynamik entwickelt, dass ein bereits abgewähltes Parlament derart weitreichende, historische Entscheidungen trifft.



    Auch noch auf der Basis und unter Führung derjenigen Partei, die mit der Erklärung des kompletten Gegenteils ihr Wahlversprechen bestritt.



    Dies bedeutet im politischen Raum viel Ansatz und freie Radikale für Delegitimierung. Übrigens gerade und vor allem von Rechts. Möglicherweise ist dies der Giftpfeil, der im scheinbaren Umfallen der Konservativen steckt: Nun soll in der steten Verschiebung nach rechts-libertär, auch schon Merz für eine "linke CDU" stehen.



    Das bewirkt im politischen Kräfteverhältnis eine BEDEUTENDE Verschiebung nach rechts. Das ist materiell. Nicht bloß sone Ansichtssache.

  • Es geht ja doch auf Ostern zu. Zeit um die Eier ins Nest zu legen.

  • Dies ist mit unendlich vielen Risiken und Nachteilen behaftet. Die Zinsen werden den Haushalt noch enger machen und daher zu noch mehr Kürzungen im Sozialbereich führen. Damit der AfD noch mehr Wähler zutreiben. Und damit ziemlich sicher dafür sorgen, dass die AfD bri der nächsten Wahl a die Macht kommt. Und dann der AfD die Möglichkeit geben, mit einem noch zu 2/3 gefüllten Topf zu tun was immer die AfD Verrücktes tun möchte, Und mit einem unbegrenzten Topf für Militär, Nachrichtendienste, Cybersicherheit kann man auch eine Menge dummes Zeug anstellen. Und dass die AfD mit den verbleiben60 Milliarden im Klimatransformationsfond dann das Klima schützt, ist auch eher unwahrscheinlich.



    Und in Europa werden ab morgen alle so viel Schulden aufnehmen, wie nur eben geht. Merz wird ihnen das nicht mehr verbieten können. Und wenn dann der unvermeidliche Kollaps kommt, wird Deutschland zahlen dürfen.



    Dabei hätte es eine sichere und saubere Möglichkeit gegeben, die Sanierung der Infrastruktur zu bezahlen. Durch eine 5% Vermögenssteuer für die 500 reichsten Deutschen, Da die 1100 Mrd. € besetzen, hätte das 55 Mrd. € gebracht, mehr als 42 Mrd, die beim Infrastrukturpaket pro Jahr abfallen,

  • "Sag zum Abschied leise Nein" ....



    Schreit Nein, brüllt Nein ! Es ist für mich als Demokraten sozialdemokratischer Prägung unerträglich, dass zwei durch die letzten Bundestagswahlen abgestrafte Parteien, die SPD und die GRÜNEN mit dem abgewählten Bundestag Schulden durchdrücken wollen, an denen noch meine Enkelgeneration abbezahlen muss.



    Die Beratungszeit für Abgeordnete ist viel zu kurz gewesen, gestern Haushaltsausschuss, morgen Abstimmung, lupenreine Demokratie ist das nicht . Fritze Merz hat seine Wähler hinter die Fichte geführt, ein Großteil christdemokratischer Wähler dürfte ihm in Zukunft die Stimmen verweigern - ein Konjunkturprogramm für die AfD !



    Ärgerlich finde ich, das sei nur am Rande erwähnt, das Wording Sondervermögen für SCHULDEN ! Wenn ich bei der Bank einen Kredit aufnehme habe ich SCHULDEN und kein Sondervermögen, das müßten doch sogar Bundestagsabgeordnete ohne berufliche Ausbildung und Berufsleben in der real existierenden Wirtschaft begreifen.